Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll136. Sitzung / Seite 100

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Es hat Gründe gegeben, warum in Großbritannien für den Austritt gestimmt wurde. Ei­ner davon war, dass der Lebensstandard für viele in den letzten Jahren von Jahr zu Jahr schlechter geworden ist. Auch unser Herr Bundeskanzler hat bei seiner Antritts­rede selbst gesagt: In den letzten fünf Jahren hatten wir in Österreich einen Reallohn­verlust. Das ist einer der Gründe, warum Menschen mit diesem System nicht zufrieden sind.

Die Briten haben nicht verstanden, dass zum Beispiel die Fischer Geld dafür erhalten haben, ihre Boote zu zerstören, und auf der anderen Seite andere Nationen in briti­schen Gewässern weitergefischt haben. Die Menschen haben nicht verstanden, warum man diese Migrationswelle nicht in den Griff bekommt, warum die Europäische Union nicht in der Lage ist, endlich ihre Außengrenzen zu sichern, glaubhaft ein Problem in Angriff zu nehmen und auch glaubhaft ein Problem zu lösen. Was die Menschen mit Sicherheit auch nicht verstanden haben, waren die Arroganz und Abgehobenheit, mit der europäische Vertreter uns ständig erklären: Sie wissen ja, was wir brauchen, was wir als kleines Volk brauchen. (Beifall beim Team Stronach sowie der Abgeordneten Dopp­ler und Gerhard Schmid.)

Aber das Problem ist ja nicht nur auf Großbritannien beschränkt. Wir waren vor einiger Zeit in Griechenland, wir haben dort gesehen, welche humanitäre Katastrophe sich dort abspielt. Das ist ein Staat, der sich nur mehr seitwärts bewegt, weil das gesamte Geld, das dorthin kommt, wiederum in die Bankenwirtschaft fließt, und die Menschen haben keine Perspektive, haben keine Zukunftsaussicht. Wenn 60 Prozent der jungen Menschen kei­nen Job haben, meine geschätzten Damen und Herren, und das bei einer Ausbildungs­quote, bei der 50 Prozent Akademiker sind, dann muss das doch ein Weckruf für die Eu­ropäische Union sein, dann muss das doch ganz klar der Weckruf sein, endlich zu schau­en, dass die jüngeren Generationen eine Chance haben und dass nicht nur die Ban­ken, nicht nur die Großkonzerne von dieser EU profitieren. (Beifall der Abg. Schenk.)

Das Thema Steuererhöhung wurde heute schon angesprochen. Großbritannien hat jetzt eine Steuererhöhung vorgenommen. Wie ist denn die Situation in Griechenland? – In Griechenland sind die Steuern so hoch, dass uns der ehemalige Wirtschaftsminister, der eine Anwaltskanzlei leitet, gesagt hat: Wenn er im nächsten Jahr 100 000 € Ge­winn hat, dann bleiben ihm null Euro – null! Er muss sogar noch 243 € dazuzahlen, weil alles der Staat nimmt. Auch das ist die EU. Aber die Europäische Union in dieser Form wollen wir nicht. Da besteht großer Reformbedarf, und darüber müssen wir disku­tieren. Das ist der Punkt, an dem wir es uns nicht leicht machen dürfen.

Meine geschätzten Damen und Herren! Die Reaktion der Vertreter in Brüssel, allen vo­ran von Herrn Juncker, der in erster großer Empathie über das, was jetzt stattfindet, gleich einmal gemeint hat: Na ja, CETA, das ziehen wir durch, da brauchen wir die Parlamen­te nicht zu fragen!, zeigt doch, wie abgehoben diese Kaste ist. (Abg. Winzig: … Inhalt des Abkommens!) Das zeigt doch, wie weit weg von den Menschen die Verantwortli­chen dort sind.

Meine geschätzten Damen und Herren, natürlich werden wir uns mit CETA ernsthaft aus­einandersetzen müssen, denn wenn wir es zulassen, dass Großkonzerne so eine Macht haben, dass sie Staaten um Milliardenbeträge klagen können (Abg. Winzig: Das ist doch nicht wahr!), dann ist das etwas, was wir nicht zulassen dürfen. Ich zitiere Bruno Sim­ma vom internationalen Schiedsgericht in Deutschland. Er wird für genau solche Schieds­gerichte von der Weltbank eingesetzt, und er hat gesagt, dass Freihandelsabkommen selbstverständlich auch ohne Schiedsgerichte möglich sind. (Zwischenruf der Abg. Win­zig.) Dann reden wir doch über Alternativen, bevor wir dieses Risiko für einen ganzen Staat eingehen!

Meine geschätzten Damen und Herren! Die Europäische Union hat eine große Vergan­genheit. Wenn sie eine große Zukunft haben soll, dann müssen wir ernsthaft reformie-


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