Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll89. Sitzung / Seite 98

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13.45.13

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren Minister! Hohes Haus! Wenn man sich mit der Sache auf rein sachlicher Ebene beschäftigen will – nicht auf einer emotionalen Ebene, die versucht, hier etwas vorzugaukeln, was nicht stattfinden kann – und wenn ich als einzigen Vorschlag, der Flüchtlingskrise zu begegnen, von der FPÖ höre, dass man um Österreich einen Zaun macht, dann muss ich sagen, dass dieser Zaun (Zwischenrufe bei der FPÖ) an Lächerlichkeit ja nicht mehr überbietbar ist! Jenes Land, das einen Zaun gemacht hat, ist Ungarn, und es hat das größte Problem. Eine mechanische Barriere hat noch niemanden aufgehalten, irgendwo etwa eine Grenze nicht zu überwinden. Ich halte das für einen lächerlichen Vorschlag!

Wenn man diesen lächerlichen Vorschlag einmal beiseitelässt und das sachlich be­trachtet, gibt es drei Ebenen, auf denen man sich mit diesem Problem auseinander­setzen muss. Die erste Ebene ist eindeutig die europäische Ebene. Ich glaube, dass es zunächst einmal festzuhalten gilt, dass die Dublin-Regelungen nicht mehr funktionie­ren. Man muss ein neues System erfinden, man muss ein neues System verhandeln, und – der Bundeskanzler hat es schon gesagt – man muss ein Quotensystem auf Eu­ropa übertragen, einhergehend mit Schutzzonen dort, wo die Anlaufstellen sind. Ich glau­be, daran führt kein Weg vorbei.

Man muss in dieser Sekunde festhalten, dass die Dublin-Regelungen nicht mehr wir­ken. Die sind nicht mehr in der Lage, dieses Problem zu lösen, das auf die Europäi­sche Union zukommt. Dieses Problem ist eines der wesentlichsten Probleme der Euro­päischen Union! Da kann ich nicht mit alten Regeln versuchen, diese neue Situation zu regeln, wenn ich weiß, dass sie damit nicht mehr regelbar ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Zweitens: Es müssten Schutzzonen geschaffen werden. Diese Schutzzonen sind in den Anlaufländern wie Griechenland und Italien unerlässlich.

Drittens müsste die Europäische Union – und das, glaube ich, kommt in dieser Diskus­sion ein bisschen zu wenig hervor – auch die Außenpolitik ändern. Es müsste eine Sta­bilisierung der Nachbarländer, auch wenn sie durch ein Meer wie das Mittelmeer ge­trennt sind, stattfinden. Da schließe ich durchaus Libyen, Ägypten und Syrien ein. Da müsste mehr Aktivität von der Europäischen Union kommen. Ich glaube auch, dass es richtig ist, jenen Ländern, die sich einer Quotenregelung verweigern, finanziell die Rute ins Fenster zu stellen, um sie daran teilnehmen zu lassen.

Die zweite Ebene ist aber die innerstaatliche Ebene. Wenn ich von der Europäischen Union Solidarität verlange, dann muss es wohl auch möglich sein, im Staatsinneren So­lidarität herbeizuführen. Dieses Gesetz macht nichts anderes als das, was eigentlich in den Artikel-15a-Vereinbarungen vereinbart wurde, nämlich, eine bestimmte Quote in die Länder zu senden, und die Länder wären verpflichtet gewesen, diese Quote aufzu­nehmen. Wenn dieses System nicht mehr funktioniert – bisher haben Artikel-15a-Vereinbarungen davon gelebt, dass sowohl der Bund als auch die Länder ihre Verein­barungen eingehalten haben –, dann muss ein Gesetz wie jetzt dieses gemacht wer­den, und das auf verfassungsrechtlicher Ebene, um die Durchsetzung zu gewährleis-
ten.

Ich bin ganz anderer Ansicht als Kollege Stefan, der gesagt hat, das ist alles verfas­sungsrechtlich nicht möglich. – Bitte, wir haben diese Regelungen in den Artikel-15a-Vereinbarungen! Wir machen sie nur neuerlich in einem Gesetz, und jedes Land hat gegenüber dieser Regelung sozusagen eine Escape-Klausel. Wenn nämlich die Län­der die Quote erfüllen, kommt die Zuweisung des Bundes ja gar nicht zustande! Wo liegt daher das verfassungsrechtliche Problem? – Jedem Land steht es frei, die Quote zu erfüllen. Dann würde keine Zuweisung durch den Bund erfolgen.

 


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