Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll9. Sitzung, 28. Februar 2018 / Seite 121

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leben, in dem es im Rahmen von standardisierten Massengeschäften mitunter zu un­rechtmäßigen Verhaltensweisen kommt, und dadurch entsteht für eine Vielzahl von Verbrauchern ein gleichartiger Schaden. Wenn der erlittene Nachteil im Einzelfall sehr gering ist, werden die Schadenersatz- oder -erstattungsansprüche von den Betroffenen oft individuell nicht verfolgt.

Zum einen wird der erforderliche Aufwand in zeitlicher und finanzieller Hinsicht ge­scheut. Man ist gehemmt, zu Gericht zu gehen, oder der Aufwand erscheint im Verhält­nis zum erlittenen Schaden einfach nicht als verhältnismäßig. Die Verbraucher lassen ihre Ansprüche unter den Tisch fallen, und ein durchaus auch rechtswidriges Verhalten von Unternehmen wird nicht sanktioniert. Der sich unrechtmäßig verhaltende Unter­nehmer hat einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem sich rechtmäßig verhaltenden. Das ist durchaus eine unbefriedigende Situation, und es gibt daher seit Jahren eine Diskussion auf nationaler und auch auf internationaler Ebene darüber, wie man den kollektiven Rechtsschutz stärken kann. So gibt es auch eine Empfehlung der Europäi­schen Kommission aus dem Jahr 2013, in der gemeinsame Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadenersatzverfahren entwickelt wurden, und auch in Deutsch­land gibt es ja jetzt parallel eine Diskussion über die Einführung einer Musterfeststel­lungsklage.

Effektive Rechtsdurchsetzung erfordert wirksame Instrumente des zivilprozessualen Rechtsschutzes. Sie müssen so gestaltet sein, dass sie von den Verbrauchern tatsäch­lich in Anspruch genommen werden. Durch einen vereinfachten Zugang zu gerichtli­chen Verfahren ist nicht nur dem Verbraucherschutz gedient, sondern auch der Allge­meinheit, die ja ein Interesse an einem funktionierenden und sicheren Rechtsverkehr hat. Ein Musterfeststellungsverfahren wäre eine Ergänzung zu bereits vorhandenen ge­setzlichen Möglichkeiten. Verbraucherverbände und auch spontan gegründete Rechts­träger – da muss man aber sicherlich noch darüber diskutieren, wie das wirklich ausge­staltet ist – können mit dieser Klage anstelle, aber eben zugunsten der Geschädigten das Vorliegen zentraler Voraussetzungen für das Bestehen eines Anspruchs feststellen lassen. Darauf aufbauend ist dann die Durchsetzung des individuellen Anspruchs des Einzelnen erheblich vereinfacht, da der Sachverhalt und die Rechtsfrage schon geklärt sind.

Es wird durch eine Stärkung des kollektiven Rechtsschutzes also nicht nur der Ver­braucherschutz gestärkt und der Zugang zur Justiz erleichtert, sondern sie dient auch der Verfahrensökonomie, weil es sinnvoll ist, dass ein Sachverhalt und die gleiche Rechtsfrage von einem Richter entschieden wird und nicht von einer größeren Anzahl von Richtern, die womöglich dann divergierende Urteile erlassen. Dadurch entsteht Rechtsunsicherheit. Zudem soll natürlich auch eine Entlastung der Gerichte bewirkt werden.

Alle diese Vorteile rechtfertigen auf jeden Fall eine Diskussion über den Ausbau des kollektiven Rechtsschutzes. Was man hier zum Schluss jedoch noch anmerken muss und was auch der Kollege von der ÖVP betont hat: Man darf dabei auf keinen Fall auf die Interessen der Unternehmer vergessen oder diese unberücksichtigt lassen. Der kollektive Rechtsschutz kann ja auch für die Unternehmen zu mehr Rechtssicherheit führen, wenn sie dadurch eben nicht mit einer großen Anzahl von verschiedenen Ver­fahren konfrontiert sind, sondern eine Streitfrage einheitlich beurteilt und entschieden wird.

Was jedoch nicht sein darf – und das mache ich jetzt ganz kurz, da es schon ange­sprochen worden ist –, ist, dass bei uns amerikanische Verhältnisse eingeführt werden. Der Entwurf der Liste Pilz grenzt sich zugegebenermaßen von diesen amerikanischen Sammelklagen strikt ab. Es muss wirklich bedacht werden, dass die Reise nicht in


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