Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll72. Sitzung / Seite 40

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Bereich konkrete Umsetzungen und fordern Sie auf, endlich zu handeln und sich in der Europäischen Union dafür einzusetzen und starkzumachen.

Ich sage Ihnen, auch die Europäische Union ist nicht ganz unschuldig an dieser Flücht­lingsproblematik, eine verfehlte Agrar- und Umweltpolitik in den letzten Jahrzehnten hat das Ihre dazu beigetragen. Allein die Richtlinie 2009/28/EG, die besagt, dass bis 2020 der Anteil der Biokraftstoffe auf 10 Prozent erhöht werden muss – diese Biokraftstoffe werden aus Palmöl, Mais oder Zuckerrohr hergestellt –, allein diese Richtlinie hat für viele Investoren zu einer Goldgräberstimmung geführt. Die haben in Afrika massen­weise Land gekauft. Dieses berühmte Land Grabbing, das Phänomen, dass man sich Land von Kleinbauern unter den Nagel reißt, hat mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das absolut verantwortungslos ist. (Allgemeiner Beifall.)

Allein im Südsudan, in Liberia und Indonesien haben Investoren in den letzten Jahren Flächen gekauft, die doppelt so groß sind wie Deutschland. Meine geschätzten Damen und Herren, die Kleinbauern, die dort ihre Existenz gefunden haben, wurden vertrie­ben. Nur 2 bis 3 Prozent konnten weiter auf den Plantagen arbeiten. Da brauchen wir uns doch nicht zu wundern, dass die Leute den Weg woandershin suchen, wenn wir ihnen in Afrika die Lebensgrundlage entziehen. (Abg. Korun: Das stimmt!)

Dabei geht es nicht nur um eine verfehlte Umweltpolitik, sondern auch um eine ver­fehlte Agrarpolitik. Wenn nämlich Europa die subventionierten Überschüsse wie Hühnerflügel, Innereien, gefrorenes Fleisch zu Spottpreisen nach Afrika liefert, die Leute dort dann nicht mehr konkurrenzfähig sind und die lokale Fleischproduktion nicht mehr leben kann, dann sind wir Teil der Ursache dieses Problems. (Beifall bei Team Stronach, FPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

Zusammenfassend möchte ich sagen: Europa kann es sich nicht so leicht machen. Wir müssen versuchen, den Menschen dort vor Ort eine Lebensgrundlage zu geben; wir müssen verantwortungsvoll mit den Ressourcen auch dort umgehen. Es ist nicht unser Recht, Afrika auszubeuten. Wir müssen schauen, dass kriminelle Schlepperorgani­sa­tionen bekämpft werden und dass im Notfall, wenn Menschen sich in ihrer Ver­zweif­lung ins Boot setzen und sich auf den Weg nach Europa begeben, Menschenleben gerettet werden. (Beifall beim Team Stronach sowie des Abg. Strolz.)

16.06


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Dr. Cap zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


16.06.29

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Die Medien sind ja voll mit Berichten „Die Toten von Garabulli“ – das ist ein Artikel im „Spiegel“ gewesen, in dem ein Schlepper zitiert wird. Er hat Folgendes gesagt:

„,Wenn du die Toten in den libyschen Gewässern von zwei oder drei Wochen zählst, kommst du auch auf 800. Die tauchen in keiner Statistik auf. Aber die EU zeigt sich schockiert, wenn 800 auf einmal umkommen?‘ Er lacht noch lauter.

,Allein in Suwara haben wir mehr als 50 000 Afrikaner und Syrer, und auf der tunesi­schen Seite warten noch dazu viele Marokkaner und Tunesier. ()‘“

So könnte man den Artikel fortsetzen. Das beweist, dass es in Wirklichkeit nicht um Kriegsflüchtlinge geht, sondern dass auch Armut ein Hintergrund ist sowie eine Fehlverteilung von Reichtum und wirtschaftlichen Möglichkeiten.

Es haben einzelne Redner und Rednerinnen schon vorher angedeutet: Da geht es nicht nur um die Handelspolitik der Europäischen Union. Da geht es auch darum, dass dort Diktaturen am Leben erhalten werden, die die Ressourcen, die Energie, die Roh-


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