Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll175. Sitzung / Seite 76

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir am Samstag den Brexit diskutieren werden, dann wird es dabei ganz intensiv um die weitere Verhandlungslinie gehen, und meine persönliche Auffassung ist, dass das eine Diskussion werden wird, die wahrscheinlich noch bedeutender ist, als wir das heute da oder dort einschätzen. Ich bin davon überzeugt, dass uns die nächsten zwei Jahre, in denen dieser Verhand­lungsprozess abgeführt werden soll, die Chance bieten, Probleme zu lösen, aber dieser Brexit bedeutet natürlich nicht nur eine Chance, sondern auch das Risiko, bestehende Probleme zu vergrößern.

Wenn Sie sich die Leitlinien ansehen, mit denen wir in die Verhandlungen mit Groß­britannien gehen wollen, dann erkennen Sie ein paar Prinzipien, die ich für wichtig halte, um letztendlich einen Beitrag für ein besseres Europa sicherstellen zu können.

Zunächst einmal geht es um die europäische Einigkeit. Diese wird dabei einem Test unterzogen werden, weil sonnenklar ist, dass es natürlich die britische Strategie sein wird, Europa zu spalten und mit einzelnen Ländern bilaterale Vereinbarungen zu treffen. Für uns wird es wichtig sein – ein Lackmustest europäischer Solidarität –, dass da niemand ausbricht, dass Europa geeint auftritt, dass es keine Einzelverhandlungen gibt. Deshalb ist auch ganz klar, dass das Verhandlungsmandat bei der Kommission zu liegen hat; es wird vom ehemaligen Kommissar Barnier wahrgenommen werden.

Der zweite Punkt ist: Wenn wir uns diesen Prozess anschauen, dann ist unsere Überlegung, dass wir mit den Briten zunächst einmal den Austritt regeln wollen. Das ist deshalb wichtig, weil es da in erster Linie auch um die Rechte von Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen anderer EU-Länder, die in Großbritannien arbeiten, und von briti­schen Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen, die in Europa arbeiten, geht. Wir wollen, dass es eine klare Regelung für diese betroffenen Menschen gibt, und schla­gen deshalb vor, dass jemand, der fünf Jahre in Großbritannien gelebt hat – bezie­hungs­weise umgekehrt –, die Rechte, die er damit zugesprochen bekommen hat, dauerhaft erwerben kann.

Es geht aber nicht nur um die Menschen, die betroffenen Europäer, die in Groß­britannien leben, sondern es geht natürlich auch ganz massiv um die Frage, wie wir die finanziellen Vereinbarungen regeln werden. Das wird wahrscheinlich einer der härtesten Punkte werden, weil Großbritannien eine Reihe von Verpflichtungen über­nommen hat, die weit in die Zukunft reichen. Wenn sich Großbritannien jetzt von diesen Verpflichtungen zurückzieht, entstehen natürlich immense Kosten, die gemein­sam zu diskutieren sind. In einer ersten Schätzung der EU-Kommission kommt man auf etwa 60 Milliarden €. Da geht es also um große Beträge, und wir wissen, wie schwierig diese Diskussion wird. Sie erinnern sich an die Brexit-Diskussionen: Die Brexit-Befürwortet haben ja in Großbritannien versprochen, es wird billiger werden, es wird den Briten viel mehr Geld zur Verfügung stehen. Wahrscheinlich ist das eine Rechnung, die so jedenfalls für die Briten nicht aufgehen wird.

Dann geht es natürlich – nächster Punkt – um die Frage der neuen Kooperationen. Da werden viele für uns wichtige Punkten diskutiert und entschieden werden müssen. Zunächst geht es dabei auch einmal um das grundsätzliche Selbstverständnis der Europäischen Union, denn wenn jemand aus der EU ausbricht, dann ist sonnenklar, dass man hinterher, über welche Verträge auch immer, nicht dieselben Rechte wie die EU-Mitglieder beanspruchen kann. Da geht es um die Frage, ob wir uns selbst ernst nehmen, und das bedeutet, wenn jemand Mitglied eines Klubs ist, muss er andere Bedingungen vorfinden als jemand, der nicht Mitglied dieses Klubs ist. Wir werden vor diesem Hintergrund ein Rosinenpicken jedenfalls nicht zulassen können.

Das bedeutet für uns auch, dass wir darauf zu achten haben, dass diese neuen Vereinbarungen mit Großbritannien nicht dazu führen, dass ein Steuerwettbewerb be-


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