Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll148. Sitzung / Seite 125

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15.48.59

Abgeordneter Rouven Ertlschweiger, MSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Ich spreche heute über eines der dunkelsten Kapitel in der österreichischen Geschichte, nämlich über die Verbrechen und die Gräueltaten im Nationalsozialismus. Und wenn man über die Verbrechen und die Gräueltaten im Nationalsozialismus spricht, dann ist damit unmittelbar ein Ort verbunden, und das ist Maly Trostinec.

Vielen von Ihnen – wie auch mir selbst – war Maly Trostinec bis vor wenigen Wochen kein Begriff. Es ist jener Ort in Weißrussland – 10 Kilometer von der weißrussischen Hauptstadt Minsk entfernt –, an dem in den Kriegsjahren 1942 bis 1944 zwischen 40 000 und 60 000 Menschen ermordet wurden.

Es ist jener Ort, an dem die meisten Österreicherinnen und Österreicher ermordet wurden: 10 000 Jüdinnen und Juden, vorwiegend aus Wien, wurden in Maly Trostinec vernichtet. Sie wurden in zehn Sonderzügen à 1 000 Personen nach Maly Trostinec gebracht, mussten dort aussteigen, mussten zu den Gruben gehen, die bereits ausgehoben waren – riesige Gruben! –, mussten sich nackt ausziehen, ihre Kleider vor sich hinlegen und ordnen, und sie wurden dann mittels Genickschuss hingerichtet. Das älteste Opfer war Therese Füchsel mit 86 Jahren, das jüngste Opfer war Gerson Schwarz mit gerade einmal sieben Wochen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bis heute ist es leider nicht gelungen, in Maly Trostinec ein sichtbares Zeichen der Erinnerung für die 10 000 getöteten Öster­reicherinnen und Österreicher zu errichten.

Vergangene Woche haben wir im Außenpolitischen Ausschuss eine Bürgerinitiative behandelt und einen entsprechenden Entschließungsantrag beschlossen, der sich mit der Errichtung eines Denkmals befasst. Ich bin froh darüber, dass sich nach einigem Hin und Her schließlich alle Fraktionen dazu bekannt haben, die Errichtung dieses Denkmals zu ermöglichen. Ich bedanke mich dafür.

Ich möchte mich auch bei Frau Waltraud Barton bedanken, der Vorsitzenden des Vereins IM-MER, die seit Jahren die Errichtung dieses Shoah-Denkmals in Weißruss­land forciert und vorantreibt. Frau Barton ist heute auch hier bei uns, auf der Galerie, und ich möchte Sie im Hohen Haus sehr herzlich begrüßen. Grüß Gott! (Allgemeiner Beifall.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass es wichtig und richtig ist, dass man an die getöteten Menschen in Maly Trostinec erinnert. Im Moment ist das nicht der Fall, im Moment hängen an Bäumen vereinzelt gelbe Namenszettel, lami­nierte Zettel, die an die Toten erinnern. An manchen Bäumen hängen weniger Zettel, an anderen Bäumen hängen mehr Zettel. An einem Baum hängt sogar das Bild eines Vaters ganz oben und darunter sieben Zettel mit dem Bild der Kinder.

Ich glaube, dass es wichtig ist – auch im Sinne von Österreich – und dass es auch eine wichtige und richtige Aufgabe der Republik Österreich ist, ein deutliches Zeichen zu setzen und dort einen Grabstein zu errichten, denn mit der Errichtung dieses Grab­steins verorten wir die Getöteten. Wir geben ihnen damit ihre Identität zurück und schließen sie wieder in jene Gesellschaft ein, aus der sie damals von den National­sozialisten ausgeschlossen wurden.

Meine Damen und Herren! Dieses Mahnmal, dieses Denkmal – nennen Sie es, wie Sie wollen – wird dazu beitragen, Maly Trostinec im kollektiven Gedächtnis Österreichs zu verankern.

 


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