Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung / Seite 61

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benheiten am besten kennen, reden, diskutieren, etwas ausstreiten zu können. Wer sonst, wenn nicht die Kommunalpolitiker dieses Landes haben diesen direkten Bezug?

Wenn das nicht gelingt, dann müssen wir mit diesem Durchgriffsrecht etwas in der Hand haben – dass wir uns nicht gegenseitig leidtun oder die Schuld zuschieben –, ein Instrument zur Verfügung haben, um zusätzliche Quartiere zu schaffen. Daher bitte ich Sie in dieser Diskussion um Zustimmung. Sie ist für uns wichtig, um zu zeigen, dass in Österreich beim Empfang von Menschen, die alles riskiert haben, um vor einem Krieg zu flüchten, keine Stacheldrahtzäune errichtet werden, sondern anständige Quartiere be­reitgestellt werden. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS.)

11.21


Präsidentin Doris Bures: Danke, Herr Bundeskanzler.

Ich erteile Herrn Vizekanzler Mitterlehner das Wort. – Bitte.

 


11.22.01

Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Vizekanzler Dr. Rein­hold Mitterlehner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Re­gierungskollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer heute früh Radio ge­hört hat, wird schon bei den Verkehrsmeldungen vernommen haben: 30 Personen ste­hen auf der Autobahn. Der Sprecher hat gesagt, das Thema Flüchtlinge wird uns län­ger verfolgen.

Wer gestern beim Gedenkgottesdienst war und auch die Ereignisse der letzten Tage mitverfolgt hat – 71 Tote, aufgefunden in Parndorf –, wer gestern die Bilder der über­füllten Züge gesehen hat, die jetzt auch durch Österreich fahren und uns am West­bahnhof genau mit denselben Bildern konfrontieren wie in Mazedonien, der hat wohl eines bemerkt: Wir können ein Problem nicht – in Richtung Fernsehbilder – woanders hinzitieren oder beschränken, wir können uns nicht wegducken, das Thema ist da. Das Thema müssen wir auch aufgreifen und sollten wir lösen.

In diesem Zusammenhang diskutieren wir heute über Durchgriff, über Verfassungsän­derung, über Strategien, über vieles andere mehr. Ich glaube aber, es ist umso wich­tiger, dass wir uns, bevor wir das überhaupt tun, vor Augen halten, worüber und vor al­lem über wen wir reden. Wir reden nicht über Ware, wir reden nicht über Material, wir reden nicht über Menschen erster, zweiter oder dritter Klasse, sondern wir reden über den ersten Punkt der Deklaration für Menschenrechte: Jeder Mensch ist an Rechten und Würde gleich. (Beifall bei ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS.)

Daher glaube ich, dass wir einen anderen Zugang haben müssen. Ich habe in meiner Heimatgemeinde folgenden Text einer Partei gelesen: Da sollen wir Leute aufnehmen, die anders sind, eine andere Religion haben und nicht zu uns passen. Und das aber in Vielfalt. – Sie wissen, wer das schreibt! Ich möchte damit keine parteipolitische Diskus­sion entzünden, aber glauben Sie, dass das ein menschengerechter Zugang ist? Glau­ben Sie, dass genau das diese Gleichwertigkeit an Würde und Rechten aufgreift?

Oder, um es etwas schärfer zu formulieren: Im Rahmen des oberösterreichischen Land­tagswahlkampfs lese ich „Asylbetrug – gratis Flug“. Meine Damen und Herren, man muss durchaus differenzieren: Es wird Fälle geben – es werden in der Form auch Aus­nahmen vorkommen –, in denen jemand zu uns kommt, der nicht hier sein sollte. Das wird dann auch entsprechend geprüft. Aber ist das, meine Damen und Herren, wirklich der richtige Umgang? Auch die Bezeichnung „Wirtschaftsflüchtling“ für jemanden, der sein Leben riskiert, der in einem Auto erstickt? – Und wir sagen, der möchte nur zu uns kommen, um Asylbetrug zu begehen, um unsere Sozialleistungen zu erschleichen.

Daher sollten wir eines schon tun: einen, auch was die Begrifflichkeit anlangt, wert­schätzenden Umgang pflegen, eine wertschätzende Formulierung wählen auch in der heutigen Diskussion.

 


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