Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll175. Sitzung / Seite 77

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trieben wird, infolge dessen Unternehmenssteuersätze weiter nach unten getrieben werden und letztendlich in ganz Europa Wohlstandsverluste entstehen können.

Es geht auch darum, dass wir, wenn wir eine gemeinsame Handelsvereinbarung mit Großbritannien treffen, faire Rahmenbedingungen vorfinden, dass es nun einmal so ist, dass es keine versteckten Beihilfen geben darf, kein Umweltdumping, kein Sozial­dumping und keine anderen unlauteren Wettbewerbsvorteile.

Dann gibt es noch einen Punkt, der uns Österreichern bei der Brexit-Geschichte natürlich besonders wichtig ist, und den kann man wohl unter die Kategorie Chancen einreihen: Auch in Großbritannien gibt es Agenturen, die europäische Aufgaben über­nehmen, die wir gerne in Österreich sehen würden, genauso wie es in Großbritannien auch Unternehmen gibt, die jetzt aus Zulassungs- und Regulierungsgründen den Weg nach Europa suchen, um die wir uns derzeit in der Bundesregierung gemeinsam intensiv bemühen.

Es muss uns bewusst werden, dass die Frage, wenn wir all diese Punkte abgearbeitet haben – und das wird ein langwieriger Prozess, der zumindest zwei Jahre in Anspruch nehmen wird –, ja nicht nur lautet, wie wir die bilateralen Verhältnisse zwischen der Europäischen Union und Großbritannien regeln, sondern dass das auch EU-intern zu erheblichen Konsequenzen und zu sehr ernsten Diskussionen wird führen müssen.

Sie wissen, dass mit Großbritannien der zweitgrößte Nettozahler aus der Europäischen Union aussteigt. Wahrscheinlich wird der Betrag im Jahr 2020, wenn man die Zollein­nahmen noch dazunimmt, bei rund 14 Milliarden € liegen. Unsere gemeinsame Haltung ist, dass es zu keiner höheren Belastung der Nettozahler kommen darf, zu denen auch Österreich gehört. Wie schwierig die Bewältigung dieser Aufgabe werden wird, sieht man schon daran, dass der Gesamtaufwand der EU, für Verwaltung nur, 8 Milliarden € ausmacht. (Abg. Strache: „Nur“! – Abg. Lugar: Na das ist aber wenig! Abg. Kogler: Wenn du den Verwaltungsaufwand der Mitgliedstaaten dazuzählst, ist es doppelt so viel!) Und da reden wir von Kommission, Rat und Parlament, inklusive Personalkosten, gemeinsam. Wenn wir die These vertreten, dass die Einsparungen so aussehen müs­sen, dass es zu keiner Mehrbelastung kommt, dann heißt das, dass wir uns den Kopf natürlich nicht nur über dem Taschenrechner zerbrechen müssen, sondern dass es um grundlegende Reformfragen gehen wird.

Da wird es auch darum gehen, worauf sich die EU-Kommission und das europäische Projekt in Zukunft konzentrieren werden – aus unserer Sicht sind da natürlich in erster Linie Forschung, Investitionen und gemeinsame Sicherheitspolitik zu nennen.

Ich möchte zum Schluss kommen und vielleicht noch eine grundsätzliche Bemerkung anbringen – ich glaube, das ist eine der wichtigsten Lektionen, die man aus dem Brexit lernen kann –: In Großbritannien wurde darüber diskutiert, dass man staatliche Souve­ränität zurückgewinnen möchte. Ich denke, die nächsten zwei Jahre werden demons­trie­ren, dass durch diese Übung, durch den Austritt aus der Europäischen Union, das genaue Gegenteil passieren wird. Die Briten werden in diesem internationalen, globalen Spiel der Kräfte mit Sicherheit an Gewicht verlieren, und sie werden ihre Interessen wesentlich schwerer durchsetzen können als im gemeinsamen Verein mit Europa. (Abg. Belakowitsch-Jenewein: Das stimmt ja gar nicht! Da werden wir dann weiterreden, wenn es so weit ist! Warten wir jetzt einmal ab!)

Wenn das der Fall ist, dann bedeutet das für uns aber umso mehr, dass es unser Ziel sein muss, den Verlust Großbritanniens zu kompensieren und wieder zu einem euro­päischen Projekt zu kommen, das ganz klar eine Stärkung der europäischen Per-spektiven in diesem internationalen Ausgleich der globalen Kräfte bedeutet. Und dann heißt das für uns aber auch, dass wir nicht nur die Feierstunden wahrnehmen können, sondern dass wir uns ganz konkret an die Tagesarbeit machen müssen. (Abg.


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