Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll94. Sitzung / Seite 74

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Vor allem finde ich die Frage des Übergangs von der Volksschule zur Neuen Mittel­schule oder zum Gymnasium überaus dramatisiert. Wenn ich solche Ausdrücke höre wie wir spielten hier „Schicksal“, Frau Kuntzl, oder, wir würden den Kindern ein „Zei­chen ... auf die Stirn drücken“, Frau Glawischnig, oder, das wäre eine „Stigmatisie­rung“, Herr Strolz, dann finde ich das maßlos übertrieben, aus zwei Gründen. Erstens: Weniger als 30 Prozent unserer Maturanten kommen aus der AHS-Langform. Das zeigt also, dass eine Neue Mittelschule mit weiterführenden Schulen überhaupt keine Sackgasse sein muss. Und zweitens ist es auch deswegen keine Sackgasse, weil sie in Richtung Berufsbildung führen kann. Und hier von „Stigmatisierung“ oder „Schicksal“ zu sprechen, wenn Leute dann in eine Berufsausbildung und nicht in eine Maturaklas­se oder an die Universität gehen, empfinde ich als eine ganz arge Diskriminierung dieser Menschen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Strolz.) Das ist wirklich uner­träglich und eine einseitige Bewertung.

Herr Strolz, Sie applaudieren, das freut mich, und dann möchte ich Ihnen im Gegenzug sagen: Ich habe auch die Ausführungen von Herrn Schmid sehr deplatziert gefunden. Wenn er historische Exkurse macht, dann sollte er vorher Geschichte lernen. Denn wenn er hier behauptet, dass im 18. Jahrhundert die Bildungsreformen auf Gleich­schaltung und Fließbandarbeit hingezielt haben, dann ist das das Gegenteil von dem, was Sache ist. Die damaligen Bildungsreformen eines Herbart, eines Pestalozzi, eines Humboldt oder Schleiermacher zielten genau auf das Individuum und auf die Förde­rung des Individuums ab, und zwar auf eine möglichst breite Förderung des Indivi­duums. (Beifall bei der ÖVP.) Und das ist auch immer noch der Kern des heutigen Gymnasiums, und deswegen wird dieses Gymnasium auch so geschätzt und ist ge­fragt, und darum muss man es auch verteidigen.

Ich bin aber bei Ihnen, Herr Strolz! Man soll einen Weg zwischen den scheinbar unver­söhnlichen Lagern finden und sehen, wo man sich treffen kann. Es kann nicht sein, dass wir über 100 Jahre in dieser Frontstellung stehen – und wir stehen so. Und des­wegen finde ich die Modellregionen und die Versuche im Westen Österreichs gut. Es muss einen Weg aus dieser Konfrontation geben. Dieser Weg kann aber nicht damit enden, dass wir diese so beliebte und so erfolgreiche Schulform abschaffen, sondern es muss einen Weg geben, der beiden Anliegen Rechnung trägt. Ich hoffe, dass das auch eine Weichenstellung sein wird am 17. November. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Strolz.)

14.46


Präsident Karlheinz Kopf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Rosen­kranz zu Wort. – Bitte.

 


14.46.42

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Wie immer bei solchen Debatten haben die Grünen einen Reformstau beklagt und eigentlich damit gemeint, dass sie ihre Kon­zepte noch nicht – Gott sei Dank! – durchgesetzt haben. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Genau!)

Wir sehen keinen Reformstau, sondern wir sehen etwas ganz anderes, nämlich dass zwei völlig unterschiedliche, um nicht zu sagen in manchen Punkten stark gegensätz­liche Konzepte aufeinander prallen. Das ist einerseits in der Strukturfrage der Fall. Ich wiederhole, weil man es gar nicht genug herausstreichen kann, das, was auch meine Vorredner und auch der ehemalige Wissenschaftsminister betont haben: Jeder Mensch ist gleich an Würde und Rechten, und er ist völlig unterschiedlich, erfreulicherweise, in seinen Neigungen und Talenten. (Abg. Walser: Da gibt es zwei Typen, demnach: Den klassischen Hauptschüler und den klassischen …!) Und diesem Prinzip wird ein diffe-


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