Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll194. Sitzung / Seite 284

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Von 1955 bis 1998 wurden rund 45 000 Beschwerden eingebracht und behandelt. Seit 1998, das ist das Jahr, in dem der ständig tagende Gerichtshof eingesetzt worden ist, stieg die Zahl der Verfahren exponentiell an, und 2015 waren es dann rund 53 500 Ver­fahren oder Beschwerden, die in einem Jahr eingebracht worden sind.

Das ist einerseits erfreulich, weil diese Zahlen vermuten lassen, dass der Zugang zur Menschenrechtsgerichtsbarkeit für die Bürgerinnen und Bürger Europas leichter beziehungsweise unkomplizierter geworden ist. Es wird allerdings wohl auch ein Teil der Wahrheit sein, dass aufgrund verschiedener undemokratischer Entwicklungen in manchen Mitgliedstaaten die menschenrechtliche Situation in den vergangenen Jahren schlechter geworden ist. Ich denke da zum Beispiel an Russland, die Ukraine oder die Türkei. Das wird auch durch die Länderstatistik bestätigt.

Bereits mit dem 14. Protokoll zur Menschenrechtskonvention wurden angesichts der hohen Anzahl an Beschwerden Regelungen eingeführt, um die Funktionsfähigkeit des Gerichtshofs langfristig sicherzustellen, ohne den Zugang zu einer fairen Gerichts­barkeit zu behindern. Das gegenständliche 15. Protokoll stellt nun eine Weiterent­wick­lung dieser Maßnahmen dar. Meine Kolleginnen und Kollegen sind bereits auf die Details eingegangen.

Abschließend möchte ich noch gerne näher auf den eingangs erwähnten kollektiven Staatenschutz eingehen. Kollektiv heißt in diesem Fall auch, alle europäischen Staaten wachen gegenseitig über alle anderen europäischen Staaten und sorgen dafür, dass jeder dieser Staaten die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbrieften Menschenrechte beachtet. Vereinbart ist dabei, dass diese Menschenrechte und Grundfreiheiten einen Mindeststandard in Europa darstellen sollen. Das heißt mit anderen Worten: Bessere Lösungen sind zulässig, schlechtere jedoch nicht.

In diesem Sinne gäbe es auch die Möglichkeit, dass Staaten einen anderen Staat beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof verklagen. Das ist in der Geschichte seit 1950 erst zweimal in einem nennenswerten Ausmaß geschehen. Ich frage mich, ob es nicht langsam an der Zeit wäre, angesichts der menschenrechtlichen Lage in der Türkei, und als Beispiel nenne ich die Verfolgung und die Einschränkung der Presse­freiheit, so eine Maßnahme ins Auge zu fassen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP, Grünen und NEOS sowie der Abg. Gisela Wurm.)

21.41


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren, da es Ein­wendungen zum Abstimmungsprozedere zu dieser Vorlage gibt, unterbreche ich kurz die Sitzung und bitte die Mitglieder der Präsidialkonferenz, zu mir zu kommen.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 21.41 Uhr unterbrochen und um 21.43 Uhr wieder aufge­nommen.)

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Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

In der Stehpräsidiale wurde Konsens darüber erzielt, dass wir diese Abstimmung mit erhöhtem Quorum vornehmen werden.

 


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