Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 200

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Genauso ein Einzelfall wie bei einem Bürgermeister in Niederösterreich – ich glaube, es war im Bezirk Gänserndorf oder Korneuburg, das Verfahren hat zumindest am Landesgericht Korneuburg stattgefunden; ich sage jetzt gar nicht die Partei dazu, ist auch relativ egal –, der gesagt hat: Da gibt es eine Familie von Zweitwohnsitzern, die kommen seit Jahren nie zu den Wahlen. Nehmen wir was! – Dumm gelaufen: Einer von dieser Familie taucht im Wahllokal auf und sagt: Ich möchte jetzt wählen! – Da bekam er zur Antwort: Tut mir leid, Sie haben schon mit Wahlkarte gewählt! – Er sagte: Ich bin noch halbwegs bei Sinnen, ich weiß, was ich in den letzten Tagen getan habe!

Das ist verurteilt worden. Auch nur, Kolleginnen und Kollegen, ein „Einzelfall“!

Sollte man jetzt meinen: Weil unsere Justiz, unsere Exekutive so gut arbeitet, hat es genau diesen einen Bürgermeister, der diesen einzigen Fehltritt in ganz Nieder­öster­reich, in ganz Österreich gemacht hat, erwischt – und sonst brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. – Nein!

Kolleginnen und Kollegen, wer das Wahlrecht mit diesen Grundsätzen, die der Kollege Stefan hier dargestellt hat, ernst nimmt – und da rede ich jetzt nicht von den Pflege­heimen, was dort alles passiert, gerade in Niederösterreich, mit der Orgie der Namens­stimmzettel, mit der Eigenartigkeit des Wahlrechts, dass Name vor Partei gereiht wird, und, und, und, da rede ich noch gar nicht davon –, aber wer es ernst meint mit einem geheimen, mit einem freien, mit einem unbeeinflussten Wahlrecht, der darf die Wahl­karte nur als Ausnahme sehen und muss für alle anderen Möglichkeiten die rechtliche Basis schaffen, sodass man zu anderen Terminen ersatzweise wählen gehen kann, damit wirklich jeder das Wahlrecht so ausüben kann, wie er es will. (Beifall bei der FPÖ.)

18.14


Präsident Karlheinz Kopf: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim zu Wort. – Bitte.

 


18.14.18

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Kollege Rosenkranz, wir führen heute hier eine Debatte über eine Änderung, die nicht die grundsätzliche Diskussion über das gesamte Briefwahlrecht beinhaltet, sondern in der es um eine zusätzliche Erleichterung geht. Aber man muss eines feststellen, und das ist der Umstand, dass das Briefwahlrecht aus meiner Sicht – und das gilt nicht nur für Österreich, sondern für Europa insgesamt – nicht mehr verzichtbar ist. Fragen Sie herum, wo auch immer: Sie werden den Bedarf erkennen, die eigene Stimme auf diese Art und Weise abzugeben.

Was die Fälle betrifft, die Sie hier genannt haben, so will ich das gar nicht bestreiten: Es gibt immer wieder derartige Missstände, zuletzt ja auch in Vorarlberg, wo sich der Landeshauptmann Wallner in sehr vehementer Form hinsichtlich der Bürgermeister von Hohenems und Bludenz geäußert hat – Hut ab! –, aber es ist eben so, dass wir daran arbeiten müssen. Und als wir zuletzt die Diskussion über die Mandats­entzugs­vorschriften hatten, da war die Situation plötzlich wieder ein bisschen anders: Da meinte man in Ihrer Fraktion, das sollte man eigentlich nicht ändern, und hin und her.

Ich verstehe Ihren Einwand. Ich verstehe aber auch, dass wir an diesem Briefwahlrecht jedenfalls festhalten müssen, weil es eine probate Form der Ausübung des Wahlrechts in der Demokratie ist, und dass wir nachhaltig sicherstellen müssen, dass derartige Missstände nicht mehr eintreten können und reduziert werden. Es ist natürlich ekelerregend, es ist abstoßend, wenn man auf diese Art und Weise die Leute an der Nase herumführt und damit eigentlich dieses Wahlrecht desavouiert. Aber es liegt auch an uns, die entsprechenden Rahmenbedingungen nicht nur zu schaffen, sondern dann auch darauf zu achten, dass ihre Einhaltung in den einzelnen Fällen in der Praxis


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