Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll194. Sitzung / Seite 89

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FPÖ, das jetzt auf 100 000 korrigiert haben! Unser Vorschlag zeigt schon Wirkung. Fein wäre es auch, wenn Sie das als Koalitionsbedingung hier verkünden würden; dann würde ich gerne öffentlich applaudieren.

Ich meine, direkte Demokratie macht Konflikte insofern verträglich, als diskutiert wird, bevor die Auseinandersetzungen und das Auseinanderleben ein Ausmaß erreichen, dass es wirklich gefährlich ist. Direkte Demokratie ist nämlich auch ein Heilmittel gegen den Realitätsverlust der politischen Klasse.

Da komme ich sogleich zu dem Auftritt in Brüssel, den wir vor zehn Tagen sehen mussten: Wind in den Segeln verspürt Herr Kommissionspräsident Juncker, und er macht das, was eine Strategie der EU schlechthin ist: Sie setzt Fakten, sie hält die eigene Strategie für alternativlos und behauptet das, sprich, sie setzt auf Überrumpeln und auf Einschüchtern der Skeptiker. Das mag lange effizient sein, demokratisch ist es jedoch nicht. Und angesichts der Tragweite dessen, was er verkündet hat, nämlich Ausweitung des Euro auf alle Staaten, auch wenn sie ihn nicht haben wollen, Aus­weitung der Schengenzone und eine weitere Erweiterungsrunde, sind die Reaktionen in Österreich kläglich und armselig gewesen; eigentlich waren sie kaum vorhanden.

Ich meine, dass das ein Punkt ist, der eine Wende bedeuten muss. Und, was die EU betrifft: „Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.“ – So weit wollen wir es nicht kommen lassen. Wir wollen vorher korrigierend eingreifen, und deswegen ist ganz klar: Wann, wenn nicht jetzt, sollen die Österreicher über ihren weiteren Verbleib in der EU abstimmen können? – Deswegen eine Volksabstimmung darüber, ob Öster­reich weiter in der EU verbleiben soll – verbindlich! Das ist gut für Österreich, und vor allem ist es auch gut für Europa. (Beifall bei Abgeordneten ohne Klubzuge­hörig­keit.)

10.49


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. – Bitte.

 


10.49.28

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was ist das zentrale Missverständnis, das im Zusam­menhang mit der Demokratie immer wieder verbreitet wird? – Dass die Mehrheit grundsätzlich alles entscheidet. Dieses Verständnis ist in Wirklichkeit das Missver­ständ­nis der radikal gedachten direkten Demokratie, es vernachlässigt nämlich nicht nur die Minderheiten, sondern es vernachlässigt auch die Möglichkeiten, die Fruchtbar­keit einer pluralen, heterogenen Gesellschaft.

Ich möchte Ihnen dazu ein Beispiel bringen: Ist es nicht besser, dass in einer Kin­dergruppe, in der gerne Volleyball und Fußball gespielt werden, beides geübt und gespielt wird? Wenn man aber vor der Turnstunde abstimmen lässt und 51 Prozent der Kinder sich für Fußball entscheiden, dann wird entschieden – und das ist ja auch irgend­wie gut so –, in dieser Turnstunde Fußball zu spielen; man muss ja einmal etwas entscheiden. In der nächsten Turnstunde wird wieder abgestimmt und wieder wird Fußball gespielt. Und so werden à la longue, über das ganze Jahr gesehen, die Volleyballspieler nie zum Zug kommen. Richtig wäre es doch eigentlich, dass über das Jahr in 51 Prozent der Turnstunden Fußball gespielt wird und in 49 Prozent Volleyball.

Um zu einem solchen Ergebnis zu kommen, braucht es Verhandlungen und braucht es Verständnis für Lösungen, die möglichst viele einbinden und für viele brauchbar sind. Auch das Abstimmen über einen Ganzjahreszyklus im Sinne von: Wollen wir das ganze Jahr über Fußball oder Volleyball spielen?, also im Sinne der direkten Demo­kratie, wäre völlig falsch, denn das brächte das gleiche falsche Ergebnis.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite