Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll73. Sitzung, 20. Mai 2015 / Seite 77

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Der Chef der EZB ist nicht demokratisch dazu legitimiert, die EU zu führen, und auch die Tatsache, dass die Schuldnerländer in der EZB die Mehrheit haben, lässt nicht gerade auf eine zukunftsweisende Politik schließen.

Die EZB betreibt in Wirklichkeit die Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union, weil die einzelnen Mitgliedstaaten nicht entsprechend handeln. Die können sich oft nicht einmal mehr auf dem Markt platzieren. Deshalb kauft die EZB Staatsanleihen. Und das wiederum heizt die Spekulationen an.

Die größten Förderer der Spekulanten sind also in Wirklichkeit europäische Kanzler und Premierminister genauso wie unser Bundeskanzler Werner Faymann, die eben nicht in der Lage sind, eine gescheite Wirtschaftspolitik zu betreiben. (Beifall beim Team Stronach.)

De-facto-Pleiten haben wir schon einige erlebt, aber de jure werden sie einfach nicht zugelassen, weil das politisch nicht erwünscht ist. Deshalb gibt es auch bis heute kein staatliches Insolvenzrecht – und ich fürchte, das wird auch so bleiben.

Noch vor einiger Zeit hörte man von der damaligen österreichischen Finanzministerin, dass Griechenland das Potenzial hätte, ein gutes Geschäft für Österreich zu werden; wahrscheinlich genauso wie die Hypo Alpe-Adria-Bank. Auch Schäuble und Merkel haben immer wieder davon gesprochen, dass Deutschland alles auf Heller und Pfennig zurückbekommen würde. – Heute weiß man, wie weit weg diese Politiker von der Reali­tät leben.

Griechenland hat 320 Milliarden € Schulden, davon 240 Milliarden € aus öffentlichen Geldern. Das heißt, bei Ausfall zahlen natürlich die Steuerzahler der anderen Länder. Griechenland ist aber nicht das einzige Land. Man denke an Italien, wo die EZB um rund 100 Milliarden € Staatsanleihen gekauft hat.

Für Griechenland gibt es in Wirklichkeit nur eine Lösung: Das Land scheidet aus der Eurozone aus, wertet drastisch ab und gewinnt nach einer heilsamen harten Zeit wieder an Wettbewerbsfähigkeit. – Das will man aber politisch nicht zulassen. Es gibt auch nicht einmal eine Ausstiegsmöglichkeit, und das ist natürlich völlig falsch. (Beifall beim Team Stronach.)

Der Hamburger Volkswirt Reinhard Crusius schreibt treffend: „Die ,Unwiderruflichkeit‘ des Euro-Vertrages ist Produkt eines schlechten Gewissens.“ – Schlechtes Gewissen deshalb, weil man von Anfang an ein „Konstrukt“ geschaffen hat, das so einfach nicht funktionieren kann. In Wirklichkeit hätte der Euro eigentlich erst dann eingeführt werden dürfen, wenn es „juristische, ökonomische und organisatorische“ Regeln für Staatspleiten und für Vertragskündigungen gibt. Aber das gibt es bis heute nicht.

Es ist außerdem eine fatale Illusion, zu glauben, dass Milliardenkredite Sicherheiten schaffen und Staaten nicht pleitegehen können. Selbiges gilt auch auf nationaler Ebene.

Daher auch unser Appell: Wir brauchen dringend Regeln für Staatspleiten und ebenso für Bundesländer-Pleiten. Es braucht ein Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften, damit pleitegehen kann, was pleitegehen muss. Nur so kann das Land wieder gesund werden. (Beifall beim Team Stronach. – Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen.)

Der Markt – ich komme schon zum Schlusssatz – ist oft gerechter und menschlicher als diese falsch verstandene Solidarität, die aufgezwungene Solidarität, die in Wirklich­keit zu einem neuen Hass unter den Völkern Europas geführt hat. – Danke. (Beifall beim Team Stronach.)

11.22

 


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