keit war die Wirtschaftskrise im Vergleich zur jetzigen Migrationskrise eine Krise, die überschaubar war, bei der man anhand von konkreten Zahlen wusste, was zu leisten ist, bei der man auch ein Ende der Bewältigung der Krise durchaus vorhersehen konnte.
Ganz anders stellt sich die Situation jetzt dar, und umso mehr ist diese Europäische Union gefordert. Dabei vergessen wir oft, dass diese Europäische Union als politische Union noch nicht einmal 25 Jahre besteht – erst seit 1992 – und dass wir da natürlich sehr dramatisch merken, dass manches, was wünschenswert wäre, politisch einfach nicht durchsetzbar ist.
Bis heute ist das entscheidende Gremium natürlich der Rat, und wenn die Regierungschefs diese Woche zusammenkommen, dann befinden wir uns schon an einer Wegkreuzung. Wenn jetzt nämlich wieder einmal keine Ergebnisse kommen, dann ist es sicherlich wichtig, sich mit dem Arbeitsprogramm 2016 – das betrifft ja dieser Tagesordnungspunkt – zu beschäftigen.
Aber was hilft das beste Arbeitsprogramm, wenn die Schlüsselaufgabe, vor der Europa steht, nicht europäisch gelöst werden kann? – Da muss sich Europa in erster Linie einmal auf die eigene Kraft verlassen und darf sich keinesfalls in die Hand unserer Nachbarn begeben. Es muss alles tun, um die bestmögliche Kooperation mit der Türkei zu erreichen, aber es darf nichts machen, um das, was wir benötigen, um die Flüchtlingskrise zu lösen, aus der Hand zu geben und vielleicht jemandem anderen zu überlassen.
Das ist leicht gesagt, aber sehr schwierig in der Umsetzung, und ich habe es schon gestern hier gesagt: Es ist notwendig, dass wir zu einer europäischen Lösung kommen. – Da hat der Bundeskanzler unsere volle Unterstützung, aber er muss sehr vorsichtig sein, was diese Vereinbarung mit der Türkei betrifft. Es darf keinen Blankoscheck für Visaerleichterungen geben. Es darf keinen Blankoscheck geben, was einen EU-Beitritt betrifft. Wir dürfen die Menschenrechtslage in der Türkei einfach nicht außer Acht lassen. Wir dürfen nicht außer Acht lassen, wie die Türkei diese große Minderheit in der Türkei, die Kurden, behandelt. Das sei hier noch einmal sehr deutlich einen Tag vor dem Treffen des Europäischen Rates gesagt. (Beifall bei der ÖVP.)
Zweiter Punkt – ich kann nur wiederholen, was ich gestern schon gesagt habe –: Ich bin froh, dass es jetzt eine gemeinsame Regierungslinie gibt. Schade, dass das, was unsere Innenministerin Hanni Mikl-Leitner schon vor eineinhalb Jahren hier vorgestellt hat, dieses Modell des „Save Lives“-Konzepts, bei dem man gemeinsam mit UNHCR versucht, Hotspots zu errichten und zum Leben zu erwecken, bis heute eigentlich noch nicht funktioniert, wenn es um eine wirkliche Sicherung der EU-Außengrenzen geht.
Wenn ich mir die Regierungsbildung gestern in der Slowakei ansehe, mit wem Fico kürzlich eine Regierung gebildet hat: Wie wollen wir da zu gerechten … (Abg. Weninger: Das erinnert an etwas, nicht?!) – Bitte? (Abg. Weninger: Das erinnert an etwas!)
Ja, wie wollen wir da zu einer gerechten Aufteilung kommen? – Es hilft uns nicht, wenn wir uns das gegenseitig vorhalten. (Abg. Gisela Wurm: Ja, eben!) Irgendwann müssen wir einmal sagen, was in dieser Europäischen Union möglich ist und wann wir mit einer Rhetorik der gerechten Verteilung aufhören, wenn wir sehenden Auges zur Kenntnis nehmen müssen, dass es in einzelnen Staaten nicht möglich ist.
Irgendwann einmal erwarten sich die Österreicherinnen und Österreicher, dass man sagt: Das ist möglich, und das geht nicht. – Es wird nicht gehen, immer nur herunterzubeten, was wünschenswert wäre! Irgendwann einmal müssen wir an dem Punkt angekommen sein, an dem wir sagen: Das ist möglich, EU-Außengrenzen sichern wird möglich sein, das, mit den Hotspots, wird möglich sein. – Aber wenn nur einige wenige diese Koalition der Willigen bilden, dann wird es zu wenig sein (Zwischenruf des Abg. Steinbichler), um zu sagen, dass es europaweit eine gerechte Verteilung gibt. Ich glaube, da müssen wir ehrlich genug sein.
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