Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll134. Sitzung / Seite 140

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17.35.35

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wir haben hier ein Ge­setz zum Thema Schulreform auf dem Tisch liegen. Es ist dies nicht die große Bildungs­reform, das spüren wir, glaube ich, alle. Ich bin jetzt gut zweieinhalb Jahre hier im Haus und weiß – wie Sie alle hier –: Wenn ein großes Thema unterwegs ist, dann spürt man das im Raum! Heute spürt man im Raum: Etwas Großes kann das nicht sein, denn das fühlt sich anders an. Und so ist es tatsächlich.

Ich möchte zunächst einmal die Frage in den Raum stellen: Warum ist überhaupt eine Bildungsreform notwendig, warum tut eine Bildungswende not?

Wir haben aktuell den Zustand, dass zirka ein Fünftel der jungen Menschen mit 15 Jah­ren nicht sinnerfassend lesen können. Wir haben den Zustand, dass 5 000 bis 10 000 jun­ge Menschen pro Jahr nach dem neunten Schuljahr aus der Schule ausscheiden und sagen: Mich bekommt ihr nie mehr wieder, ich mache euch keine Lehre, ich mache euch keine Schule! Diese Menschen haben offensichtlich zu Tausenden dieses Schul­system als geradezu traumatisierend erlebt, denen sind wir irgendwo drübergefahren, in einer Art, dass sie sagen: Ich werde keinen Fuß mehr in eine Bildungsstätte setzen!

Wir haben in Ballungsräumen insbesondere das Problem, dass wir die Zweiteilung der Mittelschule nicht gelöst und überwunden haben, sondern dort sogar verstärkt nach wie vor Phänomene von Brennpunktschulen haben – Sie kennen es: Generation AMS, Brenn­punktschulen –, in denen Schulleitungen sagen, dass ein Drittel direkt den Weg zum Ar­beitsmarktservice nehmen wird. Und wir können davon ausgehen, dass sie lebensläng­lich Dauerkunden des Arbeitsmarktservice sein werden.

Das sind riesige Herausforderungen, wo ich jetzt nicht sage, dass da jemand schuld daran ist, wo ich aber sage, dass wir die nicht so einfach schleifen lassen können und wir nicht sagen können, wir antworten mit Klein-Klein. Da müssen wir mit großen, kraft­vollen Antworten kommen. Das war auch der Startpunkt für die Bildungsreform, und da wurde auch über ein Jahr gerungen. Ich habe es nicht verstanden – meine Sitznachba­rin, die ehemalige Ministerin Heinisch-Hosek, war ja damals noch in der Verhandlungs­führung –, dass die Oppositionsparteien nicht mehr eingebunden wurden. Wir haben oft aufgezeigt und haben auch immer wieder konstruktive Vorschläge gemacht. Ich ha­be es so verstanden, dass das Wollen grundsätzlich da war, uns einzubinden, aber nicht die Kapazität. Ich glaube, dass es zwischen diesen beiden Regierungsparteien und den verkrusteten Hinterländern in der Bildungsdebatte schon so schwierig ist, dass in die­ser Regierung schlichtweg die Kapazität nicht da ist, über sich selbst hinausgehend noch jemand anderen mit zu involvieren. Eigentlich sind Sie sich selbst schon zu viel und über­fordern sich wechselseitig – und so schauen dann auch die Ergebnisse aus!

Am 17. November wurde ein Bildungsreformpaket präsentiert. Es wurde angekündigt: Bis Juli liefern wir die Umsetzung! Jetzt ist Juni, im Juli wird nichts mehr kommen, sonst wäre es schon in der Pipeline. Es gibt bis dahin auch keinen Unterrichtsausschuss mehr. Und klar ist: Das ist nur eines von sechs kolportierten Paketen, die eigentlich der Ausfluss dieser Einigung vom 17. November wären.

Jetzt war das damals, am 17. November, schon zu wenig, und wir schaffen jetzt nur ein Sechstel in dieser Zeit. Das ist eben ein Stück weit auch symptomatisch für die Bil­dungspolitik dieser Regierung, und das ist zu wenig – wiewohl wir mitgehen werden. Ich halte das Gesetz, so wie es jetzt auf dem Tisch liegt, für sinnvoll. Es sind darin sinnvolle Sachen enthalten, zum Beispiel, dass wir zum ersten Mal die Aufgabe in An­griff nehmen – darüber reden wir schon seit Jahren –, wie wir die Nahtstelle zwischen Kindergarten und Volksschule besser schnitzen können: dass das auch für die Kinder im Erleben, für die Eltern, für die Pädagoginnen und Pädagogen ein fließenderer Über­gang wird, ein stimmigerer, ein organischerer.

 


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