Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll175. Sitzung / Seite 125

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Die Fragen, die wir uns stellen sollten, sind jedoch weitreichend, und ich glaube, es reicht auch nicht, wenn wir hier nur sagen: Wie gehen wir denn in Zukunft mit den Staaten um, die vielleicht nicht mehr Mitglied der Europäischen Union bleiben wollen oder austreten wollen? Wir müssen noch einmal weiter denken und uns fragen: Überfordern wir eventuell kleinere Staaten mit einer Mitgliedschaft, mit einer Vollmit­gliedschaft, weil sie vielleicht nicht die entsprechenden Ressourcen haben?, oder: Was ist mit den Staaten, die sich von den europäischen Werten entfernen, wie wir das im Augenblick sehr konkret in Ungarn oder auch in Polen sehen?, und ganz aktuell: Was machen wir mit der Türkei?

Man kann sich seine Nachbarstaaten nicht aussuchen, und man kann sich auch nicht die Politiker aussuchen, die unsere Nachbarstaaten regieren. Wir können aber auch nicht so tun, als ob sie nicht mehr da wären, nur weil sie auf einem Pfad sind, der nicht der unsere ist und den wir uns eventuell nicht wünschen. Unser Außenminister, der heute leider nicht anwesend ist, wie wir schon mehrmals gehört haben, hat gestern noch gefordert, dass man ehrlich sein muss, wenn man die Türkei nicht als Teil der Europäischen Union sieht. Das sehen wir genauso und das ist okay – aber darum können wir uns jetzt wirklich nichts kaufen, sondern man muss da auch einmal ins Tun kommen, man muss auch einmal die entsprechenden Aktivitäten setzen. Und das fehlt eben. Deswegen wünsche ich mir auch von den Regierungsverantwortlichen, von SPÖ und ÖVP, ganz klar, dass wir mit unseren türkischen Nachbarn reden.

Der Herr Vizekanzler hat gesagt, die EU muss sich um die großen Dinge kümmern. Zu diesen gehört die Türkei, und da müssen wir jetzt reingehen. Mich würde im Zusam­menhang mit diesem Thema konkret interessieren: Wie sieht die Partnerschaft, die wir in der Zukunft mit der Türkei haben wollen, aus? – Wir müssen eine haben, es wird nicht ohne gehen, wir sind wirtschaftlich und sicherheitspolitisch miteinander verknüpft.

Was passiert aber, wenn sich die Türkei noch weiter von den Werten entfernt, die wir in der Europäischen Union leben wollen? Und wie geht es mit dem Flüchtlingsdeal weiter? Werden die Regierungsmitglieder und auch unser Außenminister, der dem Türkeideal ja gewissermaßen den Ruhm gestohlen hat, weil er sich ständig dafür feiern lässt, dass er die Balkanroute geschlossen hätte – und wir wissen doch alle, dass das ohne den Türkeideal nicht möglich gewesen wäre –, sich dafür einsetzen, dass die restlichen Zahlungen an die Türkei auch überwiesen werden?

Last, but not least noch ein Punkt, der vielleicht im Augenblick ein sehr, sehr wichtiger ist, nämlich die Heranführungshilfe, also jene Gelder, die die Europäische Union ausgibt, weil die Türkei Kandidatenstatus hat: Sollen wir diese abdrehen? – Meiner Meinung nach ja, denn das sind immerhin mehrere hundert Millionen Euro (Beifall des Abg. Lugar), die wir als EU zum Zwecke der Demokratieförderung, zum Aufbau der Rechtsstaatlichkeit und für zivilgesellschaftliche Projekte überweisen. Ich glaube, mittlerweile wissen wir alle, dass diese Gelder diesem Zweck nicht dienen, sondern dass sie einzig und allein einem Autokraten in der Türkei dienen. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.)

Wir NEOS sind der Meinung, es wäre ein Verrat an jenen 50 Prozent der Menschen, der Türken, die sich gegen Erdoğans Verfassungsänderungen ausgesprochen haben, wenn wir diese Summe weiter zahlen.

Dazu bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend sofortige Einstellung der Heranführungshilfe für die Türkei

 


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