Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll21. Sitzung, 20. April 2018 / Seite 161

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Es gibt eine Legende, die sich seit Jahren hält und noch immer kursiert, und das ist die Legende, man könne mit der Unesco darüber verhandeln, dass sie vielleicht doch ausnahmsweise nachgibt oder dass das Kerngebiet verkleinert wird. Das ist eine Legende, und ich weiß, wovon ich spreche, weil ich selbst jahrelang in der Unesco-Kom­mission war. Die Unesco verhandelt diese Dinge nicht, und schon gar nicht nach sechs Jahren. Die Unesco hat ganz bestimmte Regeln, sie hat ganz bestimmte Richt­linien, die sie mit Österreich, mit jedem anderen Staat, der die Konvention unter­zeichnet hat, vereinbart hat, und die Unesco ist daran interessiert, dass diese Regeln eingehalten werden, und muss auch darauf achten, weil sonst alle Staaten kommen und jeder macht, was er will, und das kann so sicher nicht sein.

Niemand braucht deswegen aber etwas Falsches zu vermuten: Die Unesco ist sicher nicht reaktionär. Da sitzen 150 Leute drinnen, die genau wissen, dass sich Städte auch entwickeln und dass sich Städte und Zentren des Welterbes auch entwickeln müssen, aber mit Maß und angepasst an die jeweilige Umgebung, an die Struktur, an die Morphologie, die sozusagen diesen Erbecharakter erst ausmacht. Wenn in den Verträgen entsprechende Auflagen gemacht wurden, dann, würde ich sagen, sollten diese auch von Österreich eingehalten werden, noch dazu, da das geschützte Kern­gebiet in Wien nur 1 Prozent der Gesamtfläche ausmacht, 1 Prozent des Stadtge­bie­tes – im Unterschied beispielsweise zu Venedig, das 80 Prozent seiner Fläche ge­schützt hat. Die haben es wesentlich schwerer, und trotzdem würde kein Politiker in Venedig dulden, dass neben der Santa Maria della Salute oder neben dem Campanile ein 66 Meter hoher Turm aufgebaut wird.

1 Prozent bedeutet, wenn man etwa auf seine 100-Quadratmeter-Wohnung aufpassen möchte, 1 Quadratmeter, also einen Fleck der Größe eines Sofas. Ich glaube, es ist nicht zu viel verlangt, wenn man auf so etwas aufpasst, noch dazu, wenn man es selbst will. Von Käseglocke oder Musealisierung kann da keine Rede sein, und nie­mand wird behaupten, dass Wien nicht – trotz dieses Gütesiegels – eine pulsierende und lebendige Stadt ist, so wie übrigens auch alle anderen Welterbezentren in Europa, wie beispielsweise Lyon – da wird niemand sagen, das ist eine tote Stadt –, wie Rom oder wie Prag.

Prag ist ein gutes Beispiel, denn in Prag hat es einen ähnlichen Fall gegeben, wo ein Bauherr mit einem renommierten Architekten – Frank Gehry –, mit diesem wirklich weltbekannten, berühmten Architekten, ein Hochhaus bauen wollte, aber letztendlich hat die Stadt den Interventionen der Unesco nachgegeben, und zwar relativ schnell und deutlich, und hat den Architekten gebeten, die Bauhöhen den Richtlinien ent­sprechend einzuhalten, und siehe da, Frank Gehry hat eines der bekanntesten Ge­bäude – Sie werden es wahrscheinlich kennen, die zwei tanzenden Türme Gin­ger & Fred – gebaut, und es war eine Meisterleistung, derentwegen allein es sich lohnt, dort hinzufahren.

Jetzt könnte man fragen: Welche 1 Prozent in Wien sind das, und wer hat diese be­stimmt? – Österreich beziehungsweise Wien hat das selbst festgelegt. Wir sind es gewesen, zuerst Wien und dann Österreich, die zur Unesco gegangen sind und gesagt haben: Kommt bitte einmal mit eurer Kommission her, schaut euch das an, das ist etwas, was für die Welt von Bedeutung ist, das sollte unter Schutz gestellt werden! – Das Komitee war da, sie haben sich alles angesehen, sie haben das genau geprüft, mit entsprechenden Auflagen versehen und haben gesagt, das ist schützenswert, passt bitte darauf auf, und sie haben auch ganz transparent klargemacht, was geht und was nicht geht – und Österreich hat auch einen Sitz in diesem Komitee.

Dann, 2012, gleich mit den ersten Plänen dieses Hochhauses am Heumarkt neben dem Stadtpark, hat die Unesco Österreich gewarnt und hat gesagt: Das geht nicht, das ist zu hoch! – Es hat aber keinen der politisch Verantwortlichen interessiert, nicht im


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