Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 145

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dem, was es vorgibt zu tun. Es verbreitet nämlich Propaganda – und nicht die Wahr­heit. (Abg. Lugar: Dann wäre Peter Pilz der ideale Minister für dieses Ministerium!)  Machen Sie es anders, Herr Bundeskanzler! Stehen Sie für Europa und handeln Sie europäisch!

Die globalen Herausforderungen der Migration und des Asyls können wir nur gemein­sam als Europa lösen. Wenn wir keine Grenzen innerhalb von Europa haben wollen, wenn wir die Freizügigkeit in Europa leben wollen, dann gebe ich Ihnen ja auch recht: Wir müssen unsere Außengrenzen schützen. Selbstverständlich müssen wir diese schützen. Die Kommission fordert ja schon seit 20 Jahren einen effektiven Schutz der europäischen Außengrenzen. Geschehen ist aber bislang nichts. Jetzt haben wir uns zu einem symbolischen Beitrag bekannt, wo wir uns für 35 Millionen Euro dazu ent­schlossen haben, einen Außengrenzschutz aufzubauen. Ob dieser tatsächlich auch ernsthaft den Schutz der gesamten europäischen Außengrenze gewährleisten kann, sei dahingestellt.

Aber, meine Damen und Herren, eine strategische und gut durchdachte Asyl- und Migrationspolitik endet nicht an der europäischen Grenze. Eine europäische Strategie ist eine Herausforderung, der wir uns gemeinsam stellen müssen. Wir müssen uns die gesamte Kette anschauen, wir können uns nicht nur die Außengrenze anschauen. Wir müssen uns auch anschauen: Was passiert am Anfang? – Da muss man sich auf die Herkunftsländer konzentrieren. Ich habe mir das ganz genau angeschaut: Wer flüchtet denn? – Es gibt natürlich jene, die Schutz suchen, die vor Krieg flüchten. Die suchen Schutz und die brauchen Asyl. Und da gibt es natürlich auch jene Migrantinnen und Migranten, die flüchten, weil sie eine Hoffnung auf ein besseres Leben haben. (Abg. Belakowitsch: Wirklich?) Wir müssen uns anschauen, warum diese Menschen flüch­ten und warum sich diese Menschen auf den Weg machen. (Abg. Gudenus: Das ist dann nicht flüchten, das ist Migration!)

Sie sagen ja: Wir wollen verhindern, dass diese Menschen sich auf den Weg machen. Wir wollen ja Hilfe vor Ort leisten. Diese bekannte Hilfe vor Ort habe ich mir auch genau angeschaut. Ich habe mir genau angesehen: Was hat denn Österreich im letzten Jahr gemacht oder was wollen wir denn tun in den nächsten Jahren, um auch tatsächlich vor Ort aufzubauen? – Die Entwicklungshilfemittel sind im letzten Jahr um 27 Prozent zurückgegangen. (Abg. Leichtfried: Das ist ja unglaublich!) Österreich ist Spitzenreiter bei der Phantomhilfe. Das heißt, nur 55 Prozent der Entwicklungshilfe­gel­der kommen auch tatsächlich vor Ort an. (Abg. Leichtfried: Das ist ja noch unglaub­licher!)

Europas Handelspolitik und Europas Freihandelsabkommen mit westafrikanischen und ostafrikanischen Staaten zerstören die wirtschaftliche Basis der Menschen vor Ort. Ich kann ein paar Beispiele nennen. Ich habe mir nämlich genau angeschaut: Wer sind denn die Migranten, die nach Europa einwandern? – Das sind hauptsächlich Leute aus Tunesien, Marokko, Guinea.

Was passiert denn in Tunesien? – Seit 2008 gibt es ein Freihandelsabkommen zwi­schen Tunesien und der Europäischen Union. Expertinnen und Experten haben uns erzählt und auch geschrieben, dass die Wirtschaft Tunesiens durch diese EU-Frei­han­delsabkommen schwer gefährdet ist. Die tunesische Landwirtschaft kann nicht mit­halten mit den europäischen Landwirtschaftsprodukten, die hoch subventioniert sind. Kleinbetriebe Tunesiens können nicht mithalten mit großen europäischen Corporations.

Die Lage in Marokko ist sehr ähnlich. In Marokko gibt es mit der Europäischen Union das Fischereipartnerschaftsabkommen. Dieses Fischereiabkommen führt dazu, dass supergut ausgestattete europäische Flotten vor der Küste Marokkos die Meere leer­fischen. Die heimischen Flotten gehen leer aus.

 


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