Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll146. Sitzung / Seite 130

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was mehr Zeit nehmen sollen und nicht – schielend auf das hundertjährige Jubilä­um – eine unausgegorene Vorlage bringen sollen. Man hätte sich überlegen sollen, wie man in­formell Gelerntes und Qualifikationen, die man in der Berufspraxis erwirbt, tatsächlich so abprüfen kann, dass diese auch nachweisbar ist. Das geht sicher nicht mit einem ein­fachen Gespräch, das keine Prüfung ist und wo es nicht einmal eine Benotung gibt. Das bekommt nicht unsere Zustimmung. Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Deimek: Das ist ja schon die Praxis!)

16.26


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Nach­baur. – Bitte.

 


16.26.28

Abgeordnete Dr. Kathrin Nachbaur (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kollegen im Hohen Haus! Sehr geehrte Steuerzahler! Die Stan­desbezeichnung „Ingenieur“ wird jährlich rund 5 000 Mal verliehen. Allerdings ist sie nur bei uns – also in der heimischen Wirtschaft – anerkannt. Bei internationalen Ausschrei­bungen oder Bewerbungen ist es daher mit deren Anerkennung oft etwas schwierig. Ich freue mich daher sehr, dass wir heute mit einer sehr breiten Mehrheit im Parlament mit dem Ingenieurgesetz eine deutliche Besserstellung erreichen. Es ist schade, dass die Grü­nen da nicht mitgehen, aber die sind sich – wie wir jetzt gehört haben – in ihren Kritik­punkten selbst nicht ganz einig. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Die Wirtschaft beklagt den Facharbeitermangel schon sehr lange, und wir sind zu Recht stolz auf unsere duale Ausbildung und die vielen tüchtigen Ingenieure. Aber, wie ge­sagt, es sind leider nicht genug, jeder spricht vom Facharbeitermangel. Auf der ande­ren Seite platzen die Universitäten schon aus allen Nähten. Im letzten Wintersemester inskribierten fast 400 000 junge Leute, um 1,4 Prozent mehr als im Jahr davor, die Zahl der Lehrlinge ist aber um 4,4 Prozent auf knapp 110 000 Lehrlinge gesunken. Es ist je­doch tatsächlich leider so, dass Akademikern – insbesondere jenen, die die sogenann­ten Orchideenfächer, sage ich jetzt einmal, belegen – oft die Arbeitslosigkeit blüht, wäh­rend HTL-Schüler oft noch während der Schulzeit von Firmen angesprochen werden und möglicherweise ein attraktives Angebot bekommen.

Deutschland steht vor ähnlichen Herausforderungen. Die Ökonomen vom Economic Re­search Center der Commerzbank sehen in der undifferenzierten Akademisierung eines der Hauptprobleme für die Wirtschaft, und so viele tolle Facharbeiter waren jetzt doch nicht unter den Migranten, wie uns da so mancher Anhänger der fatalen Willkommens­kultur weismachen wollte.

Es muss also Aufgabe des Staates sein, junge Leute positiv in Richtung einer sinnvol­len Ausbildung zu lenken. Es liegt ja auch im allergrößten Interesse der jungen Men­schen selbst, denn arbeitslose Orchideenfach-Akademiker haben wir schon genug. Es gibt ja wohl kein demütigenderes Gefühl für junge Leute, als nicht gebraucht zu wer­den.

Wir sind dank unserer erfolgreichen dualen Ausbildung noch in einer besseren Position als die meisten anderen EU-Länder, bei denen die Jugendarbeitslosigkeit im Schnitt 20 Prozent beträgt – in Österreich sind es 10 Prozent –, aber auch wir stehen vor gro­ßen Herausforderungen auf unserem Arbeitsmarkt. Wir haben fast eine halbe Million oder – je nach Berechnungsmethode – 400 000 Arbeitslose und zurzeit 42 000 offene Stellen. Trotz des gewaltigen Budgets im Arbeits- und Sozialressort gelingt es nicht, die­se offenen Stellen zu besetzen.

Da offenbar keine wirksamen Maßnahmen gesetzt wurden, sind allein die Arbeitsmarkt­kosten in den letzten fünf Jahren um rund 40 Prozent gestiegen, und die damit zusam­menhängenden Sozialausgaben sind in den letzten zehn Jahren um 45 Prozent gestie­gen. Also da muss dringend etwas getan werden!

 


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