Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll109. Sitzung / Seite 244

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Verfassung ein juristisches Flickwerk von Sonderregelungen und Ausnahmebestim-mungen. Solange diese Dysfunktionalitäten bestehen, wird die Union die inneren und äußeren Krisen, die auf sie zukommen, nicht meistern können.

Wir sollten daher, glaube ich, diese Gelegenheit beim Schopf ergreifen und die überfällige Diskussion führen, was die Europäische Union eigentlich leisten soll und welche Kompetenzen und Ressourcen sie benötigt. Das ist nicht nur notwendig, um die erwähnten Krisen zu bewältigen, sondern auch, um der steigenden Euro-Skepsis entgegenzutreten. Fazit: Wenn die Union überleben will, muss sie sich reformieren.

Ich möchte kurz auf die konkreten Vorschläge des britischen Premiers eingehen. Cameron betont mehrfach, die Wettbewerbsfähigkeit Europas steigern zu wollen. Ich denke, in diesem Punkt sollten wir ihn vollumfassend unterstützen. Der Abbau von Bürokratie und von unnötigen Regelungen sollte auch Österreich ein Herzensanliegen sein genauso wie der Freihandel, der für unsere Exportwirtschaft so wichtig ist. Die beste Möglichkeit, das Vertrauen in Europa wieder zu stärken, ist, den 25 Millionen Arbeitslosen endlich neue Jobs zu beschaffen.

Wir sollten allerdings den Briten entschieden entgegentreten, wenn es um die Renationalisierung der EU zu einem bloßen Binnenmarkt geht. Zum Beispiel ist die Niederlassungsfreiheit ein unverhandelbarer Grundsatz der Gemeinschaft. Die Nieder­lassungsfreiheit zu beschneiden würde das europäische Projekt an sich in Frage stellen. Auch das Beharren darauf, dass Sicherheit eine rein nationale Angelegenheit ist, kann ich nicht nachvollziehen. Gerade die Anschläge in Paris haben ja bewiesen, dass sich die Mitgliedstaaten stärker koordinieren müssen, um gemeinsamen Bedro­hungen Herr zu werden.

Gleiches gilt für demokratische Mitbestimmung. Wir lehnen die Idee, nationalen Parlamenten ein Veto gegenüber europäischen Gesetzen zu geben, dezidiert ab. Dies würde den europäischen Gesetzgebungsprozess endgültig zum Erliegen bringen. Wir stehen – im Gegenteil – für eine Stärkung des EU-Parlaments.

Ein Brexit würde die Union natürlich nachhaltig schwächen. Großbritannien ist die zweitgrößte Volkswirtschaft Europas, es ist ein Mitglied des Sicherheitsrates und gemeinsam mit Frankreich die einzige wirkliche Militärmacht Europas. Allerdings glau­ben wir, dass eine anhaltende Lähmung der europäischen Institutionen eine noch größere Gefahr in sich birgt als ein Bruch mit London. Eine Galeere, auf der die Hälfte der Mannschaft in die falsche Richtung rudert, kann ja nicht vom Fleck kommen.

Wenn wir es nicht schaffen, mit den Briten klare und allseits verbindliche Regelungen zu treffen, müssen wir eben alternative Wege der Kooperation andenken, vielleicht nach dem Modell der Regelungen, die wir mit Ländern wie der Schweiz oder Norwegen getroffen haben.

Wir warnen eindringlich davor, das von mir bereits angesprochene Flickwerk von Sonderregelungen noch zu erweitern. Sollten die Briten zusätzliche Ausnahmeregelun­gen zu der langen Liste, die sie schon besitzen, bekommen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis andere Länder das Gleiche verlangen. Das Ergebnis wären nie enden wollende Verhandlungen und nie enden wollende innere Streitigkeiten Europas. Die europäische Ohnmacht würde bestehen bleiben.

Das gilt es zu verhindern, Herr Bundesminister, und wir glauben, falls notwendig, auch zum Preis eines Austritts Großbritanniens aus der Union. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

20.09


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


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