Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll148. Sitzung / Seite 126

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Unsere Generation der Spätgeborenen hat diese Last der Verantwortung nicht mehr zu tragen. Aber unsere Generation sowie nachfolgende Generationen haben die Ver­pflich­tung, das im Nationalsozialismus geschehene Unrecht nicht vergessen zu machen, damit es nie wieder so weit kommt.

Ich möchte meine Rede mit einem Zitat schließen: „Wer sich nicht an die Vergan­genheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“ 

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, appelliere ich an Sie, dass Sie die Zustimmung, die Sie im Ausschuss getätigt haben, auch hier im Plenum geben.

Ich möchte Ihnen noch dieses Buch (das Exemplar in die Höhe haltend) mit auf den Weg geben. Es ist das Totenbuch, das Frau Barton herausgegeben hat. Darin sind die Namen aller 10 000 getöteten Jüdinnen und Juden angeführt, der Frauen, Kinder und älteren Menschen. Sie hat das mühsam zusammengetragen. Ich glaube, es ist ein wichtiges und richtiges Zeichen, dass die Republik Österreich in Maly Trostinec einen Grabstein errichtet und die getöteten Österreicherinnen und Österreicher damit verortet. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

15.54


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.

 


15.54.14

Abgeordnete Petra Bayr, MA (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Barton, auch von meiner Seite herzlichen Dank. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie Sie am 27. Jänner des Vorjahres bei der Gedenkkundgebung am Heldenplatz anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenk­tages sehr eindringlich und sehr emotional über Ihr Projekt betreffend Maly Trostinec geredet haben, und ich glaube, dass sehr viele der dort zu Hunderten Anwesenden das erste Mal mit diesem Teil unserer Geschichte konfrontiert worden sind, und ich freue mich sehr, dass Ihre Arbeit, die für uns alle sehr wichtig ist, hier heute manifest wird. Das ist sehr schön. Ich danke Ihnen für die lange und kontinuierliche Arbeit dazu. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, Grünen, NEOS und Team Stronach sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Mit der Errichtung einer Gedenkstätte in Maly Trostinec für die ermordeten Opfer des Holocaust kommen wir spät, aber doch – sofern sie tatsächlich errichtet wird – dem Einlösen von Verantwortung nach. Ich diskutiere sehr oft mit jüngeren und älteren Menschen über die Frage der historischen Verantwortung, und da höre ich sehr oft: Wir sollten doch endlich einen Schlussstrich unter die Geschichte ziehen!, oder: Ich selbst trage ja keine Schuld, ich war ja nicht dabei!, oder: Wir sollten doch die Vergangenheit endlich ruhen lassen!

Sosehr diese Gefühle und diese Befindlichkeiten zu diesem sehr schwierigen und mit viel Schmerz behafteten Kapitel unserer Vergangenheit auch nachvollziehbar sind, sie sind trotzdem diskussionswürdig bis falsch, würde ich einmal sagen.

Zum einen ist es so, dass moderne Geschichts- und Gedächtniskultur nicht davon ausgeht, dass es einen Schlussstrich unter die Geschichte oder ein Ende der Ge­schichte gibt. Geschichte ist ein Kontinuum, und unsere Gegenwart ist ein Produkt genau dieser Geschichte. Es geht auch nicht – ich will nicht sagen: nie!, aber so gut wie nie oder ganz selten – um individuelle Schuld. Natürlich trage ich oder tragen Sie keine Schuld, aber wir tragen gemeinsam bis jetzt und auch bis in die Zukunft Verant­wortung für das, was passiert ist. Es wird auch nicht funktionieren, die Vergangenheit ruhen zu lassen.

Ich selbst – und sicher haben viele andere ähnliche Erlebnisse – habe mit circa 18 Jahren das erste Mal Yad Vashem, die Holocaust-Gedenkstätte in Israel, besucht,


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite