Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll152. Sitzung / Seite 134

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16.00.51

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Ich glaube, dass alles, was heute gesagt worden ist, im Prinzip richtig ist. Einiges greift allerdings zu kurz.

Unser Entschließungsantrag, den Kollege Lopatka dankenswerterweise und lobend er­wähnt hat, ist gut, er ist ein erster Schritt, er ist aber leider auch nicht das, was er sein könnte, vor allem zur Frage des Beitritts. Wir haben uns hier nicht durchgesetzt. Wir wollten das Ganze nicht zu Fall bringen und haben daher einem Kompromiss zuge­stimmt.

Alle, zumindest die beiden Großparteien, haben aber klargestellt, dass es einen Beitritt der Türkei, einen Vollbeitritt zur Europäischen Union, nicht geben soll, nicht geben wird und nicht geben darf. Trotzdem sind wir immer noch nicht in der Lage, das, was wir hier verbal verkünden – seit mittlerweile zweieinhalb Jahren höre ich das unisono von beiden Parteien –, endlich einmal auch zu verschriftlichen und in eine Willenserklärung des Parlaments zu packen. Das ist eigentlich beschämend – „beschämend“ ist so ein großes Wort, aber es geht fast in diese Richtung.

Warum steht jetzt in der Resolution der Abgeordneten nicht, dass die österreichische Regierung und ihre Vertreter ersucht werden, in den entsprechenden europäischen Ins­tanzen darauf zu drängen, dass die Verhandlungen mit der Türkei abgebrochen wer­den, ohne Wenn und Aber? – Das steht nicht drinnen, sondern es steht wieder nur drin­nen: „ausgesetzt“ oder abgebrochen werden. „Ausgesetzt“, das ist das, was im Antrag der Grünen steht und was wir eigentlich genau nicht wollen. (Abg. Aslan: Falsche Ein­schätzungen!) Was hier im Antrag verlangt wird, ist – so heißt es hier –, „dass die Bei­trittsverhandlungen mit der Türkei formell ausgesetzt werden, bis demokratische Min­deststandards wieder eingehalten werden“.

Das heißt also – anders herum gedacht –, dann, wenn demokratische Mindeststan­dards eingehalten werden, den Beitritt zu forcieren beziehungsweise die Beitrittsver­handlungen fortzusetzen. Kollege Lopatka und der Kollege von der SPÖ haben ziem­lich klar gesagt, dass das aus vielen Gründen nicht sinnvoll ist. Ich glaube, dass dieser Beitritt ein Wahnsinn wäre, dass er nicht finanzierbar ist, dass er die Europäische Uni­on endgültig in die Luft sprengen würde, dass wir dann einen Spagat machen zwischen Kultursystemen, die sicherlich auch in einer nur losen Föderation nicht zusammenpassen.

Ich darf darauf hinweisen: Die Türkei war 500 Jahre plus/minus die Führungsmacht der islamischen Welt. Der Sultan war bis zu seiner Entmachtung 1911 oder 1916 der Hüter der heiligen Stätten, also das, was heute die Saudi-Araber sind; aber die Saudi-Araber sind keine Führungsmacht in der islamischen Welt, das ist ja fast die Karikatur eines Staates. Es gibt ja keinen anderen, und es ist nur logisch, dass das Erdoğan-Regime wieder in diese Rolle schlüpft; und aus dieser Rolle wird die Türkei freiwillig nicht he­rausgehen, weil es keine anderen bedeutenden islamischen Staaten mehr gibt.

Ich appelliere deshalb noch einmal an die Kollegen. Ich weiß, die Grünen haben klar­gestellt, dass sie den Abbruch nicht wollen. – Okay, dann müssen sie vor den Leuten vertreten, dass sie eigentlich die Türkei, wenn sie demokratische Mindeststandards einhält, in der Europäischen Union wollen. Dann bitte ich aber Kollegin Glawischnig, das klar zu sagen: Wir wollen den Beitritt der Türkei, sobald sie die Mindeststandards einhält!, und nicht herumzureden.

Die anderen Parteien, die sagen, sie wollen den Beitritt aus prinzipiellen Gründen nicht – Mindeststandards hin oder her –, bitte ich, doch endlich nicht über den Schat­ten, aber sozusagen über die unsichtbare Hürde, die sich jeder gelegt hat, zu springen und das, was wir wollen, was wir verbal verlangen, auch in einem Antrag zu verschriftli­chen.

 


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