Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll165. Sitzung / Seite 87

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12.25.18

Abgeordneter Dr. Rainer Hable (NEOS): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bun­des­minister! Geschätzte Bürgerinnen und Bürger auf der Galerie und vor den Bildschir­men! Ich möchte den Europapolitischen Bericht zum Anlass nehmen, um ein paar grundsätzliche Dinge zur Europapolitik der Bundesregierung zu sagen.

Diese Europapolitik, sofern man sie überhaupt noch so bezeichnen kann, läuft im Moment unter dem Titel „Österreich zuerst“. Von Bundeskanzler Kern hören wir, dass er einen Beschäftigungsbonus einführen will. Dieser soll nur für Inländer gelten, aber nicht für EU-Bürger. Das halte ich auch für etwas zynisch und problematisch, wenn man auf Deutschland schimpft wegen der dortigen Autobahnmaut, aber bei uns das­selbe macht: ein Beschäftigungsbonus für Inländer, aber nicht für EU-Bürger. Das scheint irgendwie so nach dem Motto zu gehen: Österreichisches Geld für österreichi­sche Bürger! (Abg. Hübner: Wow, das ist ganz schlecht!)

Das scheint ja im ersten Moment plausibel zu klingen, aber die Frage ist doch: Wer verdient denn das österreichische Steuergeld? – Und da sage ich Ihnen: Das ver­dienen auch die EU-Bürger, die in Österreich wohnen, leben und arbeiten und hier auch Steuern zahlen.

Und dann sollten wir uns auch fragen: Wo wird dieses österreichische Steuergeld verdient? – Na klarerweise nicht nur in Österreich. Es wird vor allem durch Exporte verdient. (Abg. Hübner: Die Frage ist: Wer vertritt denn die Interessen der österreichi­schen Steuerzahler im Parlament? Das ist die Frage!) Österreich lebt zu einem Großteil von seinen Exporten. Drei Viertel unserer Exporte gehen in den europäischen Binnenmarkt. Dort wird unser Geld verdient, dort wird auch unser österreichisches Steuergeld verdient. Darauf beruht der Erfolg unserer Betriebe, darauf beruhen unsere Arbeitsplätze, und dieser Erfolg und diese Arbeitsplätze beruhen zu einem wesent­lichen Teil auf den europäischen Grundfreiheiten. (Abg. Hübner: Ja, natürlich!)

Doch leider äußert sich auch Außenminister Kurz in der letzten Zeit ähnlich in diese Richtung. Sie wollen die Familienbeihilfe einschränken für EU-Bürger, deren Kinder in anderen EU-Staaten leben. Da lasse ich jetzt einmal beiseite, dass Ökonomen uns vorrechnen, dass die Einsparungseffekte nicht so sein werden, wie Sie uns glauben machen wollen. Was mir allerdings schon wichtig ist und was ich sehr zentral finde in der Debatte, das ist das politische Signal, das hier ausgesendet wird, das Sie, Herr Außenminister, hier aussenden, wenn Sie von EU-Bürgern als Ausländern sprechen (Abg. Hübner: Wow! Das ist eine Frechheit!), wenn Sie von EU-Bürgern und deren Kindern als belastender Migration sprechen. (Abg. Hübner: Da muss das Verhet­zungs­recht sofort novelliert werden! Unglaublich!)

Wenn Sie mit diesen Worten diese Debatte führen, dann ist das Europa ohne Grenzen zu Ende, dann sind die Freiheiten, die wir in Europa in vielen Jahren und Jahrzehnten erarbeitet und erkämpft haben, zu Ende, dann sind die Freiheiten in Europa, wo wir arbeiten, leben, studieren, Unternehmen gründen wollen, zu Ende. Das sind natio­nalistische und protektionistische Töne, wie wir sie von der FPÖ kennen, das ist ihre Positionierung, ihr Geschäftsmodell – aber jetzt auch das von ÖVP und SPÖ. Das war aber nicht immer so! Wir sollten uns daran erinnern, warum Österreich überhaupt in der Europäischen Union ist, wer uns denn in den Neunzigerjahren politisch in die Euro­päische Union geführt hat. Das geschah unter der Federführung des damaligen SPÖ-Bundeskanzlers Vranitzky, das geschah unter der Federführung des damaligen ÖVP-Außenministers Mock, und denen gebührt dafür Dank und Anerkennung, dass sie das gemacht haben.

Doch heute ist von diesem europapolitischen Bekenntnis von ÖVP und SPÖ nichts mehr übrig. Deswegen soll Ihnen gesagt sein: Das europäische Projekt, das Projekt der


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