Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll175. Sitzung / Seite 79

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

besserung der Zusammenarbeit betrifft, ja eigentlich die zentrale Aufgabe, deren Behandlung wir uns für die Zukunft vornehmen wollen; der Bundeskanzler hat es ja auch schon angesprochen.

Wenn das alles in beiden Bereichen passiert, dann kommt man, so wie manchmal auch bei Patchworkfamilien, letztendlich möglicherweise sogar seitens des Vereinigten Königreichs sowie der EU und ihrer Mitgliedstaaten zu einer fruchtbaren und funk­tionierenden Zusammenarbeit; man muss sich ja nicht gegenseitig noch Schaden zufügen.

Damit bin ich aber beim Ernst der Ausgangslage: Mit dem Vereinigten Königreich verlässt die zweitstärkste Volkswirtschaft die EU. Die zweitstärkste Volkswirtschaft – das müssen Sie sich im negativen Sinn auf der Zunge zergehen lassen! –: Das be­deutet von der Größenordnung, was die Wirtschaftskraft anbelangt – von den derzeit 28 Mitgliedstaaten –, so viel wie die 20 kleinsten Nationen der Europäischen Union zusammen. Also da passiert etwas ganz Gravierendes und Schwerwiegendes, und das hat natürlich entsprechende Konsequenzen.

Umso wichtiger ist in dieser Situation die Vorgangsweise der EU, nämlich gemeinsam in einer vernünftigen Art und Weise nach Spielregeln vorzugehen, die man am kom­menden Wochenende bei der Sondertagung des Rates festlegen und dann auch einhalten wird. Das klingt gut.

Ich glaube, es stellt sich keine Frage den Zeitplan betreffend: Der Prozess wird nach den Wahlen in England am 8. Juni beginnen, und die erste Phase wird jene der Trennung sein. Diese beinhaltet eine Aufteilung von gegenseitigen Verpflichtungen in einer Größenordnung von 60 bis 80 Milliarden €. Da wird es eine Klarstellung geben müssen, wer was wie bezahlt, und natürlich sind in diesem Bereich dann auch die Leistungen des Vereinigten Königreichs festzulegen.

Der zweite Punkt in diesem Zusammenhang, der für uns von der Systematik, von der Philosophie her interessant sein wird, ist folgender: Wenn es dem Vereinigten König­reich gelingt, uns in Einzelinteressen aufzuspalten, ist uns nicht zu helfen. Je mehr wir gemeinsam und insgesamt solidarisch vorgehen, desto besser wird natürlich auch das Ergebnis sein.

Die zweite Phase wird sicherlich daraus bestehen, dass man darüber redet, welche Form eine zukünftige Zusammenarbeit haben kann. Das berühmte Rosinenpicken – cherry picking – ist ja schon öfter angesprochen worden. Es ist natürlich logisch, dass das nicht geht, da man dann, wenn das Vereinigte Königreich eventuell mehr an Vor­teilen und an Beweglichkeit hat, als es das jemals als Mitglied gehabt hat, anderen auch den Mund wässrig macht. Das hätte dann vielleicht auch für andere Bei­spiel­wirkung.

Daher ist in diesem Zusammenhang der Zeitfaktor wichtig, aus einem ganz einfachen Grund: 2019 sind die nächsten EU-Wahlen. Es wäre eigenartig, wenn das Vereinigte Königreich dann eventuell wählen oder gar Kandidaten für die Kommission oder sonstige Gremien nominieren müsste, weil die Verhandlungen nicht abgeschlossen sind. Daher nehme ich an, dass es gut ist, diesen Zeitdruck zu haben. Auf der anderen Seite ist mit dem schon erwähnten ehemaligen Kommissar Barnier ein Diplomat vorhanden, der die Sachlage kennt und der Erfahrung und auch, so glaube ich, die notwendige Konsensbereitschaft hat, die diesbezüglich gefragt und notwendig ist.

Jetzt kommen wir genau zu dem Punkt – wir haben ja vorher das Thema Wissenschaft diskutiert –, der für uns Österreicher wahnsinnig wichtig ist, denn das Vereinigte König­reich ist zwar „nur“ – unter Anführungszeichen – unser achtwichtigster Handelspartner, aber wenn es um die Struktur, wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes geht,


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite