Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll111. Sitzung / Seite 100

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Ich habe zwar jetzt die Redezeit, die ich jetzt verbraucht habe, nicht gestoppt (Abg. Königsberger-Ludwig: 3 Minuten!), aber ich hänge sie Ihnen selbstverständlich hinten dran, Frau Abgeordnete. – Bitte.

 


Abgeordnete Mag. Alev Korun (fortsetzend): Danke, Herr Präsident, danke auch für die Erinnerung.

Noch einmal: Letzte Woche hatte ich die Chance, einem Bürgermeister aus dem Liba­non zuzuhören, der Folgendes erzählt hat: Der Libanon – übrigens ungefähr so groß wie Oberösterreich – hatte eine Einwohnerzahl von 4,5 Millionen. Dieses Land, dieses kleine Land beherbergt inzwischen über 2 Millionen Flüchtlinge. Über so eine Situation reden wir also, wenn wir über die Flüchtlingsthematik sprechen. Dieser Bürgermeister aus dem Libanon hat auch einen Appell an uns beziehungsweise an alle Anwesenden dort gerichtet. Er hat gesagt: Wir brauchen eure Hilfe, wir können das nicht alleine stemmen! – Und genau über dieses Phänomen sprechen wir: über internationale, gemeinsam getragene Verantwortung.

Was braucht es in dieser Situation? – In dieser Situation braucht es gemeinsame Auf­nahme- und Registrierungszentren dort, wo die Menschen in großer Zahl ankommen, das ist derzeit Griechenland und teilweise Italien. Es braucht eine gemeinsame Asylpolitik in der EU, um die ankommenden Menschen möglichst fair und gleichmäßig auf alle EU-Länder zu verteilen.

In den letzten Wochen gab es ja Debatten nationalistischer Regierungen, wie der von Ministerpräsident Orbán, oder Töne aus Polen und aus manchen anderen Ländern, die sich aus dieser gemeinsamen Verantwortung ausklinken wollen, die glauben, man könne sich in der EU die Rosinen herauspicken, und die allen Ernstes glauben, sie können für ihr Land sämtliche Förderungen in der EU in Anspruch nehmen, bei den Flüchtlingen, bei der humanitären Verantwortung aber sagen: Ohne uns, interessiert uns nicht! (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Können sie ja!) Österreich, Deutschland und Schweden sollen das alleine machen! (Abg. Hübner: Das ist eine Frage, ob das eine Verantwortung ist!) – So geht das nicht!

Nachdem mehrere nationalistische Regierungen bekannt gegeben haben, sie wollen sich an der gemeinsamen Flüchtlingspolitik in der EU nicht beteiligen, bin ich sehr dafür, dass ihnen die Rechnung präsentiert wird, dass ihnen gesagt wird: Solidarität ist keine Einbahnstraße! Und: Ihr könnt nicht davon ausgehen, dass ihr sämtliche Vorteile einer EU-Mitgliedschaft genießen könnt, ihr aber gleichzeitig sagt, die Verantwortung für ankommende Flüchtlinge soll von drei Ländern getragen werden!

Geschätzte Damen und Herren, wir leben in einem Europa, wo Menschen, wo Bürger, Bürgerinnen, wo die Zivilbevölkerung in Ungarn, in Österreich, in Schweden, in Däne­mark, in vielen, vielen anderen Ländern Flüchtlingsfamilien geholfen hat, ihnen zu es­sen und zu trinken gegeben hat, sie unterstützt hat, sie teilweise aufgenommen hat in ihren Häusern. Gleichzeitig leben wir aber auch in einem Europa, wo im 18-Monats­programm der EU-Ratspräsidentschaft allen Ernstes von – ich zitiere – Arbeitsplatzbe­schaffung durch Rüstungs- und Verteidigungsindustrie die Rede ist.

Das muss man sich einmal vorstellen, dass es Regierungen gibt in der EU, die allen Ernstes und, ich muss sagen, unverschämterweise sagen: Ja, wir wollen durch Waf­fen­produktion und Waffenexporte sogenannte Arbeitsplätze in Europa schaffen! (Prä­sident Kopf gibt das Glockenzeichen.) – Ich komme zum Schluss. – Die fragen nicht, was mit diesen Waffen passiert, die in der EU produziert werden, die nach Syrien, in den Irak, nach Saudi-Arabien oder in andere praktisch kriegsführende Länder gebracht werden. Mit diesen Waffen werden Flüchtlinge im wahrsten Sinn des Wortes gemacht. Mit diesen Waffen werden woanders Menschen umgebracht. Und die Überlebenden müssen dann schauen, dass sie flüchten – teilweise in die EU.

 


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