Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung, 20. Mai 2015 / Seite 72

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Darin kommt zum Ausdruck, dass die Mitgliedstaaten füreinander einstehen, wenn einer von ihnen in eine Notsituation gerät.

Wie steht es nun aber um diese Solidarität, wenn es sich um eine finanzielle Not­situation eines Mitgliedstaates handelt? Gilt dann das alte Sprichwort: Beim Geld hört die Freundschaft auf! Wir von der ÖVP vertreten zur Solidarität auf nationaler Ebene die Auffassung, dass Eigenvorsorge und staatlich verbürgte Solidarität im Gleich­ge­wicht sein müssen. Solidarität darf ganz einfach keine Einbahnstraße sein. Uns ist nicht nur die Solidarität mit jenen wichtig, die soziale Leistungen in Anspruch nehmen müssen, sondern auch mit jenen, die soziale Leistungen finanzieren und erbringen.

Der Einzelne darf von der Gemeinschaft immer nur das fordern, was er aus eigener Kraft nicht leisten kann. All das können Sie übrigens im aktuellen ÖVP-Parteiprogramm nachlesen – eine Lektüre, die ich Ihnen nur empfehlen kann, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Dieses Verständnis von Solidarität darf aber nicht nur auf die nationale Ebene be­schränkt werden. Auch auf europäischer Ebene gilt, dass es keine grenzenlose Solidarität gibt, wobei natürlich diese Grenzen nicht immer leicht zu ziehen sind. Klar ist aber, dass auch die europäische Solidarität keine Einbahnstraße sein darf. Befindet sich ein Mitgliedstaat in einer finanziellen Notsituation, dann geht es nicht nur um die Solidarität mit diesem Staat, sondern es ist von diesem Staat auch eine Solidarität mit den zahlenden Mitgliedstaaten zu erwarten. Damit meine ich ein solidarisches Ver­halten des notleidenden Staates, indem nicht nur auf finanzielle Unterstützung gewar­tet wird, sondern auch die notwendigen innerstaatlichen Reformen umgesetzt werden und ein stringenter nachhaltiger Sparkurs verfolgt wird.

Daraus wird deutlich, dass die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten nicht ohne entsprechende Regeln funktionieren kann, die man etwa braucht, um ihre Grenzen abzustecken. Als Juristin sage ich: Vertrauen ist gut, aber klare Regeln sind natürlich noch besser. Und sie beruhigen ganz einfach ungemein. Klare Regeln sind deshalb auch unerlässlich, weil Unklarheiten immer wieder Misstrauen erzeugen. Die Euro­päische Union kann aber nur dann funktionieren, wenn zwischen den Mitgliedstaaten nicht Misstrauen, sondern Vertrauen herrscht.

Klare Grenzen der Solidarität wurden zum Beispiel im Sozialbereich gesetzt. Es gibt zwar ein Recht auf Freizügigkeit, aber kein Recht auf Einwanderung in die nationalen Sozialsysteme. So weit geht die Solidarität eben nicht. Das hat auch der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache „Dano“ klargestellt und damit auch viel Misstrauen ausgeräumt.

Es spricht auch nichts dagegen, über Regeln betreffend ein europäisches Insolvenz­recht für Mitgliedstaaten nachzudenken, auch wenn dies ohne Zweifel ein sehr schwieriges und langwieriges Unterfangen sein wird. Aber das ist für die Europäische Union in Wahrheit ja nichts Neues. Solche Herausforderungen hat sie oft zu meistern und meistert sie auch mit Erfolg. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

11.04


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Hübner zu Wort. – Bitte.

 


11.04.24

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Karl, Sie haben zur Euro­päischen Union und zu Europa gemeint, das wäre eine Schicksals- und Wertege­meinschaft. – Das ist allenfalls ein Viertel der Wahrheit. Im Wesentlichen ist die Euro­päische Union keines von beiden, sondern eine Willensgemeinschaft. Sie existiert


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