Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll160. Sitzung / Seite 243

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

also sexuelle Gewalt –, beziehungsweise wo ist der Zustand schlicht unbefriedigend, da das Opfer sich selbst wehren muss?

Wenn mich jetzt jemand beschimpft und sagt: Steinhauser, du Idiot, du Ahnungsloser! (Ruf: Dann hat er recht!), dann werde ich mich wehren können, und es wird auch jedem Bürger und jeder Bürgerin zumutbar sein, sich da selbst vor Gericht zu wehren oder einfach zu sagen: Meine Güte, das ist Teil eines Umgangstones. – Als Politiker muss man das so oder so aushalten.

Ich vermute, als Politiker würde ich – und damit bin ich schon beim nächsten Thema – im Rahmen der Meinungsfreiheit solch ein Verfahren sogar verlieren, aber es kann nicht sein, dass es dann das Privileg einiger weniger ist, die Politiker sind, die die wirtschaftlichen Möglichkeiten haben, sich gegen schwerste Beleidigungen zu wehren, während Durschnitts-Userinnen im Internet diese Möglichkeit nicht haben. Genau dem ist die Debatte geschuldet.

Zur Meinungsfreiheit: Die Meinungsfreiheit ist tatsächlich zentral, und sie ist Gott sei Dank durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt. Das heißt aber auch, der Gesetzgeber hat sich an die Europäische Menschenrechtskonvention zu halten und kann da gar nicht konventionswidrig agieren, und auch die Judikatur, die Rechtsprechung, hat selbstverständlich die Meinungsfreiheit zu berücksichtigen.

Jemand, der sich in der Meinungsfreiheit eingeschränkt fühlen würde durch ein Urteil, das auf so einem Tatbestand, der hier diskutiert wird, fußt, der hätte die Chance, bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu gehen und sich dort dagegen zu wehren. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat tatsächlich eine strenge Rechtsprechung und verteidigt dieses Recht auf Meinungsfreiheit auch – Österreich ist auch immer wieder wegen Fehlurteilen verurteilt worden.

Das heißt, der Schutzschirm der Meinungsfreiheit ist gespannt, und unter diesem Schutzschirm hat der Gesetzgeber mit viel Verantwortungsbewusstsein einerseits Lücken zu füllen und auf der anderen Seite in sehr schwerwiegenden Fällen die Bürde vom Opfer zu nehmen, sich selbst gegen diese schwersten Beleidigungen zu wehren. Ich meine nämlich, es gibt Grenzen, bei deren Überschreitung man sagt, das ist dann eine staatliche Angelegenheit, sodass man das nicht aufs Opfer abwälzt, sondern die staatliche Verantwortung wahrgenommen wird. – Genau darüber diskutieren wir.

Die Situation hat sich durchs Internet verschärft. Hass gibt es vermutlich, seit es die Menschheit gibt, aber früher hat jemand vielleicht am Wirtshaustisch geschimpft, vielleicht Flugzettel verteilt – das alles ist unangenehm genug –, aber natürlich ist das Internet ein Multiplikatorenhebel, der diesen Hass vervielfacht und ihn weit in die Welt hinausruft.

Die Betroffenen stehen dem machtlos gegenüber und sehen sich dann sozusagen auch in ihren Lebensumständen massiv eingeschränkt, und das ist die neue Qualität. Es ist nicht so, dass der Hass zunimmt, sondern dass es einfach einen Lautsprecher gibt – den wir ja alle gern nutzen. Das Internet ist eine Errungenschaft, aber das ist ein Nebeneffekt, und da muss der Gesetzgeber reagieren: mit Augenmaß, keine Frage, aber er muss reagieren. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

17.58


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Herr Bundesminister Dr. Brandstetter zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

 


17.58.17

Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter: Herr Präsident! Ich denke – das geht mir gerade so durch den Kopf –, dass dieser Antrag eigentlich schon allein deshalb wertvoll gewesen ist, weil er schon bisher zu einer wirklich hochwertigen


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite