Parlament Österreich

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

 

 

34. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXVI. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 4. Juli 2018

 


Stenographisches Protokoll

34. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVI. Gesetzgebungsperiode                        Mittwoch, 4. Juli 2018

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 4. Juli 2018: 9.04 – 22.02 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaft­steuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuer­gesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Zollrechts-Durchfüh­rungs­gesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Sozialministe­riumservicegesetz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundesfinanzgerichtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geän­dert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018)

2. Punkt: Bericht über den Antrag 302/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ver­sicherungsvertragsgesetz, das Konsumentenschutzgesetz und das Versicherungs­auf­sichtsgesetz 2016 geändert werden

3. Punkt: Bericht über den Antrag 262/A der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alter­na­tive Investmentfonds Manager-Gesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz sowie das Investmentfondsgesetz 2011 geändert werden

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz und das Alternativ­finanzie­rungsgesetz geändert werden

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Österreichische Forschungsförde­rungsgesell­schaft mbH-Errichtungsgesetz geändert wird

6. Punkt: Protokoll zur Abänderung des am 13. April 2000 in Moskau unterzeichneten Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll

7. Punkt: Erklärung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Informationsaustausch nach der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den Austausch länderbezogener Berichte gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Über­ein-


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kommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des am 1. Juni 2011 in Kraft getretenen Protokolls

8. Punkt: Erklärung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Informationsaustausch nach der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des am 1. Juni 2011 in Kraft getretenen Protokolls

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Ge­halts­gesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staats­anwalt­schaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirt­schaft­liche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonen­gesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, die Rei­se­gebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Pensions­ge­setz 1965, das Bundestheaterpensionsgesetz, das Bundesbahngesetz, das Bundes­bahn-Pensionsgesetz, das Bundespensionsamtübertragungs-Gesetz, das Ausschrei­bungs­gesetz 1989, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Dienstrechtsverfah­rens­gesetz 1984, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Überbrückungshilfen­ge­setz, das Poststrukturgesetz, das Auslandszulagen- und ‑hilfeleistungsgesetz, das Militärberufsförderungsgesetz 2004, das Heeresgebührengesetz 2001, das Zivildienst­gesetz 1986, das UmsetzungsG-RL 2014/54/EU und das Bundeshaushaltsgesetz 2013 geändert werden und das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz aufgehoben wird (Dienstrechts-Novelle 2018)

10. Punkt: Bundesgesetz betreffend die Bereinigung von vor dem 1. Jänner 2000 kund­gemachten Bundesgesetzen und Verordnungen (Zweites Bundesrechtsbereini­gungsgesetz – 2. BRBG)

11. Punkt: Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungs­strafsachen

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungs­verfah­rensgesetzen 2008, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwal­tungs­strafgesetz 1991 und das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geändert werden

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das allge­meine Grundbuchsgesetz 1955, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Anerbengesetz, das Außerstreitgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Fortpflan­zungsmedizingesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtskommissärsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das IPR-Gesetz, das Kärntner Erbhöfegesetz 1990, das Konsumentenschutzgesetz, das Landpachtgesetz, das Mietrechtsgesetz, die Notariatsordnung, das Rechtspflegergesetz, das Tiroler Höfegesetz, das Unterneh­mensgesetzbuch, das Verfahrenshilfeanträge-Übermittlungsgesetz, das Verwaltungs­gerichts­hofgesetz 1985, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Vollzugsgebühren­ge­setz, das Wohnungseigentumsgesetz 2002, die Zivilprozessordnung, das Erwach­se­nenschutzvereinsgesetz und das Justizbetreuungsagentur-Gesetz geändert werden (Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz – ErwSchAG-Justiz)

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urhe­berrechtsgesetz-Novelle 2018 – UrhG-Nov 2018)


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15. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Österreichischer Hochschulraum – Reihe BUND 2017/54

16. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Tagesbetreuung von Schülerinnen und Schülern – Reihe BUND 2018/2

17. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Gesundheit der Schülerinnen und Schüler: Schulärztlicher Dienst und Schulpsychologischer Dienst; Follow-up-Überprü­fung – Reihe BUND 2018/15

18. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend EU-Finanzbericht 2015 – Reihe BUND 2017/49

19. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Verkehrsdiensteverträge – Schie­ne – Reihe BUND 2017/50

20. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Katastrophenhilfe in Niederöster­reich, Salzburg und Tirol – Reihe BUND 2017/53

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Forschung an der FH JOANNEUM Gesellschaft mbH und der Fachhochschule Kärnten – gemeinnützige Privatstiftung – Reihe BUND 2017/55

22. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend EU-Mittel unter dem Gesichtspunkt der Wirkungsorientierung – Reihe BUND 2017/56

23. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Österreich Institut G.m.b.H. – Reihe BUND 2017/57

24. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend System der Erhebung der Ver­brauchsteuern sowie Aus- und Weiterbildung im BMF – Reihe Bund 2016/15

25. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Monopolverwaltung GmbH – Reihe BUND 2017/15

26. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Solidaritäts- und Strukturfonds bei der Monopolverwaltung GmbH – Reihe BUND 2017/16

27. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Transparenzdatenbank – Kosten und Nutzen, Ziele und Zielerreichung – Reihe Bund 2017/45

28. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Genderaspekte im Einkommen­steuerrecht mit dem Schwerpunkt Lohnsteuer – Reihe BUND 2017/52

29. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Standorte der allgemein bildenden Pflichtschulen in Tirol und Vorarlberg – Reihe BUND 2018/1

30. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Insolvenz-Entgelt-Fonds und IEF-Service GmbH; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/5

31. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Gendergesundheit in Österreich; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/7

32. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Stadt Salzburg – Meldever­pflich­tung gemäß Parteiengesetz 2012 – Reihe BUND 2018/9


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33. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Land Oberösterreich – Meldever­pflich­tung gemäß Parteiengesetz 2012 – Reihe BUND 2018/10

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 16

Geschäftsbehandlung

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG                    37

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 129

Aktuelle Stunde (8.)

Thema: „Echte Entlastung für unsere Familien“ ..................................................... 16

RednerInnen:

August Wöginger .................................................................................................... ..... 16

Bundesministerin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ........................................... ..... 19

Norbert Sieber ......................................................................................................... ..... 21

Birgit Silvia Sandler ................................................................................................ ..... 22

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 24

Michael Bernhard .................................................................................................... ..... 25

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA .................................................................... ..... 27

Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA .......................................................................... ..... 28

Gabriele Heinisch-Hosek ....................................................................................... ..... 30

Edith Mühlberghuber ............................................................................................. ..... 32

Claudia Gamon, MSc (WU) .......................................................................................... 33

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ..... 35

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 16

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 36

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­kanz­ler betreffend „Die Achse der Mutwilligen“ (1182/J) .................................................................................................... 129

Begründung: Dr. Peter Pilz ......................................................................................... 135

Bundeskanzler Sebastian Kurz ................................................................................ 139

Debatte:

Dr. Alma Zadić, LL.M. ................................................................................................. 144

Werner Amon, MBA ................................................................................................ ... 146

Mag. Andreas Schieder .......................................................................................... ... 148


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Hans-Jörg Jenewein, MA ....................................................................................... ... 150

Mag. Dr. Matthias Strolz ......................................................................................... ... 152

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 154

Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................. ... 155

Ing. Robert Lugar .................................................................................................... ... 157

Claudia Gamon, MSc (WU) ........................................................................................ 159

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................ ... 161

Mag. Roman Haider ................................................................................................ ... 162

Dr. Stephanie Krisper ............................................................................................. ... 163

Mag. Bruno Rossmann (tatsächliche Berichtigung) .................................................. 165

Karl Mahrer, BA ...................................................................................................... ... 165

Dr. Peter Pilz ........................................................................................................... ... 167

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ............................................................................ ... 170

Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 171

Angela Lueger ............................................................................................................ 172

Karl Nehammer, MSc ................................................................................................. 173

Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. ............................................................................... 174

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (190 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaft­steu­er­gesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuerge­setz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versiche­rungs­steuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, die Bundesabga­ben­ordnung, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Kontenein­schau­gesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Ge­setz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Sozialministeriumservicegesetz, das Bundesstraßen-Maut­ge­setz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundesfinanzgerichtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert werden (Jahressteuer­ge­setz 2018 – JStG 2018) (197 d.B.) .......................... 37

RednerInnen:

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ..... 38

Karlheinz Kopf ........................................................................................................ ..... 39

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ..... 41

Erwin Angerer ......................................................................................................... ..... 46

Mag. Selma Yildirim ................................................................................................ ..... 48

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ..... 53

Bundesminister für Finanzen Hartwig Löger ...................................................... ..... 58

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................ ..... 60

Ricarda Berger ........................................................................................................ ..... 61

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................. ..... 62

Bundesministerin Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß ........................................... ..... 66

Maximilian Linder .................................................................................................... ..... 67

Franz Leonhard Eßl ................................................................................................ ..... 68

Carmen Schimanek ................................................................................................ ..... 70

Dr. Gudrun Kugler .................................................................................................. ..... 71

Norbert Sieber ......................................................................................................... ..... 72

Ing. Reinhold Einwallner ........................................................................................ ..... 74

Staatssekretär MMag. DDr. Hubert Fuchs ........................................................... ..... 74

Entschließungsantrag der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „einer sozial gerechten Ausgestaltung des Familienbonus Plus sowie des Kindermehrbetrages“ – Ablehnung ................................................................................................................  43, 86


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Entschließungsantrag der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kein Nachteil für Auslandsbedienstete, Ent­wicklungshelfer und Wirtschaftsdelegierte in Bezug auf Familienbeihilfe und Familienbonus Plus“ – Annahme (E 23) ................................  72, 86

Annahme des Gesetzentwurfes in 197 d.B. ................................................................... 84

2. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 302/A der Abgeord­neten Karlheinz Kopf, Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versicherungsvertragsgesetz, das Konsumenten­schutzgesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert werden (223 d.B.)          ............................................................................................................................... 77

RednerInnen:

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ..... 77

Karlheinz Kopf ........................................................................................................ ..... 78

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ..... 79

Hermann Brückl ...................................................................................................... ..... 80

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ..... 80

Mag. Peter Weidinger ............................................................................................. ..... 82

Peter Wurm .............................................................................................................. ..... 83

Annahme des Gesetzentwurfes in 223 d.B. ................................................................... 83

Gemeinsame Beratung über

3. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 262/A der Abge­ord­neten Karlheinz Kopf, Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz sowie das Investmentfondsgesetz 2011 geän­dert werden (198 d.B.) ........................................................................................................... 86

4. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (187 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz und das Alternativfinanzierungs­gesetz geändert werden (199 d.B.)                  86

5. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (184 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH-Errichtungsgesetz geändert wird (200 d.B.)   ............................................................................................................................... 86

6. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (183 d.B.): Protokoll zur Abänderung des am 13. April 2000 in Moskau unterzeichneten Ab­kommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Russischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (201 d.B.)                    86

7. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (153 d.B.): Erklärung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Informationsaustausch nach der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den Austausch länderbezogener Berichte gemäß


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Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des am 1. Juni 2011 in Kraft getretenen Protokolls (202 d.B.) ............................................................................ 86

8. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (154 d.B.): Erklärung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Informationsaustausch nach der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des am 1. Juni 2011 in Kraft getretenen Proto­kolls (203 d.B.) ....................... 87

RednerInnen:

Petra Bayr, MA MLS ..................................................................................................... 87

Mag. Andreas Hanger ............................................................................................. ..... 88

Nurten Yılmaz .......................................................................................................... ..... 89

Ing. Wolfgang Klinger ............................................................................................ ..... 90

Mag. Karin Greiner ................................................................................................. ..... 91

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .......................................................................... ..... 92

Staatssekretär MMag. DDr. Hubert Fuchs ........................................................... ..... 93

Doris Margreiter ...................................................................................................... ..... 93

Maximilian Linder .................................................................................................... ..... 96

Alois Stöger, diplômé .................................................................................................. 97

Philip Kucher ................................................................................................................ 98

Erwin Angerer ......................................................................................................... ... 100

Entschließungsantrag der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Digitalisierungsagentur“ – Ablehnung ...................................................................  94, 101

Annahme der drei Gesetzentwürfe in 198, 199 und 200 d.B. ...................................... 100

Genehmigung der drei Staatsverträge in 201, 202 und 203 d.B. ................................. 100

9. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (196 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehaltsgesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staats­anwaltschaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landes­ver­trags­lehr­personengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertragslehr­per­sonengesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Bundes­lehrer-Lehrverpflichtungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheater­pen­sionsgesetz, das Bundesbahngesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bundespensionsamtübertragungs-Gesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Überbrückungshilfengesetz, das Post­struktur­gesetz, das Auslandszulagen- und ‑hilfeleistungsgesetz, das Militär­be­rufsförderungsgesetz 2004, das Heeresgebührengesetz 2001, das Zivildienstge­setz 1986, das UmsetzungsG-RL 2014/54/EU und das Bundeshaushaltsge­setz 2013 geändert werden und das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz aufgehoben wird (Dienstrechts-Novelle 2018) (228 d.B.) ................................................................ 101

RednerInnen:

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................ ... 102

Angela Lueger ......................................................................................................... ... 104

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 105

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 106

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ................................................................... ... 107

Johann Singer ......................................................................................................... ... 1


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10

Mag. Muna Duzdar .................................................................................................. ... 111

Christian Lausch ..................................................................................................... ... 112

Annahme des Gesetzentwurfes in 228 d.B. ................................................................. 113

10. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (192 d.B.): Bundesgesetz betreffend die Bereinigung von vor dem 1. Jänner 2000 kundgemachten Bundesgesetzen und Verordnungen (Zweites Bundesrechts­be­reini­gungsgesetz – 2. BRBG) (225 d.B.) ............................. 114

RednerInnen:

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 114

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................ ... 115

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 116

Dr. Markus Tschank ................................................................................................ ... 118

Dr. Irmgard Griss .................................................................................................... ... 119

Bundesminister Dr. Josef Moser .......................................................................... ... 120

Mag. Maria Smodics-Neumann ................................................................................. 122

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................ ... 123

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................. ... 124

Annahme des Gesetzentwurfes in 225 d.B. ................................................................. 125

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (188 d.B.): Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwal­tungsstrafsachen (226 d.B.) ........... 126

12. Punkt: Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (193 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungs­verfahrensgesetzen 2008, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geändert werden (227 d.B.) ............................ 126

RednerInnen:

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ... 126

Mag. Wolfgang Gerstl ............................................................................................. ... 127

Dr. Alfred J. Noll ..................................................................................................... ... 176

Mag. Harald Stefan ................................................................................................. ... 177

Angela Lueger ......................................................................................................... ... 179

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 180

Dr. Johannes Jarolim ................................................................................................. 183

Mag. Maria Smodics-Neumann ................................................................................. 184

Bundesminister Dr. Josef Moser .......................................................................... ... 186

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................ ... 189

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 226 und 227 d.B. ......................................... 189

13. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (195 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Anerbengesetz, das Außerstreitgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Fortpflan­zungsmedizingesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtskommis­särs­gesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das IPR-Gesetz, das Kärntner Erb­höfe­gesetz 1990, das Konsumentenschutzgesetz, das Landpachtgesetz, das Miet­rechtsgesetz, die Notariatsordnung, das Rechtspflegergesetz, das Tiroler Höfe­gesetz, das Unternehmensgesetzbuch, das Verfahrenshilfeanträge-Übermitt­lungsgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verwaltungsstrafge­setz 1991, das Vollzugsgebührengesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 2002, die Zivilprozessordnung, das Erwachsenenschutzvereinsgesetz und das Justiz­betreuungsagentur-Gesetz geändert werden (Erwachsenenschutz-Anpassungs-


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gesetz für den Bereich des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Dere­gulierung und Justiz – ErwSchAG-Justiz) (221 d.B.) ........................................... 191

RednerInnen:

Mag. Friedrich Ofenauer ........................................................................................ ... 191

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 192

Ing. Mag. Volker Reifenberger ............................................................................... ... 193

Dr. Irmgard Griss .................................................................................................... ... 194

Karl Mahrer, BA ...................................................................................................... ... 195

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 196

Bundesminister Dr. Josef Moser .......................................................................... ... 197

Annahme des Gesetzentwurfes in 221 d.B. ................................................................. 199

14. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (185 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechts­gesetz-Novelle 2018 – UrhG-Nov 2018) (222 d.B.)               ............................................................................................................................. 199

RednerInnen:

Mag. Michaela Steinacker ...................................................................................... ... 199

Dr. Harald Troch ..................................................................................................... ... 200

Mag. Harald Stefan ................................................................................................. ... 201

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 202

Petra Bayr, MA MLS ................................................................................................... 205

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit im Inter­net“ – Ablehnung .................  203, 206

Annahme des Gesetzentwurfes in 222 d.B. ................................................................. 206

15. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Österreichischer Hochschulraum – Reihe BUND 2017/54 (III-56/212 d.B.) ............... 206

RednerInnen:

Nico Marchetti ............................................................................................................. 206

Mag. Karin Greiner ..................................................................................................... 207

Dr. Jessi Lintl .............................................................................................................. 208

Claudia Gamon, MSc (WU) ........................................................................................ 209

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 210

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ...................................................... ... 212

Kenntnisnahme des Berichtes III-56 d.B. ..................................................................... 214

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Tagesbetreuung von Schülerinnen und Schülern – Reihe BUND 2018/2 (III-79/213 d.B.)                            214

17. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Gesundheit der Schülerinnen und Schüler: Schul­ärztlicher Dienst und Schulpsychologischer Dienst; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/15 (III-113/214 d.B.) ......................................... 214

RednerInnen:

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 214

Robert Laimer ......................................................................................................... ... 215


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 10

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 216

Dr. Irmgard Griss .................................................................................................... ... 218

Stephanie Cox, BA ................................................................................................. ... 220

Angela Fichtinger ................................................................................................... ... 223

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ...................................................... ... 224

Mag. Karin Greiner ................................................................................................. ... 225

Entschließungsantrag der Abgeordneten Hermann Gahr, Wolfgang Zanger, Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhebung des Bedarfes an schulpsychologischen Interventionen“ – Annahme (E 24) ..................................................................................................  219, 226

Entschließungsantrag der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Mag. Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Studie zur Bedarfserhebung schulpsychologischer Leistungen“ – Ablehnung           221, 226

Kenntnisnahme der beiden Berichte III-79 und III-113 d.B. ......................................... 226

Gemeinsame Beratung über

18. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend EU-Finanzbericht 2015 – Reihe BUND 2017/49 (III-49/215 d.B.) ...................................... 226

19. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Verkehrsdiensteverträge – Schiene – Reihe BUND 2017/50 (III-50/216 d.B.) ........... 226

20. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Katastrophenhilfe in Niederösterreich, Salzburg und Tirol – Reihe BUND 2017/53 (III-53/217 d.B.)         ............................................................................................................................. 226

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Forschung an der FH JOANNEUM Gesellschaft mbH und der Fachhochschule Kärnten – gemeinnützige Privatstiftung – Reihe BUND 2017/55 (III-57/218 d.B.) ............................................... 226

22. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend EU-Mittel unter dem Gesichtspunkt der Wirkungs­orien­tierung – Reihe BUND 2017/56 (III-58/219 d.B.)        ............................................................................................................................. 227

23. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Österreich Institut G.m.b.H. – Reihe BUND 2017/57 (III-59/220 d.B.) ........................ 227

RednerInnen:

Johann Singer ......................................................................................................... ... 227

Wolfgang Knes ........................................................................................................ ... 228

Alois Kainz .............................................................................................................. ... 229

Franz Hörl ................................................................................................................ ... 229

Peter Gerstner ......................................................................................................... ... 230

Johann Rädler ......................................................................................................... ... 231

Kenntnisnahme der sechs Berichte III-49, III-50, III-53, III-57, III-58 und III-59 d.B. ... 232

Gemeinsame Beratung über

24. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend System der Erhebung der Verbrauchsteuern sowie Aus- und Weiterbildung im BMF – Reihe Bund 2016/15 (III-10/238 d.B.) .................................................................................................................. 233


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 11

25. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Monopolverwaltung GmbH – Reihe BUND 2017/15 (III-21/239 d.B.) ......................... 233

26. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Solidaritäts- und Strukturfonds bei der Monopolverwaltung GmbH – Reihe BUND 2017/16 (III-22/240 d.B.)     ............................................................................................................................. 233

27. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Transparenzdatenbank – Kosten und Nutzen, Ziele und Zielerreichung – Reihe Bund 2017/45 (III-45/241 d.B.) ....................................................................................................................................... 233

28. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Genderaspekte im Einkommensteuerrecht mit dem Schwer­punkt Lohnsteuer – Reihe BUND 2017/52 (III-52/242 d.B.) ............................................................................................................... ... 233

29. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Standorte der allgemein bildenden Pflichtschulen in Tirol und Vorarlberg – Reihe BUND 2018/1 (III-78/243 d.B.) .................................................................................................................. 233

30. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Insolvenz-Entgelt-Fonds und IEF-Service GmbH; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/5 (III-83/244 d.B.) .................................................................................................................. 234

31. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Gendergesundheit in Österreich; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/7 (III-85/245 d.B.)           ............................................................................................................................. 234

32. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Stadt Salzburg – Meldeverpflichtung gemäß Parteien­ge­setz 2012 – Reihe BUND 2018/9 (III-88/246 d.B.)     ............................................................................................................................. 234

33. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Land Oberösterreich – Meldeverpflichtung gemäß Partei­en­gesetz 2012 – Reihe BUND 2018/10 (III-89/247 d.B.)     ............................................................................................................................. 234

RednerInnen:

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 234

Mag. Karin Greiner ................................................................................................. ... 235

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 236

Dr. Irmgard Griss .................................................................................................... ... 237

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ... 238

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................ ... 241

Wolfgang Knes ........................................................................................................ ... 242

Dr. Jessi Lintl .......................................................................................................... ... 242

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 244

Johann Singer ......................................................................................................... ... 245

Rudolf Plessl ........................................................................................................... ... 246

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 247

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ................................................  248, 252

Franz Hörl ................................................................................................................ ... 250

Erwin Preiner .......................................................................................................... ... 251

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 252

Kenntnisnahme der zehn Berichte III-10, III-21, III-22, III-45, III-52, III-78, III-83, III-85, III-88 und III-89 d.B.       ............................................................................................................................. 253


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 12

Eingebracht wurden

Bericht ........................................................................................................................... 36

Vorlage 20 BA: Monatserfolg Mai 2018; BM f. Finanzen

Anträge der Abgeordneten

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmenpaket zur Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt (308/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der freiwilligen Arbeitslosenversicherung (309/A)(E)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungs­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz um Bestimmungen über einen wei­sungsfreien Bundesstaatsanwalt ergänzt wird (310/A)

Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Geburtstag (311/A)(E)

Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderungswürdigkeit von Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht im Rahmen des Bildungsinvestitionsgesetzes (312/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz geändert wird (313/A)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ergebnisqualitätsmessung (A-OQl) im ambulanten Bereich vorantreiben (314/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Angleichung des Dienst­rechts öffentlich Bediensteter an den privaten Sektor (315/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Parlamen­ta­rische Kontrolle des Österreichischen Bundesheeres (316/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vehicle-to-Grid als Lösung zur nachhaltigen E-Mobilität und Netzstabilität (317/A)(E)

Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bundesverfas­sungs­gesetze, mit denen das Unvereinbarkeits- und Transparenz-Gesetz und das Bundes­ver­fas­sungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geän­dert werden (318/A)

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Spendenabsetzbar­keit im Kulturbereich (319/A)(E)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage eines Reformpro­gramms für das Bundesdenkmalamt (320/A)(E)

Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Optimierung der Organi­sa­tionsstruktur der Österreichischen Bundesmuseen (321/A)(E)


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Mag. (FH) Maximilian Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aussetzung der Vignettenpflicht auf der A12 für den Abschnitt Staatsgrenze von Kufstein bis Kufstein Süd (322/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Irene Hochstetter-Lackner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend „Grenzschutzübung ProBorders und Vorstellung der Spezialeinheit Puma“ (1153/J)

Wolfgang Knes, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend „der Vorkommnisse am 27.6.2018 in der Wiener Ottakringer Straße nach dem Fußball WM Spiel Serbien gegen Brasilien“ (1154/J)

Irene Hochstetter-Lackner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Grenzschutzübung ProBorders und Vorstellung der Spezialeinheit Puma“ (1155/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend Online-Tool Gehaltsrechner – www.gehaltsrechner.gv.at (1156/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend Kürzungen der Fördermittel (1157/J)

Mag. Andrea Kuntzl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend neue Studienplatzbeschränkungen an Uni­versitäten und bisherige StudienanfängerInnen-Zahlen (1158/J)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend die Auswahl des Titels „Pro Borders“ für die Puma-Übung in Spielfeld (1159/J)

Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Entschuldigung der Financial Times“ (1160/J)

Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend „Entschuldigung der Financial Times“ (1161/J)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend die Umsetzung der Agenda 2030 (1162/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport betreffend Veränderungen seit Inkrafttreten des Bundes-Sportförderungsgesetzes 2017 (1163/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Grenzbahn Südburgenland (1164/J)

Mag. Peter Weidinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend die Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln, vor allem in den Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung (1165/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 14

Walter Bacher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend „Abfrageberechtigungen nach dem Meldegesetz im Jahre 2017“ (1166/J)

Walter Bacher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend „Datenschutz: Erledigung gerichtlicher Strafanzeigen nach § 51 DSG alt – in den Jahren 2015 bis 20172 (1167/J)

Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Berichte zur Albanienroute (1168/J)

Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend bürokratische Hürden für Gedenkdienste und ihre finanzielle Situation (1169/J)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend Akkreditierung, Prüfung und Evaluierung durch den ÖIF (1170/J)

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend AsylwerberInnen, die eine Lehre im Freizeit- und Tourismusbereich absolvieren (1171/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Strafanträge durch die Nicht­einhaltung von ArbeitnehmerInnenschutzbestimmungen im Bezirk Vöcklabruck (1172/J)

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Baufortschritt des Brenner Basis­tunnels (BBT) (1173/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung betreffend Technische Probleme und Schadensfälle im Zu­sammenhang mit dem Kampfflugzeugsystem Eurofighter Typhoon (1174/J)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Bezügegesetz (BezG) (1175/J)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend minderjährige Geflüchtete im Bil­dungsbereich (1176/J)

Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Maßnahmen, um Mädchen für den MINT-Bereich zu begeistern“ (1177/J)

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend die Ausschreibung der Funktion der Leitung der Sek­tion VI „Administrative Sektion“ mit der Wertigkeit A1/9, v1/7 gemäß § 2 Abs. 1 des Ausschreibungsgesetzes (AusG) 1989, BGBl. Nr. 85/1989 idgF (1178/J)

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Ausschreibung der Leitung der Sektion IV (Koordination) des Bundeskanzleramtes gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 des Ausschreibungsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 85/1989 idgF (1179/J)

Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Grenzschutztruppe „Puma“ (1180/J)

Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung betreffend Grenzschutztruppe „Puma“ (1181/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 15

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Die Achse der Mutwilligen“ (1182/J)

*****

Dr. Peter Wittmann, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Nationalrates betreffend „Auslandsreise des Nationalratspräsidenten in die USA“ (9/JPR)

Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des Natio­nalrates betreffend frustrierte Aufwendungen durch die Absage des Parlaments-Som­merfestes (10/JPR)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Präsidenten des National­rates betreffend Bezügegesetz (BezG) (11/JPR)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (741/AB zu 752/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (742/AB zu 753/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (743/AB zu 754/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen (744/AB zu 757/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen (745/AB zu 758/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen (746/AB zu 755/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Alma Zadić, LL.M., Kolleginnen und Kollegen (747/AB zu 762/J)

der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Peter Kolba, Kolleginnen und Kollegen (748/AB zu 756/J)

 

 

 


 


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 16

09.04.57Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abge­ordnete, ich darf die 34. Sitzung des Nationalrates für eröffnet erklären; ich begrüße Sie herzlich, ebenso unsere Gäste auf der Galerie und zu Hause vor den Fernseh­ge­räten.

Das Amtliche Protokoll der 33. Sitzung vom 29. Juni 2018 ist in der Parlaments­direk­tion aufgelegen und wurde nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Doris Bures, Mag. Thomas Drozda, Mario Lindner, Ing. Markus Vogl, Werner Neubauer, BA und Josef Schellhorn.

Frau Präsidentin Bures lässt Sie alle herzlich grüßen; sie hat sich eine Verletzung zu­gezogen und hat einen Liegegips. Wir wünschen ihr von dieser Stelle aus alles Gute – vielleicht hört sie es! (Allgemeiner Beifall.)

09.05.57Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundes­kanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung ge­macht:

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß wird ab 12 Uhr von Wirtschaftsministerin Dr. Margarete Schramböck vertreten.

*****

Ich darf bekannt geben, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr live übertragen wird. ORF III wird diese Sitzung wie üblich in voller Länge übertragen, wobei jener Teil, der über 19.15 Uhr hinausgeht, zeitversetzt gesendet wird.

09.06.34Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Echte Entlastung für unsere Familien“

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wöginger. – Bitte.


9.06.49

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Eine schönen guten Morgen, Herr Präsident! Frau Familienministerin! Herr Finanzminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Österreich gehört zweifelsohne zu den familien­freundlichsten Ländern der Welt, und heute setzen wir mit dem Familienbonus Plus einen weiteren Meilenstein für Familien mit Kindern. Meine Damen und Herren, das ist die größte steuerliche Entlastung für Familien mit Kindern der letzten Jahrzehnte. (Bei-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 17

fall bei ÖVP und FPÖ.) Wir entwickeln unser sehr gutes Familienfinanzierungssystem aus meiner Sicht sehr, sehr positiv weiter.

Worum geht es? – Wir reden von 950 000 Familien in Österreich, wir sprechen von 1,6 Mil­lionen Kindern. Da ich seit 15 Jahren auch Regionalabgeordneter bin, halte ich viel davon, das auf die Regionen herunterzubrechen: In Oberösterreich zum Beispiel, in meinem Heimatbundesland, sind es 255 000 Kinder, und in meinem Heimatbezirk Schärding reden wir von exakt 9 694 Kindern. Der Familienbonus Plus beinhaltet, dass pro Jahr pro Kind ein Nettobetrag von 1 500 Euro zur Verfügung gestellt wird. – Das ist wirklich eine großartige Leistung, und ich bin stolz, dass ich Abgeordneter dieses Hauses bin und diesen Meilenstein heute auch mitbeschließen kann. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein paar Beispiele sagen mehr als tausend Worte: Ab 1 200 Euro brutto beginnt dieser Bonus zu wirken, bereits mit 1 750 Euro brutto steht – mit einem Kind – der volle Be­trag von 1 500 Euro zur Verfügung. Wenn man zum Beispiel 2 300 Euro brutto verdient und zwei Kinder hat, bezahlt man in Zukunft keine Lohnsteuer mehr; wir reden hier von 3 000 Euro, wenn man zwei Kinder hat und 2 300 Euro brutto im Monat verdient. Meine Damen und Herren, diese Entlastung werden die Menschen spüren, unsere Familien werden das spüren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir werden auch eine Informationskampagne starten. (Abg. Leichtfried: Was kos­tet ...?) Wir haben gestern eine Broschüre des ÖVP-Klubs vorgestellt (ein Exemplar der Broschüre in die Höhe haltend): „Wir entlasten die Menschen“. Wir werden den Sommer über unterwegs sein, um die Familien mit Kindern ausreichend zu informieren. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Das Gesetz, dieser Bonus, tritt mit 1. Jänner 2019 in Kraft. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Die Eltern, die Mütter und Väter, werden letzten Endes die Möglichkeit haben, den Bonus aufzusplitten, jeweils 750 Euro, je nachdem, wie man das will; man kann ihn auch alleine in Anspruch nehmen. Das läuft entweder über die Lohnverrechnung, dass dieser Betrag dann monatlich zur Auszahlung kommt, oder man macht das so wie bisher letzten Endes bei der Arbeitnehmerveranlagung geltend. Es herrscht das Prinzip der Wahlfreiheit, und die Menschen können letzten Endes selber entscheiden, wie sie es handhaben wollen. Jedenfalls tritt dieses Gesetz, dieser Familienbonus Plus, mit 1. Jänner 2019 in Kraft. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Für jene Jugendlichen, die zum Beispiel in eine höhere Schule gehen oder studieren, werden wir 500 Euro pro Jahr zur Verfügung stellen. Warum? – Weil man da in der Lage ist, schon etwas dazuzuverdienen. Die Alleinerziehenden werden wir mit 250 Euro pro Jahr berücksichtigen, weil uns diese Gruppe auch besonders am Herzen liegt (Zwi­schenruf der Abg. Lueger); damit setzen wir auch ein Signal, was Alleinerziehende anbelangt, auch da gibt es mit 250 Euro pro Jahr und pro Kind eine entsprechende Unterstützung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Weil immer von den unteren Einkommen gesprochen wird, möchte ich hier schon auch dazusagen und als Argument anführen: Wir haben bei der letzten Steuerreform, 2016, gerade im unteren Einkommensbereich sehr viel gemacht, wir haben die Negativsteuer entsprechend ausgeweitet, und man muss es insgesamt schon auch als Gesamtpaket sehen. Das, was wir damit wirklich wollen, erreichen wir auch. Wir erreichen 80 Pro­zent der erwerbstätigen Bevölkerung, 80 Prozent werden von diesem Familienbonus zur Gänze profitieren – zur Gänze profitieren! –, das sei auch erwähnt. Das heißt, wir erreichen den Mittelstand, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Menschen mit Kindern; dort sorgen wir für die notwendige Entlastung, und das ist wirklich ein Mei­lenstein in der Familienpolitik in Österreich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 18

Ich möchte aber auch ein paar Sätze zu den familienpolitischen Leistungen allgemein sagen (Zwischenruf des Abg. Leichtfried): Wir geben in Österreich pro Jahr insgesamt über 9 Milliarden Euro aus, was die Familienleistungen des Bundes anbelangt. Da sind drinnen: alle steuerlichen Maßnahmen, alle Transferleistungen, das sind die Fami­lien­beihilfe, der Kinderabsetzbetrag – das alleine macht in etwa 5 Milliarden Euro aus –, und auch die Sachleistungen wie zum Beispiel Schulbücher et cetera. Über 9 Milliar­den Euro stellen wir in Österreich vonseiten des Bundes für die Familienleistungen letzten Endes zur Verfügung. Es gibt auch zahlreiche Fördermaßnahmen, die in den Bundesländern zusätzlich greifen, bis hin zu etlichen Gemeindeförderungen.

Zu Fragen und Antworten, was den Familienbonus anbelangt: Wir werden das auf unse­­rer Homepage darstellen, damit sich die Menschen ausreichend informieren kön­nen, wie das funktioniert, was man genau geltend machen kann, ab wann das Gesetz in Kraft tritt. Wir werden einen Frage-Antwort-Katalog auf unserer Homepage – www.oevpklub.at – zur Verfügung stellen, und in den nächsten Tagen wird auch ein Familienbonus-Plus-Rechner des Finanzministeriums online gehen, damit sich die Bevölkerung, damit sich die Eltern informieren können, in welcher Höhe es den Familienbonus Plus gibt.

Ich darf noch ein zweites Thema ansprechen, weil es um die Familien insgesamt geht: Wir haben uns ja letzten Endes auch darauf verständigt, dass wir die Familienbeihilfe indexieren wollen, vor allem für Kinder, die im Ausland, in unseren Nachbarstaaten beziehungsweise in anderen Staaten, leben, weil wir der Meinung sind, dass es gerechtfertigt ist, wenn man auf die Lebenshaltungskosten im jeweiligen Land abstellt. Ich möchte auch hier noch einmal ganz klar festhalten: Das, was für Großbritannien gegolten hätte, wäre es nicht aus der EU ausgetreten, muss auch für ein anderes europäisches Land gelten. Deshalb werden wir diese Indexierung auch zur Umsetzung bringen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Frau Familienministerin und Herr Finanzminister, ich möchte mich auch bei Ihnen ganz, ganz herzlich bedanken, denn das ist ein Leuchtturmprojekt dieser Bun­des­regierung. Kollege Rosenkranz und ich haben gestern Bilanz gezogen: Es ist noch nie so viel weitergegangen wie in den letzten sechs Monaten (Abg. Heinisch-Hosek: Geh bitte! – weitere Zwischenrufe bei der SPÖ), diese Bundesregierung arbeitet Punkt für Punkt ab, und wir im Parlament beschließen diese Maßnahmen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Kuntzl.)

Das ist das, was sich die Menschen auch verdienen, denn sie haben gewählt, sie ha­ben Veränderung gewählt, sie haben gewählt, dass es eine Regierung und ein Parla­ment gibt, das letzten Endes auch im Sinne der Menschen handelt. (Beifall bei Abge­ordneten der ÖVP.) Heute beweisen wir das wieder: mit dem Familienbonus Plus, mit dem Rechtsbereinigungsgesetz, mit dem Erwachsenenschutz-Gesetz. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Wir arbeiten unsere Punkte ab, weil wir das der Bevölkerung versprochen haben, wir bringen das auch zur Umsetzung. (Beifall und Bravorufe bei ÖVP und FPÖ.)

Ich bin stolz, dass ich Teil dieser neuen Konstellation sein darf, auch dieser Art der Zusammenarbeit, und ich möchte mich ganz herzlich beim Koalitionspartner bedanken (Abg. Schieder: ... Kurz bedanken!), bei Frau Präsidentin Kitzmüller – nachträglich alles Gute zum Geburtstag, sie hat gestern Geburtstag gefeiert (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der Abgeordneten Strolz und Zadić) –, denn sie war es auch, die den Familienbonus Plus federführend mit uns gemeinsam verhandelt hat, den wir heute nach wenigen Monaten hier zur Abstimmung bringen. Danke der Freiheitlichen Partei insgesamt für das gute Miteinander, für die konstruktive Zusammenarbeit und dafür, dass wir uns die Dinge einfach ausmachen und sie auch beschließen, und zwar ge­meinsam und miteinander – das ist ein Stil, den wir auch in Zukunft so pflegen werden. (Abg. Heinisch-Hosek: Gefährliche Drohung!)


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Ich bedanke mich bei allen Eltern, bei allen Müttern und Vätern abschließend dafür, dass sie ihre Kinder wohlwollend großziehen, insbesondere möchte ich mich in erster Linie noch bei allen Müttern bedanken, denn wenn ich an meine eigene Familie denke (Zwischenruf des Abg. Leichtfried) – ich habe drei Kinder –, dann muss ich sagen, ich bin meiner Frau sehr, sehr dankbar dafür (Abg. Heinisch-Hosek: Sie verdienen auch ...!), dass sie den Großteil der Erziehungsarbeit und der Familienarbeit über­nimmt, weil es zeitlich einfach nicht anders möglich ist. (Abg. Scherak: Was ist denn das Problem ...?)

Ein Dankeschön an alle Eltern insgesamt, auch an unsere Frauen und Mütter! Wir leben im familienfreundlichsten Land der Welt, und das soll auch so bleiben. (Beifall bei der ÖVP.)

9.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist die Frau Familienminis­terin. – Frau Minister, Sie haben das Wort.


9.17.26

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Liebe Österreicherinnen, liebe Österreicher, vor allem darf ich mich heute an die Eltern wenden! Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Finanzminister! Hohes Haus! Ich glaube, heute ist wirklich ein großer Tag für die Familien in Österreich (Abg. Heinisch-Hosek: Nicht für alle!), denn es gibt eine steuerliche Entlastung für Familien mit Kindern (Abg. Heinisch-Hosek: Nicht für alle!), wie es sie noch nie in dieser Republik gegeben hat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Acht von zehn Familien mit Kindern profitieren zu 100 Prozent von dieser Entlastung (Abg. Heinisch-Hosek: Stimmt ja nicht!), acht von zehn Familien mit Kindern bekom­men 1 500 Euro pro Kind und Jahr mehr. Ich glaube, die Zahlen sprechen für sich; das ist eine unglaublich große steuerliche Entlastung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben aber natürlich auch auf geringverdienende Alleinerzieherinnen und Allein­erzieher Bedacht genommen (Zwischenruf bei der SPÖ); auch diese werden davon profitieren (Abg. Heinisch-Hosek: Schämen Sie sich!) und 250 Euro pro Jahr und Kind bekommen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Obwohl diese Entlastung definitiv als Steuer­entlastung gedacht war, haben wir jetzt auch jene mit hineingenommen, die keine Steuern bezahlen (Abg. Heinisch-Hosek: Wie großzügig!) und 2016 schon von der Steuerreform profitiert haben.

Die Regierung hat Veränderung versprochen, wir sind angetreten (Abg. Heinisch-Hosek: Um die Gesellschaft zu spalten!), um mit den Österreicherinnen und Öster­reichern Neues auf den Weg zu bringen; und wir haben uns vorgenommen, Familien zu stärken und zu entlasten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Kinder sind unsere Zukunft. Wir leben in einer alternden Gesellschaft und müssen wirklich gut auf unsere Zukunft schauen. Ich als Mutter von drei Kindern darf das sagen: Kinder zu erziehen und gleichzeitig in Vollzeit zu arbeiten – das habe ich eigentlich immer gemacht – ist eine große Herausforderung, und deshalb haben wir vor allem jene bedacht, die arbeiten und sich gleichzeitig um die Erziehung ihrer Kinder kümmern und in unsere Zukunft investieren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Familien sind eine tragende Säule Österreichs, und Österreich ist ein sehr familien­freundliches Land. Wir geben 7,3 Milliarden Euro unseres Budgets für Sachleistungen und für Transferleistungen aus. Ich möchte hier vor allem die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag mit fast 5 Milliarden Euro im Jahr erwähnen. (Abg. Kuntzl: Ist das neu?) Ich möchte das auf ein Kind herunterbrechen, weil da die Zahlen noch schöner sind: Pro Kind gibt es im Durchschnitt 2 400 Euro pro Jahr an Familienbeihilfe und


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Kinderabsetzbetrag. Zusätzlich gibt es noch Sachleistungen. Wir unterstützen die Fa­mi­lien großzügig, wir investieren in Schülerfreifahrt, wir investieren in Schulbücher (Abg. Friedl: Alles neu!); auch da gibt es pro Kind und Jahr zwischen 500 und 1 000 Euro. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Lassen Sie mich das zusammenrechnen: Familienbeihilfe, Schülerfreifahrt, Schulbuch­aktion und jetzt auch noch der Familienbonus Plus – das sind Tausende Euro pro Kind und Jahr, die Österreich als familienfreundliches Land in die Hand nimmt, um Familien mit Kindern zu entlasten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Jarolim: Essen auf Rädern haben Sie noch vergessen!) Ich glaube, die Eltern in diesem Land werden mir zustim­men: Wir sind familienfreundlich. (Zwischenruf der Abg. Lueger.)

Diese Bundesregierung hat es sich zur Aufgabe gemacht, noch stärker auf Familien zu fokussieren und in unsere Zukunft zu investieren. Wir wollen in Zukunft auch keine Schulden mehr machen, wir wollen unseren Kindern kein Land hinterlassen, das hoch verschuldet ist, das die Sozialleistungen nicht mehr tragen kann, und deshalb kon­soli­dieren wir auch unser Budget. Wir werden 2019 in Österreich das erste Mal seit Jahrzehnten keine Schulden mehr machen, und das tun wir vor allem für unsere Kin­der. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Wir wollen, dass unsere Kinder in einem Land leben, das keine Schulden macht und Geld hat, um Kinder und Familien zu entlasten und zu unterstützen. (Abg. Heinisch-Hosek: Nicht alle! – Zwischenruf des Abg. Androsch.)

Ich darf Ihnen drei Beispiele nennen, wie der Familienbonus wirkt. Wir wollen nämlich vor allem gering- und mittelverdienende Eltern entlasten. Der Budgetdienst des Parla­ments hat ausgerechnet, dass vor allem Klein- und Mittelverdiener zur Gänze von der Lohnsteuer befreit werden; zur Gänze heißt zu 100 Prozent, sie zahlen keine Lohn­steuer mehr und können bis zu 1 500 Euro pro Kind und Jahr ausschöpfen. Als Beispiel: Wenn Sie ein Kind haben und als Teil einer Familie 1 750 Euro brutto ver­dienen, dann haben Sie am Ende des Jahres 1 500 Euro mehr im Geldtascherl. Wenn Sie zwei Kinder haben und 2 350 Euro verdienen, dann bleiben Ihnen in Zukunft am Ende des Jahres 3 000 Euro für zusätzliche Investitionen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Friedl: Aber nicht für alle Familien!)

Sie sehen schon an diesen Zahlen: Wir entlasten vor allem die Klein- und Mittelver­diener in Österreich und freuen uns, dass wir das tun können. Ich bin stolz auf diese Bundesregierung und freue mich, ein Teil davon zu sein und die Familien mit dem Familienbonus Plus zu entlasten. Das ist eine erste, riesengroße Entlastung für die Österreicherinnen und Österreicher. Wir sind angetreten, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, um zu entlasten, um keine neuen Steuern einzuführen, und genau das tun wir. Wir sorgen für Gerechtigkeit und wir sorgen für Entlastung.

Ich bin stolz, dass wir den österreichischen Familien sagen können, wir tun etwas für ihre Kinder, wir geben den Familien 1 500 Euro pro Jahr für Investitionen. (Abg. Heinisch-Hosek: Aber nicht allen! Nicht allen Kindern!) Kinder kosten, das wissen wir. Früher mussten sie über das ganze Jahr Rechnungen sammeln, um Betreuungskosten abset­zen zu können, das müssen sie jetzt nicht mehr. Wir sind auch angetreten, um Dinge unbürokratischer und einfacher zu machen, und das machen wir. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Volle Bürokratie kommt auf die Eltern zu! – Abg. Schieder: Wäre es nicht gescheiter, einfach Betreuungseinrichtungen einzurichten?)

Wir generieren auch da einen Mehrwert, denn sie kommen unbürokratisch zu ihrem Geld, entweder monatlich über die Lohnverrechnung oder am Ende des Jahres mit dem Steuerausgleich; über die Lohnverrechnung wird es ab 2019 wirksam, über den Steuerausgleich ab 2020.

Ich möchte auch als Mutter von drei Kindern noch etwas sagen: Bis jetzt konnte man die Kinderbetreuungskosten nur bis zum Alter von zehn Jahren absetzen. Sie können


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mir nicht erzählen, dass über zehnjährige Kinder günstiger werden. Man hat eventuell keine Betreuungskosten mehr, aber es treten andere Kosten auf. Ich freue mich sehr, dass ich den Eltern, die über zehnjährige Kinder haben, sagen kann, dass der Fami­lien­bonus ihnen zur Gänze zur Verfügung steht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Nein, nein, nein!)

Diese Regierung ist angetreten, um für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, für Entlastung zu sorgen und um keine neuen Schulden zu machen. Ich glaube, liebe Österreicherinnen, liebe Österreicher, sehr geehrte Damen und Herren, das, was wir versprochen haben, setzen wir um, und eine dieser ersten großen Entlastungen ist der Familienbonus. Ich freue mich und bin stolz darauf, dass er heute in diesem Haus beschlossen wird. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Jarolim: Das kalte Herz des Herrn Bundeskanzlers erschüttert uns! – Abg. Heinisch-Hosek: Genau! – Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

9.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich mache darauf aufmerksam, dass die Rede­zeit aller weiteren Teilnehmer an der Aktuellen Stunde gemäß § 97 Abs. 6 der Ge­schäfts­ordnung 5 Minuten nicht übersteigen darf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Sieber. – Bitte.


9.28.04

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Geschätzte Zuse­he­rinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Der Titel der heutigen Aktuellen Stunde wurde von der ÖVP natürlich nicht ganz unbewusst gewählt, er kommt nicht von ungefähr, denn er lautet: „Echte Entlastung für unsere Familien“ – mit dem Familienbonus Plus, möchte ich dazusagen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Tatsächlich ist es so, dass noch keine Regierung Familien so stark und nachhaltig ent­lastet hat wie diese türkis-blaue Regierung. Noch niemals waren die Rahmenbedin­gungen für Familien so positiv wie derzeit. Wir wissen, Geld ist in der Frage der Familien bei Weitem nicht alles, aber es ist schön und beruhigend, zu wissen, dass man das Geld hat, wenn man es braucht. (Abg. Heinisch-Hosek: Viele brauchen es und haben es nicht!)

Meine Damen und Herren, junge Familien brauchen diesen Familienbonus Plus insge­samt absolut. Er beginnt bei einem Einkommen von 1 750 Euro brutto zu 100 Prozent zu wirken und der erste Steuereuro wird bereits bei einem Einkommen von 1 200 Euro brutto eingespart. (Abg. Heinisch-Hosek: Wenn man zwei Kinder hat, geht das schon nicht mehr! – Zwischenruf des Abg. Rossmann.) Das, meine Damen und Herren, ge­schätzte Kollegin Heinisch-Hosek, sind keine Besserverdiener, wie Sie es gerne sug­gerieren, sondern das sind Menschen, die tagtäglich hart arbeiten, um ihren Lebens­unterhalt und den Lebensunterhalt für ihre Familien zu erwirtschaften. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Heinisch-Hosek: Wenn man zwei Kinder hat, geht das schon nicht mehr!)

Wir nehmen den Menschen nicht ihr sauer verdientes Geld weg, um es ihnen nachher wieder großzügig zurückzugeben, bei uns bleibt den Menschen mehr Netto vom Brutto, wir machen eine ehrliche Steuerpolitik für Familien in diesem Land. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Nein, nein, nein! – Ruf bei der SPÖ: Geht es um die Kinder oder um Steuerpolitik?) Das, meine Damen und Herren, ist Regierungspolitik, ist Familienpolitik à la Türkis-Blau. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Auch Ihr Vorwurf, meine Damen und Herren von der Opposition, dass dieser Bonus sozial ungerecht ist, geht absolut ins Leere. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Gerade die


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einkommensschwachen Familien mit Jahreshaushaltseinkommen von 14 900 Euro bis 26 000 Euro brutto sind die großen Gewinner dieser Reform. Das wird auch vom Bud­getdienst des Parlaments ganz klar bezeugt. Familien mit einer solchen Einkommens­situation zählen für uns beileibe nicht zu den Besserverdienern. Genau diese Familien, meine Damen und Herren, bekommen beinahe zwei Drittel des Gesamtvolumens des Familienbonus, das 1,5 Milliarden Euro beträgt; also 1 Milliarde Euro wird, je nach Kin­deranzahl, für Familien mit einem Einkommen von 14 900 bis 26 000 Euro brutto zur Verfügung gestellt. Dieser Familienbonus ist also nicht nur eine hervorragende fami­lienpolitische Leistung, sondern auch eine sozialpolitische Punktlandung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Klar ist auch, dass wir unsere Zielsetzung, Lohn- und Einkommensteuer zahlende Fa­milien mit Kindern zu entlasten, genau erreichen. Mittelstandsentlastung ist bei uns nicht nur eine leere Worthülse, sondern klare Politik dieser Regierung. Wir versprechen nicht nur, wir halten auch, was wir versprochen haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Auch AlleinverdienerInnen und AlleinerzieherInnen, deren Einkommen so gering ist, dass sie keine Lohn- und Einkommensteuer bezahlen, gehen nicht leer aus, sie be­kommen jedenfalls 250 Euro pro Kind und pro Jahr. (Abg. Lueger: 69 Cent pro Tag!) Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist eine großartige Leistung für diese Gruppe. Auch Einkommensteuer zahlende Familien mit volljährigen Kindern erhalten einen Steuerbonus von bis zu 500 Euro pro Kind und pro Jahr. (Abg. Heinisch-Hosek: Behinderte Kinder? Was ist mit behinderten Kindern?) Erfreulich ist auch, dass wir im Rahmen des parlamentarischen Prozesses nach der Begutachtung die Aufteilung des Familienbonus bei getrennt lebenden Partnern wesentlich flexibler gestalten konnten. (Abg. Friedl: 69 Cent pro Tag für AlleinverdienerInnen!)

Nun werden sich viele der Zuseher vor den Fernsehgeräten fragen: Wie komme ich schlussendlich an den wunderbaren Familienbonus? – Auch da hat die Regierung denk­bar einfache Varianten anzubieten: Wenn Sie den Bonus über die Lohnverrech­nung 2019 beantragen, bekommen Sie die erste Steuererleichterung bereits im Jän­ner 2019, und dann jeden folgenden Monat. Wenn Sie allerdings die zweite Va­riante, die Steuererklärung beziehungsweise die Arbeitnehmerveranlagung 2019 wäh­len, dann bekommen Sie die 1 500 Euro pro Kind im Jahr 2020 im Rahmen des Steuer­ausgleichs ausbezahlt.

Herr Präsident, ich komme zum Schlusssatz: Erwähnen möchte ich im Rahmen der Aktuellen Stunde auch die eigentlich unglaubliche Summe von 7,3 Milliarden Euro an Transfer- und Sachleistungen, die für unsere österreichischen Familien zur Verfügung steht. Dieser Wert ist im internationalen Vergleich ein absoluter Spitzenwert. Österreich spielt jetzt zusätzlich in Verbindung mit dem Familienbonus Plus in Sachen Fa­milien­freundlichkeit ganz sicher um den Weltmeistertitel mit. Gewinner sind die österreichi­schen Familien. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Birgit Sandler. – Bitte.


9.33.57

Abgeordnete Birgit Silvia Sandler (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minis­ter! Herr Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher und Zuseherinnen! Danke, Frau Minis­ter, dass Sie auf Familienleistungen hingewiesen haben, die unter Bruno Kreisky ein­geführt wurden und Menschen wie mir die Möglichkeit gegeben haben, eine höhere Schule zu besuchen. (Beifall bei der SPÖ.)


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Finanzielle Mittel zu streichen, aber gleichzeitig Flexibilität zu fordern, das ist nicht logisch und auch schwer vorstellbar. Die Regierung will den Ländern 90 Millionen Euro statt bisher 140 Millionen Euro für die Kinderbetreuung zuschießen, obwohl nur 1 000 Euro budgetiert sind. Gleichzeitig fordert Frau Minister Bogner-Strauß, dass die Kinder­gärten flexibler sind – Kinder sollen früher gebracht und später abgeholt werden kön­nen –, obwohl nur 1 000 Euro budgetiert sind. Wo ist der Rest? Gerade in Hinblick auf die von Ihnen angedrohte 60-Stunde-Woche wird sich das hinten und vorne nicht aus­gehen. Kinderbetreuung ist ein wesentlicher Faktor für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Frau Minister meint, dass wir die Kinderbetreuung nicht weiter ausbauen müssen, weil es genug Plätze für Drei- bis Sechsjährige gibt. Wenn man sich die nackten Zah­len in der veröffentlichten Statistik ansieht, dann scheint das sogar so zu sein: 94 Pro­zent der Kinder in dieser Altersgruppe scheinen gut versorgt zu sein. Wenn man sich aber die Öffnungszeiten und die Schließtage der Betreuungseinrichtungen anschaut, ergibt sich ein völlig anderes Bild. Einzig und allein in Wien haben 94 Prozent der Kin­dergärten mehr als 9 Stunden pro Tag geöffnet und sind so an die bisher geltenden 8 Stunden Arbeitszeit pro Tag gut angepasst, sie haben im Schnitt fünf Schließtage im Jahr. Selbst das wird bei der drohenden 60-Stunden-Woche zu wenig sein.

Wien ist unsere Hauptstadt, Wien ist eine der größten Städte und ich bin stolz darauf, aber Österreich ist mehr als nur Wien. In Tirol zum Beispiel haben Kindergärten im Schnitt 30 Schließtage, und in vielen Gemeinden in den Bundesländern gibt es Kinderbetreuung nur bis Mittag und viel zu wenige Ganztagesplätze. Kürzungen in diesem Bereich schaden unseren Kindern, unseren Familien, unseren Gemeinden und Städten. (Beifall bei der SPÖ.)

Kinderbetreuungseinrichtungen sind keine Kindesweglegungsanstalten, wie sie ein Abgeordneter der FPÖ genannt hat, sondern wichtige Zentren in Sachen sozialer Kom­petenz. Kinderbetreuung ist zentral für die Entwicklung unserer Kinder. (Abg. Zanger: Die Mutter ist zentral für die Entwicklung des Kindes und nicht die Kinderbetreu­ungs­einrichtung!) Gerade in einer Zeit, in der viele als Einzelkinder oder in prekären Ver­hältnissen aufwachsen, gewinnt der Kontakt auf Augenhöhe mit Gleichaltrigen immer mehr an Bedeutung. Die Gesellschaft von und die Auseinandersetzung mit Kindern außerhalb des Familienverbandes fördert Selbstständigkeit, soziale Kompetenzen und ist für die Entwicklung unserer Kinder unerlässlich. (Beifall bei der SPÖ.) Unsere Kin­der werden dort mit viel Engagement und Herzblut von hoch qualifizierten Fachkräften betreut, begleitet und geschult, und ich verwehre mich gegen unqualifizierte Äuße­run­gen, die diesen Berufsstand schlechtmachen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir brauchen für unsere Familien bei Arbeitszeit und Betreuungseinrichtungen Rah­men­bedingungen, die familienfreundlich sind, wir brauchen eine gesetzliche Flexibilität, die an die Bedürfnisse der Familien und die Situation in den jeweiligen Gemeinden an­ge­passt ist, wir brauchen mehr Betreuungsplätze für die unter Dreijährigen, wir brauchen eine Aufwertung des Berufsbilds der ElementarpädagogInnen und adäquate Bezah­lung, und wir brauchen Planungssicherheit für unsere Gemeinden und Städte.

Angesichts der von Ihnen geplanten Arbeitszeitverlängerung brauchen wir mehr und nicht weniger Geld vom Bund für die Kinderbetreuung, damit es eine reelle Chance auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt. (Beifall bei der SPÖ.)

Manchmal habe ich den Eindruck, Ihre Maßnahmen müssen dem Familienbild einiger Abgeordneter entsprechen: Vater, Mutter, gemeinsame Kinder, die Frau bleibt zu Hause. Angesichts dieses Familienbilds aus dem frühen 20. Jahrhundert wundert es mich nicht, dass Sie auch die Arbeitszeitregelung an den Anfang des 20. Jahrhunderts


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zurückschießen wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Deimek: Jeder lebt das seine Gesellschaftsbild, Sie sind ...!)

Familienmalus, Kürzung der Mindestsicherung für kinderreiche Familien, Kürzung bei Familienberatungsstellen, Kürzung bei Familienbetreuungseinrichtungen: Ihre Pläne mögen eine Entlastung für das Budget sein, aber sie sind eine echte Belastung für alle Familien. – Glück auf! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

9.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Her­mann Brückl. – Bitte.


9.39.06

Abgeordneter Hermann Brückl (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde ist gut gewählt. Heute ist ein guter Tag für Österreich, heute ist ein guter Tag für unsere Familien, heute ist ein guter Tag für unsere Kinder. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Die sind schon alle ...! – Abg. Heinisch-Hosek: Nicht für alle! Nicht für alle Kinder!)

Die Familie ist die Keimzelle unserer Gesellschaft, dort entsteht Leben. Frau Kollegin Sandler, die ideologisierte, linksorientierte Politik der vergangenen Jahre hat eines sug­geriert, nämlich dass die Zukunft unserer Gesellschaft in Österreich nicht von unseren Kindern abhängt. (Abg. Heinisch-Hosek: Wir haben auf Gerechtigkeit geschaut, ihr schaut auf Ungerechtigkeit!) Ihr habt suggeriert, dass wir in Österreich Zuwanderung brauchen, und das ist ein falscher, ein absolut falscher Zugang. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist falsch gegenüber den Zuwanderern, die als Lückenbüßer für die Versäumnisse von Jahrzehnten sozialistischer Gesellschafts- und Familienpolitik dienen müssen. Es ist ein falscher Zugang gegenüber den Familien, denen nicht zugetraut wurde, dass sie unsere Gesellschaft erneuern können, und es ist ein falscher Zugang gegenüber un­seren Kindern, denen nicht zugetraut wurde, dass sie unsere Zukunft gestalten kön­nen – und genau das wollten wir Freiheitliche seit jeher, und jetzt haben wir gemeinsam mit der Österreichischen Volkspartei die Möglichkeit dazu. Wir haben die Möglichkeit und wir haben sie auch genutzt. Wir haben eine gesellschaftspolitische Wende in unserem Land eingeleitet, und das war notwendig, das war wichtig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Österreich ist für uns alle, die wir hier geboren wurden und die wir hier leben, die schönste Heimat, und es gilt einfach auch, diese Heimat zu bewahren. Es gilt aber auch, dafür zu sorgen, dass wir in dieses friedliche Zusammenleben, in diese friedliche Gemeinschaft, die wir haben, weiterhin investieren. Es gibt viele Möglichkeiten, in Kinder zu investieren. Man kann ihnen Liebe und Geborgenheit schenken. Man kann sich um sie kümmern – das ist die Aufgabe der Eltern. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Man kann ihnen Bildung geben, man kann ihnen Ausbildung geben – das ist wiederum Sache der Eltern gemeinsam mit dem Staat. Aber man muss ihnen, und dafür muss wiederum auch der Staat sorgen, auch materielles Wohlergehen zukommen lassen – das ist der Punkt, an dem der Staat einspringt, an dem diese Regierung mit dem Fa­milienbonus Plus einspringt, der heute hier beschlossen werden soll. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich komme noch einmal auf das zurück, was ich eingangs schon gesagt habe: Wir haben in den vergangenen Jahren Milliarden in Umverteilung gesteckt, in alle mög­lichen Richtungen, zuletzt eben in die Zuwanderung, weil wir einfach – so wie ich es eingangs ja bereits erwähnt habe – den eigenen Kindern nicht vertraut haben, den eigenen Familien nicht vertraut haben, sondern uns suggeriert wurde: Wir brauchen


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Zuwanderung! (Zwischenruf der Abg. Friedl. – Abg. Heinisch-Hosek: Welche Rede halten Sie da?!)

Unser vornehmstes Ziel war und ist es dagegen, die einheimische Bevölkerung zu entlasten. Bereits im Jahr 2008 – kann ich mich erinnern – hat mein Vorvorvorgänger als Finanzsprecher, Lutz Weinzinger, einen derartigen Antrag eingebracht. Der wurde damals, no na, von einer sozialdemokratisch geführten Regierung unter Werner Faymann abgelehnt. Familienförderung war ja nie ein wirkliches Kernanliegen der Sozial­demo­kratie. (Ruf bei der SPÖ: ... falsche ÖVP!) Wir Freiheitliche haben aber immer daran festgehalten. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dieser Familienbonus Plus, der heute beschlossen werden soll, ist eine treffsichere Maß­nahme. Er ist notwendig, er ist wichtig und er dient der Unterstützung unserer Fa­milien. Ein paar Punkte, vier Sätze kurz dazu – das Meiste wurde ja bereits erwähnt –:

Bei 1 500 Euro pro Kind gibt es positive Nebeneffekte, die der Familienbonus Plus mit sich bringt: die Ankurbelung des Binnenkonsums, die Vereinfachung des Steuersys­tems oder ein Beitrag zur Senkung der viel zu hohen Abgabenquote, die wir im Land haben. All das sind also Dinge, die wir mit dem Familienbonus mitbeschließen werden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Abschließend noch, weil immer behauptet wird, Kinder wären nicht gleich viel wert, weil behauptet wird, es gibt eine Umverteilung von unten nach oben – das stimmt ganz einfach nicht, das hat auch Klubobmann Wöginger bereits gesagt –: Der Familien­bonus kommt gerade jenen Familien mit Kindern zugute, die ein verfügbares Einkom­men zwischen 15 000 und 20 000 Euro haben, und das sind auch genau jene Familien, die im Durchschnitt die meisten Kinder haben. (Abg. Heinisch-Hosek: 300 000 Kinder haben nichts davon! – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.)

Deswegen, Hohes Haus – ich komme zum Schlusssatz, Herr Präsident –, freue ich mich als Politiker, freue ich mich als Staatsbürger und auch als Vater, dass wir heute hier dafür sorgen, dass den Familien wieder jener Respekt und jener Stellenwert zu­kommt, der ihnen in den vergangenen Jahren verwehrt geblieben ist.  Vielen Dank. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

9.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


9.44.53

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Ministerin! Geschätzter Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Wir werden Zeuge, wie die Aktuelle Stunde von den Regierungsfraktionen zur Märchenstunde umgewandelt wird (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz), und es gibt anscheinend ein ganz großes Missverständnis bei ÖVP und FPÖ: Es ist nicht Ihr Geld, das Sie da verschenken; das ist nicht das, was Sie herschenken! (Beifall bei NEOS und Liste Pilz sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Strolz: Ja! Bravo!)

Es wird auch vonseiten der Regierungsbank die Unwahrheit gesagt, wenn man be­hauptet: Alles, was wir versprochen haben, werden wir liefern! Man hat sich von der kalten Progression verabschiedet (Abg. Hauser: Ah geh! ...!) und im gleichen Zug den Familienbonus eingeführt. Wenn man jetzt genauer nachschaut, was denn da passiert ist, sieht man Folgendes: 2019, also im ersten Jahr, in dem es den Familienbonus geben wird, fallen Mehrkosten, also ein Steuervolumen von 1,5 Milliarden Euro weg, und die kalte Progression spült 1,5 Milliarden Euro herein. Im Jahr 2020 wird aber die kalte Progression bereits 2 Milliarden Euro hereinspülen, das heißt, es bleibt für Sie


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sozusagen ein Profit, eine Möglichkeit, weiter so zu tun, als wäre es Ihr Geld, das Sie verschenken. (Abg. Strolz: Aha! Aha!)

Für mich ist ganz klar: Sie nehmen hiermit den Menschen das Geld aus der Geld­börse – machen das, von dem Sie versprochen haben, dass Sie es nicht mehr tun wer­den – und geben es einer Gruppe in der Bevölkerung, und zwar mit dem Ziel, weiter zu spalten und nicht zu einen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz.)

Das, was Sie versuchen durch die Hintertür einzuführen, ist eine Familienbesteuerung, und da scheiden sich jetzt die Geister, denn der Anreiz, Familien einerseits zu unter­stützen, ist ein anderer, als den Menschen einfach die Möglichkeit der Selbster­mäch­ti­gung zu geben. Mit diesem Modell gehen Sie in die falsche Richtung. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Wieso?)

Wo Sie aber tatsächlich sparen und wo Sie auch nicht auf die Familien Rücksicht nehmen, ist, wenn es um die Kinderbetreuung geht. Sie haben bei den Drei- bis Sechs­jährigen gestern verkündet, dass Ihr Ziel erreicht ist, dass Sie keine Notwendigkeit mehr für Investitionen sehen. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) – Herr Wöginger, ich bitte zuzuhören, denn dann werden Sie die Gesamtargumentation verstehen! (Abg. Wöginger: Du hast es nicht erklärt, wo das Problem liegt!) Wenn Sie bei den Drei- bis Sechsjährigen keine Investitionen mehr vornehmen, bei Kindergärten, die bis zu 40 Tage im Jahr zu haben, und dann gleichzeitig davon reden, dass Sie eine Familien­partei sind, dann sollten Sie noch einmal zurückgehen und sich weiter beratschlagen! (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Liste Pilz. – Abg. Strolz: Jawohl! – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Was Sie machen können, wenn Sie sagen, Sie sind eine Familienpartei, ist relativ einfach: Sie können einen Rechtsanspruch für Eltern beschließen, dass Kinder ab dem abgeschlossenen 1. Lebensjahr auch immer die Möglichkeit haben, wenn die Eltern das wollen, einen Kinderbetreuungsplatz zu bekommen, und dazu auch gleich einen entsprechenden Zugang. Der Kindergarten muss von morgens bis abends offen haben, am besten ohne Schließtage. Es gibt kein Argument für Schließtage, maximal die Inventur, die dauert zwei Tage. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Herr Klubobmann Wöginger, ich bitte noch immer zuzuhören, Sie werden am Schluss die Auflösung un­serer Argumentation verstehen! (Abg. Wöginger: Bis jetzt versteht man gar nichts! – Abg. Strolz: Bemüh dich!)

Ein weiterer wesentlicher Punkt ist, dass wir auch europarechtliche Bedenken haben: Die Indexierung des Familienbonus ist tatsächlich eine schwierige Sache, weil sie bei der Steuerpolitik Unionsbürgerinnen und Unionsbürger möglicherweise benachteiligt. Der Herr Finanzminister hat als Argument, warum das nicht eintreten wird, Professor Lang und dessen Gutachten bemüht, er hat gesagt, auf Basis dessen kann man dem Ganzen wohl getrost zustimmen. Wir haben beim Finanzministerium angerufen und dieses Gutachten verlangt. Wir haben es nicht bekommen. (Abg. Strolz: Ah!) Wir ha­ben auch mit Kollegen Sieber von der ÖVP gesprochen, wir haben es nicht bekom­men. Wir haben bei Herrn Professor Lang selbst nachgefragt, wir haben es nicht be­kommen. Das heißt bei der Transparenz – wenn Sie schon bei den Kindern sind – haben Sie ein Nicht genügend! (Beifall bei NEOS und Liste Pilz sowie bei Abgeord­neten der SPÖ.)

Ihre Form, wie Sie Gesetze bauen, Ihre Art, wie Sie Gesetze bauen, ist maximal in­transparent und schädlich für unser Land – für das Parlament, für den Parlamen­tarismus und für die Menschen, die von Ihnen und Ihren Gesetzen betroffen sind.

Herr Wöginger, Sie haben meiner, unserer Einschätzung nach einen Familienbonus gebaut, der viele Schwachstellen hat, der viele Fragen offenlässt und der es uns nur mit schwerem Herzen ermöglicht, einer Entlastung zuzustimmen. (Abg. Wöginger:


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Jessas na!) Der Punkt ist, dass Sie auf unsere Kritik an mehreren Punkten ein­gegangen sind. Sie sind auf jenen Bereich, wo es zwischen getrennt lebenden Eltern­teilen zu Konflikten kommen kann, eingegangen. Sie sind auch bei den Alleinerzie­henden und bei den Alleinverdienenden auf Kritikpunkte eingegangen, und dafür ge­bührt Ihnen Anerkennung.

Der Familienbonus wird 1,6 der 1,8 Millionen Menschen tatsächlich treffen, und zwar im positiven Sinne. Ich komme zum Schlusssatz, Herr Präsident: Wir wollen nicht ge­gen ein Gesetz stimmen, von dem 1,6 Millionen Kinder profitieren können, deswegen stimmen wir heute für diese 1,6 Millionen Kinder, die profitieren. Und wir fordern von Ihnen, dass Sie für die anderen 200 000 Kinder, die heute nicht profitieren, endlich etwas betreffend die Kinderbetreuung machen, und natürlich auch für die Eltern, die davon betroffen sind. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Liste Pilz. – Abg. Wöginger: Der letzte Teil der Rede war sehr okay! – Ruf bei der FPÖ: Der war klar verständlich! – Heiterkeit bei Abgeordneten der NEOS.)

9.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber ist zu Wort gemeldet. Ich darf ihr das Wort erteilen.


9.50.37

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (PILZ): Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Minister! Herr Minister! Werte KollegInnen! Liebe ZuseherInnen! Ja, nun ist es also soweit und der Familienbonus soll heute beschlossen werden, ein Bonus für einige, aber eben nicht für alle – denn besonders jene, die jetzt schon nichts oder sehr wenig zum Leben und zum Auskommen haben, werden auch vom Familienbonus dementsprechend wenig bis gar nichts erhalten.

Ich spreche von den 324 000 Kindern und Jugendlichen in Österreich, die von Armut und Ausgrenzung betroffen sind. Das ist eine Situation, die in einem der reichsten Länder, wie Österreich es ist, nicht toleriert werden darf und auch nicht toleriert werden soll. Das bedeutet, die Wohnung nicht ausreichend heizen zu können, es bedeutet, kein Geld für neue Kleidung zu haben, eventuell nur für ein Paar Schuhe, keinen Urlaub oder natürlich auch keine ausgewogene Ernährung zu haben. Und es bedeutet, von unerwarteten Ausgaben, etwa, was die Schule betrifft, vor finanzielle Heraus­for­derungen gestellt zu werden, die diese Familien dann nicht meistern können.

Ich habe Sie, Frau Familienministerin, im Familienausschuss sehr oft gefragt, immer und immer wieder, was gegen Kinderarmut gemacht wird. Sie haben mir immer und immer wieder die gleiche Antwort gegeben, nämlich: Wir führen ja jetzt den Familien­bonus ein! – Da frage ich Sie, Frau Ministerin: Können Sie mich nicht verstehen, wenn ich Ihnen sage, dass dieser Familienbonus bei genau diesen Kindern, die von Armut betroffen oder gefährdet sind, überhaupt nicht ankommen wird, oder wollen Sie es nicht verstehen?

Was Sie hier machen, ist eine Familienpolitik, die ich ganz und gar nicht unterstützen kann, denn Sie fördern Kinder nicht, weil sie Kinder sind, weil sie Bedürfnisse haben und sich nicht selbst erhalten können, sondern Sie fördern Kinder aufgrund des Ein­kommens ihrer Eltern. Und wie sich ein Kind nicht aussuchen kann, ob es in Europa, in Asien oder in Afrika auf die Welt kommt, kann es sich auch nicht aussuchen, ob es in eine Familie mit gut verdienenden Eltern oder schlechter verdienenden Eltern geboren wird. Diesen Unterschied fördern Sie aber mit dem Familienbonus weiterhin, anstatt für soziale Gerechtigkeit zu arbeiten oder, wie es geheißen hat, eine Punktladung zu machen.


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Ich habe Ihnen heute symbolisch ein Paar Schuhe mitgebracht. (Die Rednerin hält ein Paar Kindergummistiefel in die Höhe.) Es sind die kleinen Kindergummistiefel meines Mannes, in die ich sehr verliebt bin, weil sie mich immer an den Gedanken erinnern, dass wir alle einmal klein, jung waren, dass wir alle einmal klein angefangen haben und in unserem Leben auch völlig unterschiedliche Startbedingungen vorgefunden haben. Diese völlig unterschiedlichen Startbedingungen befeuern Sie mit dem Fami­lien­bonus weiter und weiter. Sie schaffen weiterhin einen Unterschied zwischen Familien, die gut situiert sind, zwischen jenen, die einen tollen Job haben, sich etwas leisten können im Leben, und zwischen anderen, die von Armut bedroht sind. (Abg. Deimek: 1 700 Euro im Monat ist der direkte Übergang zu Reichtum?!) Deshalb er­suche ich Sie, Frau Ministerin: Hören Sie auf mit einer Politik, die diese Unterschiede zwischen den Kindern noch weiter befeuert! (Beifall bei der Liste Pilz.)

Sie lassen 150 000 Kindern in Österreich keinen Cent dieses Familienbonus zukom­men, und weitere 550 000 Kinder in Österreich werden den Familienbonus nicht in voller Höhe oder maximal 250 Euro pro Jahr bekommen. Da frage ich mich: Handelt es sich da nicht um Familien? Warum bekommen nicht alle Familien die Unterstützung, die sie beziehungsweise die Kinder brauchen? Ich verstehe nicht, wie man als Minister, als Abgeordnete, als Spitzenverdiener auf der einen Seite den vollen Bonus aus­schöpfen kann und auf der anderen Seite andere Menschen komplett leer ausgehen lassen kann. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Machen Sie bitte eine Familienpolitik, die diesen Namen auch verdient hat! Machen Sie eine Familienpolitik, einen Familienbonus, der dementsprechend allen Kindern zu­kommt, denn ein Kind braucht, was ein Kind braucht! Ein kleines Geheimnis: Das sind kleine Gummistiefel (neuerlich das Paar Kindergummistiefel zeigend), und diese klei­nen Gummistiefel braucht ein Kind dann, wenn es regnet, wenn es im Kindergarten draußen in der Wiese gatschig ist und man rausgeht, aber trotzdem Schutz braucht. Der nächste Schritt ist, dass man Kletter braucht – und für alle, die das nicht verstehen, das sind Schuhe mit Klettverschluss –, die braucht ein Kind dann, wenn es die Schuh­bänder noch nicht binden kann. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Und der nächste Schritt sind dann Schnürer, wenn man stolz darauf ist, dass man es geschafft hat.

All diese Entwicklungsschritte braucht ein Kind. Dazu braucht ein Kind nicht ein Paar Schuhe, dazu braucht es mehrere Paar Schuhe, und deshalb braucht es auch eine Fa­milienpolitik, die bei allen Kindern ankommt. Eine Familienpolitik muss sich daran orientieren, was das Kind braucht, und nicht daran, welche Steuerpolitik damit erreicht werden will, welche Steuersenkungen damit umgesetzt werden wollen. Gestalten Sie den Familienbonus folgendermaßen aus, Frau Ministerin: Ziehen Sie für Spitzen­verdiener einen Deckel ein! Damit würde es möglich werden, einen Sockel nach unten einzuziehen und genau für diese Kinder und Jugendlichen ebenfalls einen Bonus umzusetzen. (Abg. Deimek: Also das Kind vom Rossmann ...!) Gestalten Sie diesen Bonus sozial gerecht aus! – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli. – Bitte.


9.56.03

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Geschätzte Österreicherinnen und Öster­reicher! Ich möchte heute über drei Werte sprechen: über den Mut, die Redlichkeit und die Freiheit. Als ich vor einigen Monaten hier in diesem Haus zu arbeiten begonnen habe, war für mich eines ganz wichtig: Menschen zu ermutigen. Ich bin angetreten, um


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einiges zu ändern, zu reformieren, für dieses Land positive Impulse zu schaffen. Unter anderem ist es für mich aus meiner persönlichen Geschichte heraus ganz, ganz wich­tig, jungen Menschen Mut zu Kindern zu machen.

Ich selbst kann hier nur meine höchstpersönliche Erfahrung schildern. Als ich mit 21 schwanger war, hatte ich weder Geld angespart, noch eine fertige Ausbildung, noch einen vermögenden Partner. Ich habe Österreich aber immer als ein Land der Chancen wahrgenommen, als ein Land der Zuversicht, und ich habe erleben dürfen, dass es hier Perspektiven für jeden gibt. Wer sich in diesem Land, in Österreich bemüht, des­sen Chancen sind großartig. Wir haben ein soziales Netz, wir haben einen freien Bil­dungszugang und eine engagierte und immer noch solidarische Gesellschaft. So konnte ich ein Studium absolvieren, gleichzeitig berufstätig sein und ein Unternehmen aufbauen und parallel dazu drei wunderbare Kinder in ihr Leben begleiten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Unsere gemeinsame Pflicht ist es, Menschen Mut zu Kindern zu machen. Wir wissen aus der Familienforschung von Professor Mazal: Die Menschen wünschen es sich, die jungen Frauen wünschen sich Familie. Irgendwann kommt aber dann das Thema, dass sie ihren Lebensstandard nicht mehr herunterschrauben wollen, dass sie unsicher sind, dass die Sicherheit nicht da ist, ob der Partner wohl bleibt, ob man als Frau alleine dasteht. Sie können diesen Menschen, diesen Frauen, die Sorgen haben, genau damit auch die Sorge nehmen, denn der Familienbonus Plus ist punktgenau das, was einer jungen Frau hilft. (Zwischenruf der Abg. Friedl.) Er gibt Sicherheit, er gibt Motivation und er gibt Handlungsspielraum. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Für mich ist das ganz wichtig, was Sie vorher angeführt haben – es sei nicht für alle da –: Ich war vor Kurzem bei uns im Wahlkreis draußen in einer Gegend, die jetzt nicht besonders wohlhabend ist, wo es keine Privatschulen gibt, und habe mit Menschen gesprochen, die gar nicht gewusst haben, wie das genau ausschaut. Sie wussten nicht, was der Familienbonus ist. Niemand hat verstanden, dass das Cash ist, dass man nicht mühsam etwas einreichen muss. Schlussendlich war es dann dort so, dass bis auf drei – wobei in einem Fall ungeklärt war, ob die es nicht vielleicht doch auch im vollen Ausmaß kriegen – alle davon profitieren. Es ist die Friseurin im fünften Berufs­jahr, es sind der Mechaniker und auch die Lehrerin, die gerade angefangen haben, zu arbeiten – und alle bekommen den vollen Betrag. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Friedl.)

Spannend finde ich es auch immer, dass diejenigen, die selbst gar keine Kinder haben und gar nicht wissen, was es bedeutet, urteilen oder laut herausrufen und sagen, wie es gehen würde. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Scherak: Ich werde mich auch zu Wort melden, wenn ich keine Kinder habe!)

Punkt zwei, reden wir über die Redlichkeit: Ich habe das Gefühl, dass da einige an einem völlig falsch verstandenem Robin-Hood-Syndrom leiden, und zwar sprechen sie jedem anderen die Moral und Geradlinigkeit ab, und das finde ich unglaublich über­heblich. (Abg. Loacker: Mit Überheblichkeit kennen Sie sich ja aus!) Die Rächer der Enterbten – diese Enterbten, die Sie meinen, gibt es gar nicht mehr. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Wissen Sie – um beim Robin Hood zu bleiben –: Der Sherwood Forest von Österreich ist nämlich leer, denn die Leute, die dort waren, sind heute, jetzt gerade in dem Moment, im Büro, oder sie sind am Feld oder sie arbeiten irgendwo anders an ihrem Arbeitsplatz, sind in der Fabrik und verdienen ihr Geld hart. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Der meines Erachtens wahre Sheriff von Nottingham ist leider wieder einmal nicht da – (in Richtung SPÖ:) ah doch, er ist gerade gekommen, schön –, denn diejenigen, die den Fleißigen etwas wegnehmen wollen, sind nämlich Sie, Herr Kollege, und Ihre Par-


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tei; das sind diejenigen, die den Leuten etwas wegnehmen und es irgendwo anders hin umverteilen wollen. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe der Abge­ordneten Greiner und Heinisch-Hosek.) Wir wollen den Menschen, die die Bereit­schaft haben, über ihren Beruf hinaus auch noch Kinder großzuziehen, die Möglichkeit geben, dass sie es ein bisschen einfacher haben. (Zwischenruf der Abg. Friedl.)

Punkt drei: Die Freiheit, zu entscheiden, was mit diesem Geld passiert, soll jeder für sich selbst haben. In unseren Reihen gibt es natürlich viele Abgeordnete, die auch viele Kinder haben – was mich sehr freut –, die werden das natürlich für eine positive, gute, eine individuelle Kinderbetreuung ausgeben. Das ist dann vielleicht ihre Ent­scheidung, denn wenn man keinen Karriereknick haben will, macht man das so. Der andere fährt auf Urlaub, und die Nächste, die Alleinerzieherin, leistet sich die ein bisschen größere Mietwohnung – auch das ist möglich! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Friedl.)

Folgendes ist noch ganz wichtig: Die Kinderbetreuung für Drei- bis Sechsjährige wurde flächendeckend ausgebaut; das ist abgeschlossen. (Zwischenruf der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.) Daher liegt der Fokus jetzt auf den Null- bis Dreijährigen. Es müsste ja gerade Ihnen auch besonders wichtig sein (Zwischenrufe der Abgeordneten Friedl und Lueger), dass die Frauen wieder früher einsteigen und arbeiten.

Es wird jetzt Politik von Menschen gemacht, die wissen, wovon sie sprechen, die selbst sehr, sehr viele Kinder haben und wissen, was die Sorgen und Nöte der Österreicher sind. Als ich hier gestartet bin, habe ich die Sorge gehabt, wie das mit der Verein­barkeit ist. Mittlerweile sehe ich, dass dieses Thema ganz viele andere auch betrifft und dass die auch tagtäglich daran arbeiten. Wir von der Volkspartei wissen, wovon wir reden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Bravoruf des Abg. Wöginger. – Zwischenruf der Abg. Friedl. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Zum Abschluss bitte ich Sie, da die internationalen Herausforderungen im Sommer groß genug sein werden, nicht weiterhin zu versuchen, die Gesellschaft zu spalten oder auseinanderzudividieren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Hören Sie auf, den Men­schen Angst zu machen! Machen Sie ihnen Hoffnung und geben Sie Zuversicht! Es ist ein neues fantastisches Kapitel in der österreichischen Familienpolitik. Machen wir den Menschen mehr Mut zu Kindern! Mögen wir alle die Sommerpause nützen, um zu unseren Familien nach Hause zu gehen, für eine wertvolle Zeit im Zeichen des Einen­den und des Zusammenhalts in Österreich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Plessl: Herr Präsident, Sie sind sehr großzügig!)

10.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bin großzügig.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.


10.02.15

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Regierungsmitglieder! Schauen Sie nicht so viel fern, Frau Kollegin Jeitler, kümmern Sie sich bitte lieber um die Probleme, die ganz viele Familien jetzt in der Ferienzeit haben, nämlich dass die Kinder, wenn die Eltern arbeiten gehen, gut unter­gebracht sind. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir haben hier also auch national einiges zu tun, würde ich glauben.

Ich wende mich ganz selten an die Fernsehzuseherinnen und Fernsehzuseher, weil ich mit Ihnen hier diskutieren möchte; aber für alle Fernsehzuseherinnen und Fernseh­zuseher sage ich: Frau Ministerin, so viele Widersprüche in einer Rede muss man aufklären! Auf der einen Seite sagen Sie, wir brauchen mehr flexiblere Kinderbetreu­ungseinrichtungen, auf der anderen Seite hat es heute Früh einen Aufschrei der Fami-


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lienreferentInnen der Länder gegeben, die gefragt haben: Wo ist das Geld, das wir dringend benötigen, damit wir den Ausbau der Kindergartenplätze, den Ausbau der Krip­penplätze vorantreiben können? – Das Geld gibt es nämlich nicht, es ist nicht budgetiert (Beifall bei der SPÖ); und Sie sagen dann: Eigentlich brauchen wir es für die Drei- bis Sechsjährigen gar nicht mehr! – Sie haben es ja auch für die unter Drei­jährigen nicht, es ist nämlich nicht da. Der Tausender, der im Budget steht, wird nicht reichen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, führen Sie sich einmal vor Augen, wie viele Ganztagsplätze für Drei- bis Sechsjährige verfügbar sind, wenn Sie schon den 12-Stunden-Tag beschließen werden! (Beifall bei der SPÖ.) Führen Sie sich bitte vor Augen, wo die Volksschulkinder untergebracht werden (Zwischenruf des Abg. Hauser), wenn Sie das Geld für die Nachmittagsbetreuung bis 2032, quasi bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, erstrecken! (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Diese Wider­sprüche sind ja eklatant, Frau Ministerin. Ich glaube, Sie sind in Ihrer Rolle ein bisschen überfordert (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf des Abg. Deimek), denn Sie reden von familienpolitischen Veränderungen.

Ich kann Ihnen die familienpolitischen Kürzungen vor Augen führen: 1 Million Euro weniger für Familienberatung, das bedeutet, dass die Menschen, die diese dringend brauchen, Zigtausende Stunden an Beratungsmöglichkeiten weniger zur Verfügung haben; kein Geld für den Ausbau der Kinderbetreuung – das habe ich schon erwähnt ‑; ab 2020 vielleicht keine hundert Plätze im Bereich Gewaltschutz (Beifall bei der SPÖ); und vielleicht auch ganz viele Kürzungen in der Frauenberatung. Viele Frauenbera­tungsstellen sind gleichzeitig Familienberatungsstellen. 1 Million Euro weniger bedeu­ten auch da viel weniger Stunden, auch viel weniger Stunden für die Beratung von Hochrisikoopfern, die von Gewalt betroffen sind. Die guten Konferenzen, die zwischen Polizei und Interventionsstellen gegen Gewalt stattgefunden haben, sind ausgelaufen, sind gestrichen. Das heißt, diese Kürzungen betreffen nicht nur Familien, sondern vor allem auch Frauen, die alleine mit ihren Kindern leben.

Jetzt komme ich zum Familienbonus: Ab 1 750 Euro 1 500 Euro für ein Kind – wie Sie sagen – sind gut und schön; wenn jemand 1 750 Euro verdient und zwei oder drei Kinder hat, dann ist das nicht mehr so gut und schön, denn es gibt nicht für jedes Kind 1 500 Euro – auch wenn Sie es noch sooft ganzseitig inserieren. Es betrifft ein Drittel der Kinder in ganz Österreich nur teilweise oder gar nicht. Und betrifft es überhaupt die Kinder, Frau Ministerin? – Der Herr Finanzminister ist gegangen; er redet ja immer von Steuererleichterungen. Sie reden einmal von Kindern, einmal von Steuererleich­terun­gen. Wir wissen es also nicht. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Jahrzehntelange sozialdemokratische Regierungsbeteiligung hat es mit sich gebracht, dass Familienpolitik gerecht gesehen wurde, dass die Kinder in diesem Land gleich behandelt wurden. (Beifall bei der SPÖ.) Zum ersten Mal spalten Sie diese Gesellschaft; zum ersten Mal trennen Sie Familien in jene, die viel verdienen und daher mehr bekommen, und Familien, die gar nichts von diesem Steuerbonus haben. Und die 250 Euro im Jahr – entschuldigen Sie, die es betrifft, die Sie jetzt vielleicht zuschauen, die Sie es sich vielleicht irgendwie erzählen lassen, was da heute abge­gangen ist (Zwischenruf des Abg. Deimek) – sind eine Verhöhnung jener Frauen, jener Familien, die genau das nicht haben. (Beifall bei der SPÖ.) Wir werden einen eigenen Antrag einbringen, weil wir wollen, dass es 1 500 Euro für jedes Kind gibt. (Abg. Deimek: Ihr System hat noch nicht einmal in der DDR funktioniert! Das wird bei uns nicht kommen! Das ist ein Skandal, das zu sagen!)

Wissen Sie aber, was man mit diesen 1,5 Milliarden Euro noch alles machen könnte? – Das sei Ihnen jetzt gesagt: Es ist nämlich möglich, dass man flächendeckend die unter Dreijährigen, die Drei- bis Sechsjährigen ganztägig, wenn Eltern das brauchen, ver-


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sorgt. Es ist sogar möglich, dass man den Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen ein anständiges Gehalt zahlt – auch das wäre mit den 1,5 Milliarden Euro, die Sie jetzt für den Bonus verwenden, drinnen. Es wäre auch ein zweites Gratiskindergartenjahr möglich – das rangiert auch unter ferner liefen; das gibt es auf einmal nicht mehr –; und es wäre möglich, dass wir zusätzliche pädagogische Fachkräfte einstellen. Das wäre dann für alle Kinder; Sie müssten nicht mit dem Widerspruch leben, hätten Möglichkeiten für nicht nur 1,6 Millionen, sondern für alle Kinder in diesem Land. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Deimek: In den volkseigenen Erziehungsanstalten der DDR!)

10.07


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Mühlberghuber ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.08.00

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geschätzte Frau Bundesminister! Geschätzte Zuhörer auf der Besucher­galerie! Geschätzte Zuhörer zu Hause vor den Bildschirmen! Frau Kollegin, Sie wissen ganz genau, dass momentan in den Bundesländern Gespräche geführt werden, dass eine Lösung gesucht wird. (Heftiger Widerspruch bei der SPÖ.) Und es wird auch eine Lösung gefunden werden, es kommt eine Lösung für die Kinderbetreuung. Sie wissen es ganz genau! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kommen wir zurück zur Aktuellen Stunde, zum Familienbonus: Das Steuerrecht macht derzeit keinen großen Unterschied dahin gehend, wie viele Personen von einem Ein­kommen leben müssen, ob es eine Person ist, ob es zwei Personen, zwei Kinder, drei Kinder oder vielleicht sogar fünf Kinder sind. Das wird sich ab 2019 mit der Einführung des Familienbonus Plus ändern, denn jeder, der ein Kind hat, und Eltern, die mehrere Kinder haben und arbeiten gehen und Steuern zahlen, werden profitieren. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Damit wird endlich eine Maßnahme gegen die langjährige steuerliche Benachteiligung der Eltern gesetzt; und das ist die größte Familiensteuerentlastung seit Jahrzehnten.

Das haben sich die Familien verdient, denn Kinder sind teuer (Zwischenruf der Abg. Friedl) und kosten viel Geld – und nicht in die Kinder zu investieren ist langfristig gesehen der falsche Weg. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.) Daher geht diese Regierung den richtigen Weg und entlastet die Familien – das ist fair und das ist auch gerecht.

Paare, die vor einer Familienplanung stehen oder einen Kinderwunsch hegen, dürfen sich nicht die Fragen stellen: Können wir uns ein Kind finanziell leisten? Können wir uns vielleicht ein zweites oder drittes Kind leisten? Können wir uns überhaupt Kinder leisten? – Wir Politiker müssen reagieren, damit das auch möglich ist. (Abg. Lueger: Erklären Sie das einer Alleinerzieherin mit Teilzeitjob!) Daher ist es wichtig, dass Maßnahmen getroffen werden, sodass sich diese Fragen bei den Familien gar nicht stellen; denn ein Land braucht Kinder, um sich weiterzuentwickeln – Kinder sind unsere Zukunft.

Für steuerzahlende Eltern ist der Familienbonus Plus aus drei Gründen eine Ver­bes­serung: Erstens, die Kinderbetreuung zu Hause wird wertgeschätzt (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPÖ); zweitens, Kinder werden über das zehnte Lebensjahr hinaus bis zum 18. Lebensjahr mit 1 500 Euro Bonus steuerlich berücksichtigt (Zwischenruf der Abg. Lueger) – derzeit gibt es ja für Kinder nach dem zehnten Lebensjahr nur den Kinderfreibetrag von 440 Euro –; und drittens, für Studierende gibt es den Familien­bonus Plus von 500 Euro, wenn die Kinderbeihilfe bezogen wird. Das ist im Vergleich


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zur geltenden Freibetragsregelung von 440 Euro eine deutliche Verbesserung. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Und für jene, Frau Heinisch-Hosek, mit einem geringeren Einkommen, für geringfügig Beschäftigte, für alleinerziehende Elternteile, für alleinverdienende Mütter und Väter wird ein Kindermehrbetrag von 250 Euro jährlich eingeführt, und somit werden auch Eltern, die keine Steuern zahlen, berücksichtigt. (Abg. Heinisch-Hosek: Nicht einmal 1 Euro pro Tag! – Zwischenruf der Abg. Lueger.) Ein Beispiel für Sie, Frau Heinisch-Hosek: Bei einem Bruttogehalt von 1 750 Euro – das haben wir heute schon öfter gehört –, das sind circa 1 200 bis 1 300 Euro netto, greift der Familienbonus bereits, und die gesamte Lohnsteuer von 1 500 Euro wird rückerstattet. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Greiner, Heinisch-Hosek und Lueger.)

Die anhaltende Kritik der SPÖ, der Familienbonus Plus sei nur für Gutverdienende, für Eltern mit einem großen Einkommen, für Reiche, weise ich entschieden zurück (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP), denn mit 1 300 Euro netto ist man weder ein Gutverdiener, noch ist man ein Besserverdiener und schon gar nicht ist man reich. (Abg. Heinisch-Hosek: Aber nicht, wenn man drei Kinder hat, dann geht es sich nicht aus! – Zwischenruf der Abg. Friedl.)

Zusammengefasst: Diese Regierung tut endlich etwas für Familien mit Kindern. (Neu­erlicher Zwischenruf der Abg. Friedl.) Dieser Regierung sind die Familien etwas wert, und das ist auch gut so. Ich freue mich heute, wenn der Familienbonus beschlossen wird. Ich freue mich für die Familien und wünsche den Familien mit Kindern alles Gute! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Bravoruf des Abg. Wöginger.)

10.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gamon. Ich erteile ihr das Wort.


10.13.37

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Klubobmann Wöginger, die Fünfzigerjahre haben angerufen, sie hätten gerne ihr Frauenbild wieder zurück! (Heiterkeit und Beifall bei NEOS und SPÖ. – Widerspruch bei der ÖVP.)

Ich tue mir wirklich, wirklich sehr schwer damit, wenn Sie sich hierherstellen und ganz klar sagen, was Ihrer Meinung nach Familie ist – ganz klar: Vater, Mutter, Kind; Frau zu Hause. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.) Was sonst noch Familie ist, dass Familie nämlich dort ist, wo Eltern – egal, ob das Mann und Frau, Mann und Mann, Frau und Frau sind, ob die Kinder adoptiert oder biologische Kinder sind – Verantwortung übernehmen, Kinder erziehen, ihnen die Möglichkeit geben, Teil dieser Gesellschaft zu sein, das ist mir heute viel zu kurz gekommen.

Kollegin Jeitler-Cincelli muss ich Folgendes sagen: Wenn Sie sagen, dass Abgeord­nete, die keine Kinder haben, hier nichts dazu sagen können, kein sachliches Urteil darüber abgeben können, wie sich gewisse Gesetze oder so ein Bonus auf unterschiedliche Bevölkerungsschichten auswirken können, dann muss ich jetzt vielleicht einfach schweigen. (Die Rednerin schweigt für die Dauer einiger Sekunden. – Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Na ja, ich werde aber weiterreden. Sie haben heute hier Folgendes gezeigt: Sie haben gesagt, die Familien bekommen mehr von Ihnen – gnädigerweise; wie gütig! Das Geld, das Sie ihnen vorher über eine absurd hohe Steuerbelastung genommen haben, wol­len Sie ihnen nicht wieder zurückgeben (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ – Zwischenrufe der Abg. Steinacker), indem Sie die kalte Progression ein­fach


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abschaffen, sondern jetzt halt so wie das Haider-Cash – natürlich gnädigerweise – ausbezahlen. Es ist so, dass man sich gerade nicht beim Bundeskanzleramt anstellen muss, damit man es bar auf die Hand bekommt und: Danke, Basti!, sagen kann. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Strolz.)

Reden wir doch einmal darüber, was man hätte anders machen können. (Abg. Wöginger: Die NEOS sind jetzt gegen Steuerentlastungen! Auf das muss man auch mal kommen!) Man hätte den Menschen das Geld auch zurückgeben können, indem man die kalte Progression abschafft. (Beifall bei den NEOS.)

Wie kann man Familien noch unterstützen? – Man kann den Eltern die Möglichkeit geben, arbeiten zu gehen, indem man Kinderbetreuungsmöglichkeiten schafft, indem man die Öffnungszeiten ausweitet, indem man die Zahl der Schließtage verringert. Das alles sind Dinge, die in Zukunft nicht mehr möglich sein werden, denn wir haben es gehört: Für Drei- bis Sechsjährige ist alles schon erledigt, kein Problem mehr; da ist das Ziel schon erreicht. – Wenn Sie wirklich der Meinung sind, dass das Ziel schon erreicht ist, dann leben Sie auf einem anderen Planeten, aber ganz sicher nicht in Österreich! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.)

Sie werden sich mit der sachlichen Kritik auseinandersetzen müssen. Teilweise haben Sie das auch getan, sonst hätte es keine signifikanten Veränderungen dieses Vor­schlags gegeben – und die hat es gegeben, weil die Kritik auch gerechtfertigt war, unter anderem auch deswegen, weil die partnerschaftliche Aufteilung von Beginn an nicht garantiert war. Wir sind auch jetzt noch nicht voll und ganz zufrieden damit, wie es gelöst worden ist, weil es so ist, dass in diesem Fall jene Frauen, deren Einkommen im unteren Bereich liegt, eigentlich im Schnitt 34 Prozent - - (Abg. Martin Graf: Man kann auch gute Sachen schlechtreden!) – Wie bitte? Ist das jetzt unser Problem, wenn Sie politisch qualitativ minderwertige Vorschläge auf den Tisch legen? (Beifall bei Ab­geordneten von NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Widerspruch bei ÖVP und FPÖ.) Ist es das Problem der Opposition, wenn Ihre Ideen vorne und hinten keinen Sinn machen? Ist das unser Problem? – Ich bin der Meinung, Sie sind die Regierungsfraktionen und es wäre Ihre Aufgabe, auf Kritik einzugehen und Probleme betreffend die Geset­zes­texte zu lösen. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Leichtfried.) – Hören Sie mir weiterhin zu, dann kann ich Ihnen auch weiterhin erklären, was die Probleme in diesem Vorschlag sind! (Ruf bei der ÖVP: Ganz schlechte Rede!)

Das ist natürlich wieder genauso ein Vorschlag, der sich in die Reihe: negative Er­werbsanreize für Frauen einreiht. Wir haben mehrere davon im österreichischen Steu­ersystem, das ist ein Thema, das die ÖVP immer wieder ignoriert, weil es natürlich nicht in ihr Frauenbild hineinpasst. Negative Erwerbsanreize abzuschaffen, das ist natürlich nichts, was in ihrem Sinne ist, wie wir auch vorhin in den diversen Reden gehört haben.

Ich komme jetzt zu einem Thema, das meiner Meinung nach in diesem Fall eigentlich von allen hier – außer von NEOS – nicht gesehen wird: Wie kann man Allein­erzie­hen­de wirklich unterstützen oder wie könnte man ihnen die Möglichkeit geben, diesen Steuerbonus, der eigentlich auch über die kalte Progression hätte organisiert werden können, voll auszuschöpfen? – Indem man ihnen die Möglichkeit gibt, arbeiten zu gehen; indem man ihnen die Möglichkeit gibt, so viel Geld zu verdienen, dass sie auf eigenen Füßen stehen. Wie kann man das machen? – Indem man Kinderbetreuung zur Verfügung stellt. Das ist etwas, wogegen sich die ÖVP jetzt mit Händen und Füßen wehrt, etwas, wo Ihre eigenen LandesrätInnen aber schon aufstehen und sagen: So sicher nicht! – Ich denke, zu diesem Punkt haben Sie noch einiges an Erklärungs­bedarf. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Zarits: Keine Ahnung! – Abg. Wöginger: NEOS gespalten? – Abg. Scherak: Das Differenzierte ist nicht deines, Gust!)

10.18



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rossmann. – Bitte. (Abg. Martin Graf: Jetzt kommt die volkswirtschaftliche Sichtweise!)


10.18.34

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Ministerin! Sie haben gesagt, der Familienbonus sorgt für mehr Gerechtigkeit. Dem muss ich widersprechen, dem muss ich scharf widersprechen (Abg. Zarits: Scharf!), denn dieser Familienbonus erhöht die Tendenz zur Spaltung der Gesellschaft, erhöht die Lücke zwischen niedrigen Einkommen und hohen Einkommen (Abg. Wöginger: Das ist interessant, dass das der Kinderfreibetrag nicht getan hat!) und setzt die Tendenz, die wir schon in den letzten 15, 20 Jahren beobachten konnten, nämlich zu einem Auseinanderklaffen der niedrigen und hohen Einkommen, weiter fort.

Um das festzustellen, reicht es zunächst einmal, einen Blick auf einige Fakten zu werfen, und da möchte ich eine Verteilungsstudie heranziehen, die der Budgetdienst für uns, für den Ausschuss, erarbeitet hat. Zunächst einmal ist es so, dass der Fami­lienbonus nicht für alle Menschen mit Kindern gleich hoch ist. Da wird ja differenziert. Das entscheidende Kriterium dafür ist das Einkommen. Wer ein niedriges Einkommen hat und keine Lohn- und Einkommensteuern zahlt – nicht: keine Steuern zahlt; Frau Ministerin, bleiben Sie exakt! –, bekommt 250 Euro Kindermehrbetrag. (Zwischenruf der Abg. Schimanek.)

Wer Lohn- und Einkommensteuer zahlt, der kann einen Familienbonus bis zu 1 500 Euro lukrieren – bis zu 1 500 Euro! –, also das Sechsfache. Sie werden mir jetzt doch nicht erklären wollen, dass es gerecht ist, wenn Menschen, die keine Lohn- und Einkom­mensteuer zahlen, die also ein niedriges Einkommen haben, nur ein Sechstel dessen an Bonus für ihre Kinder bekommen, was Besserverdienende bekommen. Das ist eben nicht gerecht. Gerecht wäre es, wenn man allen Kindern tatsächlich gleich viel geben würde. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Außerdem, Frau Ministerin, ist es ja so, dass es eine Reihe von Kindern gibt, die weder in den Genuss des Kindermehrbetrags noch in den Genuss des Familienbonus kommen. Das sind immerhin 150 000 Kinder in diesem Land – und da sprechen Sie von Gerechtigkeit?! (Abg. Schimanek: Welche Kinder sind das bitte, Herr Kolle­ge?) Meinen Sie es wirklich ernst, dass es gerecht ist, 150 000 Kinder außen vor zu lassen? Frau Ministerin, ich finde das nicht gerecht!

Schauen wir uns einmal an, wie die Verteilungswirkungen dieses Familienbonus sind! Dazu ziehe ich die Verteilungsstudie, die der Budgetdienst für uns, für den Ausschuss, gemacht hat, heran: Man kann feststellen, dass die unteren 20 Prozent der Haushalte deutlich weniger von diesem Familienbonus profitieren als die Haushalte in den Dezilen drei bis sieben, das sind Haushalte mit mittlerem Einkommen. Das bedeutet nichts anderes, als dass eine Schere zwischen den niedrigen auf der einen Seite und den mittleren und hohen Einkommen auf der anderen Seite aufgeht (Abg. Schimanek: Das stimmt ja nicht!); und dies, Frau Ministerin, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es gerade die Bezieher niedriger Einkommen gewesen sind, die in den letzten 15 Jahren enorme Realeinkommensverluste hinnehmen mussten. Werfen Sie doch bitte einen Blick in den Einkommensbericht des Rechnungshofes, da können Sie das nachlesen! (Abg. Heinisch-Hosek: Ja, genau!) Das festigt nämlich meine These, dass die Schere zwischen den niedrigen Einkommen und den hohen Einkommen weiter aufgeht.

Dieser Familienbonus beziehungsweise diese Regelung, die Sie hier schaffen, ist aber auch nicht geschlechtergerecht. Frau Ministerin, Sie sind ja auch Frauenministerin! Auch dazu gibt es Studien, die zeigen, dass dieser Familienbonus zu drei Vierteln den


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Männern und nur zu einem Viertel den Frauen zugutekommt. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Da stellt sich natürlich die Frage, warum das so ist. Das ist deshalb so, weil die Frauen in hohem Maße teilzeitbeschäftigt sind, weil die Frauen die Pflege jener Kinder über­nehmen, für die die Männer das Geld kassieren. Das ist schlicht und einfach eine Tat­sache. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.) Frau Ministerin, wenn Sie für Geschlech­ter­gerechtigkeit sorgen wollen, dann müssen Sie ein anderes Konzept erarbeiten, eine andere Strategie wählen.

Wir werden ja heute unter TOP 28 noch einmal darüber diskutieren, da geht es um einen Rechnungshofbericht, der genau nachweist, dass auch vergangene Steuer­refor­men niemals geschlechtergerecht gewesen sind. Herr Wöginger, Sie können noch tausend Mal sagen, dass von der Steuerreform 2016 die Bezieher der unteren Ein­kommen mehr profitiert haben als jene der oberen. Das war nicht der Fall! Lesen Sie den Einkommensbericht! Lesen Sie den Bericht des Rechnungshofes, den wir heute unter TOP 28 diskutieren werden. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Ab­geord­neten der SPÖ.)

10.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf auf der Galerie die HTL Linz in unserem Haus recht herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.

10.24.27Einlauf und Zuweisungen


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungs­ge­gen­stände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 1153/J bis 1182/J

Schriftliche Anfragen an den Präsidenten des Nationalrates: 9/JPR bis 11/JPR

2. Anfragebeantwortungen: 741/AB bis 748/AB

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Monatserfolg Mai 2018, vorgelegt vom Bundesminister für Finanzen (Vorlage 20 BA)

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Vorberatung:

Finanzausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Pensionskassengesetz geändert wird (206 d.B.)

Justizausschuss:

Antrag 307/A(E) der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit im Internet


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Verfassungsausschuss:

Antrag 306/A der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird

*****

10.24.37Ankündigung einer Dringlichen Anfrage


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Klub der Liste Pilz hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, die vor Eingang in die Tagesordnung ein­gebrachte schriftliche Anfrage 1182/J der Abgeordneten Dr. Pilz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Die Achse der Mutwilligen“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird die Dringliche Anfrage um 15 Uhr aufgerufen.

Behandlung der Tagesordnung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 3 bis 8, 11 und 12, 16 und 17, 18 bis 23 sowie 24 bis 33 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Es wird kein Einwand erhoben.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tages­blockzeit von 9 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten erge­ben: ÖVP 167, SPÖ und FPÖ je 149 sowie NEOS und Liste Pilz je 50 Minuten.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die soeben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, aufzustehen. – Das ist einstimmig.

10.26.121. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (190 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuer­ge­setz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Ge­büh­rengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungs­steuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, die Bundesabga­benord­nung, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Zoll­rechts-Durchführungsgesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfen­gesetz, das Sozialministeriumservicegesetz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundesfinanzgerichtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigen­tümer Registergesetz geändert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018) (197 d.B.)



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.


10.26.35

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren hier heute das sogenannte Jahressteuergesetz. Der Titel ist neu, der Inhalt ist alt, nämlich deshalb, weil es bisher auch immer etwas Derartiges gab, es hieß nur anders, und zwar Abgabenänderungsgesetz. Das heißt, wir haben es hier an und für sich jetzt einfach mit einem neuen Titel zu tun; aber dass es zumindest einmal, manchmal auch zweimal im Jahr ein Sammelgesetz gibt, mit dem steuerliche Änderungen beschlossen werden, ist nichts Neues, lediglich der Titel ist neu.

Es sind in diesem Jahressteuergesetz eine Reihe von vernünftigen Vorschlägen ent­halten, die wird dann sicher Kollege Kopf darstellen, ich hingegen konzentriere mich auf die weniger durchdachten Vorschläge.

Als Erstes – etwas, was ohnehin zuvor debattiert wurde, aber ein paar Worte muss man dazu schon noch finden – möchte ich den Familienmalus anführen, denn es gibt Familien, die gar nichts bekommen, und solche, die viel bekommen, und andere wie­derum bekommen ein bisschen etwas, und es stellt sich die Frage, was eigentlich die Idee dahinter ist. Jeder, dessen Kinder in die Schule gehen, oder jeder, der selber in die Schule gegangen ist, erinnert sich noch daran, wie es ist, wenn die teuren Schul­veranstaltungen stattfinden, etwa ein Schulskikurs, eine Wienwoche oder vor allem, was jetzt sehr in Mode ist, die Sprachwochen. Das ist eine tolle Einrichtung, da fliegt man für eine Woche nach Irland, nach Galway zum Beispiel, und lernt dort Englisch, oder nach Spanien, wenn man Spanisch lernt.

Das ist eine super Einrichtung, nur, und das wissen wir: Für ein Drittel der Eltern der Kinder ist es kein Problem, diese Kosten zu zahlen, da geht es schnell einmal um 300, 400, 500, 600 Euro pro Kind; wenn man mehrere Kinder hat, sind das pro Schuljahr oft zwei derartige Reisen. Für ein Drittel der Eltern ist das kein Problem, für ein Drittel geht es sich aus, aber es ist schon eine große Belastung fürs Familienbudget.

Die Situation, die wir heute haben, ist die: Für ein weiteres Drittel geht es sich eigent­lich gar nicht aus. Für einen Teil geht es sich, wenn die Elternvereine einen Teil zu­schießen, gerade noch aus, dass sie mitfahren. Was wir aber tagtäglich erleben: Für zwei, drei, vier Kinder geht es sich nicht aus, die können am Schulskikurs nicht teilnehmen und die können auch auf die Sprachreise nicht mitfahren, weil es sich nicht ausgeht.

Jetzt gibt es eine neue Leistung, nämlich den Familienbonus Plus – super, spezial, was auch immer das heißen mag. Was bedeutet das ganz konkret für eine Schulklasse? – Das bedeutet, die, für die es kein Problem ist, an Schulveranstaltungen teilzunehmen, bekommen volle Kanne Geld, die, für die es eng ist, bekommen ein bisschen etwas, und die, die heutzutage ein Problem haben, am Schulskikurs oder an der Sprachwoche teilzunehmen, bekommen (Zwischenruf bei der SPÖ) – erraten! – gar nichts. (Abg. Schimanek: Das ist ja nicht wahr!) Das ist Ihre Politik! Das lehnen wir Sozialdemo­kraten ganz sicher ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Was könnte man mit diesem Geld machen? – Man könnte mit diesem Geld ein zweites Gratiskindergartenjahr für alle einführen. Plus: Man könnte in jede Kindergartengruppe, die heute existiert, einen zweiten Pädagogen oder eine zweite Pädagogin reinstellen. Plus: Man könnte allen, die im Kindergarten arbeiten, eine 10- bis 20-prozentige Ge-


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halts­erhöhung zahlen. Plus: Man könnte die Öffnungszeiten den realen Gegebenheiten und der Notwendigkeit anpassen.

All diese Sachen wären ausfinanziert, wenn man den Familienbonus nicht einführte. Oder: Man könnte den Familienbonus für alle Kinder gewähren. Kollegin Yildirim wird noch einen Antrag einbringen, in dem es darum geht, dass man für alle Kinder den Familienbonus gewährt. „Jedes Kind ist gleich viel wert“ war ein Grundsatz in der Politik, den werfen Sie jetzt über Bord. Manche Kinder sind viel wert, manche ein bisschen etwas, manche gar nichts. Wenn Sie zu dem Konsens in der Zweiten Re­publik, dass jedes Kind gleich viel wert ist, zurückkommen wollen, dann können Sie dem Antrag, den Kollegin Yildirim einbringen wird, zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Kommen Sie mir jetzt bitte nicht mit dem Schmäh, quasi: Die zahlen ja keine Steu­ern! – Das mag stimmen, manche Eltern zahlen vielleicht keine Lohn- und Einkom­mensteuer, aber sie zahlen von ihrem Einkommen genauso circa 40 Prozent an Steu­ern und Ab­gaben. In Österreich gibt es nicht eine Steuer, die Lohn- und Einkommen­steuer, sondern es gibt ein Steuersystem, das aus Sozialabgaben, Lohnsteuern, Umsatz­steuern, Konsumsteuern et cetera besteht. Wir wissen: Unabhängig vom Einkommen zahlen Arbeitnehmer – egal ob diese 1 000 Euro, 2 000 Euro, 3 000 Euro oder 4 000 Euro brutto verdienen – circa 40 Prozent an Steuern und Abgaben. Die, die wenig haben, zahlen vielleicht keine Lohn- und Einkommensteuer, aber dafür zahlen sie mehr Um­satzsteuer, mehr Sozialversicherungsabgaben. Das heißt, dieser Schmäh, dass die, die Steuern zahlen, entlastet werden müssen und die anderen nicht, ist leider tat­sächlich ein Schmäh.

Das, was Sie noch zusätzlich machen, ist, dass Sie Immobilienhaie, Menschen, die wirklich genug Geld haben, entlasten, indem diese in Zukunft nicht einmal mehr die Grunderwerbsteuer zahlen müssen. Das gilt leider nicht für diejenigen, die eine Eigen­tumswohnung, ein Eigenheim, einen Schrebergarten kaufen oder verkaufen, die müs­sen sie zahlen – aber Julius Meinl und Konsorten müssen in Zukunft keine Immobilien­ertragsteuer zahlen, weil Sie nämlich ein Schlupfloch, das bisher ein Schlupfloch und an und für sich verboten war, legalisieren.

Ihre Politik bedeutet also: Die, die ohnehin genug haben, sollen weniger Steuern zahlen, und die, die Geld brauchen, weil sie an der Gesellschaft nicht teilhaben kön­nen, bekommen gar nichts. Diese Politik lehnen wir ab! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Bürgermeisterinnen und Bürger­meister aus dem Bezirk Wels-Land recht herzlich im Parlament begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. – Ich darf ihm das Wort erteilen. (Abg. Kassegger – in Richtung Abg. Kopf, der sich mit einer Tafel zum Rednerpult begibt –: Oh!)


10.33.10

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, das erste Mal in 24 Jahren habe ich ein Taferl dabei, aber dazu komme ich später. (Abg. Krainer: Hoffentlich fällt’s nicht runter!) – Dafür bin ich schon zu lange da.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zum Jahressteuergesetz: Wir machen alle hier herinnen, ob einmal in Opposition oder in Regierungsverantwortung, wie auch immer, Gesetze ja nicht zum Selbstzweck, für uns, sondern wir versuchen, damit das Zusam­menleben der Menschen in unserer Gesellschaft zu ordnen, fairer zu machen, als es


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davor war, natürlich immer mit unterschiedlichen Zugängen weltanschaulicher Art, keine Frage.

Neuerungen und Änderungen lösen im Einzelfall nicht nur – hoffentlich – Verbesserun­gen für die Menschen aus, sondern sie bedeuten natürlich auch immer einen Um­stel­lungs­aufwand; ob es jetzt um Steuergesetze oder um andere Änderungen geht, sie erzeugen – bei Steuerberatern, in Firmen, beim Einzelnen hinsichtlich seiner Steuer­erklärung – immer auch einen Aufwand. Es war schon über Jahre hinweg ein erklärtes Ziel, nicht übers Jahr verteilt ständig immer wieder steuerliche Änderungen zu machen, auf die man sich dann einstellen muss, denn das kostet einen Haufen Geld und Auf­wand und Zeit.

Herr Bundesminister Löger, ich kann Ihnen nur dazu gratulieren, dass es bereits im ersten Halbjahr Ihrer Tätigkeit als Finanzminister gelungen ist, das Vorhaben umzu­setzen, steuerliche Änderungen, die für ein Jahr geplant sind – in diesem Fall für das Jahr 2018 –, so zusammenzufassen, dass sie in einem sogenannten Jahressteuer­gesetz Platz haben und damit eben all diese Änderungen, mit denen sich die Men­schen beschäftigen müssen, auf einmal erfolgen. Gratulation dazu! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das Herzstück dieses Jahressteuergesetzes ist schon vorhin in der Aktuellen Stunde sehr intensiv diskutiert worden, ich gehe aber trotzdem noch einmal darauf ein. Es wird jetzt viel über die vor allem von den letzten Rednern in der Aktuellen Stunde ange­sprochene Verteilungswirkung dieser gesetzlichen, dieser steuerlichen Maßnahme diskutiert. Dem muss man vorausschicken, dass wir in einem Land leben, in dem im Vergleich zu allen anderen Ländern dieser Welt die Einkommensverteilung bezie­hungsweise die Spreizung der Einkommen zwischen dem unteren Einkommensdrittel und dem obersten Einkommensdrittel mit am geringsten ist.

Womit hat das zu tun? – Das hat sehr viel damit zu tun, dass Menschen in diesem Land, die viel verdienen, im Vergleich zu denen, die weniger verdienen, sehr viel Steu­ern zahlen, um eine Umverteilung zu finanzieren – mit vielen Transferleistungen, fa­milienbedingt, kinderbedingt, aber auch mit anderen Begründungen –, und das führt letzten Endes zu einer, wie man es im Fachjargon nennt, sehr egalitären, also gleichen Einkommensverteilung oder einer Angleichung der Einkommensverteilung, wie sie in kaum einem anderen Land dieser Welt stattfindet. Ich habe es schon gesagt: Finan­ziert wird das natürlich durch die Steuerleistung derer, die ein entsprechendes Einkom­men haben, die Leistung erbringen, die, wie gesagt, damit auch viele Steuern an den Finanzminister abliefern.

Unser Ziel, das Ziel der Koalition von ÖVP und FPÖ, ist es, auch jetzt und in den nächsten Jahren die Einkommen der Menschen steuerlich zu entlasten, sodass den Menschen per se mehr Netto von ihrem Bruttoeinkommen bleibt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Da es schon eine Vielzahl an staatlichen Transferleistungen für Familien mit Kindern, die natürlich eine besondere Belastung zu tragen haben – keine Frage! –, aber auch für Menschen, die generell niedrige Einkommen haben, gibt, meinen wir, dass es an der Zeit ist, jene Menschen, die sehr viel Steuern zahlen, von der sehr hohen Steuer- und Abgabenquote in diesem Land (Abg. Krainer: Die zahlen alle!) zu entlasten. Es ist daher nicht nur recht und billig, es ist geradezu notwendig, diese steuerliche Ent­lastungsmaßnahme zu machen, aber wir machen es nicht mit der Gießkanne, sozu­sagen durch Ausgießen über alle, sondern wir konzentrieren uns bei dieser Steuer­maß­nahme ganz besonders auf Familien mit Kindern (Beifall bei ÖVP und FPÖ); deswegen wird niemandem in Österreich etwas von den vielen staatlichen Leistungen


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für Kinder, die es bereits gibt, ob Sachleistungen oder Geldleistungen, weggenommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Für alle, die sich jetzt informieren möchten, vor allem auch gerichtet an die Damen und Herren vor den Bildschirmen, die uns zusehen, die sich jetzt fragen: Ja, was bedeutet das jetzt für mich?, habe ich eben genau dieses Taferl mitgebracht (eine Tafel mit der Aufschrift „Familienbonus-Rechner. www.familienbonusplus.at“ in die Höhe haltend): Das Finanzministerium hat einen Familienbonus-Rechner eingerichtet, bei dem jeder und jede sich informieren kann, was das individuell für ihn und sie bedeutet. Damit diese Adresse auch bekannt wird, habe ich sie auf diesem Taferl mitgenommen; ich halte es fest, damit es ja nicht herunterfällt.

Zur Information: Unter dieser Adresse – es geht auch noch eine Aussendung des Finanzministeriums hinaus, und es wird auch über die Medien kolportiert – kann jeder und jede sich informieren, wie die Wirkung individuell für ihn oder sie sein wird, nämlich eine sehr positive. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich habe auch davon gesprochen, dass in diesem Gesetz viele steuerliche Maßnahmen zusammengefasst werden, damit es eben nicht dauernd, fortgesetzt zu Änderungen im Laufe des Jahres kommt. Nur noch zwei, drei Schlag­worte dazu: Es finden sich in diesem Gesetz auch Maßnahmen, die eine deutliche Verbesserung für die Unternehmen in Bezug auf Rechtssicherheit, in Bezug auf Service durch das Finanzministerium bringen. Ich sage nur: Künftig kann man ver­bindliche Rechtsauskünfte bekommen, sozusagen mit Brief und Siegel, wenn man im Unternehmen etwas Neues beginnt und sich nicht sicher ist, wie sich das steuerlich auswirkt. Früher hat man das oft erst bei der Betriebsprüfung erfahren, das hat zu Nachzahlungen führen können, nun kann man das vom Finanzministerium gleich vorab verbrieft bekommen.

Das ist eine tolle und riesige Neuerung beziehungsweise eine Fortsetzung des Kamp­fes gegen Steuervermeidung in Österreich und auf europäischer Ebene, also ganz, ganz wichtig. Es ist uns enorm wichtig, in unserem Steuersystem Steuergerechtigkeit und Fairness zu schaffen. Es kann nicht sein, dass ein paar vermeintlich geschickte Unternehmerinnen und Unternehmer durch geschickte Konstruktionen im Ausland, durch Gewinnverschiebungen ins Ausland nichts zur Finanzierung unseres Gemein­wesens beitragen, während wir alle – nicht nur wir hier herinnen, sondern alle Men­schen in Österreich – unser Scherflein dazu beitragen, dass unser Gemeinwesen finan­ziert wird und funktioniert.

So gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen in diesem Gesetz, die Verbesserungen im Service und mehr Klarheit und mehr Fairness ins Steuersystem bringen. In Summe ist das, denke ich, nicht nur ein herzeigbares, sondern ein tolles Gesamtwerk, das in vielen Bereichen deutliche Verbesserungen bringen wird, und deswegen ersuche ich Sie, diesem Gesetz auch zuzustimmen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist Abgeordneter Rossmann gemeldet. – Bitte.


10.41.35

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Herr Präsident! Hohes Haus! Mit dem Jahressteuergesetz 2018 werden unterschiedlichste Gesetzesmaterien in einem Ge­setz zusammengefasst. Das ist prinzipiell begrüßenswert. Wenn ich eine Tour de Rai­son durch dieses Jahressteuergesetz machen wollte, dann könnte ich das so zusammen­fassen: wenig Licht, viel Schatten.


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Wo sind die Lichter zu erkennen? (Ruf bei der ÖVP: Familienbonus!) – Ein Licht ist etwa die Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidungs­prak­tiken, was mein Vorredner ja schon erwähnt hat. Ich möchte diesbezüglich aber fest­halten, dass die Verve, mit der diese Regierung an die Steuervermeidung und Steuer­hinterziehung im europäischen Kontext herangeht, doch etwas stärker sein könnte. Wenn ich mir vorstelle, wie viel Gewicht der Bundeskanzler auf die Schließung von Fluchtrouten legt, so möchte ich demgegenüber schon erwähnen, wie wenig Gewicht etwa diese Bundesregierung und mit Sicherheit auch diese Präsidentschaft auf die Schließung von Steuerfluchtrouten legen wird – da sehe ich Nachholbedarf. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nachholbedarf sehe ich aber auch bei der Umsetzung der EU-Richtlinie. Da gibt es nämlich eine Hinzurechnungsbestimmung. Ich möchte das im Einzelnen nicht erläu­tern, aber man hätte natürlich für den Steuersatz eine höhere Grenze als 12,5 Pro­zent wählen können, meinetwegen 15 Prozent, was schon ein Schritt in die richtige Rich­tung gewesen wäre. Ich vermisse da den Mut der Bundesregierung, bei der Umset­zung dieser Richtlinie einen Schritt weiter zu gehen.

Zwei weitere Beispiele möchte ich noch erwähnen, die mir positiv aufgefallen sind: eines betrifft die Änderung der Bundesabgabenordnung, nämlich den erleichterten Zugang zu mobilitätsbezogenen Begünstigungen für behinderte Menschen; ein weite­res betrifft das Gebührengesetz, nämlich die Gebührenbefreiungen für Bürgschafts­erklärungen im Zusammenhang mit Mietverträgen.

Da ich eingangs gesagt habe, dass dieses Jahressteuergesetz auch viele Schatten­seiten enthält, möchte ich zwei erwähnen. Die eine ist die Grunderwerbsteuer. Bei der Grunderwerbsteuer wird eine Klarstellung gemacht, die zu einer völligen Kehrtwende gegenüber einer Information des Bundesfinanzministeriums vom Dezember vergan­genen Jahres führt, wonach nämlich eine mittelbare Grundstückszugehörigkeit auch den Tatbestand der Grunderwerbsteuer auslöst. Von diesem Grundsatz verabschiedet man sich nun. Und es wird festgelegt, dass Immobilienverkäufe von Konzernen, so sie über Holdingkonstruktionen abgewickelt werden, steuerfrei gestellt werden.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren von der FPÖ und von der ÖVP, ist nichts anderes als ein Geschenk an die Großspender, die ja sehr häufig aus dem Immo­bilienbereich kommen, Großspender an die ÖVP. Das ist ein Dank der ÖVP und FPÖ an diese Großspender. In Deutschland ist man diesen Weg im Übrigen nicht gegan­gen. In Deutschland sind solche Vorgänge, die bei uns nun grunderwerbsteuerfrei ge­stellt werden, weiterhin grunderwerbsteuerpflichtig.

Nun aber noch einmal zurück zum Familienbonus: Mein Vorredner, Herr Kopf, hat darauf hingewiesen, dass die Einkommensverhältnisse in Österreich so egalitär wären. – Ja, es schaut bei Weitem nicht so schlecht aus wie in anderen Staaten, bei­spielsweise den USA, Großbritannien und anderswo. Wir müssen aber in den letzten 15, 20 Jahren erkennen, dass sich auch bei uns die Schere zwischen niedrigen Einkommen auf der einen Seite und hohen Einkommen auf der anderen Seite wieder öffnet. Der Familienbonus – das habe ich früher ohnehin schon ausgeführt – wird diese Scherenentwicklung weiter befördern.

Eines ist mir in diesem Zusammenhang auch wichtig: Hinsichtlich des Familienbonus ist immer wieder die Rede davon, dass er für jene Menschen geschaffen worden ist, die Steuern zahlen – das wird gemeinhin so gesagt –; es tut mir weh, wenn ich das höre. Gemeint sind natürlich die Menschen, die Lohn- und Einkommensteuern zahlen. Wenn wir aber einen Blick auf die Gesamtabgabenbelastung werfen, so können wir feststellen, dass die niedrigen Einkommen eine nahezu gleich hohe Abgabenbelastung


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wie die höchsten Einkommen haben. Das untere Einkommensdrittel zahlt nahezu gleich viel an Abgaben und Steuern wie das obere Einkommensdrittel: das untere 43 Prozent, das obere 45 Prozent.

Das heißt nichts anderes, als dass wir in Österreich ein Steuer- und Abgabensystem haben, das nicht progressiv ist, sondern einer Flattax sehr nahe kommt. Warum ist das so? – Das ist deshalb so, weil das untere Einkommensdrittel zwar keine Lohn- und Einkommensteuern zahlt, aber alle anderen Verbrauchsabgaben und Sozialversiche­rungsbeiträge, und diese belasten die niedrigen Einkommen relativ stärker als die obe­ren Einkommen.

Das bedeutet andererseits aber auch, dass alle Steuerpflichtigen zur Finanzierung des Wohlfahrtsstaates in unserem Lande beitragen. Daher empfinde ich diese Debatte, die hier geführt wird, und auch den Familienbonus als etwas, das sehr unehrlich ist. Viel ehrlicher wäre es, zu sagen: Ja, die Steuerbelastung, wie sie ist, ist ungerecht. Und daher wäre es auch ehrlicher, zu sagen: Wir entlasten nicht über einen Familien­bonus – mit allen Nachteilen, die ich vorher schon erwähnt habe, nämlich dass er vom Einkommen abhängig ist und daher untere Einkommen benachteiligt und obere begünstigt –, sondern wir machen eine ganz andere Lösung, die alle gleich begünstigt.

Das kann man auf verschiedene Arten und Weisen machen. Man kann das bei­spiels­weise machen, indem man die Kinderbeihilfe erhöht. Das hätte halt nicht den ge­wünschten Nebeneffekt, den die Regierung gerne hätte, nämlich dass es die Steuer- und Abgabenquote senkt. Man kann natürlich auch den Familienbonus auf eine Art und Weise sanieren, dass er sehr wohl die Steuer- und Abgabenquote senkt, aber auch aus verteilungspolitischer Perspektive gerecht ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich daher folgenden Entschließungsantrag einbrin­gen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „einer sozial gerechten Ausgestaltung des Familienbonus Plus sowie des Kindermehrbetrages“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, Adaptierungen gemäß ihres selbst gesteckten Ziels einer fairen und gerechten Familienpolitik, einen echten Familienbonus, der sowohl rechtskonform ist, als auch durch einen Sockel nach unten sowie eine Decke­lung nach oben für soziale Gerechtigkeit im Sinne der Kinder und Jugendlichen sorgt und sich nicht ausschließlich am Einkommen der Eltern orientiert, in die Regierungs­vorlage einzuarbeiten.“

*****

Wie kann ich das begründen? – Es geht ja aus dem Entschließungstext eigentlich ziemlich klar hervor. Was brauchen wir dazu? – Wir brauchen schlicht und einfach einen negativsteuerwirksamen Sockel nach unten und einen Begrenzungssockel nach oben. Das wäre ein gerechter Familienbonus beziehungsweise eine gerechte Familien­leistung, die unabhängig vom Einkommen ist und tatsächlich mehr Steuergerechtigkeit schaffen würde, als es der Familienbonus derzeit tut. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.50


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Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen,

betreffend einer sozial gerechten Ausgestaltung des Familienbonus Plus sowie des Kindermehrbetrages.

Eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1 (Bericht des Finanz­ausschusses über die Regierungsvorlage (190 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Ge­sundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Sozialministeriumservicegesetz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundes­finanz­ge­richtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018) (197 d.B.))

Begründung

Der Gesetzesentwurf zum neuen Familienbonus sieht eine finanzielle Entlastung für Familien vor – jedoch nicht für alle Familien. Im Kapitel „Fairness und Gerechtigkeit“ des aktuellen Regierungsprogramms heißt es: „Familie gibt Halt, Sicherheit und Gebor­genheit in jeder Lebenslage. Wichtige Aufgabe der Politik ist es daher, die erfor­derlichen Rahmenbedingungen anzubieten, damit die Familien in Österreich weiter gestärkt werden, um den Alltag und die Herausforderungen des Lebens bestmöglich meistern zu können.“ Weiters heißt es: „Familien sollen in unserem Land in gesicherten Verhältnissen leben und auch die Familiengründung samt Kinderwunsch darf nicht an Finanziellem scheitern. Die Finanzierung der familienpolitischen Leistungen ist daher einer Reform zu unterziehen, um diese auch nachhaltig auf Dauer sicherstellen zu können.“

Eine Argumentation, die nachvollziehbar und unterstützenswert klingt, betrachtet man aber den Regierungsvorlage zum geplanten Familienbonus inklusive Kindermehrbetrag (190 d.B. XXVI. GP), wird diese den hohen Ansprüchen nicht gerecht, weil diese eben nicht für „Fairness und Gerechtigkeit“ sorgt, da viele Familien von dieser Entlastung ausgeschlossen sind. Personen mit niedrigerem Einkommen, sei es bei Allein­erzie­henden oder auch Paaren, profitieren nur in geringem Maße oder gar nicht von den geplanten Maßnahmen, obwohl diese Personengruppen eine Entlastung am drin­gendsten benötigen würden.

Insgesamt erhalten die untersten 30 Prozent der Haushalte laut einer Modellrechnung der Innsbrucker Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW) nur 17 Pro­zent der gesamten Entlastung. Selbst dann, wenn der für Alleinverdiener(innen) einge­zogene Mindestbetrag von 250 Euro pro Kind und Jahr berücksichtigt wird und auch dann, wenn man die Senkung der Arbeitslosenbeiträge für geringe Einkommen hin­zurechnet (140 Mio. Euro).

Mit Einführung des Familienbonus wird auch die steuerliche Absetzbarkeit von Kinder­betreuungskosten gestrichen. Diese Entlastungspolitik fällt für Alleinerziehende, die eine erhöhte Betreuungsabhängigkeit aufweisen, besonders unverhältnismäßig aus. Etwa 60.000 Alleinerziehende verdienen unter der Lohnsteuergrenze und können


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somit den Familienbonus nicht ausschöpfen. Sie werden mit nur 250 Euro pro Jahr und Kind im Rahmen des Kindermehrbetrages abgespeist. Dieser Kindermehrbetrag be­trägt ein Sechstel des Familienbonus in voller Höhe – von einer „nachhaltigen Entlas­tung“, wie es in der Kurzinformation des Ministerialentwurfs heißt, kann bei 20,83 € monatlich nicht die Rede sein. Obwohl die Erwerbsbeteiligung unter alleinerziehenden Müttern durchschnittlich höher ausfällt als bei Müttern in Paarbeziehungen, werden Alleinerziehende in der aktuellen Regierung zur Familienform zweiter Klasse erklärt und man begegnet ihnen mit finanziellen Benachteiligungen.

In den Erläuterungen steht bezüglich Kindermehrbetrag: „Durch den Kindermehrbetrag sollen nur jene Eltern mit Kindern entlastet werden, die berufstätig sind. Daher soll der Kindermehrbetrag nicht zustehen, wenn ganzjährig Sozialleistungen, die gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG steuerfrei sind (insbesondere Arbeitslosengeld und Notstands­hilfe), oder Leistungen aus der Grundversorgung oder Mindestsicherung entsprechend den diesbezüglichen Regelungen der Länder bezogen wurden.“

Dies bedeutet, dass Alleinerziehende, die zwar berufstätig sind, aber so wenig verdie­nen, dass sie eine Aufzahlung aus der Mindestsicherung beziehen, nicht einmal diese 250 € jährlich erhalten. Für viele Alleinerziehende ist es aber aufgrund der örtlich schlechten Verfügbarkeit von ganztägigen Kinderbetreuungseinrichtungen nicht mög­lich, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen, um für ein ausreichendes Familienein­kommen zu sorgen.

Ein-Eltern-Haushalte haben mit im Schnitt 40 % das größte Risiko für Armut oder Ausgrenzung. Einer der Gründe dafür ist, dass der getrenntlebende Elternteil seinen Unterhaltsbeitrag nicht leisten kann oder will. Da auch eine rasche Reform des Unter­haltsgesetzes mit einer Unterhaltsgarantie nicht in Sichtweite ist, bleibt die Lage für viele Alleinerziehende weiterhin prekär.

Der Druck von Opposition, Öffentlichkeit und Medien konnte die Regierung schon zu einigen Verbesserungen und der Schließung von Lücken bewegen, die teilweise aber noch einer weiteren Adaptierung bedürfen. Wir wollen daher folgende konkrete Maß­nahmen zur sozial gerechten, sowie rechtskonformen Ausgestaltung des Familien­bonus sowie des Kindermehrbetrages vorschlagen:

Maßnahme 1: negativsteuerwirksamer Sockel nach unten:

Fixiert und indexangepasst sollen für 2019 festgelegt werden:

          1000 € Entlastung für ein Kind und pro Jahr

          1500 € Entlastung für zwei Kinder und pro Jahr

          2000 € Entlastung für drei Kinder und pro Jahr

          Für jedes weitere Kind erhöht sich der Betrag um weitere 500 €.

Maßnahme 2: Deckel nach oben für SpitzenverdienerInnen

Da es unser Ziel ist im Rahmen der von der Regierung vorgegebenen Beträge zu arbeiten, sollen diese zusätzlichen Kosten durch eine geringfügig kleinere Entlastung bei den sehr gut Verdienenden hereingespielt werden. Wir schlagen dafür eine „flexible Obergrenze“ vor.

Konkret soll entsprechend der aufzuwendenden Negativsteuer für einkommens­schwächere Familien, der Bonus für einkommensstärkere Familien jährlich angepasst werden, um die budgetierten Mittel nicht zu überschreiten.

Maßnahme 3: Nichtdiskriminierung von in Ausbildung befindlichen Jugendlichen


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Laut Steuerrechtsexperten birgt die geplante Diskriminierung von in Ausbildung befind­lichen Jugendlichen über 18 Jahren – für sie soll es nur 500 € statt 1500 € Familien­bonus geben – die Gefahr, verfassungswidrig zu sein. So gebe es keine rationale Erklärung, warum der Bonus im Vergleich etwa zur Familienbeihilfe mit dem 18. Le­bensjahr reduziert werden solle. Die Reduktion ab dem 18. Lebensjahr soll daher entfallen, um einerseits Rechtskonformität herzustellen und andererseits auch Jugend­liche über 18 Jahren, die sich in Bildungs- und Ausbildungsverhältnissen befinden, optimal zu unterstützen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, Adaptierungen gemäß ihres selbst gesteckten Ziels einer fairen und gerechten Familienpolitik, einen echten Familienbonus, der sowohl rechtskonform ist, als auch durch einen Sockel nach unten sowie einer Decke­lung nach oben für soziale Gerechtigkeit im Sinne der Kinder und Jugendlichen sorgt und sich nicht ausschließlich am Einkommen der Eltern orientiert, in die Regierungs­vorlage einzuarbeiten.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort ist Abgeordneter Angerer gemeldet. – Bitte.


10.50.53

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Familienminister! Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Herr Kollege Rossmann, wenn Sie bei einer – wie Sie es selbst genannt haben – 43- bis 45-prozentigen Steuerlast von einer Flattax sprechen, dann haben Sie Flattax heute für mich neu definiert, denn unter einer Flattax verstehe ich nämlich etwas anderes. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Natürlich ist dieses Jahressteuergesetz (Zwischenruf des Abg. Noll) mit seinem Kern, dem Familienbonus, ein Paradigmenwechsel im Steuerrecht und auch in der Fa­milienförderung. Es geht hin zu mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung und weg von Abhängigkeit, Bevormundung und Verteilung in einem sozialistischen System.

Das ist natürlich nicht das, was Sie wollen. Sie – die ganze linke Reichshälfte – wollen natürlich zuerst den Menschen das Geld, das sie schwer verdienen, aus der Tasche ziehen und dann nach Ihren sozialistischen Mechanismen verteilen. In das linke Weltbild passt dieses Modell, dass man den Menschen das Geld eben nicht aus der Tasche zieht und diese Steuererleichterung macht, natürlich nicht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Es ist gut, dass die linke Welt schrumpft und immer kleiner wird. Das ist eine Entlastung für die Familien, und das ist der erste Schritt einer Steuerpolitik, die in die Richtung gehen soll, dass wir zu einer 40-Prozent-Abgabenquote kommen oder darunter. Das war der richtige Weg.

Wenn man heute Familienpolitik macht, dann muss man den Familien Selbstbestim­mung und Eigenverantwortung überlassen. Man muss nicht den Familien die Entschei­dung abnehmen, was sie mit ihren Kindern machen, ob sie das Kind in den Kinder­gar-


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ten geben oder selbst zu Hause betreuen möchten. Die Eltern, die Familien wissen selbst am besten, wie sie ihre Kinder erziehen und wie sie ihre Kinder betreuen möch­ten. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben von Ehrlichkeit gesprochen, Herr Rossmann – der ist zwar nun rausge­gan­gen, aber das Wort Ehrlichkeit ist ja heute bereits einige Male im Zusammenhang mit Steuerpolitik und Familienpolitik gefallen –, daher möchte ich ein Beispiel einer Unehr­lichkeit des sozialistischen Landeshauptmannes Kaiser anführen. Wir haben im letzten Wahlkampf in Kärnten erlebt, dass Herr Landeshauptmann Kaiser – das Wort Kinderbe­treuung ist ja heute schon oft gefallen – den Gratiskindergarten versprochen hat. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Wir betreiben in unserer kleinen Gemeinde seit 2004 einen altersübergreifenden Kin­dergarten. Ich weiß also, wovon ich spreche, ich weiß, was das eine Gemeinde kostet. Wir haben Kinder von eineinhalb bis 15 Jahren mit einer Hortbetreuung am Nachmit­tag. Diese Kinderbetreuung kostet Geld – wir können uns das noch leisten. Wir wissen, dass die Familien das brauchen, und wir wissen, dass die Familien das auch an­nehmen.

Dieser Familienbonus mit 1 500 Euro entspricht für die Eltern nun genau dem Gratis­kindergarten, weil bei uns der Betreuungsplatz für eine Ganztagsbetreuung 130 Euro pro Monat kostet. Das ist also ein Gratiskindergarten, der durch dieses Gesetz und den Familienbonus vom Bund geschaffen wird. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was Herr Landeshauptmann Kaiser versprochen hat, kann er natürlich nicht halten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es kommt nämlich nun heraus (Zwischenruf der Abg. Duzdar), dass er dieses Geld, das er den Familien und den Gemeinden versprochen hat, gar nicht hat. Es kommt nun heraus (Zwischenruf der Abg. Bayr), dass die Ge­meinden mitzahlen sollen.

Das heißt, es zeigt sich da wieder das Übliche: Man greift wieder in die Taschen ande­rer. Das ist halt sozialistische Politik: Alles versprechen, aber zahlen sollen es die an­de­ren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das ist eben nicht unser Zugang. Wir lassen den Menschen – den Leistungsträgern in unserem Land – ihr Geld. Es bleibt, wo es hinge­hört, und sie sollen selbst und eigenverantwortlich entscheiden, was mit diesem Geld passiert. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

So ähnlich ist es ja auch bei der Arbeitszeitflexibilisierung. Man sieht das auch wieder in Kärnten: Da gibt es das Landesbedienstetengesetz, laut dem heute schon gilt, dass auf Anordnung 13 Stunden gearbeitet werden können. Da ist es in Ordnung. (Zwi­schenruf bei der SPÖ.) Wenn der Herr Landeshauptmann das anordnen kann, ist alles in Ordnung, denn die Gewerkschaft kann ja mitbestimmen. Wenn aber der Arbeitneh­mer das selbst bestimmt und sagt, dass er 12 Stunden arbeiten möchte, dann ist das gesundheitsgefährdend, dann ist es nicht in Ordnung, dann passt es nicht.

Das ist die falsche Politik! Das ist der falsche Zugang zur Politik, und den wollen wir nicht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Also: weg von einer Schulden- und Verteilungspolitik hin zu einer Reformpolitik! (Abg. Heinisch-Hosek: Gegen die Familien!) Ich wünsche der Regierung weiterhin alles Gute auf diesem Weg. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

10.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist Frau Abgeordnete Yildirim ge­mel­det. – Bitte.



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10.55.57

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Hohes Haus! Werte Mitglieder der Bun­desregierung! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehbildschirmen! Das Herzstück dieses Jahressteuergesetzes ist herzlos und feindselig. (Beifall bei der SPÖ. – He-Rufe bei der ÖVP.)

Es ist feindselig gegenüber Teilzeitbeschäftigten und AlleinverdienerInnen. Schämen Sie sich, dass Sie diese Männer und Frauen als keine LeistungsträgerInnen dieses Landes bezeichnen (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ), schämen Sie sich dafür! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe zu keiner Zeit erlebt, dass es binnen sechs Monaten einen Kniefall vor den Stärkeren in diesem Land gab. Dieses Land hat eine Umverteilung von 1,5 Milliarden Euro – und womöglich mehr – von unten nach oben geschafft. (Zwischenruf des Abg. Hauser.) In diesem Land wurden mit vielen kleineren Gesetzen die Konsumentinnen und Konsumenten geschwächt (Ruf bei der FPÖ: So ein Blödsinn!) – denken Sie zum Beispiel an das Rücktrittsrecht bei den Lebensversicherungen (Abg. Belakowitsch: Was erzählen Sie für Geschichten?), und überlegen Sie sich noch einmal, was Sie mit dieser 60-Stunden-Woche anrichten, wem Sie da Mitbestimmungsrecht geben. (Rufe bei der FPÖ: Hetze!) – Was bei den Sozialversicherungsgesetzen passiert, sind Fakten und keine Hetze, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Heute kann ein guter Tag für österreichische Familien werden, sehr geehrte Damen und Herren. Es kann dann ein guter Tag werden, wenn Sie wirklich gerecht wären. Daher bringe ich einen Abänderungsantrag zum sogenannten Herzstück des Jahres­steuergesetzes ein. Sie alle, die Familienbeihilfe beziehen, wissen, dass es den Kin­der­absetzbetrag zur Familienbeihilfe gibt. Wenn Sie so gerecht und sozial zu öster­reichischen Familien sind, dann erhöhen Sie doch bitte den Kinderabsetzbetrag um diese 125 Euro monatlich, das ist nämlich das, was der Familienbonus ausmachen würde, und das, was den Familien in Österreich zugutekommen würde. Das wäre gerecht! Ich bringe deshalb einen Abänderungsantrag zur Erhöhung des Kinderabsetz­betrages um 125 Euro pro Monat ein. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist schon angesprochen worden, dass es nicht nur um eine Umverteilung von unten nach oben geht, sondern auch um eine Umver­teilung vom Geld der Frauen zu den Männern. Wir wissen, dass die Einkommens­unterschiede so schon auseinanderklaffen – Gender Pay Gap –, belassen Sie also das Geld für die Kinder bei denen, die die Kindererziehung machen, und das sind in diesem Land mehrheitlich Frauen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Sie nehmen diesen Frauen die Wahlfreiheit, sagen aber, dass Sie ihnen die Wahl­frei­heit belassen. Mit der Kürzung des Geldes für den Ausbau der Kinderbetreu­ungs­ein­richtungen nehmen Sie den Frauen die Wahlfreiheit und betreiben eine Politik des Zurück-an-den-Herd! Hören Sie auf, die Gesellschaft zu spalten! (Abg. Schimanek: So ein Schwachsinn!) Hören Sie auf, die Errungenschaften der Sozialdemokratie schlecht­zureden! Wir waren in diesem Sinne immer für eine gerechte Gesellschaft für alle. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Und dann möchte ich noch eine Anregung der Finanzrichtervereinigung anbringen (neuerliche Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ), die ein Schritt zur Vereinfachung wäre – Sie wollen ja alles vereinfachen –: Ich bringe den Abänderungsantrag zum Jahres­steuergesetz ein, zur Bundesabgabenordnung. Das ist eine Empfehlung von praxis­orientierten Menschen, von Höchstgerichten.


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Ich hoffe, dass ich die Anträge formgerecht eingebracht habe, Herr Präsident. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

10.59

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maga. Selma Yildirim,

Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage (190 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Einkommen­steuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuer­ge­setz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerb­steu­er­gesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Melde­stan­dard-Gesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Gesundheits- und Sozial­bereich-Beihilfengesetz, das Sozialministeriumservicegesetz, das Bundesstraßen-Maut­gesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundesfinanzgerichtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018), in der Fassung des Ausschussberichtes (197 der Beilagen) geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

die Regierungsvorlage (190 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Einkom­men­steuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuer­ge­setz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerb­steuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeug­steuer­ge­setz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Mel­de­standard-Gesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Gesundheits- und So­zial­bereich-Beihilfengesetz, das Sozialministeriumservicegesetz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundesfinanzgerichtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018), wird wie folgt geändert:

I. Artikel 1 (Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988) wird wie folgt geändert:

1. Ziffer 11 lautet:

„11. § 33 wird wie folgt geändert:

a)          In Abs. 3 wird der Betrag „58,40 Euro“ durch den Betrag „183,40 Euro“ ersetzt.

b)          In Abs. 4 Ziffer 3 wird der Betrag „29,20“ durch den Betrag „58,40“, der Betrag „43,80“ durch den Betrag „87,60“ und der Betrag „58,40“ durch den Betrag „116,80“ ersetzt.“

2. Ziffer 12 entfällt, die Ziffer 13 und Ziffer 14 werden in Ziffer 12 und Ziffer 13 umnummeriert.

3. Ziffer 15 entfällt, die Ziffern 16 bis 19 werden zu Ziffern 14 bis 17 umnummeriert.

4. Die Ziffern 20 und 21 entfallen, die Ziffern 22 bis 29 werden zu Ziffern 18 bis 25 umnummeriert.

5. In Ziffer 24 (neu, Änderungen § 124b) lit. c lauten die Ziffern 335 und 336:


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 50

„335.    § 2 Abs. 2, § 33 Abs. 3, § 33 Abs. 4  Z 3, § 34 Abs. 7, § 41 Abs. 1 Z 12, § 66 Abs. 1, § 70 Abs. 2 Z 1 und § 129 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2018 treten mit 1. Jänner 2019 in Kraft und sind erstmalig anzuwenden, wenn

-             die Einkommensteuer veranlagt wird, bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2019,

-             die Einkommensteuer (Lohnsteuer) durch Abzug eingehoben oder durch Veranlagung festgesetzt wird, erstmalig für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 2018 enden.

336.     § 34 Abs. 9 und § 106a, jeweils in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. xx/2018 sind letztmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2018 anzu­wenden.“

6. Ziffer 25 (neu, zu § 129) lautet:

„25. § 129 samt Überschrift lautet:

„Berücksichtigung von Absetzbeträgen durch den Arbeitgeber oder die pen­sions­aus­zahlende Stelle

§ 129. (1) Für die Inanspruchnahme des Alleinverdiener-, Alleinerzieher-, oder des erhöhten Pensionistenabsetzbetrages hat der Arbeitnehmer (Pensionist) dem Arbeit­geber (der pensionsauszahlenden Stelle) auf einem amtlichen Vordruck eine Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 33 Abs. 3a, § 33 Abs. 4 Z 1 oder Z 2 oder § 33 Abs. 6 Z 1 abzugeben.

(2) In dieser Erklärung ist anzugeben:

             1. Für die Inanspruchnahme des Alleinverdienerabsetzbetrages:

                             – Name und Versicherungsnummer des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3)

                             – Name und Versicherungsnummer von Kindern (§ 106 Abs. 1)

                             – Wohnsitz von Kindern

             2. Für die Inanspruchnahme des Alleinerzieherabsetzbetrages:

                             – Name und Versicherungsnummer von Kindern (§ 106 Abs. 1)

                             – Wohnsitz von Kindern

             3. Für die Inanspruchnahme des erhöhten Pensionistenabsetzbetrages:

                             – Name und Versicherungsnummer des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3)

(3) Der Arbeitgeber hat die Erklärung des Arbeitnehmers (Pensionisten) zum Lohn­konto (§ 76) zu nehmen.

(4) Änderungen der Verhältnisse muss der Arbeitnehmer (Pensionist) dem Arbeitgeber (der pensionsauszahlenden Stelle) innerhalb eines Monats melden. Ab dem Zeitpunkt der Meldung über die Änderung der Verhältnisse hat der Arbeitgeber (die pensions­aus­zahlende Stelle) die Absetzbeträge, beginnend mit dem von der Änderung betroffenen Monat, nicht mehr oder in geänderter Höhe zu berücksichtigen.

(5) Die Erklärung für die Inanspruchnahme des Alleinverdienerabsetzbetrages, des Alleinerzieherabsetzbetrages oder des erhöhten Pensionistenabsetzbetrages darf bei Vorliegen mehrerer Arbeitgeber (pensionsauszahlenden Stellen) gleichzeitig nur einem Arbeitgeber (einer pensionsauszahlenden Stelle) vorgelegt werden.““

Begründung

Zu Z 1 – 6, Änderungen Art. 1 Einkommensteuergesetz 1988


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 51

Die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung hat in das vorliegenden Jahressteuergesetzes 2018 auch ihr Projekt des Familienbonus integriert. Allerdings ist die vorliegende Konstruk­tion des ÖVP-FPÖ-Familienbonus insofern missglückt, als die Regelung viel zu kompli­ziert ist, zahlreiche sozial- und familienpolitische Bedenken aufwirft und kein Beitrag für mehr Steuergerechtigkeit ist.

In der Konzeption von ÖVP und FPÖ wird der Familienbonus Plus von 1.500 € pro Kind ausschließlich von der Steuerleistung abgezogen, wer zu wenig oder keine Steu­erleistung hat, kann den „Bonus“ nicht in voller Höhe bzw. überhaupt nicht aus­schöp­fen.

Zum Beispiel erhält ein Alleinverdiener mit drei Kindern und einem Spitzeneinkommen den Familienbonus von 3x1.500€ = 4.500 € in vollem Umfang, da seine Steuerleistung weit mehr beträgt. Bei unteren und mittleren Einkommen, deren Jahressteuerleistung weniger als der Familienbonus beträgt, wird der Familienbonus gekürzt. Im unteren Einkommensbereich (AlleinverdienerInnen ohne (Lohn-) Steuerzahlung) stehen statt den 1.500 €/Kind überhaupt nur mehr 250 €/Kind als sogenannter Kindermehrbetrag zu. Und es gibt sogar Fälle, in denen beide Elternteile arbeiten, da sie aber jeweils über 6.000 € verdienen, steht ihnen kein Alleinverdienerabsetzbetrag und damit auch kein Kindermehrbetrag zu, und wenn sie beide weniger als 11.000 € verdienen (Steu­erfreigrenze) können sie auch keinen Familienbonus geltend machen, womit Familien mit Kindern in dieser Einkommenssituation von der ÖVP-FPÖ-Regelung überhaupt nicht profitieren können (weder Kindermehrbetrag noch Familienbonus).

Der Familienbonus Plus in der ÖVP-FPÖ-Version ist daher eine Begünstigung für Gut- und Spitzenverdiener und adressiert die finanzielle Situation in unteren und mittleren Einkommensbereichen gar nicht bis völlig unzureichend. Die Berücksichtigung von Kindern im Steuerrecht wäre unterschiedlich, für machen können die jährlichen 1.500 € Steuergutschrift vollständig, für viele nur teilweise oder in Form des Kinder­mehr­betrages nur zu 1/6 des eigentlichen Familienbonus und für einige gar nicht geltend gemacht werden.

Daher Familienbonus für alle: statt der komplizierten und sozial- bzw. familienpolitisch ungerechten Regelung in der Fassung der Regierungsvorlage, wird der bestehende Kinderabsetzbetrag um den vorgesehenen Betrag für den Familienbonus von 125 € pro Monat und Kind erhöht (1.500 € pro Jahr), dies einkommensunabhängig und aus­zahlbar mit der Familienbeihilfe.

Die komplizierte Regelung zum Familienbonus in Z 11 der Regierungsvorlage kann komplett entfallen (Familienbonus), statt dessen wird nur ein Betrag, der Kinder­absetz­betrag in § 33 Abs. 3, von bisher 58,40 € um 125 € auf 183,40 € erhöht. Die Geset­zesänderung ist einfacher und sozial- bzw. familienpolitisch gerechter, da nunmehr alle FamilienbeihilfenbezieherInnen, unabhängig von ihrem Einkommen, die 1.500 € jährlich je Kind monatlich ausbezahlt bekommen. Darüber hinaus wird mit Z 11 lit.b der Unterhaltsabsetzbetrag verdoppelt.

Im Weiteren entfallen auch in den § 124b und § 129 die Verweise auf den alten Familienbonus idF der Regierungsvorlage.

*****

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Maga. Selma Yildirim,

Kolleginnen und Kollegen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 52

zur Regierungsvorlage (190 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Einkom­men­steuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuer­ge­setz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerb­steuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeug­steuer­gesetz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Mel­destandard-Gesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Gesundheits- und So­zial­bereich-Beihilfengesetz, das Sozialministeriumservicegesetz, das Bundesstraßen-Maut­­gesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundesfinanzgerichtsgesetz und das Wirt­schaftliche Eigentümer Registergesetz geändert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018), in der Fassung des Ausschussberichtes (197 der Beilagen) geändert wird

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

die Regierungsvorlage (190 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Einkommen­steuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuer­ge­setz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerb­steuer­gesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahr­zeugsteuer­ge­setz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Mel­destandard-Gesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Gesundheits- und So­zial­bereich-Beihilfengesetz, das Sozialministeriumservicegesetz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundesfinanzgerichtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018), wird wie folgt geändert:

I. Artikel 9 (Änderung der Bundesabgabenordnung) wird wie folgt geändert:

1. Die Ziffern 21 bis 26 werden zu den Ziffern 27 bis 32 und nach Ziffer 20 werden folgende Ziffern 21 bis 26 (neu) eingefügt:

„21. In § 264 wird nach Abs. 5 folgender Abs. 5a eingefügt:

„(5a) Erfolgt eine Vorlage, ohne dass eine Beschwerde (§ 243) eingebracht wurde, ohne dass eine gemäß § 262 zwingend zu erlassende Beschwerdevorentscheidung ergangen ist, oder ohne dass ein Vorlageantrag (§ 264) eingebracht wurde, hat das Ver­waltungsgericht mit Beschluss seine Unzuständigkeit festzustellen (Unzuständig­keitsbeschluss). Durch den Unzuständigkeitsbeschluss tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Vorlage befunden hat. Der Unzuständigkeitsbeschluss ist kein Beschluss im Sinne des § 25a Abs. 3 VwGG.“

22. In § 269 wird nach Abs. 3 folgender Abs. 4 eingefügt:

„(4) Wenn die Sache zur Entscheidung reif ist, kann das Verwaltungsgericht das Ermittlungsverfahren mit Beschluss für geschlossen erklären. Der Beschluss hat nach Möglichkeit anlässlich einer Erörterung gem. Abs. 3 oder in der mündlichen Ver­handlung, in allen anderen Fällen schriftlich zu ergehen. Das Verwaltungsgericht kann das Ermittlungsverfahren jederzeit von Amts wegen fortsetzen.“

23. In § 270 lautet der letzte Satz:

„Dies gilt bis zu einem Beschluss gem. § 269 Abs. 4 sinngemäß für dem Verwal­tungsgericht durch eine Partei oder sonst zur Kenntnis gelangte Umstände.“

24. In § 272 Abs. 4 wird im zweiten Satz nach der Wortfolge „Gegenstandslos­erklä­rungen (§ 256 Abs. 3, § 261),“ die Wortfolge „Unzuständigkeitsbeschlüsse (§ 264 Abs. 5a), Beschluss zur Schließung des Ermittlungsverfahrens (§ 269 Abs. 4),“ eingefügt.

25. In § 274 Abs. 3 lautet Z 3 und wird folgende Z 4 angefügt:


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„3. wenn eine Aufhebung unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erfolgt (§ 278) oder

4. wenn ein Unzuständigkeitsbeschluss (§ 264 Abs. 5a) ergeht.“ 

26. In § 278 wird nach Abs. 1 folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Im Falle eines Unzuständigkeitsbeschlusses (§ 264 Abs. 5a) gilt Abs. 1 sinn­gemäß.““

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf bekannt geben, dass die beiden Anträge in den Kernpunkten erläutert und schriftlich überreicht wurden, genügend unterstützt sind und damit mit in Verhandlung stehen.

Im Hinblick auf ihren Umfang lasse ich sie gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigen und verteilen. Im Übrigen werden diese Anträge auch dem Steno­gra­phischen Protokoll beigedruckt.

Wir kommen zum nächsten Redner: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Loacker. – Bitte.


11.00.35

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Auf den Familienbonus sind meine Kollegen Michael Bernhard und Claudia Gamon schon eingegangen. Wir würden diesem Fa­milienbonus gerne seine antieuropäische Ausrichtung nehmen, denn was heute nicht angesprochen worden ist, ist Folgendes: Ähnlich wie die Familienbeihilfe soll auch der Familienbonus indexiert werden. Da wünsche ich den Firmen viel Spaß, wenn sie bei ihrem ausländischen Mitarbeiter fragen dürfen, wo denn seine Kinder zu Hause sind und wenn sie in der Firma den Freibetrag indexieren dürfen. – Das zur Entbüro­kra­tisierungsregierung und ihrem Geschwafel dazu. (Abg. Strasser: Meldewesen!)

Grundsätzlich zum Familienbonus: Sie geben den Menschen etwas zurück, was Sie ihnen durch die kalte Progression weggenommen haben. Aber Sie geben es jetzt nur jenen zurück, die Kinder im entsprechenden Alter haben, den anderen geben Sie es nicht zurück. Das wäre auch bürokratisch einfacher gegangen – eben durch die Ab­schaffung der kalten Progression.

Damit komme ich zur Bürokratie: Das Jahressteuergesetz enthält auch eine Bestim­mung, mit der die Rechtsgeschäftsgebühr für Bürgschaftserklärungen wegfällt. Das ist gut so. Warum allerdings die Rechtsgeschäftsgebühr für den Wechsel, der auch ein Sicherungsgeschäft ist, nicht wegfällt, bleibt im Dunkeln.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein – weil die Geschäftsordnung so toll ist, muss ich Ihnen das vorlesen; das bringt den Zuschauern nichts, das bringt den hier Anwe­sen­den nichts, aber ich muss es leider tun –:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen

„In Artikel 5 (Änderungen des Gebührengesetzes 1957) werden nach Z. 3 folgende Z. 3a bis 3d eingefügt:

3a. § 16 Abs. 3 entfällt.


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3b. § 20 Z 5 lautet: „Sicherungs- und Erfüllungsgeschäfte zu Darlehens-, Kredit-, Haftungs- und Garantiekreditverträgen sowie zu den im Rahmen des Factoring­ge­schäftes (§ 1 Abs. 1 Z 16 BWG) getroffenen Vereinbarungen über die Gewährung eines Rahmens für die Inanspruchnahme von Anzahlungen;“

3c. § 28 Abs. 2 entfällt.

3d. § 33 Tarifpost 22 entfällt.“

*****

Also wirklich: eine super Geschäftsordnung.

Zum restlichen Gesetz: Einige andere Regelungen wie die Ausweitung der Istbesteue­rung oder das Horizontal Monitoring und so weiter sollen das Ziel verfolgen, Steuer­lücken für Unternehmen zu schließen. Da lobt sich die Regierung immer selbst, wie gut sie denn sei. In Wirklichkeit muss man schon schauen, wo die Vorschläge herkommen, sie kommen nämlich in Wirklichkeit oft von der europäischen Ebene. Die Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage liegt beim Rat, die digitalen Betriebsstätten liegen beim Rat, die Harmonisierung und Vereinfachung des Mehr­wert­steuersystems liegt auch beim Rat, die steuerliche Gleichbehandlung von physischen und elektronischen Publikationen, die als Zwischenlösung vorgeschlagen wird und von der Regierung als ihre Idee verkauft wird, kommt auch von europäischer Ebene. Ein entsprechendes Papier vonseiten der Regierung gibt es bis heute nicht. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Wir setzen mit diesem Jahressteuergesetz auch die Richtlinie zur Anti-Tax Avoidance Directive um. Die wohl wichtigste Maßnahme ist also die Hinzurechnungsbesteuerung für schädliche Einkünftekategorien. Es gibt einige andere Maßnahmen, die da vor­gesehen sind, um in der Konzernbesteuerung Schlupflöcher zu schließen. Vor­zugs­weise sollten ja die Steuern, die damit eingenommen werden, den Bürgern wieder zurückgegeben werden. Wenn wir immer hören, um wie viel es da geht, wie viel die bösen Konzerne an Steuern hinterziehen, dann müsste jetzt eine gigantische Steuer­ent­lastungswelle auf die Österreicherinnen und Österreicher zukommen. Aber dem ist nicht so. Wenn wir in die Wirkungsfolgeabschätzung hineinschauen, sehen wir, dass da 50 Millionen Euro für das Schließen von Steuerlücken bei Konzernen veranschlagt werden. Das ist ungefähr ein Viertel dessen, was durch die Biersteuer hereinkommt. Man sollte also nicht das Märchen erzählen, dass wir das Sozialsystem finanzieren können, indem wir die bösen Konzerne schröpfen und dort Steuerlöcher schließen. Das haben Sie hier selbst offenbart. (Beifall bei den NEOS.)

11.05

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (190 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebühren­gesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanz­strafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalabfluss-Mel­degesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Zollrechts-Durchfüh­rungs­ge-


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setz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Sozialministerium­ser­vice­­gesetz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bun­desfinanzgerichtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018) (197 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (190 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaft­steuer­gesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Ge­bührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungs­steuer­gesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Zollrechts-Durchfüh­rungs­gesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Sozialministerium­servicegesetz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundesfinanz­gerichtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz ge­ändert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018) (197 d.B.) angeschlossene Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

I. Art. 1 Z. 11 lit. b lautet wie folgt:

"Nach Abs. 3 wird folgender Abs. 3a eingefügt:

(3a) Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheits­gebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirt­schaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:

1. Der Familienbonus Plus beträgt

a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 125 Euro,

b) nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat 41,68 Euro.

2. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:

a) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

– Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 zu­stehende Betrag oder

– beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 zustehenden Betrages.

b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:

– Beim Familienbeihilfenberechtigen oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 zustehende Betrag oder

– beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 zustehenden Betrages.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unter­halts­verpflichteten kein Familienbonus Plus zu.


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c) Die Aufteilung des Familienbonus Plus gemäß lit. a und b ist bei gleichbleibenden Verhältnissen für das gesamte Kalenderjahr einheitlich zu beantragen. Wird von den Anspruchsberechtigten die Berücksichtigung in einer Höhe beantragt, die insgesamt über das nach Z 1 zustehende Ausmaß hinausgeht, ist jeweils die Hälfte des monatlich zustehenden Betrages zu berücksichtigen.

3. (Ehe-)Partner im Sinne der Z 2 ist eine Person, mit der der Familien­beihil­fen­berechtigte verheiratet ist, eine eingetragene Partnerschaft nach dem Eingetragene Partnerschaft-Gesetz – EPG begründet hat oder für mehr als sechs Monate im Kalen­derjahr in einer Lebensgemeinschaft lebt.

4. § 26 Abs. 3 zweiter Satz der Bundesabgabenordnung kommt nicht zur Anwendung.

5. In der Steuererklärung ist die Versicherungsnummer (§ 31 ASVG) oder die per­sönliche Kennnummer der Europäischen Krankenversicherungskarte (§ 31a ASVG) jedes Kindes, für das ein Familienbonus Plus beantragt wird, anzugeben.

6. Der Bundesminister für Finanzen hat die technischen Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Familienbonus Plus im Rahmen der Veranlagung zur Verfügung zu stellen."

II. Art. 1 Z. 11 lit. e lautet wie folgt:

"In Abs. 4 wird folgende Z 4 angefügt:

4. § 26 Abs. 3 zweiter Satz der Bundesabgabenordnung kommt nicht zur Anwendung."

III. Art. 1 Z. 11 lit. f lautet wie folgt:

"Abs. 7 lautet:

(7) Ergibt sich nach Abs. 1 eine Einkommensteuer unter 250 Euro und steht der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zu, gilt bei Vorhan­densein eines Kindes

(§ 106 Abs. 1) Folgendes:

1. Die Differenz zwischen 250 Euro und der Steuer nach Abs. 1 ist als Kinder­mehr­betrag zu erstatten.

2. Ein Kindermehrbetrag steht nicht zu, wenn für mindestens 330 Tage im Kalenderjahr steuerfreie Leistungen gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a, lit. c oder Leistungen aus der Grundversorgung oder Mindestsicherung bezogen wurden. Dieser Betrag erhöht sich für jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um den Betrag von 250 Euro."

Begründung

Eine Anpassung des Familienbonus Plus an die Lebenserhaltungskosten anderer Mit­gliedstaaten der Europäischen Union steht in fundamentalem Widerspruch zur Arbeit­nehmerfreizügigkeit, die eine der Grundfreiheiten der EU darstellt. Selbst wenn man eine solche Ungleichbehandlung von Arbeitnehmer_innen an den Wohnort des Kindes, und damit an ein scheinbar neutrales Kriterium knüpft, so ist diese Ungleichbehandlung dennoch da. Eine (verdeckte) Diskriminierung von Arbeitnehmer_innen aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die in Österreich arbeiten und voll steuerpflichtig sind, deren Kinder aber nicht in Österreich leben, kann nicht unterstützt werden. Eine potentielle


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Verletzung von EU-Primärrecht kann nicht im Sinne evidenzbasierter, sachlicher und proeuropäischer Politik sein.

*****

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (190 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebühren­gesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanz­strafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalabfluss-Melde­gesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Zollrechts-Durchführungs­ge­setz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Sozialministerium­service­ge­setz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundes­finanzgerichtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018) (197 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der dem Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (190 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebühren­gesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanz­strafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalabfluss-Melde­gesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Zollrechts-Durchführungs­ge­setz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Sozialministerium­servicegesetz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundesfinanz­gerichtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geän­dert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018) (197 d.B.) angeschlossene Ge­setzesentwurf wird wie folgt geändert:

In Artikel 5 (Änderungen des Gebührengesetzes 1957) werden nach Z. 3 folgende Z. 3a bis 3d eingefügt:

3a. § 16 Abs. 3 entfällt.

3b. § 20 Z 5 lautet: "Sicherungs- und Erfüllungsgeschäfte zu Darlehens-, Kredit-, Haftungs- und Garantiekreditverträgen sowie zu den im Rahmen des Factoring­ge­schäftes (§ 1 Abs. 1 Z 16 BWG) getroffenen Vereinbarungen über die Gewährung eines Rahmens für die Inanspruchnahme von Anzahlungen;"

3c. § 28 Abs. 2 entfällt.

3d. § 33 Tarifpost 22 entfällt.

Begründung

Wechsel sind grundsätzlich ein bewährtes Sicherungsmittel. Diese Funktion im Rechts­gefüge und Rechtsverkehr wird jedoch durch die Wechselgebühr von 1/8 Prozent der Wechselsumme konterkariert, sodass der Wechsel trotz seiner rechtlichen Vorteile kaum mehr verwendet wird. Als Gesetzgeber einerseits ein Rechtsinstitut zu schaffen


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und es andererseits – im Gegensatz zu den anderen Sicherungsgeschäften - durch eine Gebühr unattraktiv zu machen, ist ein Widerspruch, den es durch die Abschaffung der Wechselgebühr aufzulösen gilt.

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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Loacker hat zwei Abände­rungs­anträge eingebracht. Ein Abänderungsantrag wurde verlesen und steht mit in Verhandlung. Ein weiterer Abänderungsantrag wurde von Abgeordnetem Loacker in seinen Kernpunkten erläutert, schriftlich überreicht und steht mit in Verhandlung. Im Hinblick auf den Umfang des Antrages wird der Antrag gemäß § 53 Abs. 4 der Geschäftsordnung vervielfältigt und verteilt. Im Übrigen wird dieser Antrag auch dem Stenographischen Protokoll beigefügt werden.

Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Bun­desminister.


11.05.54

Bundesminister für Finanzen Hartwig Löger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Besucherinnen, liebe Besucher auf der Galerie! Liebe Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Ich erlaube mir, zu den Vorrednerinnen und Vorrednern die eine oder andere Klarstellung zu machen, aber vor allem auch dieses Jahressteuergesetz in seiner Gesamtheit noch einmal darzustellen.

Ich glaube, es ist sehr wohl eine Anerkennung der Arbeit würdig, die für dieses Jah­ressteuergesetz geleistet wurde. Wir haben nicht nur, wie es von Abgeordnetem Krainer kommentiert wurde, eine semantische Namensänderung durchgeführt, sondern es ist wirklich gelungen, in sehr kurzer Zeit ein Gesamt-Jahressteuergesetz 2018 zu entwickeln, das als Paket und damit auch in seiner Klarheit, in seiner Gesamtheit und Transparenz dafür Sorge trägt, dass die Arbeit mit den Gesetzen in Österreich einfacher und leichter wird. Auch das ist ein Grundprinzip dieser neuen Regierung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein wesentlicher Punkt dieses Jahressteuergesetzes ist – was wir heute auch in der Aktuellen Stunde schon präsentieren und diskutieren konnten – der Familienbonus Plus, das mit Sicherheit größte Entlastungspaket, das es für Familien in Österreich bisher gegeben hat. Es beinhaltet aber darüber hinaus auch unsere Zielsetzung, die Abgaben- und Steuerquote in Österreich deutlich in Richtung 40 Prozent zu senken. Zusätzlich sind weitere Gebührenerleichterungen und die Abschaffung von Gebühren in diesem Jahressteuergesetz inkludiert. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ein ganz wichtiger Aspekt als Ergänzung dazu: Wir haben auch wichtige Punkte in der Vereinfachung des Steuerrechtes und darüber hinausgehend auch Maßnahmen inkludiert, die die Chance bieten, Steuervermeidungsmaßnahmen zu verhindern. Damit haben wir in dem Bereich auch einen wichtigen Anstoß in Richtung Betrugs­bekämp­fung gegeben. Auch das ist eine klare Zielrichtung dieser Regierung. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Erlauben Sie mir vielleicht, auf die wesentlichen Punkte einzugehen und als Einstieg etwas zum Thema Familienbonus Plus zu sagen: Das, was wir alle in Österreich als positive Basis nehmen können, ist, dass Österreich über viele Jahre hinweg wichtige Beiträge in Richtung der Sozialleistungen entwickelt und aufgebaut hat. Wir zahlen aus unserem Jahresbudget von rund 80 Milliarden Euro 50 Prozent für die soziale Sicher­heit in unserem Land. Diese Regierung – das haben wir auch bei der Budgetpräsen­ta-


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tion 2018 und 2019, beim Doppelbudget, gezeigt – ist auch imstande, diese Leistungen in den nächsten Jahren zu steigern und damit die soziale Sicherheit in Österreich nicht nur zu sichern, sondern auszubauen. Das ist die Grundlage, auf der diese Regierung aufbauen kann. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Um es konkret zu machen: Rund 9 Milliarden Euro werden jährlich für alle Öster­reiche­rinnen und Österreicher im Bereich derer, die Kinder haben, für Beihilfen, für Förderun­gen und Transferleistungen für Familien und Kinder aufgewendet. Auch da haben wir Maßnahmen gesetzt, um diesen Wert in den nächsten Jahren zu steigern. Das, was wir jetzt mit dem Familienbonus Plus tun, kommt darüber hinausgehend jenen Familien zugute, die durch Arbeitsleistung in Österreich dieses Sozialsystem mitfinanzieren, die durch ihre Beiträge, durch Steuern und Abgaben, das System überhaupt möglich machen. Diese Menschen in Österreich, meine Damen und Herren, haben sich ver­dient, durch ihre Leistung eine Entlastung zu bekommen, um damit auch das Ziel der Abgaben- und Steuersenkung zu erreichen. Das ist die Zielrichtung dieser Regierung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Wir können jetzt Relationen von unten und nach oben diskutieren, wie es die Opposition gerne in ihren Stellungnahmen macht. (Zwischenruf der Abg. Friedl.) Wir haben mit diesem Familienbonus Plus 90 Prozent der Familien in Österreich über die Basis der 9 Milliarden Euro hinausgehend eine zusätzliche Ent­lastung für die nächsten Jahre gesichert. (Zwischenruf der Abg. Friedl.) Wir haben bei 80 Prozent dieser Familien die volle Wirkung von bis zu 1 500 Euro netto pro Jahr und Kind an Entlastungsleistung. Wenn Sie hier versuchen, über eine theoretische Spal­tung oder was auch immer zu reden, sage ich Ihnen: Das ist eine Maßnahme, die bei den kleineren, mittleren Familieneinkommen die stärkste Wirkung hat und eine mas­sive Breitenwirkung der Entlastung in Österreich zeigt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rossmann: Das stimmt nicht!)

Die Gesamtleistung für 950 000 Familien, für 1,6 Millionen Kinder dahinter mit einer Gesamtwirkung von 1,5 Milliarden Euro, das ist die Dimension. Ich freue mich, dass auch einige der Opposition – wie ich sehe – jetzt schon den Familienbonusrechner auf ihrem Smartphone aktiviert haben, und ich hoffe, dass Sie auch alle zustimmen wer­den, wenn wir heute den Beschluss zu diesem Thema fassen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ein wichtiger Zusatzaspekt: Wir haben mit dem Jahressteuergesetz auch zusätzliche Rechtssicherheit geschaffen. Das wurde heute angesprochen und soll nicht unter­ge­hen: Wir haben für die Unternehmerinnen und Unternehmer in Österreich zwei ganz wichtige neue Serviceelemente, die wir im Bereich der Finanzverwaltung einsetzen wer­den.

Das erste Thema, das ich diesbezüglich ansprechen möchte, ist auch unter dem Begriff Advance Ruling bekannt und im Jahressteuergesetz definiert. Da geht es darum, dass von der Steuerbehörde verbindliche Auskunft im Bereich der inter­natio­nalen Steuerrechtsfragen und auch der Umsatzsteuerfragen gegeben wird. Das ist eine zusätzliche Qualität, die wir im Bereich der Finanzverwaltung und als Service­leistung für Österreich anbieten. Darüber hinaus haben wir im Rahmen dieser neuen Regelung der Bundesabgabenordnung die Möglichkeit geschaffen, unter dem Begriff Horizontal Monitoring eine begleitende Prüfung zu machen. Diese stellt sicher, dass die Unternehmen auch im permanenten Dialog und Austausch von Daten und Infor­mationen mit den Behörden die Möglichkeit haben, rechtzeitig eine entsprechende Prü­fungssicherheit zu haben. Auch das ist ein Beitrag zur Sicherung des Standortes, zur Sicherung der Wirtschaftsentwicklung, zur Sicherung der Arbeitsplätze in Österreich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Zum Thema Verhinderung und Bekämpfung von Steuervermeidung erwähne ich zwei sehr wichtige Aspekte. Da kritisiert wurde, dass einzelne Elemente in der Nach­teils­situ-


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ation wären, und Kollege Rossmann bei einem Thema auch den Vergleich mit Deutsch­land gezogen hat, kann ich Ihnen nur Folgendes dazu sagen: Österreich hat durch die Arbeit der Finanzministerinnen und Finanzminister auch in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass Österreich gerade gegenüber Deutschland im Bereich von Maßnahmen zur Steuerbekämpfung ein Vorbild geworden ist. Dort, wo wir jetzt nachsetzen, ist der Bereich, wo es um das Abzugsverbot für Zinsen und Lizenzgebühren geht, die in Niedrigsteuerländern versucht wurden zu verbergen.

2014 gab es in Österreich die erste vorbildhafte gesetzliche Maßnahme dagegen, 2017 hat Deutschland uns kopiert – im wahrsten Sinne des Wortes –, wir setzen jetzt nach. Wir schärfen dort nach, sodass diese Regelung auch in den Bereichen, die sich in­zwischen verändert haben, gesichert wird und damit auch in dem Bereich das Einkom­men aus den Steuern in Österreich anfällt.

Darüber hinaus stellen wir als zweite diesem Thema gewidmete Maßnahme sicher, dass auch bei den Konzernen, die auf internationaler Ebene mit Tochtergesellschaften arbeiten, die Gewinne dieser teilweise niedriger besteuerten Unternehmungen im inter­nationalen Bereich nicht erst bei der Ausschüttung, sondern bereits direkt beim Anfall versteuert werden. Auch das ist eine deutliche, spürbare Maßnahme, die die Gerech­tigkeit und Fairness der Steueraufbringung für Österreich in diesem Bereich sicher­stellt.

Eine Senkung der Abgabenquote – ich habe es angesprochen – kommt auch im Be­reich der Gebühren. Wir haben die Abschaffung der Gebühren im Bereich der Woh­nungs­mietverträge. Darüber hinaus schaffen wir jetzt mit diesem Jahressteuergesetz auch die Bürgschaftsgebühren ab. Damit geben wir gerade den jungen Menschen in Österreich, die vielleicht des Öfteren umziehen – in Studentenwohnungen oder in andere Wohnformen –, ein Signal, denn diese Bürgschaft – großteils der Eltern – ist in Zukunft gebührenbefreit. Auch das ist ein Signal, das wir in Richtung Abgaben­quoten­senkung senden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Last but not least möchte ich zuletzt bewusst noch ein Thema ansprechen, betreffend die schwierige Phase, die die Landwirte und Landwirtinnen derzeit in Österreich erle­ben. Wir haben eine Situation, in der in einigen Teilen unseres Landes Dürre herrscht und in anderen massive Niederschläge und massive Hagelschäden aufgetreten sind. Wir haben uns zu dem Maßnahmenpaket bekannt, das Ministerin Elli Köstinger ge­schnürt hat, um hier den Menschen Unterstützung zu bieten. Mit diesem Jahressteuer­gesetz leisten wir einen guten, positiven Beitrag dazu, dass die Landwirte in Österreich insofern unterstützt werden, als sie nicht nur im Rahmen der Hagelversicherung, son­dern darüber hinaus eine gerechte, faire, niedrigere Besteuerung haben. Damit geben wir 5 Millionen Euro Unterstützung jenen, die für uns in diesem Land einen wichtigen Beitrag liefern. Auch dazu stehen wir.

Aufgrund all dieser positiven Aspekte lade ich Sie alle ein, heute dem Jahres­steuer­gesetz zuzustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.16


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Winzig. – Bitte, Frau Abgeordnete.


11.16.45

Abgeordnete Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Kolleginnen und Kollegen! Zu Recht steht heute der Familienbonus im Mittelpunkt, da diese Lohn- und Einkommensteuersenkung ein lang­jähriger Wunsch unserer Väter und Mütter im Land ist, und das haben sie sich auch wirklich verdient. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)


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Der Herr Finanzminister hat es schon erwähnt: 50 Prozent unseres Budgets geben wir für den Sozialbereich aus. Das zeigt, dass diese Regierung nicht nur Herz hat, sondern auch Hausverstand. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das Jahressteuergesetz umfasst aber auch wesentliche Änderungen in der Bundes­abgabenordnung, die sehr wichtig für unseren Wirtschaftsstandort sind. Wir haben im Regierungsprogramm geplant, die Möglichkeit einer ständigen Finanzbetreuung, einer Kontrolle von Großbetrieben zu schaffen. Der Ersatz von Prüfungen ist natürlich an Voraussetzungen geknüpft. Die Umsätze müssen größer als 40 Millionen Euro sein, der Betrieb muss ein internes Steuerkontrollsystem eingerichtet haben und auch die Offenlegungspflichten sind erweitert.

Ich halte diese permanente Finanzkontrolle für sehr sinnvoll, denn sie schafft Pla­­nungs- und Rechtssicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den betreffenden Abteilungen der Betriebe arbeiten, aber auch für die Geschäftsführung, die ja auch in persönlicher Haftung steht. Und ich glaube, auch der Bund erhält seine Steuereinnahmen früher und nicht erst durch Nachzahlungsbeträge einige Jahre zu spät.

Ebenso positiv möchte ich für die Wirtschaft die Ausweitung des Auskunftsbescheides anmerken. Das gibt es seit 2010 für den Bereich Umgründungen, für Verrech­nungs­preise und für Unternehmensgruppen. Jetzt wird es auf internationales Steuerrecht erweitert und auf die Umsatzsteuer, genauso wie auf mögliche betriebliche Gestal­tungen, die schon im Vorfeld geprüft werden können. Auch da steht Planungs- und Rechtssicherheit im Vordergrund. Wir alle kennen es aus der betrieblichen Praxis: Wenn große Entscheidungen anstehen, bedient man sich Experten, aber je mehr Experten man hat, desto mehr Meinungen und unterschiedliche Einschätzungen gibt es. Das kostet Zeit und Geld, und man erfährt eigentlich erst hinterher, wenn die Finanzprüfer da waren, ob man hundertprozentig die gesetzlichen Erfordernisse erfüllt hat.

Summa summarum sind es zwei Angebote für unsere Betriebe, um ihnen geset­zes­konforme Planung, gesetzeskonforme Entscheidungen zu erleichtern. Das ist sicherlich ein Beitrag zur Attraktivität unseres Standortes. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.19


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Berger. – Bitte, Frau Abgeordnete.


11.19.49

Abgeordnete Ricarda Berger (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Geschätzte Kollegen! Geschätzte Gäste auf der Tribüne, aber auch vor den Bildschirmen zu Hause! Diese Bundesregierung ist mit einem konkreten Ziel ange­treten, nämlich das umzusetzen, was im Wahlkampf versprochen wurde. Zum einen will die Bundesregierung Österreich ganz konkret mit einer Entlastung für die arbeitenden Menschen zum Positiven verändern und somit zu einer neuen Gerechtigkeit führen. Das zweite große Ziel ist, mehr Sicherheit zu schaffen, auch durch den Kampf gegen die illegale Migration. Das dritte Ziel der Bundesregierung ist, den Standort Österreich zu stärken und ihn auch wieder zukunftsfit zu machen.

Gerade das erste Ziel, welches ich genannt habe, die Entlastung, diese neue Ge­rechtigkeit, war eben ein zentrales Versprechen im Wahlkampf mit einem zentralen Ziel, nämlich die Entlastung jener, die in unserer Gesellschaft einen doppelten Beitrag leisten, derjenigen, die arbeiten gehen und Steuern zahlen, zum anderen aber auch Kinder haben und diese erziehen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Ich weiß selber, wie schwer diese Aufgabe ist, ich weiß, wie schwer diese Doppel­be­lastung zu meistern ist, da ich selbst Mutter von zwei wunderbaren Kindern bin. Familien leisten in unserer Gesellschaft wirklich einen doppelten Beitrag und haben meines Erachtens auch das Recht darauf, dass sie entlastet werden. Diese Bundes­regierung hat sich eben bewusst dazu entschieden, bei den Familien anzusetzen, nämlich bei all jenen anzusetzen, die in unserer Gesellschaft einen doppelten Beitrag leisten. Es ist wichtig, dass die Menschen eine spürbare Entlastung erfahren, und ich darf da ein paar konkrete Zahlen nennen, damit das verdeutlicht wird und damit sich die Kollegen der Opposition nicht unbegründet aufregen müssen.

Wer 1 750 Euro brutto oder weniger verdient und ein Kind hat, bezahlt keine Steuern mehr; er hat somit eine Steuerersparnis von 100 Prozent. Wer 1 750 Euro verdient und ein Kind hat, erspart sich somit 1 500 Euro pro Jahr an Steuerlast und bezahlt keinen Euro mehr an Steuern. Eine Familie mit zwei Kindern, in der einer der beiden Eltern­teile ein Einkommen von 2 300 Euro brutto hat, spart sich in Zukunft 3 000 Euro an Steuerlast, somit auch eine hundertprozentige Steuerlasterleichterung. Bei einer Familie, in der einer 2 500 Euro brutto verdient und zwei Kinder vorhanden sind, gibt es ebenfalls eine Steuerersparnis von 3 000 Euro. Das entspricht 80 Prozent der derzei­tigen Steuerlast. Bei einer Familie, in der einer der beiden Elternteile 3 000 Euro verdient und zwei Kinder vorhanden sind, kommt auch der Familienbonus in der Höhe von 3 000 Euro zur Geltung. Das entspricht einer Entlastung von 55 Prozent der Steu­ern. Sie sehen hier ganz konkret, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass eine massive Entlastung für die Menschen, die Steuern zahlen und gleichzeitig Kinder haben, vorhanden ist.

Diese Bundesregierung hat sich aber bewusst auch dazu entschieden, Alleinverdiener und Alleinerzieher zu berücksichtigen und ihnen einen Vorteil zukommen zu lassen, wenn sie eben Geringverdiener sind. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Für diese Menschen wird es in Zukunft einen Zuschuss von 250 Euro im Jahr geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir reden oft von Wertschätzung gegenüber Familien, und ich sage ganz bewusst: Was Familien leisten, nämlich arbeiten gehen, Kindern das Leben schenken, Kinder haben, das bedeutet auch Verzicht. Als Mutter sage ich ganz klar, dass es sehr wichtig ist, ihnen auch eine gute Ausbildung zu­kom­men zu lassen. Ausbildung kostet wieder sehr viel Geld, und genau damit hat die Bun­desregierung dafür gesorgt, dass sich Familien wieder mehr leisten können. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Von dieser Maßnahme der Regierung werden circa 950 000 Familien und circa 1,6 Mil­lionen Kinder profitieren. Es ist ja heute schon öfters erwähnt worden: Heute ist wirklich ein großartiger Tag für unsere Familien in diesem Land. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Gudenus: Jawohl!)

11.24


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Berlakovich. – Bitte.


11.24.39

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bun­des­ministerin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzesantrag zum Jahressteuergesetz enthält auch positive Aspekte für die Landwirtschaft, nämlich im Sinne einer Katstrophenvorsorge.

Es hat heuer im Winter zwar viel Schnee gegeben, auch in Ostösterreich, jedenfalls hat das aber in Summe wenig Niederschlag bedeutet und das hat sich dann bis hin zu einer Dürreperiode in weiten Teilen Österreichs fortgesetzt. (Der Redner stellt eine Land-


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karte Österreichs auf das Rednerpult, auf der die unterschiedlich großen Nieder­schlagsmengen farblich gekennzeichnet sind.) Auf dieser Landkarte zeigen die rot und orange eingezeichneten Flächen, dass es ein Niederschlagsdefizit von bis zu 100 Pro­zent gegeben hat, beginnend im Mittelburgenland über weite Teile Niederösterreichs und Oberösterreichs sogar bis Salzburg und Tirol hinein. Andererseits hat es in Süd­österreich, in der Steiermark, in Kärnten, katastrophale Niederschläge, schwere Über­schwemmungen und Ähnliches gegeben.

Das zeigt, dass die Wetterextreme zunehmen und die Situation bedingt durch den Klimawandel noch unsicherer wird. Das bedeutet für eine Bäuerin, für einen Bauern, dass sie im Betrieb alles richtig machen können, trotzdem aber die Natur über eine gute oder eine schlechte Ernte entscheidet. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Ich beklage das nicht, aber ich will damit aufzeigen, dass wir vor Jahren begonnen haben, diese Katastrophenvorsorge auszubauen. Knapp nach dem Krieg wurde die Österreichische Hagelversicherung gegründet, um vor Hagelschäden zu schützen. Wir haben aber im Lauf der Jahre und Jahrzehnte diese Katastrophenvorsorge im Agrar­bereich ausgebaut und sogenannte Mehrgefahrenversicherungen entwickelt, sodass sich Bauern also nicht nur gegen Hagelschäden versichern können, sondern auch gegen andere Gefahren. Es hat zum Beispiel im Jahr 1995 ein großes Paket gegeben, mit dem die Hagelversicherung in Richtung einer Frostversicherung ausgebaut wurde, in Richtung Überschwemmung und Sturm, alles, wodurch eben Ernten betroffen sein können.

Es wurde aber weiter ausgebaut: Im Jahr 2000 gab es erstmals eine Dürre­versiche­rung, die allgemein gegen Niederschlagsdefizite versichert. Im Jahr 2003 ist dann die Versicherung hinsichtlich Ausfällen im Bereich der Tierhaltung eingestiegen – das kann auch passieren. Im Jahr 2006 hat es erstmals eine Frostversicherung im Weinbau ge­geben, 2015 eine Dürreindexversicherung für Grünland, eine Frostversicherung bei Kernobst sowie eine Tierseuchenversicherung, 2016 eine Dürreindexversicherung für Mais, 2017 eine Dürreindexversicherung für Weizen und Zuckerrübe, bis hin zur Frostversicherung bei Steinobst.

Warum zähle ich das auf? – Wir haben die Versicherung konsequent ausgebaut und vor allem die Prämien durch den Bund und auch durch die Bundesländer bezuschusst, weil die Versicherungsprämien für viele Bauern so teuer waren, dass sie sich nicht haben versichern lassen. Kam es dann zu einem Frost oder zu einem Hagel, wurde der Ruf nach dem Katastrophenfonds laut. Wir haben die Strategie gewählt, dass der Staat, eben Bund und Land, die Versicherungsprämie bezuschussen und damit die Versicherung für den Bauern leistbar wird; und wenn dann die Katastrophe eintritt, wird die Versicherung schlagend. In diesem Sinne war es wichtig, das hier zu tun und die­sen Weg auch fortzusetzen. Da geht es darum, dass wir das weiter ausbauen.

Ein wichtiger Schritt ist mit der Vereinheitlichung der Versicherungssteuer hier heute getan. Nur eine Zahl: In diesem Jahr gibt es bisher Katastrophenschäden in der Land- und Forstwirtschaft im Ausmaß von etwa 110 Millionen Euro, im Vorjahr waren es in etwa 250 Millionen Euro. Das Jahr ist ja noch nicht zu Ende, und es kann leider noch immer etwas passieren; daher war es wichtig, das zu machen. Danke an den Finanz­minister, genauso wie an die Landwirtschaftsministerin für die Bereitschaft, diese wich­tigen Signale für die Land- und Forstwirtschaft zu setzen, die trotz aller Technologie und aller Digitalisierung, die auch in der Land- und Forstwirtschaft einsetzen, sehr wohl nach wie vor von Wind und Wetter abhängig ist!

Ich bringe auch einen Abänderungsantrag zum Jahressteuergesetz ein; ich erläutere ihn in den Kernpunkten: Zum einen geht es um eine Begriffsklärung, dass Wirtschafts-


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prüfer und Steuerberater sowohl Gutachten machen als auch Bestätigungen aus­stel­len. Diese Begriffe werden hier geklärt.

Der zweite Punkt ist, dass die Bezeichnung Sachwalter durch die Bezeichnung Er­wach­senenvertreter ersetzt wird beziehungsweise dass auch die Bezeichnung Vor­sorgebevollmächtigter eingeführt wird.

Letztendlich geht es darum, dass die Finanzinstitute verpflichtet sind, diese Imple­men­tierung zu ermöglichen. Um eben Zeit zu geben, soll das mit 1. Jänner 2019 schlagend werden.

*****

Ich glaube, der Abänderungsantrag ist den Fraktionen zugegangen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.29

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Karlheinz Kopf, Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage betreffend das Bundesgesetz, mit dem das Einkommen­steuer­gesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Kontenein­schau­gesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Ge­setz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Bei­hil­fen­gesetz, das Sozialministeriumservicegesetz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundesfinanzgerichtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018) (190 der Beilagen), in der Fassung des Ausschussberichtes (197 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Die Regierungsvorlage (190 der Beilagen) des Bundesgesetzes, mit dem das Ein­kom­mensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuer­gesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grund­erwerb­steuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeug­steuer­ge­setz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Mel­de­standard-Gesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Gesundheits- und So­zial­bereich-Beihilfengesetz, das Sozialministeriumservicegesetz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundesfinanzgerichtsgesetz und das Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetz geändert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018), wird wie folgt geändert:

I. Artikel 9 (Änderung der Bundesabgabenordnung) wird wie folgt geändert:

Z 10 (§§ 153a bis 153g) wird wie folgt geändert:

„a) In § 153b Abs. 4 Z 4 wird die Wortfolge „eine Bestätigung eines Wirtschaftsprüfers oder ein Gutachten eines Steuerberaters“ durch die Wortfolge „ein Gutachten eines Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters“ ersetzt.

b) § 153b Abs. 7 lautet:


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„(7) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, die Systematik, nach der bei der Erstellung des Gutachtens des Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters über das Steu­erkontrollsystem vorzugehen ist und den Aufbau und die erforderlichen Mindestinhalte des Gutachtens des Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters (Abs. 4 Z 4) mit Verord­nung festzulegen. Das Gutachten des Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters ist spä­testens nach einem Zeitraum von drei Jahren zu erneuern, hat mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder einem qualifizierten elektronischen Siegel des Wirt­schafts­prüfers oder Steuerberaters versehen zu sein und ist im Verfahren FinanzOnline zu übermitteln. Die erstmalige Übermittlung hat gleichzeitig mit der Antragstellung zu erfolgen.“

c) § 153f Abs. 5 lautet:

„(5) Der Antragsteller hat dafür zu sorgen, dass rechtzeitig vor Ablauf der Frist gemäß § 153b Abs. 7 oder im Fall von wesentlichen Veränderungen des Steuerkontroll­sys­tems das Gutachten des Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters über die Einrichtung erneuert wird und die bzw. das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder einem qualifizierten elektronischen Siegel des Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters versehene Gutachten im Verfahren FinanzOnline zu übermitteln. Das neue Gutachten und alle weiteren müssen Aussagen über die Wirksamkeit des Steuerkontrollsystems enthalten. Das Finanzamt hat das Vorliegen und die Plausibilität des Gutachtens regel­mäßig zu überprüfen.“

d) In § 153g Abs. 3 entfällt die Wortfolge „die Bestätigung bzw.“.“

II. Artikel 11 (Änderung des Kontenregister- und Konteneinschaugesetzes) wird wie folgt geändert:

Z 3 (§ 2 Abs. 8) lautet:

„3. § 2 Abs. 8 lautet:

„(8) Bei vertretungsbefugten Personen darf auch die Art der Vertretungsbefugnis gespeichert werden. Dabei handelt es sich um folgende Kategorien: vertretungsbefugt, zeichnungsberechtigt, Masseverwalter, Erwachsenenvertreter, Vorsorgebevollmäch­tig­ter, Eltern für minderjährige Kinder.““

III. Artikel 13 (Änderung des Gemeinsamer Meldestandard-Gesetzes) wird wie folgt geändert:

Es wird folgende Z 9 angefügt:

„9. In § 117 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) § 5 Abs. 1 in der Fassung des BGBl. I Nr. xx/2018 tritt mit 1. Jänner 2019 in Kraft.““

Begründung

Zu Artikel 9 (Änderung der Bundesabgabenordnung):

Z 10 (§§ 153a bis 153g):

Die Formulierung der Regierungsvorlage differenziert zwischen Wirtschaftsprüfern, die über das Steuerkontrollsystem eine „Bestätigung“ zu erstellen haben und Steuer­be­ra­tern, die über das Steuerkontrollsystem ein „Gutachten“ zu erstellen haben. Der Begriff „Bestätigung“ bezieht sich nach den geltenden Standards zur Berufsausübung auf eine Zusicherungsleistung auf Basis einer sonstigen Prüfung. Im Unterschied dazu umfasst ein Gutachten keine Zusicherungsleistung. Berufsrechtlich (§ 2 Abs. 1 Z 6 sowie § 3 Abs. 2 Z 7 WTBG 2017) sind sowohl Wirtschaftsprüfer als auch Steuerberater zur Erstattung von Sachverständigengutachten berechtigt. Da die Erteilung einer Bestäti-


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gung auf Basis einer sonstigen Prüfung in der Regel aufwändiger ist als die Erstattung eines Gutachtens, wären Wirtschaftsprüfer gegenüber Steuerberatern benachteiligt. Um diese Differenzierung zu vermeiden, wird vorgesehen, dass ein Wirtschaftsprüfer genauso wie auch ein Steuerberater bloß ein Gutachten zu erstellen hat.

Zu Artikel 11 (Änderung des Kontenregister- und Konteneinschaugesetzes):

Zu Z 3 (§ 2 Abs. 8):

Die ursprüngliche Bezeichnung „Sachwalter“ wird durch die Bezeichnung „Erwach­se­nenvertreter“ ersetzt und die Bezeichnung „Vorsorgebevollmächtigter“ wird im Sinne des Vorschlages des BMVRDJ zusätzlich aufgenommen.

Zu Artikel 13 (Änderung des Gemeinsamer Meldestandard-Gesetzes):

Zu Z 9 (§ 117 Abs. 3):

Finanzinstitute sind ab 1. Jänner 2019 nicht nur berechtigt sondern verpflichtet, Infor­mationen für alle Kontoinhaber und sonstigen Kunden zu ermitteln, zu erfassen, zu speichern und zu verarbeiten. Um den Finanzinstituten eine angemessene Vorlaufzeit zur Implementierung zu ermöglichen, soll § 5 Abs. 1 idF BGBl. I Nr. xx/2018 erst ab 1. Jänner 2019 anwendbar sein.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich gebe bekannt, dass der soeben in seinen Kern­punkten erläuterte Abänderungsantrag der Abgeordneten Kopf und Brückl, Kolle­ginnen und Kollegen auch schriftlich überreicht wurde und genügend unterstützt ist. Daher steht er mit in Verhandlung.

Im Hinblick auf den Umfang des Antrages lasse ich ihn gemäß § 53 Abs. 4 der Ge­schäftsordnung vervielfältigen und verteilen. Im Übrigen wird dieser Antrag auch dem Stenographischen Protokoll beigedruckt.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesminister Bogner-Strauß. – Bitte, Frau Bun­des­minister.


11.30.08

Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend im Bundeskanzleramt Mag. Dr. Juliane Bogner-Strauß: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Österreicherinnen und Österreicher vor den Bildschirmen! Ich freue mich über diese Steuerentlastung, weil es mich als Familienministerin besonders betrifft, weil wir 1,5 Milliarden Euro für die Familien und Kinder in Österreich in die Hand nehmen. Wir entlasten 80 Prozent der Familien mit Kindern zu 100 Prozent. Diese Familien können 1 500 Euro pro Kind und Jahr mehr für ihre Familien aufwenden, mehr für ihre Kinder aufwenden. (Abg. Rossmann: Und die, die es dringend brauchen?)

Warum tun wir das? – Wenn Familien arbeiten, haben sie eine doppelte Belastung, denn Kinder zu erziehen und gleichzeitig arbeiten zu gehen, ist eine Herausforderung, und ich spreche hier aus eigener Erfahrung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir wollen diese Familien stärken, denn wir wollen ja weiterhin, dass diese Familien in unser Sozialsystem einzahlen, dass es zu einer Umverteilung von Sozialleistungen kommt, damit unsere Sozialleistungen in Österreich auch weiterhin treffsicher sind. Es gibt Transferleistungen, die alle Kinder gleichermaßen bekommen, es gibt Geld­leis­tungen, wie die Familienbeihilfe, die alle Kinder gleichermaßen bekommen. Wir reden hier von Tausenden Euro pro Jahr und Kind in Österreich. Die Familienbeihilfe beträgt


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200 Euro pro Kind, es gibt die Schülerfreifahrt, die Schulbuchaktion. Es gibt auch für AlleinverdienerInnen und -erzieherInnen Absetzbeträge.

Heute wurde die Kinderbetreuung schon einige Male angesprochen: Wir haben ge­staffelte Beiträge für die Kinderbetreuungsplätze, wo der Kindergarten nicht gratis ist. Da geht es teilweise um Beiträge von 1 Euro pro Tag. (Abg. Plessl: Wie in Ober­österreich!)

Ich glaube, wir haben wirklich ein gerechtes Sozialsystem in Österreich. Natürlich möchte ich die Kinderbetreuung weiterhin ausbauen. Ich glaube, Sie können es mir nicht in Abrede stellen, dass es besser ist, auf unter Dreijährige zu fokussieren, weil da die Betreuungsquote in Österreich erst bei 26 Prozent liegt. Die Betreuung für über Dreijährige ist zu 96 Prozent ausgebaut, darauf werde ich meinen Fokus nicht legen, denn da gibt es nicht mehr so viel auszubauen. (Abg. Plessl: Aber die Öffnungszeiten sind sehr gering!)

Es ist natürlich klar, dass Kinderbetreuung ausgebaut werden muss. Warum muss Kinderbetreuung ausgebaut werden? – Vor allem, um Frauen zu unterstützen; auch das wurde heute schon gesagt. Sie sagen, dass der Familienbonus vor allem für Männer und nicht für Frauen greift. Warum ist das so? – Weil 75 Prozent aller Frauen, die Kinder unter 15 Jahren haben, in Teilzeit arbeiten. Der Familienbonus soll auch ein Anreiz für Frauen sein, wieder mehr zu arbeiten und wirtschaftlich unabhängiger zu sein, denn der Familienbonus setzt bereits bei sehr geringen Einkommen an. (Abg. Plessl: Wenn es weniger Betreuung gibt, können sie das nicht!) Wir haben es gehört, ab 1 250 Euro brutto können sie den Familienbonus bereits nutzen.

Dass 75 Prozent der Frauen in Teilzeit arbeiten, liegt eben auch daran, dass die Männer Vollzeit arbeiten. Als Frauenministerin möchte ich auch sagen, dass es mein großer Wunsch wäre, dass sich Männer mehr an der Kindererziehung zu Hause be­teiligen, damit Frauen wieder mehr arbeiten können, wirtschaftlich unabhängiger wer­den und aus dieser Teilzeitfalle herauskommen, die für ihre Pension und für ihre Zukunft oft etwas Negatives ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Weil es aber oft Frauen sind, die Teilzeit arbeiten, und sie oft auch Alleinerzieherinnen, Alleinverdienerinnen sind, haben wir auch für diese Frauen 250 Euro pro Jahr und Kind beim Familienbonus vorgesehen. Wir unterstützen auch diese Frauen zusätzlich zu den Sozialleistungen, die wir in Österreich für Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher bereits haben.

Zum Schluss möchte ich noch die Lebenssituation von getrennt lebenden Eltern erwäh­nen. Auch da gibt es die Möglichkeit, den Familienbonus entweder eins zu eins aufzuteilen, aber er kann bis zum Jahr 2021 auch noch flexibel genutzt werden. Das heißt, jene, die die Kinderbetreuung hauptsächlich übernehmen, können den Familien­bonus auch hauptsächlich für sich geltend machen.

Damit möchte ich noch einmal sagen: Der Familienbonus ist die größte Entlastung für Familien in Österreich, in dieser Republik, und ich bin stolz darauf, Teil dieser Bundes­regierung zu sein, die sich so für Familien einsetzt und Familien in den Mittelpunkt rückt. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.35


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Linder. – Bitte, Herr Abgeordneter.


11.35.55

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Sehr geehrte Frau Minister! Herr Minister! Geschätzter Herr Staatssekretär! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!


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Sehr geehrte Damen und Herren! Betreffend Jahressteuergesetz 2018 haben wir heute wirklich schon viel über den wichtigsten Punkt in diesem Gesetz gehört, die Entlastung der Familien. Es ist auch sehr oft erläutert worden, wie wichtig es für die Familien ist, dass Freiräume geschaffen werden, finanzieller Freiraum geschaffen wird.

Ich persönlich sehe hier aber einen zweiten, ganz, ganz wichtigen Punkt, in dem die Regierung ihrem Auftrag und ihrem Versprechen nachkommt, nämlich zu entlasten und zu vereinfachen: zu entlasten, indem wir die Steuern für jene Leute senken, die wirklich Steuern zahlen, die leisten müssen, die manchmal schon das Vertrauen verloren haben und fragen: Warum soll ich noch arbeiten, wenn mir das ganze Geld zum Schluss am Monatsende genommen wird? – Das ist ein wichtiger Punkt.

Der zweite Punkt ist, dass es uns gelingt, von der Bürokratie wegzukommen. Man muss nicht mehr Rechnungen sammeln, Belege sammeln, einreichen, zurückfordern, sondern kann ganz einfach mit einem Jahresmodell den Bonus lukrieren. Ich glaube, da zeigt die Regierung, dass sie einen ganz wichtigen Punkt umsetzt: das Entlasten und das Vereinfachen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Mir als Agrarsprecher der Freiheitlichen Partei ist aber ein kleiner Bereich dieses Jahres­steuergesetzes ganz, ganz wichtig – Kollege Berlakovich hat es schon ange­sprochen –, nämlich die Vereinheitlichung des Versicherungssteuergesetzes bei land­wirtschaftlichen Elementarschäden. Meine Damen und Herren, wenn Sie sich vor Augen führen: Bisher wurde die Versicherungssteuer nach der Versicherungsprämie berechnet. Das heißt aber, dass die Versicherungsprämie in Gebieten, in denen es vermehrt zu Risikoerscheinungen gekommen ist, in denen es Unwetter gegeben hat, sehr oft Hagel aufgetreten ist, gestiegen ist und die Versicherten mehr Steuer gezahlt haben. Wenn man in einem risikoreichen Gebiet gelebt hat oder versichert war, hat man noch mehr Steuern zahlen müssen, und das ist nicht in Ordnung. Nach dem neuen Modell wird diese Versicherungssteuer nach der Versicherungssumme berechnet. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Ich habe es in meiner Gemeinde selbst erlebt, wir waren 2016 ganz schlimm betroffen, 2017 betroffen und gerade gestern wieder von einem Unwetter betroffen. Die Versicherungen weigern sich teilweise, bei uns im Gebiet überhaupt noch Verträge abzuschließen, aber wenn, dann ist eine sehr hohe Prämie zu zahlen und wir hätten dadurch auch mehr Steuer gezahlt. Deswegen bin ich froh darüber, dass man den Weg gegangen ist, steuerlich zu entlasten und so auch dem Bürger Eigenverantwortung zurückzugeben.

Das ist der nächste Punkt, bei dem ich glaube, dass die Regierung ihrem Versprechen nachkommt. Ich glaube, dass noch viele Punkte kommen werden, um irgendwann auch einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung und Vereinfachung zu leisten. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.39


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Eßl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


11.39.25

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine geschätzten Damen und Herren! Wir diskutieren heute das Jahressteuergesetz. Darin enthalten sind einige Gesetzesbereiche wie zum Beispiel Körperschaftsteuer-, Einkommen­steu­er­gesetz, Umsatzsteuergesetz, Gebührengesetz oder die Bundesabgabenordnung. Ich möchte aber nur einige wenige Beispiele aus dem Konvolut herausnehmen und behandeln.


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Zentrales Stück ist natürlich der Familienbonus Plus, der heute beschlossen wird. Das ist ein zentraler Punkt dieses Reformgesetzes. Es ist in den Redebeiträgen schon erwähnt worden, ab 2019 werden 950 000 Familien in Österreich davon profitieren. 1,6 Millionen Kinder werden diesen Bonus in Anspruch nehmen können, ihre Eltern werden diesen Bonus in Anspruch nehmen können. Zielgruppe ist eben die berufs­tätige Frau, der berufstätige Mann, die oder der Lohn- oder Einkommensteuer zahlt. Für diese Personen wird es ab 1. Jänner 2019 einen Absetzbetrag von bis zu 1 500 Euro im Jahr geben. Im System ist es so geregelt, dass das Finanzamt diese 1 500 Euro von den Steuerpflichtigen erst gar nicht einkassiert, sondern es belässt diesen Betrag gleich bei den Familien. Das ist eine große Entlastung – die größte Entlastung, wie es die Frau Minister schon gesagt hat, für die Familien seit Jahrzehnten. Und diese Entlastung werden die Familien auch tatsächlich spüren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Für Familien mit Jugendlichen über 18 Jahren beträgt die Entlastung bis zu 500 Euro im Jahr, und zwar solange die Familienbeihilfe bezogen wird. Auch für jene, die keine Lohn- oder Einkommensteuer zahlen, ist ein Erstattungsbetrag von zumindest 250 Euro vorgesehen – also wir tun etwas für die Familien.

Wenn man die gesamten Leistungen zusammenzählt, dann kommt man in Österreich im Durchschnitt auf 2 400 Euro pro Kind im Jahr an Familienbeihilfe, Sachleistungen und jetzt eben diesem Familienbonus Plus, also in Summe 2 400 Euro pro Kind im Jahr. Das ist eine großartige Leistung. Die Regierung ist angetreten, um für mehr Ge­rechtigkeit zu sorgen, um für Entlastung zu sorgen. Keine Regierung vorher hat für so viel Entlastung gesorgt wie diese Regierung. Das kommt den Familien zugute. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein zweiter Punkt, den ich ansprechen möchte – dieser ist auch schon von meinen Vor­rednern angesprochen worden –: Es gibt Steuererleichterungen und eine Verein­heit­lichung bei den landwirtschaftlichen Risikoversicherungen. Max Linder hat es schon angesprochen: Bis jetzt wurde die Steuer von der Prämie berechnet, jetzt sind es von der Versicherungssumme 0,2 Promille. Das wird nicht nur für Hagelschäden verein­heitlicht, sondern auch für Frostschäden bei Pflanzen oder für Nutztiere, die versichert sind. Das ergibt in Summe eine Ersparnis für die Bäuerinnen und Bauern von 5 Mil­lionen Euro, und das ist gut so.

Ein dritter Punkt, den ich noch ansprechen möchte, sind Bürokratieabbau, Verein­fachung und Entlastung bei Einkünften aus Anlass der Einräumung von Leitungs­rechten. Statt aufwendiger Ermittlungsverfahren, wobei der tatsächliche Schaden dem gegenüber gerechnet werden musste, der auch ein Entgelt für dessen Duldung bekam, gibt es in Zukunft eine Abzugsteuer. Das ist sehr einfach. Davon sind Infrastruk­tur­einrichtungen für die Energieversorgung betroffen. Was ich mir noch wünschen würde, ist, dass man auch andere Bereiche der Daseinsvorsorge miteinbezieht, wie zum Beispiel Datenleitungen, Hochwasserschutz, Retentionsbecken sowie die Wasserver- und -entsorgung.

Ich wünsche mir, dass wir in nächster Zeit noch darüber sprechen können, um da eventuell noch Vereinfachungen zu schaffen. In Summe ist aber dieses Jahres­steuer­gesetz ein sehr, sehr gutes Gesetz. Ich hoffe, dass alle zustimmen werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.44


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Schimanek zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 70

11.44.15

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bun­desregierung! Geschätzte Kollegen! Liebe Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Ja, heute ist ein guter Tag für die österreichischen Familien. Mit dem Familiensteuerbonus investiert die Bundesregierung jetzt jährlich 1,5 Milliarden Euro mehr in die Familien in Österreich, und mit dem Familiensteuerbonus ist es unserer Regierung gelungen, eine Maßnahme zu setzen, die wohl eine der größten familienpolitischen Entlastungen der letzten Jahre darstellt. Eine wichtige Neuerung ist es, dass künftig das Steuerrecht endlich einen effektiven Unterschied macht, wie viele Personen in einem Haushalt vom jeweiligen Einkommen leben. Damit wird auch eine langjährige FPÖ-Forderung gemeinsam umgesetzt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Dieser Familiensteuerbonus entlastet – wir haben es heute schon gehört – 950 000 Fa­milien und 1,6 Millionen Kinder in Österreich. Der große Vorteil dieses Modells ist aber auch die Flexibilität und die flexible Gestaltung. Es bleibt den Eltern überlassen, wie sie den Bonus ausnutzen wollen, wie sie ihn in Anspruch nehmen wollen, ob ein Elternteil oder beide in Karenz gehen. Diese Flexibilität sichert auch zu, dass alle Formen des familiären Zusammenlebens in gleichen Maßen unterstützt werden.

Auch für Frauen bringt der Familiensteuerbonus einen großen Vorteil. Frau Kollegin Yildirim! Sie haben hier behauptet, Frauen hätten jetzt einen Nachteil. Ich muss da vehement – vehement! – wiedersprechen. Mit dem Familiensteuerbonus wird weder eine Mutter sofort wieder in den Arbeitsmarkt gedrängt, noch ist es für die Inanspruch­nahme des Bonus besser, wenn sie länger zu Hause bleibt. Auch bleibt es ihr freigestellt, ob sie Teilzeit oder den ganzen Tag arbeiten geht. Also der Familiensteuer­bonus macht hier überhaupt keinen Unterschied. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Das ist Wahlfreiheit. Das ist ein Stück freiheitliche Frauen- und Familienpolitik. Mit dieser Maß­nahme sind wir in Österreich ein gutes Stück weitergekommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seitdem der Familiensteuerbonus besprochen worden ist, ist natürlich auch von der Opposition nicht mit Kritik gespart worden. Aber dieser marxistische Klassenkampf ist nicht mehr zeitgemäß. Ich sage Ihnen: Bitte fallen Sie diesem nicht zum Opfer und glauben Sie dieser Opposition nicht! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Familien mit einem Einkommen von 2 000 Euro brutto als reich zu bezeich­nen, das ist doch wirklich irrwitzig! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Also ich glaube, wir sind weit, weit weg davon, dass wir Familien benachteiligen. Der Regierung da soziale Kälte zu unterstellen, das ist mehr als fragwürdig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Noch einmal zum Mitschreiben: Eine Einkommensteuerentlastung kann nur dann durch­geführt werden, wenn Einkommensteuer gezahlt wird. Das müssten doch auch die Kollegen von der SPÖ in den letzten Jahren verstanden haben (Zwischenruf des Abg. Rossmann), haben sie doch elf Jahre lang den Bundeskanzler gestellt. Und er wird es ihnen doch wohl irgendwann einmal erzählt haben. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren hier und vor den Bildschirmen! Noch einmal: Bitte fallen Sie dieser Propaganda nicht zum Opfer! Auch für die niedrigen Einkommen und für die AlleinerzieherInnen hat diese Regierung vorgesorgt. Ich glaube, mit diesem Familiensteuerbonus ist Österreich wieder ein Stück kinder- und familienfreundlicher geworden. – Danke. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ sowie Beifall bei der ÖVP.)

11.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste ist Frau Abgeordnete Kugler zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 71

11.48.41

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Frau Präsidentin! Werte Regierungsmit­glie­der! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor auch ich zum Familienbonus Plus ein Wort sagen darf, ein allgemeiner Gedanke: Die Umfragewerte dieser Regierung sind sehr gut. 52 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sind zufrieden. Genau vor einem Jahr waren es im Vergleich nur 31 Prozent. Doch es gibt immer noch Men­schen, die nicht zufrieden sind. Diese Menschen haben eine Angst gemeinsam, und diese Angst ist, dass sie meinen, diese Regierung würde die Schwachen zurücklassen, Survival of the Fittest, nur die Stärksten kommen durch. – Aber diese Angst ist voll­kommen unbegründet. Diese Angst ist nicht berechtigt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Österreich ist und bleibt ein Hochleistungsland im Transferbereich. Ein wichtiges Prinzip ist: Wir werden kein Elend zulassen, wir werden jeden mitnehmen. Aber was diese Regierung macht – man kann es ganz kurz zusammenfassen –, ist, die Welt wieder in Ordnung zu bringen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Wir wollen nicht Fische verteilen, sondern zeigen, wie man fischt. Aber wenn da jemand ist, der nicht fischen kann, dann werden wir selbstverständlich jeden und jede unterstützen und niemanden zurücklassen. Der Familienbonus ist ein Beispiel dafür.

Vieles wurde schon gesagt, ich möchte jetzt noch drei Dinge klarstellen.

Erstens: Es besteht ein ganz wichtiger, ein wesentlicher Unterschied zwischen einer Steuerentlastung und einer sozialpolitischen Maßnahme. Was wir hier machen, ist, Gerechtigkeit im Steuersystem herzustellen. Bisher wurde vom Steuerrecht fast kein Unterschied gemacht, ob jemand alleine oder mit Familie von einem Gehalt lebt – fast keiner, es gab selbstverständlich einige Punkte. Jetzt haben wir jedoch Steuerge­rech­tigk­eit hergestellt und uns eigentlich an die Kinder-Vollkostenrechnung angelehnt, wie sie zu Recht für Österreich weiterhin gefordert wird, aber in Deutschland bereits be­steht. Das, was ein Kind kostet, soll nicht besteuert werden. Endlich konnten wir diese Steuergerechtigkeit herstellen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ein zweiter wichtiger Punkt: Ich habe gerade gesagt, der Familienbonus ist keine so­zial­politische Maßnahme. Dennoch bekämpft der Familienbonus Armut. Ich bringe Ihnen ein Beispiel: Ich bin gut befreundet mit einer Familie mit Migrationshintergrund, vier Kinder, der Vater ist OP-Assistent, verdient 2 100 Euro netto. Die EU hat einen Schwel­lenwert für Familien definiert, ab wann eine Familie arm ist. Danach bräuchte diese Familie 2 400 Euro netto. Während die Familie laut EU-Schwellenwert unter der Armuts­grenze lebt, zahlt sie trotzdem Steuern. Das tut sie jetzt nicht mehr, sondern hat bei vier Kindern 500 Euro mehr und lebt mit 2 600 Euro nicht mehr unter der Armuts­grenze.

Ein dritter Gedanke: Ich verstehe nicht, wie man in einem Hochsteuerland wie Öster­reich gegen Steuererleichterungen sein kann. Hier machen die SPÖ und die Liste Pilz den Menschen Angst. Es würden nur die Familien profitieren, die gut verdienen und wohlhabend sind. – Das ist populistisch, das ist nicht richtig. Man muss nicht alles schlechtmachen, nur weil es von der Regierung kommt. Das ist uralter Stil. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die NEOS sind da differenzierter; das rechne ich euch hoch an. Auch wenn ich mit der Diktion Geld verschenken und mit der Aussage „mit dem Ziel, weiter zu spalten“ nichts anfangen kann, freue ich mich, dass sie heute zustimmen.

Sehr geehrte Damen und Herren! In einer Zeit der Verunsicherungen machen wir mit dem Familienbonus Plus Mut zur Familie. Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, und wir schaffen mit dieser Maßnahme Rahmenbedingungen, die es möglich machen, dass Familie gelingen kann. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

11.53



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 72

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Sieber zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Abgeordneter.


11.53.36

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Minister! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Staatssekretär – auch Sie sind herzlich willkommen! Wir stehen vor dem Beschluss dieses Familienbonus Plus, und ich glaube, es ist dies ein Tag der Freude für die Familien in unserem Land. (Beifall bei der ÖVP und bei Ab­ge­ordneten der FPÖ.)

Auch wenn es manche vielleicht schon nicht mehr hören wollen, aber man kann es nicht oft genug wiederholen: 950 000 Familien mit 1,6 Millionen Kindern werden in Zukunft 1,5 Milliarden Euro mehr zur Verfügung haben. Das ist Familienpolitik à la Türkis-Blau! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist auch in der Diskussion schön herausgearbeitet worden, vor allem auch im Rede­beitrag des Kollegen Krainer, wie wir uns hier unterscheiden: Sie wollen den Menschen das Geld wegnehmen und es nach Ihrem Gutdünken auch wieder zuführen, wir vertrauen den Menschen und wollen ihnen mehr netto vom Brutto lassen und sie selber entscheiden lassen. Darin unterscheiden wir uns ganz wesentlich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Auch Ihren Vorhalt, dass wir nicht gleich behandeln würden, dass nicht jedes Kind gleich viel wert sei, weise ich zurück, denn – Kollege Kopf hat es bereits klar aus­geführt –: Wir haben eine ganz enge Schere beim niedrigsten Einkommensdrittel und beim höchsten Einkommensdrittel. Wir sind da international absolut im Spitzenfeld, und ich glaube, dass Sie betreffend all die einkommensabhängigen Familienleistungen, Sozialleistungen, die erbracht werden, ob vom Bund, aber vor allem auch in den Ländern, doch wohl nicht sagen wollen, da müssen wir alles gleichschalten. Ich glaube, dass wir da sehr gezielt auf die Schwächsten Rücksicht nehmen müssen, und diese Regierung tut das auch! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es ist aber auch im Zuge der Debatte über diesen Familienbonus Plus ein Thema aufgetaucht, dass eben Auslandsbedienstete, Entwicklungshelfer und auch Wirtschafts­delegierte durch die Indexierung des Familienbonus überbordende Nachteile hätten. Wir wollen dieses Thema im Herbst entsprechend behandeln und diesen Punkt repa­rieren.

Deswegen bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein: 

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen be­treffend „Kein Nachteil für Auslandsbedienstete, Entwicklungshelfer und Wirtschafts­delegierte in Bezug auf Familienbeihilfe und Familienbonus Plus“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, eine Lösung zu entwickeln, welche sicherstellt, dass der Personengruppe der Auslandsbediensteten, Ent­wicklungshelfer und Wirtschaftsdelegierten, die sich mit Kindern im Ausland aufhalten, in Bezug auf Familienbeihilfe und Familienbonus Plus ein sachgerechter An­spruch erwächst. Dieser Vorschlag soll zeitgerecht für die Beratungen des Aus­schus­ses für Familie und Jugend über die Regierungsvorlage ,Bundesgesetz, mit dem das


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Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden (111.d.B.)‘ vorliegen.“

*****

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, dass wir bei der kommenden Abstimmung alle erkennen, dass dieser Familienbonus Plus ein wirklicher Meilenstein für die Familien­politik in diesem Land ist. Ich lade auch die Oppositionsparteien herzlich dazu ein, bei diesem wunderbaren Schritt mitzugehen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Schieder: Warum macht ihr das Gesetz so schlecht, dass ihr einen eigenen Abänderungsantrag einbringen müsst?)

11.57

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Kein Nachteil für Auslandsbedienstete, Entwicklungshelfer und Wirtschafts­delegierte in Bezug auf Familienbeihilfe und Familienbonus Plus

eingebracht im Zuge der Debatte 1.) Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (190 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Um­satz­steuergesetz 1994, das Gebührengesetz 1957, das Grunderwerbsteuergesetz 1987, das Versicherungssteuergesetz 1953, das Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, die Bundesabgabenordnung, das Finanzstrafgesetz, das Kontenregister- und Kontenein­schaugesetz, das Kapitalabfluss-Meldegesetz, das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz, das Sozialministeriumservicegesetz, das Bundesstraßen-Mautgesetz 2002, das EU-Amtshilfegesetz, das Bundesfinanzgerichtsgesetz und das Wirtschaft­liche Eigentümer Registergesetz geändert werden (Jahressteuergesetz 2018 – JStG 2018) (197 d.B.)

Im Zuge der parlamentarischen Beratungen des Jahressteuergesetzes 2018 hat sich herausgestellt, dass aufgrund europarechtlicher und verfassungsrechtlicher Implikatio­nen weitere Überlegungen angestellt werden müssen, die sicherstellen, dass der Per­sonengruppe der Auslandsbediensteten, Entwicklungshelfer und Wirtschaftsdele­gier­ten, die sich mit Kindern im Ausland aufhalten, in Bezug auf Familienbeihilfe und Fa­milienbonus Plus ein sachgerechter Anspruch erwächst.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung werden ersucht, eine Lösung zu entwickeln, welche sicherstellt, dass der Personengruppe der Auslandsbediensteten, Ent­wicklungshelfer und Wirtschaftsdelegierten, die sich mit Kindern im Ausland auf­halten, in Bezug auf Familienbeihilfe und Familienbonus Plus ein sachgerechter An­spruch erwächst. Dieser Vorschlag soll zeitgerecht für die Beratungen des Aus­schusses für Familie und Jugend über die Regierungsvorlage „Bundesgesetz, mit dem


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das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden (111.d.B.)“ vorliegen.“

*****

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Ver­handlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Einwallner. – Bitte, Herr Abge­ordneter.


11.57.40

Abgeordneter Ing. Reinhold Einwallner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Mitglieder der Bundesregierung! Diese Debatte heute Vormittag zeigt schon ganz besondere Facetten: Zum einen versucht es die Frau Ministerin zweimal mit derselben Rede hier im Hohen Haus (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf des Abg. Zanger), zum anderen ist eine weitere Facette wohl der jetzt gerade vorgestellte Entschließungsantrag der Abgeordneten Sieber und Mühlberghuber zur Reparatur eines Gesetzes – denn das beinhaltet dieser Entschließungsantrag –, das noch nicht einmal beschlossen ist. Es ist zwar schön, dass Sie jetzt auf unseren Hinweis ein­gegangen sind, Entwicklungshelfer und Auslandsbedienstete zu berücksichtigen, aber das zeigt gleichzeitig einen neuen Negativrekord dieser schwarz-blauen Regierung: dass sie es nämlich nicht schafft, ein Gesetz so zu formulieren, dass es gleich gut und richtig ist, sondern dass man es schon reparieren muss, bevor es überhaupt noch in Kraft tritt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Damit habt ihr Erfahrung! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Meine geschätzten Damen und Herren! Es zeigt sich halt im Detail, wie schlecht diese Regierung arbeitet. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.59


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt der Herr Staatssekretär. – Bitte, Herr Staatssekretär.


11.59.15

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen MMag. DDr. Hubert Fuchs: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Jah­res­steuergesetze schaffen Klarheit und Rechtssicherheit für die Steuerzahler, Rechts­sicherheit bedeutet Planungssicherheit; wir alle wissen, Planungssicherheit ist auch ein wichtiger Standortfaktor.

Auch inhaltlich sorgt das Jahressteuergesetz für mehr Rechtssicherheit. Der Aus­kunfts­bescheid ist so ein Beitrag zu mehr Rechtssicherheit. Mit dem Jahres­steuer­gesetz wird die Möglichkeit verbindlicher Auskunftsbescheide über noch nicht verwirk­lichte Sachverhalte entsprechend dem Regierungsprogramm auf weitere Themen­bereiche ausgedehnt, nämlich auf das internationale Steuerrecht und auch auf die Umsatzsteuer. Zusätzlich kann mittels Auskunftsbescheid künftig auch dahin gehend Rechtssicherheit erlangt werden, ob eine beabsichtigte Gestaltung als Missbrauch anzusehen ist oder nicht. Das heißt, es gibt auch da mehr Rechtssicherheit für die Unternehmer.

Ein weiterer Punkt zur Rechtssicherheit: die begleitende Kontrolle vulgo Horizontal Monitoring. Die begleitende Kontrolle stellt eine freiwillige – ich betone: freiwillige – Alternative zur klassischen Außenprüfung dar. Bei den teilnehmenden Unternehmern


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ersetzt ein vom Unternehmer selbst entwickeltes und durch einen Steuerberater bezie­hungsweise einen Wirtschaftsprüfer überprüftes internes Steuerkontrollsystem in Ver­bin­dung mit einer erweiterten Offenlegungspflicht und einem laufenden Kontakt mit der Abgabenbehörde die nachträgliche Außenprüfung.

Worin besteht nun diese erweiterte Offenlegungspflicht? – Die teilnehmenden Unter­neh­mer haben bereits vor Abgabe der Steuererklärung Sachverhalte offenzulegen, wenn ein ernsthaftes Risiko vorliegt, dass die Sachverhalte durch die Finanzverwaltung möglicherweise abweichend beurteilt werden. Die Abgabenbehörde kontrolliert nicht nachträglich, sondern in diesem Fall wird der Unternehmer begleitet, was zahlreiche Vorteile für die Unternehmer, aber auch für die Finanzverwaltung bringt.

Noch ein paar Anmerkungen zu den Redebeiträgen: Wenn ich mir vor Augen halte, dass die Regierungsvorlage 42 Seiten umfasst und von der Opposition zwei bis drei Rechtsmaterien aus dieser Vielzahl von Rechtsmaterien kritisiert werden, dann wage ich zu behaupten: Das ist ein sehr gutes, ein sehr erfolgreiches Gesetz. (Abg. Schieder: Haben Sie ein sachliches Argument auch?) Mehr Kritikpunkte konnte die Opposition an diesem Jahressteuergesetz nicht entdecken. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Schieder: ... argumentieren, oder haben Sie sachlich auch etwas zu sagen?)

Ich muss aber auch ein paar Dinge, die insbesondere vonseiten der Sozialdemokratie geäußert wurden, richtigstellen. Abgeordneter Krainer hat gemeint, der Titel sei neu, dazu muss ich ihm sagen: Sie sitzen selbst im Finanzausschuss und im Budgetaus­schuss und haben in der Vergangenheit schon oft von Abgabenänderungsgesetzen und Budgetbegleitgesetzen gehört. Das heißt, wir haben nicht nur eine neue Namens­gebung – wir hatten in der Vergangenheit auch diverse Novellen, Sammelgesetze in Form von Abgabenänderungsgesetzen und Budgetbegleitgesetzen –, sondern nun­mehr sagen wir, wir wollen ein Jahressteuergesetz, und in dieses ist alles hinein­ge­packt. (Abg. Rossmann: Schauen wir einmal, ob das eingehalten wird!) – Herr Kollege Rossmann, zu Ihnen komme ich auch noch! (Heiterkeit und Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich habe Kollegen Krainer schon in den Ausschüssen kennengelernt und habe fest­stellen müssen, er hat immer sehr, sehr viele Ideen, wie man Geld ausgibt, aber keine, wie man die Einkommensteuer senken kann. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich habe sowohl im Finanzausschuss als auch im Budgetausschuss und neuerlich auch im Rechnungshofausschuss angemerkt: Es geht uns beim Familienbonus um eine Entlastung der Einkommensteuerzahler mit Kindern. Uns ist völlig bewusst, dass es auch die Umsatzsteuer gibt und dass alle von der Umsatzsteuer betroffen sind, uns geht es aber darum, die Abgabenquote in Richtung 40 Prozent zu senken, und das ist hier der einzige Weg in Form des Familienbonus, dass wir hier die Einkom­men­steuerzahler mit Kindern entlasten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wenn der Abgeordnete Krainer meint, dass Holdings beziehungsweise große Unter­neh­men in Zukunft keine ImmoESt zahlen müssen, muss ich ihn korrigieren: Von der ImmoESt ist in der Regierungsvorlage überhaupt nicht die Rede. Es geht da rein um die Grunderwerbsteuer, auf die ich später noch kurz zu sprechen kommen werde.

Zu Kollegen Rossmann und seiner Aussage: „wenig Licht, viel Schatten“: Ich bin eher der Meinung, dass wir in dieser Regierungsvorlage nur Licht haben. (Abg. Zinggl: Wo Licht ist, ist automatisch viel Schatten!) Wir haben auch die Steuerfluchtrouten ent­sprechend eingeschränkt. Wir haben zwei Maßnahmen gegen Steuervermeidungs­strategien in dieses Gesetz aufgenommen, zum einen die Hinzurechnungs­besteue­rung – und Sie wissen ganz genau, dass wir den Methodenwechsel, der auch gegen Steuervermeidungsstrategien wirkt, nicht mehr hätten aufrechterhalten müssen, das heißt, wir hätten ihn streichen können; Sie hätten ihn auch lobend erwähnen können –,


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und zum anderen haben wir eine Nachschärfung beim Abzugsverbot für Zinsen und Lizenzgebühren vorgenommen.

Wenn Sie bekritteln, dass wir diesbezüglich nur 12,5 Prozent in das Gesetz hinein­ge­schrieben haben, so muss ich Ihnen sagen, Sie sollten sich genauer mit der Richtlinie beschäftigen, denn die Richtlinie sieht vor, dass mindestens 50 Prozent des nominellen Steuersatzes da aufzunehmen sind. Wir haben absichtlich diese Grenze gewählt, um auch Länder wie Irland und Zypern da aufzunehmen.

Der nächste Punkt ist die Grunderwerbsteuer, die Sie angesprochen haben. Wir haben das Grunderwerbsteuergesetz seit 1955. Diese Novelle zum Grunderwerbsteuergesetz schafft keine Steuerbefreiung, sondern eine Klarstellung. Wir hatten in Österreich nie einen Grunderwerbsteuertatbestand hinsichtlich einer mittelbaren Anteilsvereinigung. Sie sprechen immer von einem Entwurf, der von der Finanzverwaltung einmal hinaus­gegangen ist, aber Rechtsbestand war nie eine Grunderwerbsteuerpflicht aufgrund einer mittelbaren Anteilsvereinigung. Das macht auch Sinn, weil das administrativ nicht durchführbar wäre. Stellen Sie sich vor, wir verkaufen einen Konzern wie die Voest, wo, sage ich einmal, im zehnten Stock, in der zehnten Tochtergesellschaft irgendein Grund­stück enthalten ist – und das würden Sie dann der Grunderwerbsteuer unter­ziehen? Das war noch nicht der Fall und wird auch in Zukunft nicht der Fall sein, weil wir hier für eine Klarstellung im Gesetz gesorgt haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zu Kollegin Yildirim und dem Abänderungsantrag zu § 264 beziehungsweise § 269 Bundesabgabenordnung: Ihr Vorschlag ist diskussionswürdig, aber nicht ausgereift. Der Abänderungsantrag weckt in der vorliegenden Form unter anderem verfassungs­rechtliche Bedenken, weil er entgegen Art. 133 Abs. 9 B-VG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässt. Weiters widerspricht er der Systematik des geltenden Beschwerdeverfahrens und ermöglicht zusätzliche Verfahrenswege, was eben dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung widerspricht. Das heißt, beim Familienbonus for­dern Sie eine Vereinfachung der Gesetze, hier aber bringen Sie einen Abänderungs­antrag betreffend § 264 ein, wodurch Sie alles noch komplizierter machen. (Ruf bei der SPÖ: Stimmt nicht!)

Der zweite Punkt, also betreffend § 269, ist ebenso nicht ausgereift und weckt in der vorliegenden Fassung verfassungsrechtliche Bedenken, weil er den Grundsatz der materiellen Wahrheitsfindung einschränkt, im schriftlichen Verfahren zu einer Über­raschung beider Parteien führt und die im AVG-Entwurf vorgesehenen Ausnahmen nicht enthält.

Abschließend noch ein Satz zu Kollegen Loacker: Sie sind ein Mann aus der Wirtschaft und Sie wissen ganz genau, dass wir uns nationale Alleingänge bei der Missbrauchs­bekämpfung nicht leisten können. (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Wenn Sie sagen, es gäbe da nur – ich betone: nur – 50 Millionen Euro jährlich an Mehrerlös, dann sage ich: Für uns sind 50 Millionen viel Geld, für NEOS offenbar nicht! – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.08


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Da umfangreiche Abänderungsanträge vorliegen und eine kurze Unterbrechung der Sitzung zur Vorbereitung der Abstimmung nicht ausreicht, verlege ich die Abstim­mung bis nach der Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2.


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12.08.572. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 302/A der Abgeordneten Karl­heinz Kopf, Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz mit dem das Versicherungsvertragsgesetz, das Konsumentenschutz­ge­setz und das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016 geändert werden (223 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir fahren fort in der Erledigung der Tages­ord­nung und gelangen zu Punkt 2 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.09.31

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst noch: Kollege Fuchs, natürlich erfolgt die Kritik am Familien­bonus zu Recht, und natürlich haben Sie durch die Änderung bei der Grunderwerb­steuer jetzt ein Steuerschlupfloch legalisiert, sodass große Immobilien in Schachtel­konstruktionen, in GmbH-Konstruktionen grunderwerbsteuerfrei verkauft und gekauft werden können. Darauf haben wir Sie aufmerksam gemacht, und zwar mit konkreten Beispielen, Fällen, in denen die Finanz das in der Vergangenheit zu Recht verfolgt und für unzulässig erklärt hat, weil es nur um die Verkürzung der Abgaben gegangen ist. Das legalisieren Sie jetzt, was dazu führt, dass Meinl und Co keine Steuern mehr zahlen, hingegen Otto Normalverbraucher, wenn er einen Kleingarten oder eine Eigen­tumswohnung kauft, die Grunderwerbsteuer natürlich nach wie vor zahlen muss. Das ist ungerecht – und das werden Sie jetzt beschließen. (Beifall bei der SPÖ.)

Worum geht es bei der Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes? – Es geht darum, dass es europäische Regelungen gibt, die besagen, dass jemand, der eine Ver­sicherung abschließt, belehrt werden muss, wie er von diesem Vertrag zurücktreten kann, wie er ihn innerhalb einer gewissen Frist widerrufen kann. Die Rechtsabteilungen einiger Versicherungen haben jahrelang in ihren schriftlichen Belehrungen falsche Texte verwendet, nämlich zu kurze Fristen oder unzulässigerweise eine Einschränkung der Form der Kündigung. Der Europäische Gerichtshof hat gesagt: Ein Vertrag, der aufgrund einer falschen Belehrung zustande gekommen ist, ist nichtig und der Ver­sicherungsnehmer kann davon zurücktreten, wann immer er will, und das auch zu gewissen Konditionen.

Das ist natürlich ein Problem, das man lösen muss, aber die Lösung, die hier vorgelegt wird, ist nicht geeignet, und zwar aus mehreren Gründen – zuvor herzlichen Dank für die Ausschussbegutachtung; das war ja ein Abänderungsantrag mit weitreichenden Konsequenzen für Millionen von Österreichern, der leider wieder ohne Begutachtung vorgelegt wurde, und wir haben hier im Parlament die Begutachtung nachgeholt, aus der die folgenden Punkte hervorgegangen sind –:

Erstens: Die europarechtlichen Bedenken sind groß – es kann sich schwer der nationale Gesetzgeber über ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes stellen.

Zweitens: Es sind Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof in dieser Causa anhängig, die man abwarten sollte.

Drittens: Diese Regelung ist gegenüber allen anderen Regelungen, die es im letzten Jahr gegeben hat und die diskutiert wurden, konsumentenschutzrechtlich absolut nach­teilig.

Viertens – und das ist das Allerschlimmste daran –: Diese Lösung impliziert die Gefahr einer Staatshaftung. Was heißt das? – Das heißt, dass die Rechnungen, die Versiche-


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rungen aufgrund der jetzigen Gesetzeslage bekommen würden, nämlich dass sie Ver­sicherungsverträge auszahlen müssen, nicht mehr die Versicherungen zahlen müssen, sondern die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, wir alle. Deswegen werden wir die­sem Gesetz nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.12


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kopf. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


12.13.04

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie nicht überraschen, wenn ich Kollegen Krainer widerspreche. Ich denke, dass wir mit dieser Gesetzesvorlage eine sehr gute, aus­gewogene Regelung, nämlich zwischen den gegensätzlichen Interessen von Versiche­rungsunternehmen auf der einen Seite und Versicherten auf der anderen Seite, gefunden haben, einen guten Kompromiss unter Berücksichtigung der europäischen Rechtslage. Wir haben auch viel Zeit für diesen Ausgleich der Interessen und die dies­bezügliche Diskussion aufgewendet.

Worum geht es? – Es hat in der Vergangenheit die Situation gegeben, dass sich mehr­fach die gesetzliche Grundlage, die Frist für den Rücktritt nach Abschluss eines Ver­sicherungsvertrages geändert hat und Versicherungen es verabsäumt haben, das in ihren eigenen Unterlagen, in den Versicherungsbedingungen nachzuvollziehen. Und das hat dazu geführt, dass die Rechtsprechung bis hinauf zum Europäischen Gerichts­hof die Nichtigkeit solcher Verträge beziehungsweise die dauerhafte Rücktrittsmög­lichkeit, die lebenslange Rücktrittsmöglichkeit festgestellt hat.

Ganz offen gesagt: Man soll zwar Gerichtsurteile nicht kritisieren, aber das ist meines Erachtens eine völlig überschießende Beurteilung, dass nämlich Versicherte aufgrund dieses Fehlers zu Beginn – es ist mehr als ein Formfehler; „Beratungsfehler“ nennt man es im Juristenjargon – lebenslang, ja, es heißt sogar, auch noch nach Auszahlung der Lebensversicherung, die dann vielleicht in ihrer wirtschaftlichen Performance nicht so wunschgemäß war, also auch noch rückwirkend den Austritt aus der Versicherung erklären können, mit Rückzahlung aller Prämien inklusive einer saftigen Verzinsung. Das kann doch nicht rechtens sein! Das ist zwar aufgrund des Gerichtsurteils rechtens, aber nach meinem Rechtsempfinden mit Sicherheit nicht und auch nicht nach dem Rechtsempfinden vieler, zumindest der Mehrheit im Ausschuss und auch hier im Haus.

Was haben wir jetzt gemacht? – Versicherte können auf Basis dieser EuGH-Recht­sprechung, die meines Erachtens zunächst der deutsche OGH und dann der öster­reichi­sche überschießend interpretiert haben, weiterhin bis zum Ende dieses Jahres mit denselben Konsequenzen – meines Erachtens überschießenden Konsequenzen, aber natürlich soll Rechtssicherheit herrschen – aus Altverträgen aussteigen, mit Rück­zahlung aller Prämien inklusive einer Verzinsung; aber ab dem 1. Jänner nächsten Jahres gelten dann andere Rücktrittsbedingungen, das heißt: bei einem Rücktritt im ersten Jahr nach Vertragsabschluss auch Rückzahlung aller Prämien und nach dem ersten Jahr bis zu fünf Jahren Rückzahlung, aber dann ohne Anrechnung der Vermitt­lungskosten.

Ich denke, dass das ein guter Kompromiss ist, denn es galt sicherzustellen, dass einer­seits kapitalbildende Lebensversicherungen, dieses wichtige Instrument zur Zukunfts­vorsorge, aus wirtschaftlicher Sicht für die Versicherungen nicht uninteressant werden, sodass sie sie vielleicht gar nicht mehr anbieten können, und andererseits natürlich Fairness für die Versicherten gegeben ist, dass sie selbstverständlich Ausstiegsmög­lichkeiten haben, und zwar ohne Begründung im ersten Jahr, und daraus keinen wirt-


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schaftlichen Schaden erleiden. Das kann aber natürlich insgesamt nicht lebenslang gelten, weil das letzten Endes dieses Zukunftsvorsorgeinstrument ad absurdum führen würde.

Kurzum: etwas kompliziert, aber letzten Endes, denke ich, eine saubere, eine faire Lösung unter Berücksichtigung der Interessen der Versicherungsunternehmen auf der einen Seite, angeschlossen da noch die Interessen der Vermittler, also der Makler und Versicherungsagenten, und der Interessen der Versicherten, der Konsumenten, auf der anderen Seite. Es ist das eine faire Lösung und ein fairer Kompromiss für alle. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.17


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Rossmann. – Bitte.


12.17.44

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Mit dieser Regierungsvorlage wird ein seit Langem gewünschtes Vorhaben der Versiche­rungs­wirtschaft umgesetzt – im dritten Anlauf. Wir vonseiten der Opposition konnten immerhin durchsetzen, dass es eine einwöchige Ausschussbegutachtung gab. Im Rah­men dieser Ausschussbegutachtung haben wir einen Rechtsanwalt, Herrn Dr. Gregor Maderbacher, mit einem Gutachten beauftragt. Er hat dazu auch publiziert, er war ja selbst am EuGH tätig und hat mit der jetzigen EuGH-Richterin Maria Berger gemein­sam publiziert. Beide sind – auch er in seinem Gutachten, das er für uns geschrieben hat – zur Auffassung gelangt, dass diese Regierungsvorlage unionsrechtswidrig ist, weil sie den sogenannten Effektivitätsgrundsatz verletzt.

Er sagt nämlich: Wenn es im Ergebnis egal ist, ob eine Versicherung belehrt oder nicht, ist dieser EU-Grundsatz verletzt. Einzig ein unbefristetes Rücktrittsrecht [...], das zu einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung führt, genügt dem Effektivitäts­grund­satz.

Er hat aber in seinen Ausführungen eine zweite wichtige Kritik angeführt, nämlich in Bezug auf die Übergangsfrist, die bis zum 31.12.2018 währt und damit eindeutig zu kurz bemessen ist. Die Geltendmachung von Ansprüchen wird durch eine so kurze Übergangsfrist für die Betroffenen erschwert. Zudem ist es so, dass auf diesem Gebiet zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Rechtssicherheit besteht, weil es eben zwei anhängige Verfahren beim OGH gibt. Erst dann, wenn diese OGH-Verfahren beendet sind, wäre Rechtssicherheit geschaffen, und die Konsumenten könnten dann entschei­den, ob sie von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch machen oder nicht. Das Abwarten der Entscheidungen der beiden OGH-Verfahren war der Versicherungswirtschaft offen­sichtlich zu riskant, daher haben sozusagen die Regierung und die einzelnen Frak­tionen auf eine sehr rasche Durchführung und Umsetzung dieses Vorhabens gedrängt. Es ist aber eben mit dem Risiko behaftet, dass es für die Versicherten keine Rechts­sicherheit gewährt.

Fasst man die Kritik, die an diesem Vorhaben geübt wird, noch einmal zusammen, dann ist zu sagen, es besteht zum einen Unionsrechtswidrigkeit, und auf der anderen Seite können Konsumenten mitunter in sehr teure Prozesse gezwungen werden, um ihre Rücktrittsrechte ausüben zu können. Aus diesem Grunde werden wir dieses Vorhaben ablehnen. – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz.)

12.21


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Brückl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



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12.21.29

Abgeordneter Hermann Brückl (FPÖ): Frau Präsident! Geschätzter Herr Bundes­minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Problematik ist jetzt hin­länglich bekannt: In diesem Bereich besteht Rechtsunsicherheit, weil nach einer Ent­scheidung des Obersten Gerichtshofes unklar ist, ob das Rücktrittsrecht wie jedes andere Recht auch wirklich verjährt. Es gibt zu dieser Frage mittlerweile bereits zahlreiche Gerichtsurteile, allerdings mit durchaus unterschiedlichen und durchwach­senen Ergebnissen. – Das ist ein Punkt.

Der zweite Punkt, der auch angesprochen wurde: Natürlich trifft es nicht nur jene, die diesen Rücktritt sozusagen einfordern wollen, die den Klagsweg beschreiten wollen, son­dern es trifft alle Kunden von Lebensversicherungen in diesem Bereich. Es werden so­zu­sagen alle geschädigt, weil die Gewinnbeteiligungen damit natürlich auch schrumpfen.

Seit über einem Dreivierteljahr beziehungsweise seit zehn Monaten, kann man fast sagen, wird jetzt zwischen Konsumentenschützern auf der einen Seite und Vertretern der Versicherungsverbände auf der anderen Seite verhandelt, und man hat sozusagen einen Kompromiss erzielen können. Es ist ein Kompromiss, der den einen zu kurz gefasst ist, den anderen zu weit geht, aber mit diesem Kompromiss können alle durchaus gut leben. Daher ist dieser Antrag von uns auch in dieser Form formuliert worden.

Es gibt Kritik von sogenannten Prozessfinanzierern. – Ja, natürlich, weil sie da ein Geschäftsmodell entdeckt haben, das aber aufgrund dieser Gesetzesregelung dann eben nicht mehr durchzuführen sein wird, und sie ganz einfach um ihre Erfolgs­hono­rare bangen. Auch das muss man sehen.

Es ist grundsätzlich und nicht zuletzt wirklich ein guter Kompromiss, der jetzt vorliegt, ein Gesetzentwurf mit Hausverstand, und deswegen bitte ich auch alle, diesen zu unterstützen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.23


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ord­nete Doppelbauer. – Bitte.


12.23.49

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Bevor ich auf den eigentlichen Inhalt dieses Tagesordnungspunktes zu sprechen komme, möchte ich festhalten, dass in den letzten Wochen ein kultureller Wandel in diesem Hohen Haus stattgefunden hat. Wie Sie alle wissen, stammt der überwiegende Teil der Gesetzentwürfe und der beschlossenen Gesetzesvorlagen von der Bundes­regierung. Das ist auch nicht sehr verwunderlich, denn die Bundesregierung möchte in der Regel ja ihr Programm umsetzen und hat eine Mehrheit in diesem Haus. Zudem gibt es in den einzelnen Ministerien natürlich ausgewiesene Expertinnen und Experten, die mit ihrem Fachwissen Gesetze im Detail ausarbeiten.

Das zuständige Ministerium, so der Prozess, erstellt in der Regel einen Minis­terial­entwurf; dieser wird dann zur Begutachtung an andere Ministerien oder Gruppen, Gruppierungen, Betroffene gesendet. Es findet das Begutachtungsverfahren statt; Interessenvertretungen, Behörden oder auch Organisationen können ihre Stellung­nahmen zum Entwurf abgeben und Kritik äußern. Es sind normalerweise circa sechs Wochen, die dafür in Anspruch genommen werden. Anschließend kann das versen­dende Ministerium den Entwurf ändern, muss das aber nicht tun. Der Entwurf, sofern


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er die Zustimmung der Bundesregierung findet, wird dann als Regierungsvorlage in den Nationalrat eingebracht.

Das ist ein an und für sich sehr bewährtes Verfahren. In letzter Zeit fällt aber auf, dass seitens der Regierungsparteien vermehrt Initiativanträge statt Regierungsvorlagen ein­ge­bracht werden. Jetzt kann man sagen, Initiativanträge sind etwas Gutes und etwas Positives – ja, das ist so, aber man muss halt einfach auch sagen, warum das gemacht wird.

Warum sind Initiativanträge prinzipiell gut? – Logischerweise deshalb, weil das be­deu­tet, dass Repräsentanten des Volkes Gesetzesvorschläge einbringen (Abg. Gudenus: Das heißt, die Opposition darf und die Regierung nicht?), und das ist absolut gelebter Parlamentarismus. Das Problem, Herr Gudenus, das im Augenblick vorherrscht, ist, dass unsere Bundesregierung sich dieses wertvollen Instrumentes bedient und versucht, damit Wege abzukürzen. Es geht in Wahrheit darum, dass der Initiativantrag dazu missbraucht wird, um im Eiltempo Gesetzesvorhaben durchzuboxen. In Wahrheit umschiffen Sie so nämlich eines, und zwar: Unangenehme Themen müssen nicht breiter diskutiert werden. (Abg. Gudenus: Wieso? Im Nationalrat! Wozu gibt es das auch?) So wird es halt ganz oft gesehen.

Sie machen das beim Thema Arbeitszeitflexibilisierung so – das wird hier morgen definitiv zum Thema gemacht werden – und Sie machen das auch bei diesem Thema so. Wie sonst kann man sich erklären, dass Sie uns statt sechs Wochen sechs Tage Zeit gegeben haben, diesen Gesetzentwurf zu begutachten. Das Setzen von kurzen Fristen in jüngster Zeit macht jede ernsthafte und vertiefte Information und Auseinan­dersetzung mit der jeweiligen Thematik unmöglich. So kam auch von einigen Insti­tutionen, die eine Stellungnahme hätten abgeben sollen, die Antwort, dass sie es leider nicht geschafft haben, in so kurzer Zeit eine substanzielle Antwort vorzubereiten. Mein Kollege Gerald Loacker nennt das sehr zutreffend eine Dampfwalzenpolitik, die im Augenblick stattfindet und die offenbar zur Regel gemacht werden soll.

Mein Vorschlag: Überwinden Sie Ihre Angst und stellen Sie sich der Debatte! Dafür sind wir ja da. Wenn Sie von den Regierungsparteien ein Gesetz via Initiativantrag auf den Weg bringen wollen, dann doch bitte mit ausreichender Begutachtungsfrist!

Wir haben auch durch eine andere Stellungnahme, und zwar vom Justizministerium, also von anderer Seite, gesehen, dass die Qualität leidet, und auch bei diesem Gesetz gibt es massiv legistische Fragen, die nicht beantwortet sind. Die Begutachtung durch die Experten anderer Ministerien oder Organisationen, die eben nicht stattgefunden hat, fehlt, und das macht sich natürlich in der Qualität bemerkbar. Das ist auch der Grund dafür, dass wir im Ausschuss gesagt haben, dass wir vorerst dagegen stimmen. Das Ausbleiben einer demokratischen Begutachtung kann man nicht in sechs Tagen kompensieren, und die Qualität ist, wie gesagt – ich habe es ja schon erwähnt –, nicht die beste.

Nun zum Inhaltlichen: Wir sind d’accord, dass es für bereits bestehende Verträge Rechtssicherheit geben muss, und die soll geschaffen werden. Trotz einer Vielzahl von Entscheidungen, wie wir von Herrn Kopf schon gehört haben, bleibt eine Reihe von Rechtsfragen ungelöst. Es geht in der Regel nicht nur um evident unrichtige oder nicht erteilte Rücktrittsbelehrungen, sondern es geht oft auch um formale Aspekte. Es stimmt auch, dass für die Zukunft Rechtssicherheit geschaffen werden muss. Es muss eine transparente und praxistaugliche Rechtsgrundlage geschaffen werden. Zurzeit gibt es fünf verschiedene Rücktrittsrechte im Versicherungsvertrags- beziehungsweise im Konsumentenschutzgesetz, und das ist zu viel.

Außerdem – das wurde auch schon angesprochen – kam es auch vermehrt vor, dass Versicherungsnehmer aus einem Kalkül heraus agierten, wenn sich die Performance


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der Fonds nicht so entwickelt hat, wie sie sich das vorgestellt haben. Das ist nicht die Intention eines Rücktrittsrechts und auch für die Versicherungswirtschaft unbefriedi­gend. Dafür ist eine Kündigung des Vertrages nicht da.

Unser Fazit ist deshalb: Wir werden dem Initiativantrag trotz der Kritik am Prozedere und trotz der legistischen Schwächen heute zustimmen, weil er zumindest in die richtige Richtung geht. Er bringt trotz allem eine Verbesserung des Status quo und eine Verbesserung der jetzigen Rechtslage. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wurm – in Richtung der zu ihrem Sitzplatz zurückkehrenden Abg. Doppelbauer –: Doch Zustimmung jetzt, oder wie?)

12.29


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Weidinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.29.20

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätz­ter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzte Mitglie­der des österreichischen Bundesheers, die soeben eingetroffen sind! Geschätzte Zuse­herinnen und Zuseher zu Hause vor den Bildschirmen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Zu der zur Debatte stehenden Thematik im Bereich der Versicherungs­wirt­schaft ist festzuhalten, dass sich diese Bundesregierung und die Parlamentsmehrheit grundsätzlich Prinzipien und Werten verschreibt, bei denen es darum geht, Themen zu lösen, auszuarbeiten und Entscheidungen zu fällen und dabei immer die Wahrung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger im Auge zu behalten. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist auch immer, auf Entbürokratisierung und auf Rechtssicherheit zu achten.

Dieses Gesetz erfüllt diese Kriterien. Wir schaffen mit diesem Gesetz Rechtssicherheit in einem fairen Ausgleich der Interessen des Konsumentenschutzes einerseits und der Versicherungswirtschaft andererseits. Was wir nicht wollen, meine Damen und Herren, das ist, dass sich die Meinung durchsetzt, dass eine Lebensversicherung ein Spekula­tionsobjekt mit einem Rücktrittsjoker ist. Diese Auffassung haben wir nicht. Wir als Freunde einer freien Marktwirtschaft und einer offenen Gesellschaft sind der Meinung, dass eine Lebensversicherung dazu dient, Menschen zu helfen, ihren individuellen Lebensentwurf zu ermöglichen.

Die Modelle sind klug und gut austariert, und wir sichern sie jetzt auch für die Zukunft ab. Deswegen, meine Damen und Herren: Unterstützen Sie dieses Gesetz, es ist ein gutes! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die europarechtlichen Einwände, die vorgetragen wurden, meine Damen und Herren, sind Gutachten von honorigen Persönlichkeiten, ohne Zweifel, aber genauso gibt es Gutachten, die eben besagen, dass gerade der Bereich der Wirkung der Rechtsfolgen des Rücktritts als solcher vom nationalen Gesetzgeber zu regeln ist. Darauf bezieht sich auch ein wichtiger Punkt des inhaltlich bereits Vorgetragenen.

Die drei wesentlichen Punkte, die das Rücktrittsrecht umfasst, sind auch schon von Kollegen Kopf angesprochen worden; vor allem die Regelung, dass nach dem ersten Jahr eine Abwicklung erfolgt, die als sehr konsumentenschutzfreundlich zu bezeichnen ist, und dass für die weiteren Jahre, zunächst nach zwei bis fünf Jahren und dann weiter, auch faire und gut austarierte Lösungen gefunden worden sind.

Grundsätzlich, meine Damen und Herren, möchte ich auch noch auf den Einwand meiner Vorrednerin eingehen, nämlich dass man darüber nicht lange diskutiert und debattiert hätte. Dem kann ich nicht zustimmen. Diese Diskussion wird zumindest seit zwei Jahren intensiv geführt, war auch schon für die Vorgängerregierung ein Thema,


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zu dem es auch schon einen Initiativantrag gegeben hat; er ist aber schlussendlich dann nicht zur Abstimmung gekommen.

Ein weiteres Argument, das noch angeführt wurde, kann ich nicht teilen, meine Damen und Herren! Wir sind ein Parlament, wir sind Abgeordnete, die für die Bevölkerung arbeiten, die auch mittels Initiativanträgen dafür Sorge tragen, dass Anliegen ins Hohe Haus eingebracht werden, um für die Bevölkerung Verbesserungen zu erzielen. Ich halte das für ein richtiges und wichtiges parlamentarisches Instrument und ich ermutige alle Abgeordneten, davon auch kräftig Gebrauch zu machen – schlussendlich sind wir der Gesetzgeber, der hier für gute Regeln für Österreich sorgt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.33


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Wurm. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


12.33.19

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Staatssekre­tär! Meine Vorredner haben, glaube ich, dieses nicht ganz unkomplizierte und etwas komplexe Thema recht ausführlich erklärt.

In aller Kürze noch einmal: Seit knapp zwei Jahren ist dieses Thema in der Pipeline, sage ich, und alle Beteiligten versuchen seit dieser Zeit, dieses Thema zu lösen. – Wir lösen es heute und wir lösen es vor allem auch im Sinne der Konsumenten.

Zur Erklärung ganz kurz noch einmal: Wir versuchen jetzt eine Regelung zu erzielen, die sowohl für künftige Lebensversicherungsverträge vernünftig sein als auch die an­hängigen Altverträge sauber lösen soll. Wir hatten in der Vergangenheit das Problem, dass es rechtlich fünf unterschiedliche Rücktrittsmöglichkeiten gab, und das fassen wir zu einer Regelung zusammen. Bei den neuen Verträgen schaffen wir für das erste Jahr – falls jemand im ersten Jahr der Meinung ist, er sei fehlerhaft belehrt worden – Voraussetzungen für eine bessere finanzielle Rückerstattung an den Konsumenten. Wir haben damit auch eine bessere Regelung als jene aktuell in Deutschland.

Wie gesagt, die Vorgängerregierung hat es leider Gottes nicht geschafft, das zu regeln – wir machen das jetzt! Für uns als Freiheitliche stand immer der Konsument im Mittelpunkt. Das heißt, wir wollten eine Regelung, die konsumentenfreundlich ist, die vor allem aber auch Rechtssicherheit für alle Beteiligten bietet, und diese Regelung, die wir heute verabschieden, bietet genau diese Rechtssicherheit. Ich glaube, das ist im Sinne der Republik Österreich und der Konsumenten. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.35

12.35.15


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 223 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Somit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen.

12.36.08Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur verlegten Abstimmung über Tagesordnungspunkt 1, den Gesetzentwurf in 190 der Beilagen.

Hiezu liegen ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Yildirim, Kolleginnen und Kollegen, ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Bernhard, Kolleginnen und Kolle­gen, ein Zusatzantrag der Abgeordneten Dr. Griss, Kolleginnen und Kollegen, ein Abän­derungsantrag der Abgeordneten Kopf, Brückl, Kolleginnen und Kollegen sowie ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Yildirim, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde zunächst über die von den erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abände­rungsanträgen betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzentwurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Art. 1 Z 11 lit. a.

Wer hierfür eintritt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minder­heit.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fas­sung der Regierungsvorlage, und ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Somit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Art. 1 Z 11 lit. b, und ich ersuche jene Damen und Herren, die dieser Abänderung beitreten, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Bernhard, Kolleginnen und Kollegen, der sich ebenfalls auf Art. 1 Z 11 lit. b bezieht.

Wer hiefür ein entsprechendes Zeichen geben möchte, den bitte ich darum. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fas­sung der Regierungsvorlage, und ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zu­stimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Somit angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Bernhard, Kolleginnen und Kollegen betreffend Art. 1 Z 11 lit. e und f.

Wer hiefür ein Zeichen der Zustimmung geben will, den bitte ich, dies zu tun. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage, und ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Ange­nommen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 85

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Streichung der Ziffern 12, 15, 20 und 21 des Artikels 1 sowie die daraus resultierenden Umnummerierungen der Folgeziffern.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein dies­bezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage, und ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.  

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Art. 1 Z 24 lit. c und Z 25.

Wer hiefür eintritt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abge­lehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage, und ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Zusatzantrag der Abgeordneten Griss, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Artikel 5, und ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Kopf, Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Art. 9 Z 10, und ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Zusatz- beziehungsweise Abände­rungs­antrag der Abgeordneten Mag. Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Art. 9 Z 21 bis 26 und die daraus resultierenden Umnummerierungen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage, und ich ersuche jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Ange­nommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Kopf, Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Artikel 11 und 13, und ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein dementsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungs­vorlage, und ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Mehrheit. Somit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „einer sozial gerechten Ausgestaltung des Familienbonus Plus sowie des Kindermehrbetrages“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Sieber, Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Kein Nachteil für Aus­landsbedienstete, Entwicklungshelfer und Wirtschaftsdelegierte in Bezug auf Familien­beihilfe und Familienbonus Plus“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen. (E 23) (Abg. Krainer: Was ist denn das für ein Feedback an den Minister?)

12.43.233. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 262/A der Abgeordneten Karl­heinz Kopf, Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Immo­bilien-Investmentfondsgesetz sowie das Investmentfondsgesetz 2011 geändert werden (198 d.B.)

4. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (187 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz und das Alternativfinanzierungsgesetz geändert werden (199 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (184 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH-Errichtungsgesetz geändert wird (200 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (183 d.B.): Protokoll zur Abänderung des am 13. April 2000 in Moskau unterzeichneten Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Rus­sischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (201 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (153 d.B.): Erklä­rung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Informationsaustausch nach der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den Austausch länderbezogener Berichte gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fas­sung des am 1. Juni 2011 in Kraft getretenen Protokolls (202 d.B.)


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8. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (154 d.B.): Erklä­rung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Informationsaustausch nach der Mehrseitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen in der Fassung des am 1. Juni 2011 in Kraft getretenen Protokolls (203 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zu den Punkten 3 bis 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird. Es sind dies Berichte des Finanzausschusses.

Hinsichtlich der einzelnen Ausschussberichte verweise ich auf die Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Somit kommen wir zur ersten Rednerin zu diesen Tagesordnungspunkten, der Abge­ordneten Petra Bayr. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.44.24

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und der Rus­sischen Föderation stammt in seiner gegenwärtigen Form aus dem Jahr 2000. Mit dem jetzt vorliegenden Protokoll setzen wir zum einen die Grundsätze der OECD im Bereich Transparenz und Amtshilfe in Steuersachen um, zum anderen wird es bei Veräuße­rungen von Immobilien auch im Einklang mit OECD-Standards in Zukunft so sein, dass die Einkünfte daraus im Belegenheitsstaat zu entrichten sind.

Was mir bei diesem Abkommen recht wichtig ist, ist die einseitige Erklärung Öster­reichs, wonach wir gemäß der UNO-Resolution 68/262 mit kundtun, dass wir, was die territoriale Beschränkung betrifft, die Krim und Sewastopol – von Russland besetzte Teile der Ukraine – nicht im Doppelbesteuerungsabkommen mit eingeschlossen se­hen, sondern diese Teile ausnehmen wollen, weil wir die territoriale Integrität der Ukraine in keinster Weise antasten wollen und diesbezüglich natürlich auch den Ver­einten Nationen folgen.

Das erneuerte Doppelbesteuerungsabkommen beinhaltet auch einen Informations­aus­tausch, der im OECD-Raum State of the Art ist; das heißt, Informationen über steuer­liche Angelegenheiten, die nicht der Vertraulichkeit oder einer Geheimhaltungs­bestim­mung unterliegen, müssen vom jeweiligen anderen Land gegeben werden, auch wenn es selbst kein Interesse an diesen Informationen hat. Es darf keine Auskunfts­ver­weigerung geben, und es wird auch eine gegenseitige Amtshilfe bei der Vollstreckung von Steuerbescheiden vereinbart.

Ich möchte diesen Tagesordnungspunkt gerne auch als Gelegenheit dafür nutzen, darauf hinzuweisen, dass wir als Republik Österreich auch ein gesetzlich verbrieftes Kohärenzgebot haben; das heißt, alle unsere Politiken, alle unsere legislativen Maß­nahmen müssen auch dazu dienen, einer globalen Entwicklung weiterzuhelfen. Das ist im Fall des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Russischen Föderation nicht relevant, aber bei anderen Doppelbesteuerungsabkommen ist es durchaus so, dass man auch schauen muss, wie sich diese auf die Partnerländer auswirken.

Gerade wenn es darum geht, über internationale Steuerpolitik zu reden, dann ist die Domestic Resource Mobilization immer wieder ein wichtiger Knackpunkt dahin gehend, dass auch Länder des globalen Südens die Möglichkeit haben, dementsprechende


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Steuereinnahmen zu erzielen und damit ihren Aufgaben wie zum Beispiel dem Ausbau sozialer Infrastruktur nachzukommen, das heißt Ausgaben im Bereich Bildung, Ge­sundheit, öffentlicher Verkehr und Sonstiges zu tätigen.

Mir ist es sehr wichtig, dass wir bei Doppelbesteuerungsabkommen mit Ländern des globalen Südens dieses Kohärenzgebot in Zukunft wirklich besser verfolgen und darauf schauen, dass auch ärmere Länder ihren Teil der Steuereinkommen haben, um die Möglichkeit zu haben, ihren entwicklungspolitischen Verpflichtungen in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht nachzukommen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

12.47


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Hanger. – Bitte, Herr Abgeordneter.


12.47.51

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Mein Debatten­beitrag bezieht sich auf Tagesordnungspunkt 3 beziehungsweise 4. Im Wesentlichen geht es dabei um eine Änderung des Kapitalmarktgesetzes beziehungsweise des Alter­nativfinanzierungsgesetzes. Das ist ein sperriger Titel, aber eigentlich ein sehr spannendes Thema. Es geht um Risikokapitalfinanzierung, und das Thema ist deshalb spannend, weil Risikokapital mithilfe entsprechender Rahmenbedingungen Arbeits­plätze schaffen kann. Von allen politischen Gestaltungsaufgaben gehört die Schaffung von Arbeitsplätzen sicher zu den wichtigsten.

Wir haben im Jahr 2015 den Rechtsrahmen für alternative Finanzierungen, für Crowd­funding geschaffen. In der Begrifflichkeit geht es genau genommen um Crowd­inves­ting – man beteiligt sich mit kleinen Einlagen an einem Unternehmen – oder Crowd­lending – man gibt quasi in kleinen Beträgen Geld für ein Unternehmen.

Wieso ist das wichtig? – Wenn ein junger Mensch oder eine Österreicherin oder ein Österreicher eine Unternehmensidee hat, was braucht man dann? Man braucht eine Vision, man braucht ein Konzept, man braucht im Idealfall einen gut etablierten, gut durchdachten Businessplan, aber am Ende des Tages braucht es auch eine Finan­zierung. Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Im Idealfall hat man das notwendige Eigenkapital; das wird bei jungen Menschen in den seltensten Fällen der Fall sein. Die zweite Möglichkeit ist die, zu einer Bank zu gehen, sich Fremdkapital zu organisieren; wir wissen seit der Finanzkrise 2008/2009, das ist schwieriger geworden, der Banken­markt, der Fremdkapitalmarkt ist sehr stark reguliert worden – Basel III, Basel IV sind da die Stichwörter –, und man braucht entsprechende Sicherheiten.

Es passiert in Österreich leider sehr oft, dass dann eine sehr, sehr gute Unter­nehmensidee, die da ist, nicht umgesetzt werden kann, weil die notwendige Finanzie­rung fehlt, und da greift das Alternativfinanzierungsgesetz. Über Crowdinvesting, Crowd­funding, über Plattformen die Crowd einzuladen, in kleinen Beträgen eine Unternehmensidee zu finanzieren, ist eine sehr, sehr gute Idee.

Wie sieht jedoch die Bilanz seit 2015 aus? – Ich habe mir das ein bisschen ange­schaut. Im Jahr 2017 wurden über Crowdfunding laut Crowdfundingplattform Crowd­Circus 28,8 Millionen Euro finanziert. Betrachtet man das gesamte Finanzvolumen, dann muss man sagen, dass das ein sehr, sehr geringer Betrag ist. Dieser Betrag ist zwar um 48 Prozent gestiegen, aber gesamt betrachtet hat das volkswirtschaftlich noch kaum einen Effekt gebracht.

Woran kann das liegen? – Unter anderem liegt das mit Sicherheit daran, dass es bei uns für Risikokapital vielleicht nicht wirklich eine entsprechende Kultur gibt; vielleicht ist


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das Instrument auch zu wenig bekannt, aber es liegt sicher auch daran, dass dieser Markt so streng reguliert ist. Wir haben zu strenge Regularien geschaffen, als dass dieses Instrument zum Beispiel für Start-ups relevant wäre, und genau da setzt die Novelle des Alternativfinanzierungsgesetzes und des Kapitalmarktgesetzes an.

Man reduziert die Informationspflichten, die eine große bürokratische Hürde für die Unternehmen sind. Es gibt dann bis 250 000 Euro keine Informationspflicht mehr. Man vereinfacht die Informationspflichten bei Beträgen zwischen 250 000 und 5 Millionen Euro. Ab 5 Millionen Euro Fundingvolumen bleibt das Kapitalmarktprospekt natürlich so, wie es bis jetzt war. Unverändert bleibt auch – das möchte ich auch erwähnen –, dass 5 000 Euro die Höchstsumme für einen Privatinvestor sind, die man in ein Start-up, natürlich auch aufgeteilt auf mehrere, investieren kann. Diese Schutzbestimmung gilt also weiter; darüber kann man meiner Meinung nach auch diskutieren.

Am Ende des Tages bleibt die Aussage, dass Risikokapital immer Risikokapital bleiben wird. Das muss jedem bewusst sein; aber es gibt einen Wert, der für uns sehr wichtig ist, der lautet: Eigenverantwortung. Wir müssen den Menschen auch die Freiheit geben, um in Eigenverantwortung agieren zu können, Regularien zurücknehmen, dann wird auch das Instrument der alternativen Finanzierung bei uns in Österreich mehr Bedeutung bekommen. Das schafft dann wieder Arbeitsplätze, und ich glaube, genau das ist das, was wir wollen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Gudenus.)

12.51


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Yılmaz. – Bitte, Frau Abgeordnete.


12.51.42

Abgeordnete Nurten Yılmaz (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute – meine Kollegin Bayr hat das sehr schön erklärt – die Doppelbesteuerung. Dass Firmen, die in mehreren Ländern vertreten sind, dass Menschen, die in mehreren Ländern leben und arbeiten, doppelt besteuert werden, wollen wir nicht; das soll auch nicht so sein. Das zu verhindern ist auch gut. Das Problem ist aber, dass es Firmen gibt, die nicht doppelt oder auch nur einmal Steuern zahlen – sie zahlen überhaupt keine Steuern. Das ist eigentlich unser Problem.

Wir als SPÖ haben mehrmals eine Reihe von Vorschlägen eingebracht, damit jene Firmen, die gar keine Steuern bezahlen, endlich ihren gerechten Beitrag für die Ge­sellschaft leisten. Was hat die Bundesregierung gemacht, besser gesagt die Abge­ord­neten der Regierungsparteien? – Sie haben diese Vorschläge vertagt. Somit schützen Sie all jene Firmen, die ihren gerechten Beitrag zu zahlen hätten wie jeder andere auch.

Wir als Opposition stimmen selbstverständlich zu, dass niemand doppelt Steuern zahlen muss. Von Ihnen, Herr Bundesminister, wünsche ich mir, dass Sie endlich unseren Vorschlägen zustimmen, damit die, die gar keine Steuern zahlen, wenigstens einmal ihre Steuern leisten. Es wäre wegen der Gerechtigkeit. Abgeordnete der Regierungsparteien, hören Sie bitte auf, Gerechtigkeit zu vertagen! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.53


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Klinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 90

12.54.00

Abgeordneter Ing. Wolfgang Klinger (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Herr Staatssekretär! Kolleginnen und Kollegen! Zuhörer und Zuseher! Also ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, ob eine Sozialdebatte unter Tagesordnungspunkt 6 richtig plat­ziert ist, weil es doch darum geht, den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und Russland entsprechend voranzubringen, und vor allen Dingen geht es auch darum, die Protokolle entsprechend den OECD-Standards anzupassen.

Eine kurze Chronologie dazu: Das bestehende Doppelbesteuerungsabkommen mit Russland, das heute geändert werden soll, wurde bereits 2000 unterschrieben. Es kam bereits im Dezember 2009 in Wien zu einer Abänderung beziehungsweise im Juni 2011 zu einer Verhandlung in Moskau. Das heißt, diese Abänderung, diese Anpassung hat bereits einen ganz langen Weg hinter sich, und ich glaube, es ist Zeit und auch im Sinne unserer Regierungskoalition, dieses Abkommen jetzt ordentlich aufzustellen, so wie wir alle diese wirtschaftlichen Probleme, die zu erledigen sind, mit raschem Tempo erledigen wollen.

Die Ergebnisse des Aktionsplans der OECD und der G 20 zur Verhinderung von Ge­winnverkürzung und Verlagerung von Gewinn sind in diesem Abkommen bereits verwirklicht. Hintergrundinformation dazu ist, dass das Abkommen eine Bestimmung betreffend die Grenzen der Abkommensvergünstigung anfügt: „Die Vergünstigung wird versagt, sofern der Hauptzweck oder einer der Hauptzwecke des Steuerpflichtigen oder einer mit ihm verbundenen Person der Erhalt eben dieser Vergünstigung war. Die Bestimmung ist an den von der OECD im Rahmen des BEPS“ – das ist die Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung – „Aktionspunktes 6 entwickelten ,Principal Purpose-Test‘ (PPT, Hauptzweck-Kriterium) angelehnt“.

Der neue OECD-Standard betreffend steuerliche Transparenz und Amtshilfe­bereit­schaft wird durch die Änderung der Bestimmung zum Informationsaustausch – und das ist sehr wesentlich – sowie die Einführung der Amtshilfe bei der Vollstreckung umge­setzt. Die aktuelle Bestimmung des Informationsaustausches entspricht nicht den Vor­gaben der OECD und dem aktuellen OECD-Musterabkommen, daher wird die Bestim­mung an das neue Musterabkommen angepasst. Die bisherigen DBA-Bestimmungen mit Russland zur Vollstreckungshilfe waren gänzlich nicht vorhanden. Auch diese werden jetzt in diesem Abkommen geregelt.

Zusätzlich sind einige Änderungen bei den Bestimmungen betreffend die Aufteilung der Besteuerungsrechte bei passiven Einkünften erfolgt. Der Dividendenartikel des Abkommens wurde auf Anregung der Wirtschaft vereinfacht.

Wichtig ist, dass das Protokoll das erste Abkommen mit der Russischen Föderation seit der Krimkrise 2014 ist. Deshalb war auch eine Erklärung über den territorialen Gel­tungsbereich dieses Abkommens notwendig. Diese Erklärung Österreichs entspricht genau der bereits 2014 abgegebenen Erklärung des territorialen Geltungsbereichs zwi­schen der EU und der Russischen Föderation.

Besondere finanzielle Auswirkungen sind seitens des Finanzministeriums keine gege­ben. Die Vorteile liegen im größten Bereich in der Rechtssicherheit und in der Anpas­sung an die OECD-Vorgaben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Greiner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 91

12.58.29

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Auf der Tagesordnung finden sich zwei Gesetzesänderungen, und wenn man diese Texte genau liest, dann erkennt man zwischen den Zeilen eine Tendenz, nämlich einen Schritt in Richtung Deregulierung des Finanzmarktes.

Worum geht es? – Es geht um die Erleichterung bezüglich Aufsichtsbestimmungen beim Immobilien-Investmentfondsgesetz. Das heißt, die Kapitalanlagegesellschaft für Immobilien muss der FMA und der OeNB nicht mehr eine halbjährliche Aufstellung liefern und den Immobilienspezialfonds anzeigen. Es muss nicht angegeben werden, wer die Depotbank ist, wer die Anleger sind, wie viel Geld überhaupt in diesem Fonds ist. Wollen wir das? Wir erreichen damit nämlich, dass der Aufsicht entscheidende Informationen fehlen.

Was hat 2008 die große Finanzkrise ausgelöst? – Es war der Kapitalmarkt, der sie ausgelöst hat, und in der Folge hat sich dann die große Wirtschaftskrise entwickelt, die größte seit den 1930er-Jahren.

Was war bei der Hypo? – Dieses Debakel hat, wie wir wissen, Milliarden verschlungen. Die Aufarbeitung dauert heute noch an. Ich war selber im Untersuchungsausschuss. Was war notwendig? – Wir haben reguliert und aufgeräumt.

Wir wissen, eine Aufsicht muss funktionieren können, und sie braucht dazu auch entsprechende gesetzliche Grundlagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein zweites Beispiel: Im Kapitalmarktgesetz werden die Prospektpflichten vereinfacht, es werden nämlich die Grenzen gesenkt. Unter 250 000 Euro gibt es in Zukunft kei­nerlei Prospektpflicht mehr, und zwar weder für Wertpapiere noch für Veranla­gun­gen.

Warum tut man das so kurz nach dieser so großen Finanzkrise? Warum beschließen Sie zwei Gesetze, durch die unter dem Deckmantel der Verwaltungsvereinfachung Schritte in Richtung Deregulierung des Finanzmarktes eingeleitet werden? Dem werden wir nicht zustimmen.

Folgenden Punkt möchte ich noch anschneiden: Die SPÖ will eine Änderung im euro­päischen Steuerrecht, wir haben daher im Finanzausschuss einen entsprechenden Antrag eingebracht, bei dem es um die Finanztransaktionssteuer geht. Einige ÖVP-Minister haben sich daran ja schon versucht, haben aber nichts weitergebracht. Wir wollen mit dieser Finanztransaktionssteuer erreichen, dass spekulativer Handel mit Finanzprodukten besteuert wird. Wir wollen einen Beitrag angesichts der in der Krise entstandenen Kosten, und da geht es nicht nur um das, was die Banken verursacht haben, da geht es auch um entgangenes Wirtschaftswachstum, um Arbeitslosigkeit und Folgekosten. Wir fänden es gerecht, wenn es diese Finanztransaktionssteuer endlich gäbe. Die Regierungsparteien haben den Antrag im Ausschuss aber vertagt.

Sehr geehrter Herr Finanzminister – ich hätte es ihm gerne persönlich gesagt, er hat aber leider den Saal verlassen –, der EU-Ratsvorsitz wäre eine sehr gute Gelegenheit, die Finanztransaktionssteuer endlich zu einem Abschluss zu bringen. Der damalige Minister Schelling hat das vor einem Jahr angekündigt, aber leider nicht halten können. Ich fordere den Finanzminister auf: Handeln Sie! (Beifall bei der SPÖ.)

13.01


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet: Herr Abgeord­ne­ter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.



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13.01.51

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Aus meiner Sicht, aus unserer Sicht entsteht Innovation immer dort, wo junge Unternehmen, kleine Unternehmen, KMUs die Mög­lichkeit dazu haben. Dafür braucht man eine gewisse Kultur, eine bestimmte Unter­nehmenskultur – flache Hierarchien, kleine Einheiten, die individuell zusammen­arbei­ten und dann das Bestmögliche herausholen und eben diese Innovation hervorbringen können.

Die Politik – also wir – hat die Aufgabe, einen gewissen Nährboden dafür zu schaffen, dass diese Kultur funktionieren kann. Daraus folgen zwei wichtige Aspekte erfolg­reicher Wirtschaftspolitik: einerseits immer mehr Gründungen, Gründungen von jungen Unter­nehmen, die wieder Innovation anstoßen, und auf der anderen Seite die Notwen­digkeit, finanzielle Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese Gründungen möglich sind.

Dementsprechend ist dieser Vorstoß der Regierung im Bereich Kapitalmarktgesetz sehr zu begrüßen. Wir sehen darin einen ganz wichtigen und richtigen Schritt in Rich­tung – Kollege Hanger hat es auch schon gesagt – mehr Eigenverantwortung, weil diese Eigenverantwortung der Unternehmen und der UnternehmerInnen zu mehr Dynamik in den Unternehmen und am Markt führt und dadurch natürlich einerseits der Wirtschaftsstandort gestärkt wird und andererseits – ganz wichtig – auch viele Jobs geschaffen werden.

Ich glaube, es ist auch wichtig, festzuhalten, dass nicht der Staat Wohlstand schafft, sondern dass das eben diese Unternehmen tun, die vielen KMUs, die vielen Start-ups, die gerade in Österreich aufblühen. Die schaffen genau den Wohlstand, den wir wollen, denn sie schaffen Jobs, und Jobs bringen Wohlstand mit sich.

Wir NEOS waren deshalb auch immer aktiv und haben für die Freiheit der Unter­nehmerInnen gekämpft, haben immer gesagt, dass Freiheit und Eigenverantwortung für die UnternehmerInnen ganz wichtige Punkte sind. Frau Kollegin Greiner, Sie haben gerade gesagt, Sie verstehen nicht, warum man da die Fesseln für die Unternehmen ein bisschen zurücknimmt: Genau deswegen, weil Freiheit und Eigenverantwortung im Unternehmertum für Wohlstand sorgen! Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt, auf den wir auch stärker fokussieren sollten.

In dem Gesetz – das wir grundsätzlich gut finden, das habe ich schon gesagt – gibt es einen Punkt, den wir etwas seltsam finden, und zwar den Schwellenwert für die Prospekt­pflicht von 5 Millionen Euro, der da von den Regierungsfraktionen festgelegt wurde.

Ich glaube – und das sagen ja auch viele Experten und Expertinnen –, dass es durchaus möglich gewesen wäre, die 8 Millionen Euro, die der EU-Rahmen vorgibt, als Schwellenwert zu nehmen. Wir haben im Ausschuss nachgefragt, was die Begründung für diesen Schwellenwert ist, und da hat es geheißen: ein politischer Kompromiss.

Ich halte das für einen sehr schlechten politischen Kompromiss, muss ich ganz offen und ehrlich sagen. Wenn man sich insbesondere unsere Nachbarstaaten anschaut, also Deutschland und viele andere auch, dann sieht man, dass diese großteils 8 Millionen Euro als Schwellenwert für die Prospektpflicht haben; das bringt natürlich für den Wirtschaftsstandort Österreich massive Nachteile mit sich und macht auch den Wettbewerb für unser Land im internationalen Vergleich nicht einfacher.

Nichtsdestotrotz ist es im Großen und Ganzen ein gutes Gesetz und ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Verantwortung, mehr Eigenverantwortung für Unternehmer


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und auch für Investoren – das dazuzusagen ist vielleicht auch wichtig –, deswegen werden wir diesem Gesetz zustimmen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

13.05


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich der Herr Staatssekretär. – Bitte schön, Herr Staatssekretär.


13.05.18

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen MMag. DDr. Hubert Fuchs: Eine Anmerkung zu den Ausführungen der Abgeordneten Bayr bezüglich Doppel­be­steu­erungsabkommen: Ihre Rechtsansicht ist teilweise nicht korrekt. Doppelbesteue­rungsabkommen können niemals Besteuerungsrechte begründen. Durch Doppelbe­steuerungsabkommen werden Besteuerungsrechte aufgeteilt und es wird auch Doppelbesteuerung vermieden. (Zwischenruf der Abg. Bayr. Abg. Krainer: Eh! Hat sie ja gesagt!) – Hören Sie einmal zu, Herr Kollege Krainer! Das Problem liegt darin, dass diese nicht entwickelten Staaten noch kein funktionierendes Steuersystem und noch keine funktionierende Finanzverwaltung haben. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Bayr.)

Wenn es keine nationale Besteuerung gibt, dann können Sie in das Doppelbesteue­rungs­abkommen reinschreiben, was Sie wollen, Sie können dadurch niemandem etwas wegnehmen. Das heißt, wir müssen dafür Sorge tragen, dass eine ent­sprechende Finanzverwaltung mit einem entsprechenden Steuerrecht in den Ent­wicklungsländern aufgebaut wird.

Dafür müssen Sie sich einsetzen, Frau Abgeordnete Bayr – und nicht Unwahrheiten bezüglich Doppelbesteuerungsabkommen verbreiten, wonach angeblich Entwicklungs­ländern etwas weggenommen wird. Wenn das nationale Gesetz im Entwicklungsland fehlt, dann ist es vollkommen wurscht, was im Doppelbesteuerungsabkommen drinnen steht. Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. Abg. Bayr: Das gilt aber nicht in jedem Land! Abg. Krainer: Ich glaube, der Herr Staatssekretär braucht entwicklungspolitische Nachhilfe! Die kann er sich gerne abholen bei der Kollegin Bayr! Es ist offensichtlich dringend notwendig!)

13.06


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Margreiter. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.06.57

Abgeordnete Doris Margreiter (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Digitalisierung ist eine Querschnittsmaterie. Digitalisierung verändert unser Zusammenleben, sie verändert unseren Alltag und sie erfordert umfassende Reformen in der Arbeitswelt, damit wir für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet sind. Umso wichtiger wird es sein, die Kompetenzen auf politischer Ebene zu bündeln.

Ein Ministerium wurde sogar umbenannt und heißt jetzt Bundesministerium für Digita­lisierung und Wirtschaftsstandort. – Das klingt ja ganz toll. Man könnte meinen, die Kräfte werden dort gebündelt und Österreich macht sich daran, in EU-weiten Rankings durchzustarten und vom durchschnittlichen 11. Platz weiter nach vorne zu kommen. Jetzt zeigt sich allerdings gleich beim ersten namhaften Projekt, der Digitalisie­rungs­agentur, dass die Kompetenzen ganz und gar nicht gebündelt wurden.

Da stehen bei einer Pressekonferenz zwei Minister, da sind plötzlich wieder zwei Minis­terien involviert, und da werden die Zuständigkeiten auch gleich wieder so aufgeteilt,


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dass jeder für sich wahrlich oberflächlich mit vielen schönen Schlagworten – einige haben die Pressekonferenz ja sicher gehört – und wenig Inhalt so unkonkret wie mög­lich seinen politischen Erfolg verkaufen kann, und in Wahrheit wird im Hintergrund die Verwaltung aufgeblasen, ohne dass wir Abgeordnete genau wissen, worin der konkrete Mehrwert dieser Digitalisierungsagentur bestehen soll.

Was soll die Zielsetzung sein? Wir wissen es nicht! Welche Projekte werden abge­wickelt? Wird das alles nur eine bessere Hotline oder steckt Substanz dahinter? Ich allerdings wage, den Erfolg zumindest einmal anzuzweifeln, noch dazu, da das Thema im Finanzausschuss behandelt wurde, wo es nämlich gar nicht hingehört. – Ich meine, auch das sagt sehr viel über die Arbeit dieser Bundesregierung aus. (Beifall bei der SPÖ.)

Wie auch im Bundesministerium festgestellt wurde, besteht der größte Aufholbedarf im Bereich der Digitalisierung hinsichtlich der Unterstützung der kleinen und mittelstän­dischen Betriebe. Wir dürfen dabei aber auch nicht vergessen, dass in diese Ziel­gruppe auch 320 000 Einpersonenunternehmen fallen, die vor noch einmal ganz ande­ren Herausforderungen stehen, denen wir uns jedoch stellen.

Jedenfalls wünsche ich mir, dass der Beirat zu dieser Digitalisierungsagentur ausge­wogen besetzt wird. Wir brauchen Vertreterinnen und Vertreter aus der Zielgruppe der EPUs und der KMUs, aus verschiedensten Unternehmenssparten und -größen. Wir müssen uns zum Beispiel auch dringend überlegen, wie wir die duale Lehrausbildung entsprechend anpassen. Das ist mir besonders wichtig. Das ist eine zentrale Heraus­forderung, und nur, wenn wir das so realisieren, ist die geplante Digitalisierungsagentur mehr als nur ein Marketinggag dieser Bundesregierung.

Daher möchte ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Philip Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Digitalisierungs­agentur“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Zusammenhang mit den Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung ganzheitliche Lösungsansätze zu erarbeiten, von denen sowohl Unternehmen als auch ArbeitnehmerInnen profitieren. Damit Vor­schläge im Bereich der Digitalisierung ganzheitlich gedacht und erarbeitet werden können, erfordert dies nicht nur die Stimmen der Konzerne und Großspender zu hören, sondern auch ArbeitnehmerInnen und VertreterInnen von Klein- und mittelständischen Betrieben. Die Bundesregierung ist daher aufgefordert eine paritätische Besetzung zwischen VertreterInnen der ArbeitgeberInnen sowie der ArbeitnehmerInnen in den dafür geschaffenen Gremien, insbesondere der Digitalisierungsagentur, vorzunehmen. Hinzu kommt, dass auf Arbeitgeberseite auf eine ausgewogene Besetzung nach Branchen und Betriebsgrößen geachtet werden soll.

Darüber hinaus braucht es anstelle von Doppelgleisigkeiten abgestimmte und schlag­kräftige Strukturen in den Ministerien. Die Bundesregierung möge daher, eine ent­sprechende Änderung des Bundesministeriumsgesetzes ausarbeiten und die zersplit­terten Kompetenzen im Bereich der Digitalisierung, allen voran zwischen dem Minis­terium für Verkehr, Innovation und Technologie, sowie das Bundesministerium für Digi-


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ta­lisierung und Wirtschaftsstandort, zusammenführen und unter einem Dach eines Ministeriums bündeln.“

*****

Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höbart: Das war sehr schnell gesprochen, man hat kaum etwas mitbekommen!)

13.10

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

gemäß § 55 GOG-NR

der Abgeordneten Philip Kucher, Cornelia Ecker, Doris Margreiter, Genossinnen und Genossen

betreffend Digitalisierungsagentur

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Finanzausschusses über das Bun­desgesetz, mit dem das Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbHErrich­tungsgesetz geändert wird (184/200 d.B.) (TOP 5)

Begründung

Während die abstrakte Beschreibung der enormen Bedeutung der Digitalisierung für die Zukunft unserer Republik im Regierungsprogramm breiten Raum einnimmt, sind den öffentlichen Ankündigungen bisher kaum konkrete Maßnahmen gefolgt.

In manchen Themenfeldern – allen voran dem Bildungsbereich – muss man bedauer­licherweise von großen Rückschritten sprechen. Innovative Konzepte, die nur auf de­ren Umsetzung warten, werden nicht umgesetzt, neue nicht ausgearbeitet und vor­gelegt. Negative Folgen – etwa die hohe Anzahl an Arbeitslosen in der Gruppe der Be­schäftigten über 50 – werden nicht abgefedert, sondern durch das Streichen der Aktion 20.000 zusätzlich verschärft. Erfolgreiche Initiativen werden eingespart, vorhan­denes Wissen wandert also in Schubladen, während Österreich im Digital Economy and Society Index der Europäischen Kommission nur auf dem 11. Platz landet. Selbst im isolierten Bereich E-Government ist Österreich nicht mehr Spitzenreiter.

Strukturelle Veränderungen, wie etwa alle Digitalisierungs- und Forschungsagenden unter einem Dach zu bündeln, wurde bei den Koalitionsverhandlungen leider verab­säumt. Die Kompetenzzersplitterung zwischen verschiedenen Ressorts – allen voran dem Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und dem Bundes­ministerium Verkehr, Innovation und Technologie – führen offenkundig zu erhöhtem Koordinierungs- und damit Ressourcenaufwand. Dies stellen die am 13. Juni 2018 beschlossenen Ministerratsvorträge (MR 21/12 sowie MR 21/13) nur allzu gut unter Beweis. Anstatt konkrete Maßnahmen vorzuschlagen, um den Digitalisierungsprozess im Sinne der Österreicherinnen und Österreichern zu gestalten, kümmert sich die Regierung vorrangig um die Schaffung von zusätzlichen Posten. Diese sollen nun im Rahmen der neu geschaffenen Digitalisierungsagentur sowie den zu ernennenden „Chief Digital Officers“ entstehen.  „Sparen im System“ führt auch hier nicht etwa zu schlankeren Strukturen, sondern zu zusätzlichem Verwaltungsaufwand, neuen Gre­mien und gesteigertem Personalaufwand. Konkrete Zielsetzungen fehlen bis heute. Der Mehrwert der zusätzlich geschaffenen Bürokratie ist daher fraglich.


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Zudem wird ein Digitalisierungsbeirat eingesetzt, der mit acht von zehn VertreterInnen (und zwei weiteren mit wissenschaftlichen Referenzen) ausschließlich aus der Wirt­schaft besetzt werden soll. Da „Wirtschaft“ offenkundig von der Regierung aus­schließ­lich als „Unternehmerseite“, nicht aber als ausbalancierte Besetzung zwischen Arbeit­geberInnen und ArbeitnehmerInnen, ProduzentInnen und KonsumentInnen interpretiert wird, stellen die Abgeordneten Philip Kucher, Cornelia Ecker, Doris Margreiter, und Genossinnen und Genossen folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, im Zusammenhang mit den Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung ganzheitliche Lösungsansätze zu erarbeiten, von denen sowohl Unternehmen als auch ArbeitnehmerInnen profitieren. Damit Vor­schläge im Bereich der Digitalisierung ganzheitlich gedacht und erarbeitet werden können, erfordert dies nicht nur die Stimmen der Konzerne und Großspender zu hören, sondern auch ArbeitnehmerInnen und VertreterInnen von Klein- und mittelständischen Betrieben. Die Bundesregierung ist daher aufgefordert eine paritätische Besetzung zwi­schen VertreterInnen der ArbeitgeberInnen sowie der ArbeitnehmerInnen in den dafür geschaffenen Gremien, insbesondere der Digitalisierungsagentur, vorzunehmen. Hinzu kommt, dass auf Arbeitgeberseite auf eine ausgewogene Besetzung nach Branchen und Betriebsgrößen geachtet werden soll.

Darüber hinaus braucht es anstelle von Doppelgleisigkeiten abgestimmte und schlag­kräftige Strukturen in den Ministerien. Die Bundesregierung möge daher, eine ent­sprechende Änderung des Bundesministeriumsgesetzes ausarbeiten und die zersplit­terten Kompetenzen im Bereich der Digitalisierung, allen voran zwischen dem Minis­terium für Verkehr, Innovation und Technologie, sowie das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, zusammenführen und unter einem Dach eines Ministeriums bündeln.“

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben eingebrachte Antrag ist ordnungs­gemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Linder. – Bitte.


13.11.18

Abgeordneter Maximilian Linder (FPÖ): Frau Präsident! Herr Staatssekretär! Ge­schätzte Kolleginnen, geschätzte Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Liebe Kollegin Margreiter, bitte lassen Sie die Agentur einmal arbeiten! Lassen Sie sie einmal mit der Arbeit beginnen, bevor Sie schon alles schlechtreden, kritisieren und ins Ne­gative ziehen! Ich glaube, jeder soll die Chance haben, einmal zu arbeiten zu begin­nen, und nicht von vornherein schon schlechtgeredet werden! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. Zwischenruf der Abg. Margreiter.)

Geschätzte Damen und Herren! Die Frau Ministerin für Digitalisierung und Wirtschafts­standort Margarete Schramböck und der Herr Minister für Verkehr, Innovation und Technologie Norbert Hofer haben sich entschieden, eine Digitalisierungsagentur mit der Aufgabe, Österreich in Sachen Digitalisierung nach vorne zu bringen, ins Leben zu rufen.


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Derzeit liegen wir in Sachen Digitalisierung nach einer Bewertung der Europäischen Kommission auf dem 11. Platz. Ich glaube, wir, unsere Unternehmer und unsere Be­triebe, haben es verdient, nach vorne zu kommen, Spitze zu sein, denn die Zukunft liegt in der Digitalisierung, und wir seitens der Regierung, seitens des Parlaments haben alles zu tun, um das auf Schiene zu bringen.

Diese Digitalisierungsagentur hat zum einen die Aufgabe, internationaler Ansprech­partner in Sachen Digitalisierung zu sein, und sie hat andererseits den Dialog zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung und die Abstimmung dieser Akteure unterei­nander zu fördern und vor allem auch die Bundesregierung zu beraten.

Ziel ist es, im Sommer 2018 mit folgenden drei Pilotvorhaben zu starten: Erstens sollen themenspezifische Veranstaltungen organisiert werden, um das Thema aufzuwerfen und in den Köpfen der Unternehmer zu verankern. Der zweite Punkt ist die Unter­stützung von KMUs bei Digitalisierungsprojekten. Drittens – und das ist meiner Meinung nach ein ganz wichtiger Punkt – soll es eine moderierte Plattform für 5G und Breitband geben, um diese Infrastruktur noch schneller zu verbreiten.

Meine Kolleginnen und meine Kollegen, lassen Sie mich dazu wieder ein Beispiel aus meiner Gemeinde bringen: Wir haben mehrere Straßenbauprojekte durchgeführt, aber es war kein Unternehmen bereit, die Leerverrohrung für das Breitbandinternet vorzu­nehmen. Jetzt haben wir ein großes Baulandmodell geschaffen. Wir haben über einen Hektar Grund gekauft, haben diese Fläche für Gewerbebetriebe und für Einfa­milien­häuser aufgeschlossen, und siehe da, nachdem wir als Gemeinde gesagt haben, wenn es niemand macht, legen wir die Leerverrohrungen für das Breitbandinternet hinein, kam plötzlich der Energieversorger und hat gesagt, er legt zusätzlich eine Leer­ver­rohrung hinein, dann kam noch der Telekomanbieter und hat gesagt, er tut dasselbe. Plötzlich gab es zu jedem Haus drei verschiedene Leerverrohrungen für Breitband. Ich glaube, ein solcher Umgang mit Ressourcen ist nicht in Ordnung.

Deshalb ist es ganz wichtig, dass da von einer zentralen Bundesstelle aus koordiniert und abgestimmt wird. Ich bin deshalb froh, dass die beiden Minister dieses Vorhaben starten, und hoffe, dass die Digitalisierungsagentur im Sinne der KMUs und im Sinne des ländlichen Raums die Arbeit sehr, sehr schnell aufnimmt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.14


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Stöger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.15.04

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich bedanke mich bei Abgeordnetem Lindner (Abg. Linder: Linder, bitte!) – Linder, Entschuldigung! (Abg. Höbart: Den Lindner habts ihr!) –, weil er bestätigt hat, dass das, was ich damals als Technologieminister gemacht habe, positiv gewirkt hat. Mit der Maßnahme, Breitband zu organisieren, Leerverrohrung zu ermöglichen, ist es möglich geworden, dass Unternehmen tat­säch­lich beginnen, das Breitband in die Fläche zu bringen. Der Beitrag hat genau das bestätigt – danke dafür! (Beifall bei der SPÖ.)

Aber worum geht es? Das habe ich 2014, 2015 organisiert. Sie erinnern sich, der da­malige Finanzminister Spindelegger wollte die Breitbandmilliarde verhindern, und es war dann Ministerin Doris Bures, die darum gekämpft hat, dass wir diese Breitband­milliarde bekommen, und dann haben wir das auch umgesetzt. Diese Breitband­mil­liarde wurde für den Ausbau der Breitbandinfrastruktur in Österreich zur Verfügung gestellt, diese Maßnahmen wirken jetzt auch insgesamt, und das macht es aus. (Abg.


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Hafenecker: Und was habt ihr gemacht? Ihr habt ja nichts gemacht damit, es ist ja nichts passiert! Nicht einmal Leerrohre verlegt! Ihr seid kläglich gescheitert!)

Ich bedanke mich bei Abgeordneter Margreiter, weil sie deutlich gemacht hat, dass die Umsetzung all dieser Themen eigentlich auch ohne diese Gesetzesänderung möglich ist. Das haben wir schon umgesetzt! Und die Regierung behandelt dieses Thema jetzt im Finanzausschuss, wo es ganz sicher nicht hingehört; es hätte im Technologie­aus­schuss behandelt werden müssen, wo sich Expertinnen und Experten damit aus­einandersetzen. Die Agentur, die hier angesprochen wird, steht gar nicht im Gesetz. Warum macht man das?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir ist Folgendes wichtig: Man hat auch eine soziale Verantwortung, und mir kommt vor, dass es diese Bundesregierung sehr oft übersieht, wenn es um die soziale Verantwortung oder zum Beispiel um die Frage geht, wie die Menschen an ihren Arbeitsplätzen da mitwirken können. Ich erinnere daran, ich habe die Plattform Industrie 4.0 mit den Gewerkschaften und mit den Unternehmern organisiert, und sie wirkt auch; da gibt es positive Entwicklungen.

Wenn man Digitalisierung umsetzen will, muss man auch Fragen wie die folgenden stellen: Wie verändern sich die Arbeitsbedingungen? Was muss man bei der Aus­bildung verändern? Wie funktioniert zum Beispiel die Ausbildung von Menschen, die im Bereich Digitalisierung arbeiten wollen, bei einem 12-Stunden-Tag? Und wie gehen Menschen damit um, die körperlich oder geistig Schwierigkeiten haben, Anschluss zu finden? Auch mit diesen Anforderungen muss man sich auseinandersetzen. Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir Pilotfabriken ermöglicht sowie Forschungs­stipen­dien und Stiftungsprofessuren eingeführt haben, und es war möglich, die Plattform Industrie 4.0 umzusetzen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.18


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kucher. – Bitte, Herr Abgeordneter.


13.18.44

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden also heute über eine Digitalisierungsagentur, die in Österreich neu geschaffen werden soll. 13 Millionen Euro würde das Ganze kosten. Jetzt können wir sagen, dieses Thema, das auch hier oft diskutiert wird, ist so wichtig, da kann es nicht schaden, wenn wir zusätzlich Geld in die Hand nehmen. – Das könnte ein Zugang sein, weil es ja um Österreichs Zukunft geht.

Wenn man sich aber ansieht, was in diesem Themenbereich passiert, muss man offen sagen: Ja, ein weiteres Beratungsgremium. Sebastian Kurz hat sich mit Think Austria gerade ein Beratungsgremium im Bundeskanzleramt geschaffen, und jetzt gibt es ein weiteres Beratungsgremium für Kollegin Schramböck und Kollegen Hofer – 13 Millio­nen Euro, was ist das schon an Geld?

Das Problem ist nur – wir haben das heute schon besprochen –: Warum diskutiert man die Chancen und den Nutzen dieser neuen Agentur nicht offen und direkt, sondern versucht, das Ganze irgendwie vorbeizuschummeln, und behandelt es nicht im zustän­digen Ausschuss? Plötzlich landet das Ganze im Finanzausschuss und wird gar nicht breit diskutiert. Es steht dann der Finanzminister hier im Plenum, Ministerin Schramböck ist gar nicht vor Ort und kann daher nicht sagen, was diese Agentur kann, was ihr eigenes Haus nicht kann. Das ist eine Vorgangsweise, die meiner Meinung nach nicht ganz fair ist. So kann kein Vertrauen in diese Agentur entstehen.


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In Summe geht es auch bei dieser Frage um eine Vorbildwirkung der Politik. Man kann nämlich nicht dauernd sagen, im eigenen Umfeld, bei uns spielt Geld eigentlich keine Rolle. Sebastian Kurz bekommt ein Körberlgeld von 20 Millionen Euro für die Digita­lisierung, aber in anderen Bereichen wird eingespart. Bei den kleinen und mittleren Unternehmen kürzt man auf einmal die Förderungen. Betreffend Start-ups sagt Frau Ministerin Schramböck überhaupt, davon haben wir eigentlich schon genug, da brauchen wir keine zusätzlichen Förderungen. – Dieser Zugang ist eigentlich einzig­artig in Eu­ropa!

Der eigene Apparat wird aber aufgebläht. Beim eigenen Apparat ist es auch egal, dass man sagt: Da brauchen wir keine schlanken Strukturen, da schaffen wir Doppelgleisig­keiten. Alle anderen Bereiche, alle im FTI-Bereich brauchen aber schlanke Govern­mentstrukturen. So kann man, glaube ich, nicht vorgehen!

In Summe ist der zentrale Kritikpunkt an der Vorgangsweise der Bundesregierung die­ser extrem enge Zugang zu Forschungs- und Technologiepolitik und zur Digitalisie­rung. Wir dürfen nämlich nicht nur die Technologie in den Mittelpunkt stellen, sondern müssen auch die Auswirkungen auf das Leben der Menschen betrachten; und genau das passiert eben nicht. Wir können lang über Breitband diskutieren, aber was heißt das konkret für das Leben der Menschen?

Ich habe vor zehn Tagen in Klagenfurt am Benediktinermarkt eine 43-jährige Frau getroffen. Sie hat bis vor ein paar Jahren bei einer großen österreichischen Bank gearbeitet. Wir alle kennen die Digitalisierungskonsequenzen im Bankenbereich, überall stehen Terminals. Diese Frau hat ihren Job verloren. Sie hat mir erzählt, dass sie ein Studium an der Fachhochschule in Villach beginnt und nicht weiß, wie sie sich dieses Studium in Zukunft leisten können soll. Sie hat eine Tochter, sie haben sich früher, als es ihnen finanziell besser gegangen ist, ein Haus gebaut. Was sagt man dieser Frau? Der einzige Ansatz, der von der ÖVP kommt, ist: Ja, Eigenverantwortung, du musst schon schauen, wo du bleibst; du bist uns eigentlich egal! Für das Fachkräftestipendium haben wir kein Geld (Abg. Höbart: Ihr wollts wieder verstaat­lichen!); für die Aktion 20 000 für Menschen über 50 Jahre haben wir auch kein Geld! – Das ist dann Eigenverantwortung. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Das heißt, es gibt selbstverständlich auch im Bereich der Digitalisierung eine sozial­po­litische Komponente. Der Bereich der Bildung wird wichtiger werden. Andere Staaten diskutieren ein Recht auf Weiterbildung. (Zwischenruf des Abgeordneten Höbart.) In Österreich wird dieser Tage dann – sozusagen durch das Nichtentscheiden der Regie­rung – sogar beschlossen, dass berufstätige Studierende, also Menschen, die arbeiten müssen, damit sie sich ihr Studium überhaupt leisten können, zukünftig Studien­gebühren zahlen müssen. Wir reden also in Sonntagsreden immer wieder davon, wie wichtig die Bildung ist, dass sie der Schlüssel für die Zukunft ist, aber in diesem Bereich passiert leider rein gar nichts. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höbart: Es kann nicht alles gratis sein! Wer soll das alles bezahlen?)

Abschließend zu dieser Agentur: Durch Überschriften, durch Ankündigungen, durch immer neue Expertengruppen wird der Job nicht erledigt werden. Es liegen jede Menge Expertenpapiere auf dem Tisch, die einfach nur umgesetzt werden müssten. Es bringt also gar nichts, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu diskutieren. Es wäre die Aufgabe der Digitalisierungsministerin, ihren Job endlich mit Leben zu füllen, die großen Herausforderungen anzugehen und nicht ständig nur Ankündigungen zu machen, nette Fotos zu produzieren und Pressekonferenzen zu geben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Angerer. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 100

13.22.43

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Vizekanzler! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Vielleicht noch ein paar Worte zur Digitalisierungsagentur: Lieber Philip Kucher, ich glaube, das ist schon ein ganz wichtiges Thema. Ich kann dazu ein Beispiel aus der Praxis, aus unseren Erfahrungen bringen: Wir haben in den Jahren 2005 und 2006 Kanal gebaut. Damals war das Thema noch nicht so präsent. Man hat zwar in Kärnten schon über die Breit­bandoffensive geredet, aber keiner hat so richtig gewusst, wie man damit umgehen soll: Welche Technologie wird es in Zukunft sein? Wird es Funk sein? Wird es Glas­faser sein? Wer soll dieses Breitband verlegen? Wie soll es umgesetzt werden? Wie soll es finanziert werden? Es gab also viele Fragen, und keiner hat mir helfen können.

Der Einzige, der mir damals geholfen hat, war Landeshauptmann Haider, er hat mir eine kleine Förderung aus seinem Budget gegeben. Wir haben damit im Zuge des Kanalbaus ein Leerrohr mitverlegt, und das war einfach sinnvoll. Heute verfügen wir in unserer kleinen Gemeinde – so wie Hasendorf in Niederösterreich, glaube ich – über ein Leerrohr, und mittlerweile haben wir in dieses Leerrohr Glasfaser eingeblasen. Das gehört uns, also der Gemeinde; es ist ein Open Access Network. Das ist natürlich ein Riesenvorteil, denn damit bekommt man Monopolstellungen weg, und wir können jedem Unternehmen, jedem Unternehmer, jedem kleinen Unternehmer, der bei uns in der Region etwas anbieten möchte, dieses Breitband zur Verfügung stellen.

Insofern glaube ich, dass diese Digitalisierungsagentur eine ganz wichtige Einrichtung für Bewusstseinsbildung, für Beratung der Gemeinden, der Leute, die das umsetzen müssen, ist. Es ist also eine ganz wichtige Institution, die hier geschaffen wird. – In diesem Sinne: Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.24

13.24.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Damit ist die Debatte geschlossen.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung. Ich lasse über jeden Ausschussantrag getrennt abstimmen.

Wir gelangen zuerst zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3: Entwurf betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Immobilien-Investmentfondsgesetz sowie das Investmentfondsgesetz geändert wer­den, samt Titel und Eingang in 198 der Beilagen.

Ich ersuche die Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte die Damen und Herren, die auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben möchten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Damit ist der Gesetzentwurf auch in drit­ter Lesung angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Entwurf betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Kapitalmarktgesetz und das Alternativfinan­zie­rungsgesetz geändert werden, samt Titel und Eingang in 199 der Beilagen.

Ich darf die Damen und Herren, die zustimmen wollen, um ein Zeichen ersuchen. – Das ist die Mehrheit.

In der dritten Lesung ersuche ich wieder um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist wiederum die Mehrheit, der Entwurf ist daher auch in dritter Lesung angenommen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 101

Nun gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Entwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Österreichische Forschungsförderungsgesell­schaft mbH-Errichtungsgesetz geändert wird, samt Titel und Eingang in 184 der Beilagen.

Ich darf die Damen und Herren, die ihre Zustimmung erteilen, um ein Zeichen er­suchen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf wieder um ein diesbezügliches Zeichen ersuchen. – Das ist ebenfalls mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Kucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Digitalisierungsagentur“.

Ich darf die Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Das ist die Minderheit, der Antrag ist daher ab­gelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Finanz­ausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Protokoll zur Abänderung des am 13. April 2000 in Moskau unterzeichneten Abkommens mit der Regierung der Russischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll, in 183 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs.1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Geneh­mi­gung zu erteilen.

Ich darf die Damen und Herren, die damit einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Das ist einstimmig angenommen.

Ferner gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Erklärung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Informationsaustausch nach der Mehrseiti­gen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den Austausch länder­bezogener Berichte gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, in 153 der Beilagen gemäß Art. 50 Abs.1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich darf die Damen und Herren, die dem die Zustimmung erteilen, um ein Zeichen bitten. – Das ist einstimmig angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Erklärung über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für den Informationsaustausch nach der Mehr­seitigen Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten gemäß Art. 28 Abs. 6 letzter Satz des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, in 154 der Beila­gen gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu ertei­len.

Ich bitte diesbezüglich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls einstim­mig angenommen.

13.28.439. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (196 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehalts­gesetz 1956, das Vertragsbedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staats­an­walt­schaftsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und


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forstwirtschaftliche Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Landesvertragslehr­personengesetz 1966, das Land- und forstwirtschaftliche Landesvertrags­lehr­per­sonengesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz, das Bundesleh­rer-Lehrverpflichtungsgesetz, die Reisegebührenvorschrift 1955, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Pensionsgesetz 1965, das Bundestheater­pen­si­onsgesetz, das Bundesbahngesetz, das Bundesbahn-Pensionsgesetz, das Bun­des­pensionsamtübertragungs-Gesetz, das Ausschreibungsgesetz 1989, das Bundes-Personalvertretungsgesetz, das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, das Überbrückungshilfengesetz, das Poststruktur­gesetz, das Auslandszulagen- und ‑hilfeleistungsgesetz, das Militärberufs­förde­rungsgesetz 2004, das Heeresgebührengesetz 2001, das Zivildienstgesetz 1986, das UmsetzungsG-RL 2014/54/EU und das Bundeshaushaltsgesetz 2013 geän­dert werden und das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz aufgehoben wird (Dienstrechts-Novelle 2018) (228 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu Punkt 9 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ofenauer. Ich darf ihm das Wort erteilen.


13.29.04

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und zu Hause! Zur Dienstrechts-Novelle 2018: Wir leben in schnelllebigen Zeiten, in denen sich alles immer rascher verändert. Gerade in solchen Zeiten ist Stabilität wichtig, sind Regeln wichtig, ist Ordnung wichtig, denn das gibt auch Sicherheit. Wir brauchen natürlich auch Menschen, die diese Regeln und diese Ordnung sicherstellen und aufrechterhalten. Und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Sie sind das Rückgrat der Verwaltung und damit auch eines funktionierenden Rechtsstaates, weil sie über entsprechendes Wissen und entsprechende Expertise in ihren Fach­bereichen verfügen.

Mit dieser Novelle wird es einige Verbesserungen im Dienstrecht geben. Ich möchte einige davon erwähnen, zum Beispiel die Regelungen über die Geschenkannahme und die Teilnahme an Veranstaltungen. Das ist wichtig, weil Integrität wichtig ist, vor allem auch im öffentlichen Dienst. Jetzt wird klarer geregelt, was erlaubt ist und was nicht.

Ein zweiter Bereich ist die Wiedereingliederungsteilzeit, die es im privaten Bereich bereits gibt. Jetzt wird auch den öffentlich Bediensteten die Möglichkeit gegeben, nach einem Krankenstand langsam wieder in den Dienst einzusteigen, so, wie das jetzt schon in der Privatwirtschaft möglich ist.

Die Änderung des Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetzes ist ein weiterer sehr wich­tiger Punkt, weil damit die übrigen Bundesbediensteten bei schweren Dienst­unfällen mit Wachebediensteten gleichgestellt werden.

Ich möchte an dieser Stelle einen Antrag auf eine weitere Änderung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Werner Herbert, Mag. Friedrich Ofenauer, Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage Dienstrechts-Novelle 2018 (196 d.B.) in der Fassung des Aus­schussberichts (228 d.B.)


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Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

„Der dem oben bezeichneten Ausschussbericht angeschlossene Gesetzestext wird in Art. 1 (Änderung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979) wie folgt geändert:

a) Nach Z 11 wird folgende Z 11a eingefügt:

„11a. In § 75 Abs. 2 wird nach Z 2a folgende Z 2b eingefügt:

„2b. wenn die Ernennungserfordernisse gemäß Z 1.12 oder Z 1.12a der Anlage 1 zum BDG 1979 nicht erfüllt werden: die oder der im Rahmen eines vertraglichen Dienst­verhältnisses zum Bund zur Leiterin oder zum Leiter des Bereichs Pädagogischer Dienst gemäß § 19 BD-EG bestellt wird oder““

b) In Z 33 (dem § 284 anzufügender Absatz) lautet die Z 6:

„6. § 75 Abs. 2 Z 2a und 2b und § 151 Abs. 3a sowie der Entfall des § 153 samt Überschriften mit 1. Jänner 2018,““

*****

Dabei geht es um die Vorgangsweise bei der Karenzierung von Bundesbeamten, die Leiter des Bereichs Pädagogischer Dienst bei der Bildungsdirektion werden.

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, mit dieser Novelle wird dem hohen Stellenwert des öffentlichen Diensts in unserer Gesellschaft Rechnung getragen, und ich ersuche um größtmögliche Zustimmung. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

13.32

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Werner Herbert, Mag. Friedrich Ofenauer

Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage Dienstrechts-Novelle 2018 (196 d.B.) in der Fassung des Ausschussberichts (228 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der dem oben bezeichneten Ausschussbericht angeschlossene Gesetzestext wird in Art. 1 (Änderung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979) wie folgt geändert:

a) Nach Z 11 wird folgende Z 11a eingefügt:

„11a. In § 75 Abs. 2 wird nach Z 2a folgende Z 2b eingefügt:

„2b. wenn die Ernennungserfordernisse gemäß Z 1.12 oder Z 1.12a der Anlage 1 zum BDG 1979 nicht erfüllt werden: die oder der im Rahmen eines vertraglichen Dienst­verhältnisses zum Bund zur Leiterin oder zum Leiter des Bereichs Pädagogischer Dienst gemäß § 19 BD-EG bestellt wird oder““

b) In Z 33 (dem § 284 anzufügender Absatz) lautet die Z 6:

„6. § 75 Abs. 2 Z 2a und 2b und § 151 Abs. 3a sowie der Entfall des § 153 samt Überschriften mit 1. Jänner 2018,“


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Begründung:

Für die Fälle der im Rahmen eines vertraglichen Dienstverhältnisses vorzunehmenden Bestellung einer Bundesbeamtin oder eines Bundesbeamten zur Leiterin oder zum Leiter des Bereichs Pädagogischer Dienst bei der Bildungsdirektion ist für bestehende Bundesdienstverhältnisse eine Karenzierung mit Außerkraftsetzung der für Karen­zierungen vorgesehenen zeitlichen Obergrenze sowie Vollanrechnung und Wahrung der Zeit des (sonder)vertraglichen Dienstverhältnisses für zeitabhängige Rechte sicherzustellen.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Als Nächste ist Frau Nationalrätin Lueger zu Wort gemeldet. Ich darf ihr das Wort erteilen.


13.32.45

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Damen und Herren nicht auf der Regierungsbank – scheinbar ist das Thema nicht so spannend! (Abg. Haubner – in Richtung des mit Präsident Sobotka sprechenden Vizekanzlers Strache weisend –: Er ist eh da!) – Bitte? (Ruf bei der ÖVP: Hinter Ihnen! – Ruf bei der FPÖ: Da steht der Herr Vizekanzler! – Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Das ist an und für sich nicht sein Platz, da hinten beim Präsidenten! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Martin Graf: Wo ist denn der Kollege Kern? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Reihe der jetzt zu beschließenden Maß­nahmen sind bereits der vorigen Bundesregierung zur Beschlussfassung vorgelegen, wurden von den Sozialpartnern vorgelegt. (Abg. Martin Graf: Wo ist denn der Kollege Kern? Macht er schon wieder Pause?) Sie waren damals, am 13.12.2017, bereit, aber damals hat die damalige ÖVP, hat der Finanzminister Punkte zurückgezogen, weil man gesagt hat, das ist nicht zu finanzieren. In Wirklichkeit wollte man aber der letzten Bun­desregierung keinen einzigen Erfolg mehr gönnen. Heute hat man diese Punkte wieder auf die Tagesordnung gebracht und feiert sie als Erfolge. Die Frau Staats­sekretärin hat das damals schon verhandelt. Das könnte schon lange für unsere Bediensteten, deren Arbeit hervorragend ist, die die Basis bilden, so wie der Kollege das gerade auch gesagt hat, gelten.

Die Anpassung des Dienst- und Besoldungsrechts an das Bundesministeriengesetz war einerseits erforderlich, weil die Generalsekretäre neu geschaffen wurden, anderer­seits auch, weil es bei den Personalvertretungsgremien ja einen Verschub innerhalb der Abteilungen gab; sie müssten daher neu wählen, das wäre nicht sinnvoll, daher werden wir dem natürlich auch zustimmen.

Es kommt eine Gleichstellung aller Bundesbediensteten mit Wachebediensteten bei schweren Dienstunfällen. Sie können sich vielleicht erinnern: Im vorigen Jahr hat die Frau Staatssekretärin sogar die Begräbniskosten für einen Polizisten übernommen, der im Dienst verstorben ist, weil es da keinen Rechtsanspruch gab und weil es auch keine Familie gab, die das hätte begleichen können. Da wird es jetzt Gott sei Dank – das hätte schon viel früher kommen können (Abg. Lausch: Hätten Sie’s mit dem Koali­tionspartner besser verhandeln müssen!) – einen Rechtsanspruch geben.


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In diesem Bereich macht es zum Beispiel Sinn, im Zuge dieser Gesetzesnovellierung das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz aufzuheben. Da macht es echt Sinn, da hat man den Anlass, da kann man es tun und braucht nicht alles neu zu durchsuchen.

Was ist von den Hilfeleistungen eigentlich umfasst? – Vorschüsse, Geld für erlittene Schmerzen, Übernahme von Heilkosten, und auch Leistungen für Hinterbliebene bei tödlichen Dienstunfällen gibt es im Rahmen dieser Hilfeleistungen.

Sie haben geschrieben: „Anpassung des Einsatzzuschlages an das Bedrohungsniveau in Krisengebieten“. Das ist aber letztendlich eine Erhöhung des Einsatzzuschlages, und ja, das ist gut so, denn wir werden, wenn das nicht finanziell abgegolten wird, niemanden, keine Beamtinnen und Beamten oder Vertragsbediensteten mehr finden, die ins Ausland gehen wollen.

Die Gleichstellung hinsichtlich Wiedereingliederungsteilzeit nach langer Krankheit war auch eine langjährige Forderung. Der Entwurf dazu ist auch schon fixfertig ausver­handelt vorgelegen; das wird jetzt auch umgesetzt.

Die Familienhospizkarenz ist für viele Bedienstete eine gute Sache. Es gibt jetzt das Erkenntnis, dass diese Zeit, wenn die Betreuung schwerstbehinderter Kinder nach sechs Monaten noch nicht zu Ende ist, auf neun Monate verlängert werden kann, und das ist eine gute Sache.

Wir werden diesem Gesetz mit dem Wissen, dass noch viele Dinge offen sind, zu­stimmen. Wir werden aber darauf drängen, dass diese offenen Punkte dann auch um­gesetzt werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als nächster Redner ist Werner Herbert ge­meldet. Ich darf ihm das Wort erteilen.


13.37.19

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner haben die Inhalte dieser Dienstrechts-Novelle bereits sehr umfassend dargelegt, daher möchte ich nicht näher darauf ein­gehen. Ich darf mich aber an dieser Stelle gleich vorweg bei allen öffentlich Bediens­teten, die tagtäglich für unsere Republik, für unser Land arbeiten und darauf schauen, dass sie in ihren Bereichen – sei es im Exekutivbereich oder im Verwaltungsbereich – die Rechtsstaatlichkeit und die Sicherheit aufrechterhalten, bedanken. Sie, alle Ange­stellten, alle Bediensteten, die für unser aller Wohlergehen wirken, sind eine wichtige Säule, ein wichtiges Rückgrat der Republik. Daher möchte ich ihnen an dieser Stelle einen besonderen Dank aussprechen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Kernstück dieser Dienstrechts-Novelle ist zweifellos die Eingliederung des Wachebe­diens­teten-Hilfeleistungsgesetzes in das Gehaltsgesetz. Das ist eine wichtige, sehr innovative Sache, weil die Bestimmungen des Wachebediensteten-Hilfeleistungs­ge­setzes und die besonderen Unterstützungsregeln, die bisher nur den Wachebe­diens­teten gegolten haben, nunmehr für alle Bediensteten im öffentlichen Dienst, für alle Beamten, alle Vertragsbediensteten, aber zukünftig auch für alle Zivildiener gelten werden.

Umfasst sind neben der Übernahme von Heilkosten und der vorläufigen Übernahme von Entschädigungszahlungen und Schmerzensgeld durch den Bund auch umfang­reiche Leistungen in finanzieller Hinsicht für Hinterbliebene nach Dienstunfällen. Das ist auch ein wesentlicher Bereich, und in diesem Zusammenhang gilt es einmal mehr, den Bediensteten im öffentlichen Dienst besondere Wertschätzung entgegen­zubrin­gen; das ist eine Sache, die nicht selbstverständlich ist, und da darf ich Vizekanzler H.-


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C. Strache besonderen Dank aussprechen.Wir erinnern uns: Unter roten Staats­sekretären in den Jahren davor wurde zwar viel geredet, aber wenig gehandelt. Das hat sich nunmehr insofern umgekehrt, als jetzt wirklich gehandelt wird. Ich darf an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass diese Eingliederung des Wache­bediens­teten-Hilfeleistungsgesetzes in das Gehaltsgesetz und damit die Erweiterung der positiven Möglichkeiten, die sich dadurch bieten, nicht nur eine langjährige Forderung der Personalvertretung, sondern auch eine Wahlankündigung, ein Wahlversprechen meiner Fraktion dargestellt hat. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

So gesehen kann ich zu Recht behaupten: Andere reden, wir handeln.

Ich darf mich an dieser Stelle noch einmal bei H.-C. Strache für sein Engagement, für sein wertschätzendes Verhalten gegenüber den öffentlich Bediensteten, aber auch für seinen gelebten Umgang mit den Bediensteten bedanken. Er schaut auf den öffent­lichen Dienst nicht deshalb, weil er es als zuständiger Ressortminister machen muss, sondern weil es ihm tatsächlich eine Herzensangelegenheit ist. Das wird mit dieser Dienstrechts-Novelle einmal mehr deutlich zum Ausdruck gebracht. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. Ich darf ihm das Wort erteilen.


13.41.22

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Wieder einmal eine Dienstrechts-Novelle, und wieder einmal werden Regelungen übernommen, die es zum Beispiel im privaten Arbeitsrecht schon gibt, oder es wird für den Richterstand eine Regelung übernommen, die es für andere Bereiche des öffentlichen Dienstes schon gibt – durchaus sinnvolle, wichtige Dinge wie eine Wiedereingliederungsteilzeit, wie eine Familienhospizkarenz, wo wir absolut der Meinung sind, dass es das im öffentlichen Dienst in gleicher Weise geben soll wie in einem privaten Arbeitsverhältnis. Das ist gut.

Aber das öffentliche Dienstrecht darf nicht nach dem Prinzip des Cherry Picking aufge­bessert werden. Die Regelungen für private unselbständig Beschäftigte und im öffent­lichen Dienst unselbständig Beschäftigte gehören angeglichen, und zwar in beide Rich­tungen. Als berühmtes Beispiel nenne ich hier zum wiederholten Male die bezahlte Mittagspause im öffentlichen Dienst, die dort schon nach vier Stunden und nicht erst nach sechs Stunden zusteht. Warum das dort so ist und im privaten Arbeitsrecht nicht, kann man niemandem erklären, denn mit den Steuergeldern der privat Erwerbstätigen werden solche bezahlten Mittagspausen nämlich finanziert.

Was auch übernommen wird, ist eine Regelung für die Schwerarbeitspension bei Richtern, und es ist auch da gut und recht, dass die Richter die gleichen Regelungen für eine Schwerarbeitspension haben wie andere öffentlich Bedienstete, nämlich: Wenn man in Pflegestufe 3 ist, dann wird die Tätigkeit als Schwerarbeit gerechnet. Warum man allerdings im öffentlichen Dienst für eine Schwerarbeitspension 504 Mo­nate nachweisen muss und im ASVG 540 Monate, das ist wieder österreichisches Absurdistan.

Warum ist das so? – Beamter kann man erst mit 18 werden, also werden die 36 Mo­nate zwischen dem 15. und dem 18. Geburtstag quasi automatisch angerechnet. – Na ja, gut, aber auch ein ASVG-Versicherter kann Schule und Studium absolvieren und dann erst Anfang 20 ins Berufsleben eintreten. Dem wird das in dieser Form nicht angerechnet. Da haben wir eine Ungleichbehandlung, die sachlich nicht gerechtfertigt ist.


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Solche Besserstellungen für die öffentlich Bediensteten sind nicht fair und sollten daher nicht ad infinitum weitergetragen werden, vor allem weil ja auf europäischer Ebene gerade ein Verfahren läuft, das die Republik Österreich mit großer Wahrscheinlichkeit verlieren wird, und da geht es um die Behandlung von Dienstzeiten von öffentlich Be­diensteten vor dem 18. Geburtstag. Wir laufen da also sehenden Auges in eine juris­tische Niederlage hinein, setzen das aber fort, nämlich Dienstzeiten vor dem 18. Ge­burtstag anders zu behandeln als solche danach. Das gehört dringend umgestellt. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

13.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizekanzler Strache. – Bitte.


13.44.40

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport, Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Grundsätzlich ist einmal sicherlich schön und ist festzuhalten, dass es einige notwen­dige Besserstellungen gibt, die längst überfällig waren. Vielleicht zur Erinnerung: Das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz ist ja immer schon eine freiheitliche Idee gewesen, auch in einer früheren Regierung. – Entschuldigen Sie, meine Zettel sind mir runtergefallen, die hebe ich jetzt kurz auf. – Viele Ideen für Verbesserungen sind ja von der freiheitlichen Regierung zuvor, im Jahr 2000, ins Leben gerufen worden, und da war ein wichtiger Ansatz, dieses Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz gerade im Sinne von Wertschätzung und Respekt für Exekutivbeamte und für besonderes militä­risches Personal auch endlich einzuführen. Leider haben wir uns damals nicht zu 100 Prozent durchsetzen können. Wie Sie wissen, war das bis heute eine Kannbe­stimmung und leider keine Mussbestimmung. Das heißt, wir haben immer wieder Dramen erlebt, dass kein gesetzlicher Anspruch gegeben war, dass Beamte, die im Dienst verletzt worden sind, auf der Strecke geblieben sind und oftmals unsere Fraktion, auch ich, auch Sie wahrscheinlich, Sammlungen gemacht hat, Spenden­aktionen gemacht hat, um den Betroffenen und deren Angehörigen zu helfen und unter die Arme zu greifen. Das war eigentlich eine Schande für die Republik, das muss man ganz offen sagen, und das gilt es zu reparieren.

Zum Glück passiert das heute, dass wir für die Zukunft ein Wachebediensteten-Hilfe­leistungs­gesetz als Dienstgesetz so verändern, dass es nicht nur für Exekutivbeamte, nicht nur für militärisches Personal, sondern für alle öffentlich Bediensteten im Bun­desdienst einen gesetzlichen Anspruch geben wird, im Fall einer im Dienst erlittenen Verletzung die entsprechende Hilfestellung zu erhalten, auf die ich dann noch einge­hen werde.

Das war mir natürlich und ist uns ein Herzensanliegen, denn – auf die tragischen Fälle, die man in den letzten Jahren immer wieder erleben musste, möchte ich jetzt nicht einzeln eingehen – wir als Staat, als Republik, als Dienstgeber tragen für die öffentlich Bediensteten eine Verantwortung. Deshalb haben wir nicht nur das Dankeschön für die großartige Leistung der Beamten zum Ausdruck zu bringen, sondern wir haben uns vor allem auch mit vollstem Schutz und mit Hilfestellung hinter die Beamten zu stellen – und nicht nur den dankenden warmen Händedruck zum Ausdruck zu bringen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Diese Dienstrechts-Novelle 2018 mit den entsprechenden Bestimmungen, die in Zu­kunft für alle Bundesbediensteten zur Anwendung kommen, ist wichtig. Also auch Gerichtsvollzieher, Rechtspfleger, Lehrer, alle können heute aufgrund veränderter Situationen Opfer von Angriffen werden und haben daher in Zukunft auch einen Anspruch, wenn sie verletzt werden sollten.


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Mit der aktuellen Novellierung und Implementierung der Bestimmungen gibt es eben diesen gesetzlichen Anspruch auf Hilfestellung, und das wird auf alle Bundes­be­diensteten ausgeweitet, auch, wie richtig angemerkt worden ist, auf Präsenz- und Zivildiener, denn auch die verdienen unseren vollsten Schutz, da sie ja in ihrem Be­reich, wenn man so will, auch eine Dienstpflicht für unser Heimatland und für die Men­schen in diesem Land erfüllen. Daher gehören sie selbstverständlich auch zu jenen, für die diese Bestimmungen gelten sollen.

Ja, das ist eine ganz große Errungenschaft, weil es wie gesagt um Wertschätzung, Respekt, Schutz und auch um gerechtfertigte Hilfe geht. Und ja, da werden vom Dienstgeber Beträge, Vorschüsse, Einmalzahlungen auch an Hinterbliebene gewährt, und wir werden das auch jährlich auf Grundlage der Gehaltsanpassung valorisieren. Das stellen wir sicher.

Es gibt nunmehr einen Kostenvorschuss von bis zu rund 70 000 Euro für Heilungs­kosten, für Schmerzensgeld und auch für Verdienstentgang. Das ist wichtig, denn wenn Beamte verletzt werden, fallen sie oftmals auch in ein anderes Grundge­halts­schema, können sich dadurch ihr Leben nicht mehr leisten und sind daher bis dato wirklich auf der Strecke geblieben. Es wird im Fall eines tragischen Todes von Be­diensteten auch für die Hinterbliebenen bis zu 115 000 Euro geben. Und selbstver­ständlich haben wir auch die Verantwortung, Begräbniskosten und Bestattungskosten, nämlich in einer Höhe von bis zu 5 000 Euro, sicherzustellen.

All das wird durch dieses neue Gesetz und Dienstrecht nun endlich sichergestellt. Ich sage, darauf können wir stolz sein, und ich glaube, dass das auch die notwendige Wertschätzung gegenüber den Beamten darstellt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Und ja, als zuständiger Minister für den öffentlichen Dienst ist es natürlich meine Auf­gabe und auch meine Verantwortung und Verpflichtung, die optimalen dienst- und besoldungsrechtlichen Rahmenbedingungen für einen modernen und zukunftsfähigen öffentlichen Dienst sicherzustellen. Gerade auch vor dem Hintergrund gewisser globaler Krisen, Flüchtlingsentwicklungen, die wir alle kennen, auch durchaus Bedro­hungsszenarien, die sich verändert haben, haben wir auch dafür Sorge getragen, nämlich im Bereich der staatlichen Sicherheit, wenn es um Polizei, Justizwache und Bundesheer geht, dass wir im Budgetplan, was die Planstellen betrifft, genau dort keine Planstellen eingespart haben. Im Gegenteil, wir haben zusätzliche Planstellen im Bereich der Exekutive gesichert und setzen auch im Bereich der Justizwache 100 zusätzliche Ausbildungsplanstellen um, und wir werden natürlich auch sicherstellen, dass, wenn die Exekutivplanstellen in den nächsten Jahren besetzt werden, auch bei der Justizwache eine weitere Planstellenaufstockung stattfinden wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um die Rahmenbedingungen zu verbessern und zu optimieren, haben wir auch für die Soldatinnen und Soldaten Einsatzzuschläge erhöht, denn die sind entsprechenden Gefahren ausgesetzt. Das betrifft Hunderte Sol­daten, die im Dienst stehen. Wir haben mit einem zusätzlichen Budget von 1,3 Mil­lionen Euro, die wir bereitgestellt haben, diese Einsatzzuschläge erhöht, und das verdienen die Soldatinnen und Soldaten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ergänzend soll in der Dienstrechts-Novelle 2018 nunmehr auch für Vertrags­bediens­tete des Bundes sowie für Landesvertragslehrer und -lehrerinnen eine ausdrückliche Grundlage für die Inanspruchnahme einer Wiedereingliederungsteilzeit geschaffen werden. Das soll es natürlich erleichtern, wieder in den Arbeitsalltag zurückzufinden – analog zur Privatwirtschaft, wie Abgeordneter Loacker zu Recht angemerkt hat.

Wenn er aber anmerkt, dass da sonstige Goodies für die Bediensteten im öffentlichen Bereich vorhanden wären – Sie haben die Mittagspause angesprochen –, dann muss man Sie schon auch daran erinnern, dass sich der Verfassungsgerichtshof dazu be-


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reits klar ausgesprochen hat, nämlich dahin gehend, dass es sich beim Beamten­dienst­recht und beim übrigen Arbeitsrecht um grundsätzlich unterschiedliche Systeme handelt, sodass ein Vergleich der Regelungen im Rahmen einer verfassungs­recht­lichen Gleichheitsprüfung von vornherein ausscheidet. Wie Sie wissen, haben Beamte nicht nur 12-Stunden-Tage, sie arbeiten sogar mehr Stunden, sie haben in Führungs­bereichen zum Teil sogar All-in-Verträge, und daher muss man sie natürlich zum Teil auch anders bewerten (Abg. Scherak: Muss nicht, kann! – Abg. Loacker: Genau!), und darauf weist auch der Verfassungsgerichtshof hin.

Ja, wir wollen natürlich, wenn es um die Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag geht, dies nicht nur für Vertragsbedienstete ermöglichen, sondern für alle öffentlich Bediens­teten. Wir werden das jetzt in einer Übergangsphase auch sicherstellen und dann evalu­ieren. Warum können wir das im Dienstrecht beziehungsweise im Dienstrechts­gesetz jetzt noch nicht endgültig festmachen? – Weil wir Altlasten haben, die die Vor­gängerregierung verursacht hat, nämlich – das haben auch Sie, Herr Kollege Loacker, zu Recht angesprochen – dort, wo es um die Vorrückungszeit geht. Das ist eine Altlast, etwas, das die vorigen Regierungen seit Jahren, nämlich seit vielen, vielen Jahren – und zwar die Sozialdemokraten, Sie deuten schon auf die richtige Seite –, zu reparieren verabsäumt haben, immer wieder nicht repariert haben. Sie haben nur herumgeschustert an einem Gesetz, das uns jetzt demnächst durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes auf den Kopf fallen kann – mit einer gewissen Wahr­scheinlichkeit –, weshalb wir das auch berücksichtigen müssen und dann gegebenen­falls rasch die notwendigen, wirklich nachhaltigen Reparaturmaßnahmen im Dienst­recht sicherstellen müssen. Das kann horrende zusätzliche Kosten bedeuten, die durch Vorgängerregierungen verursacht worden sind. Ich sage, man muss von mindestens 500 Millionen Euro ausgehen, wahrscheinlich sogar von mehr.

Das heißt, das ist unsere Verantwortung, dieser sind wir uns bewusst. Wir haben nur als neue Regierung schon ein laufendes Verfahren gehabt, und wir müssen natürlich dieses Verfahren und auch den Entscheid und das Urteil zu diesem Verfahren abwarten, und erst dann können wir handeln. Jede Handlung davor wäre in diesem Fall widersinnig, weil am Ende die Gegebenheiten vielleicht wieder andere sind. Das bitte ich auch zu respektieren und zur Kenntnis zu nehmen, dass wir diese Bereinigung selbstverständlich sicherstellen werden.

Was die Antikorruptionsbestimmungen betrifft, die auch in dem Gesetz für Beamte besser definiert sind, damit es Rechtssicherheit gibt, so ist uns das ganz besonders wichtig, weil sich das die Bundesregierung auch ganz klar und deutlich vorgenommen hat. Wir sind in den letzten Jahren in den Rankings, in denen es um Korruptions­entwicklung geht, zurückgefallen. Mit Platz 16 waren wir im Jahr 2017 von der früher einmal vorhandenen Spitzenplatzierung auf Rang 10 weit entfernt. So gesehen gibt es da Verbesserungspotenzial, und es war daher richtig und notwendig, dass wir uns mit einem umfassenden nationalen Antikorruptionsplan, mit einer Antikorruptionsstrategie darauf verständigt haben, das auch entsprechend in Umsetzung zu bringen.

Im Rahmen der gegenständlichen Dienstrechts-Novelle 2018 nehmen wir genau darauf schon entsprechend Rücksicht. Entsprechend der Rechtslage im Bereich des Korrup­tionsstrafrechtsänderungsgesetzes erfolgten ganz eindeutige Klarstellungen und Ver­ein­heitlichungen der Bestimmungen zum Verbot der Geschenkannahme und Annahme von Vorteilen im Rahmen von Veranstaltungen, sodass jeder auch ganz klar nachlesen kann: was ist erlaubt, was ist nicht erlaubt. Damit haben wir für die Beamten im öffentlichen Dienst Rechtssicherheit und auch Klarheit geschaffen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Eine ethisch einwandfreie und korruptionsfreie Verwaltung ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wir einen starken, verlässlichen Standort, auch Wirtschaftsstandort Öster-


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reich sicherstellen und Unternehmen hoffentlich bereit sind, hierherzukommen, hier zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Dafür ist das eine Grundvoraussetzung! Wenn man den Eindruck hat, da gibt es korruptive Entwicklungen, dann ist das nicht unbedingt förderlich. Hierzu leiten wir vonseiten des Bundesministeriums für öffent­lichen Dienst auch die entsprechenden Schritte ein, und im Rahmen der Personalver­antwortung für den Bundesdienst leisten wir einen wichtigen und zentralen Beitrag.

Ich kann zum Abschluss noch einmal wiederholen, was viele Abgeordnete heute ge­sagt haben: Einen aufrichtigen Dank an alle Beamten, an alle öffentlich Bediensteten des Bundes, gleich ob im Außen- oder im Innendienst, im Verwaltungsbereich, ob Exe­kutivbeamte, die jeden Tag ihren Kopf für unsere Sicherheit hinhalten und jeden Tag das Risiko eingehen müssen, verletzt zu werden oder vielleicht sogar ihr Leben zu verlieren, und dann oftmals noch unredlich attackiert werden und mit Pauschal­verurteilungen leben müssen. Wir haben uns hinter diese Beamten zu stellen, und die müssen sich auf uns verlassen können, und das stellen wir auch sicher. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Singer. Ich darf ihm das Wort erteilen.


13.57.06

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Danke, Herr Vizekanzler, für die detaillierte Darstellung der Novelle. Danke auch dafür, dass diese Dienstrechts-Novelle so möglich geworden ist. Ich darf auch aus meiner Sicht diesen Dank an alle öffentlich Bediensteten, die Tag für Tag für unser Land arbeiten, aussprechen.

Es ist schon vieles angesprochen worden, zwei Punkte möchte ich noch herausgreifen. Warum? – Weil es für betroffene Bedienstete aus meiner Sicht sehr, sehr wichtige Punkte sind.

Der erste Punkt betrifft die Wiedereingliederungsteilzeit. Das ist ein sehr sperriger Begriff; dahinter steht, dass man nach einer längeren Krankheit oder nach einem Unfall, der einen längeren Krankenstand bedingt, wieder schrittweise in den Arbeits­prozess zurückkommen kann. Diese Möglichkeit gibt es in der Privatwirtschaft schon, nun wird sie auch für die Vertragsbediensteten geschaffen. Ich sehe darin – und vor allem jene, die schon in dieser Situation waren, wissen es – einen wesentlichen und sehr wichtigen Punkt.

Was sind die Kriterien? – Die Dienstverhinderung muss mindestens sechs Wochen gedauert haben, und die Wiedereingliederungsphase kann von einem Monat bis zu sechs Monate dauern, wobei eine einmalige Verlängerung möglich ist. Sehr wichtig ist auch, dass eine finanzielle Absicherung für die Zeit der Wiedereingliederungsphase gesetzlich verankert ist.

Im Gegensatz zu den Vertragsbediensteten gibt es für die Beamten diese Regelung noch nicht, und ich freue mich, dass der Vizekanzler im Ausschuss angekündigt hat, dass diese Regelung in Bälde auch für Beamte möglich sein wird.

Eine Bestimmung, die auch schon mehrfach angesprochen wurde und die mir auch sehr wichtig ist, ist die Gleichstellung der übrigen Bundesbediensteten mit den Wache­bediensteten bei schweren Dienstunfällen – inhaltlich wurde dies schon erläutert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Beide Punkte sind eine wichtige Weiterentwicklung des Dienstrechts, und man kann nur hoffen, dass diese Bestimmungen von möglichst


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wenigen Bundesbediensteten in Anspruch genommen werden müssen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

13.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Schülerinnen und Schüler des Bun­desoberstufenrealgymnasiums Bad Leonfelden herzlich bei uns im Hohen Haus be­grüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Muna Duzdar. – Bitte.


14.00.09

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie! Ja, in der Tat, diese Dienstrechts-Novelle, die wir heute beschließen, bringt wirklich einige Verbesserungen für die Bediensteten des Bundes. Wir haben das jetzt schon des Öfteren gehört, es geht dabei um die Wiedereingliederungsteilzeit, aber es geht auch um mehr Hilfe­leistungen vonseiten des Bundes für die Dienstnehmer, die beispielsweise im Rahmen ihrer Tätigkeit tätlichen Übergriffen ausgesetzt sind und körperlich verletzt werden.

Unterstützung soll es auch für Hinterbliebene geben, die jetzt auch einen gesetzlichen Anspruch darauf haben. Wir wissen, dass Hinterbliebene von Justizwachebeamten bis dato nur einen gesetzlichen Anspruch auf die Übernahme von Begräbniskosten hatten. Das soll sich jetzt ändern und das ist auch gut so. Ich denke, das sind alles gute Fortschritte, kein Zweifel.

Werte Kollegen und Kolleginnen, seien Sie mir nicht böse, aber das ist alles nichts Neues und es ist auch keine Erfindung der FPÖ, ganz im Gegenteil, fast alle diese Maßnahmen habe ich noch als Staatssekretärin verhandelt. (Abg. Herbert: Aber nicht zustande gebracht!) Ich habe mich damals gefragt: Warum wurde es nicht beschlossen? (Ruf bei der FPÖ: Habt’s euch nicht durchgesetzt?) Man hat es damals nicht beschlossen, weil man aus guten Gründen wollte, dass diese neue Regierung diese guten Maßnahmen und diese Gustostückerl quasi selbst beschließt.

Herr Bundesminister Strache, wenn wir schon beim öffentlichen Dienst sind, hätte ich eine Bitte an Sie: Bitte hören Sie endlich auf, die guten Arbeitszeitregelungen im öffent­lichen Dienst heranzuziehen, um den generellen 12-Stunden-Tag zu rechtfertigen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Das ist die Unwahrheit! – Zwischenruf des Abg. Hauser. – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Hören Sie endlich auf, den öffentlichen Dienst zu missbrauchen! Hören Sie endlich auf, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, denn der Vergleich hinkt nämlich! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Punkt eins: Wir haben im öffentlichen Dienst eine sehr starke Personalvertretung, und da wird überhaupt nichts ohne Zustimmung der Personalvertreter und -vertreterinnen beschlossen.

Punkt zwei: Es gibt bestimmte Berufsgruppen im öffentlichen Dienst, für die es beson­dere Arbeitszeitregelungen gibt. Ich sage Ihnen aber etwas: Für alle im öffentlichen Dienst, die 12 Stunden arbeiten, gelten abgesicherte, lange Ruhezeiten, abgesicherte, lange Ruhetage sowie besondere Freizeitblöcke.

Punkt drei: Für die öffentlich Bediensteten gilt in Wirklichkeit eine langfristige Plan­barkeit, die garantiert ist. Das heißt, sie wissen alle lange im Voraus, wann sie wie lange arbeiten müssen. Tun Sie daher bitte nicht so, als ob sich der öffentliche Dienst über den generellen 12-Stunden-Tag freuen würde! (Ruf bei der FPÖ: Das ist unfass­bar!)


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Es ist kein Zufall, dass gerade die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst am vergangenen Samstag an der Großdemonstration des Österreichischen Gewerkschaftsbundes teil­ge­nommen hat und gegen den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche protestiert hat. (Beifall bei der SPÖ.)

Wissen Sie warum? – Wenn man in Österreich die Sozialpartnerschaft mit Füßen tritt, wenn man in Österreich über 3,5 Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen drü­berfährt und wenn es die Regierung nicht einmal für wert erachtet, mit den Arbeit­nehmervertreterInnen in diesem Land zu reden, geschweige denn zu verhandeln, dann braucht niemand zu glauben, dass es irgendeine Gewerkschaft in Österreich gibt, die das politische Vorgehen dieser Bundesregierung für gut erachtet. (Beifall bei der SPÖ.)

Kommt es hart auf hart, dann halten alle Gewerkschaften im Interesse aller Arbeit­nehmerInnen in diesem Land zusammen, und das ist gut und richtig so. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der ÖVP und FPÖ! Ich rate Ihnen, hören Sie auf die Empfehlungen der Gewerkschaft und hören Sie auch auf die Vorschläge der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst: Stimmen Sie morgen gegen den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche! (Beifall bei der SPÖ.)

14.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Lausch. – Bitte.


14.04.55

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Herr Bun­des­minister! Hohes Haus! Es ist Gott sei Dank über dieses Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz alles gesagt worden, nämlich dass es wichtig und richtig ist und endlich umgesetzt wird.

Den KollegInnen der Sozialdemokratie sei Folgendes gesagt: Eine Regierung wird daran gemessen, was sie umsetzt, und nicht daran, was sie ausverhandelt hat, denn davon haben die Bediensteten nichts.

Um auf Kollegin Duzdar zurückzukommen: Ich habe schon geglaubt, ich bin bei einem Gewerkschaftstag oder bei einer Demonstration, so emotional war Ihre Rede. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Heiterkeit der Abg. Duzdar.) Es macht das Gesagte aber nicht richtiger, wenn man hier sehr emotional agiert. Es wird nicht richtiger, wenn man immer wieder vom generellen 12-Stunden-Tag spricht. Deshalb jetzt auch an die Sozialdemokratie: Bitte, das ist falsch, der 8-Stunden-Tag bleibt! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Schieder: Bis morgen aber nur!)

Frau Staatssekretärin außer Dienst! Wenn Sie sich ans Rednerpult stellen und sagen, bei den Bundesbediensteten, bei den Polizisten, bei der Justizwache ist alles planbar und es gibt Freizeitblöcke, dann denke ich mir: Gott sei Dank – verstehen Sie das nicht falsch! – sind Sie nicht mehr für den öffentlichen Dienst zuständig! Schauen Sie sich einmal die Überstunden an, die diese Berufsgruppen zu leisten haben, da ist gar nichts planbar! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Heinisch-Hosek und Lueger.)

Ohne Ihnen nahezutreten wollen, aber man kann eine Rede – leider Gottes, muss ich sagen – fast nicht ahnungsloser halten, als Sie das getan haben. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Sie haben wirklich keine Ahnung, was diese Berufsgruppen tagtäglich für unsere Sicherheit, für unser aller Wohl leisten müssen. Das sind angeordnete Überstunden, nichts Freiwilliges. Man weiß bei Dienstantritt nicht, wann man am Abend


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nach Hause geht, da ist gar nichts planbar. – So schaut’s aus! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Noch einmal danke an den Vizekanzler, an H.-C. Strache; wir haben dieses Gesetz mit der ÖVP umgesetzt und alle sind jetzt glücklich, vor allem die vielen Bundes­bediens­teten sind glücklich. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Duzdar.)

Sie wissen jetzt immer alles, was Sie zehn Jahre nicht geschafft haben. Was Sie alles ausverhandelt haben, interessiert die Bundesbediensteten nicht, sondern wichtig ist, dass es jetzt Rechtssicherheit gibt, dass es im Gehaltsgesetz verankert wird und dass es für alle Bundesbediensteten gilt; das ist wichtig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: Was wir vorbereitet haben! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Noch einmal: Kollegin Heinisch-Hosek, wollen Sie es nicht verstehen oder verstehen Sie es nicht? (Abg. Heinisch-Hosek: Sie verstehen es nicht!) Vorbereitet ist vor­be­reitet und heute beschlossen ist heute beschlossen – das ist das Wichtige. Sie haben vieles vorbereitet, aber was Sie nicht vorbereitet haben, das hat Ihnen der Vizekanzler gesagt. Sie haben in der Vorbereitung sogar noch etwas hinterlassen, nämlich die Prob­lematik mit dem Vorrückungsstichtag, die Sie nicht gelöst haben (Abg. Heinisch-Hosek: Natürlich haben wir das gelöst, Sie haben eine Amnesie!), wie Sie vieles für die öffentlich Bediensteten nicht gelöst haben und nicht lösen konnten. Diese Bun­des­regierung unter freiheitlicher Beteiligung wird das für unsere Bundesbediensteten lö­sen.

In diesem Sinne: Danke noch einmal an die Bundesregierung, an den Beamtenminister und Vizekanzler! – Herzlichen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.08

14.08.34


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall. (Abg. Wöginger: Jetzt geht halt einmal was weiter in dem Land!) – Keine Emotionen!

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 228 der Beilagen.

Hierzu liegt ein Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag der Abgeordneten Ofenauer, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über die von dem erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Ofenauer, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- bezie­hungsweise Abänderungsantrag betreffend Art. 1 Z 11 sowie Z 33 eingebracht.

Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über den restlichen, noch nicht abgestimmten Teil des Gesetzentwurfs samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichts und bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf die Damen und Herren, die auch in dritter Lesung dafür sind, um ein beja­hendes Zeichen ersuchen. – Das ist auch einstimmig angenommen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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14.10.1710. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (192 d.B.): Bundesgesetz betreffend die Bereinigung von vor dem 1. Jänner 2000 kund­gemachten Bundesgesetzen und Verordnungen (Zweites Bundesrechts­bereini­gungsgesetz – 2. BRBG) (225 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Damit gelangen wir zu Punkt 10 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jarolim. Ich darf ihm das Wort erteilen.


14.10.43

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Kollege Lausch, vielleicht noch zur Diskussion von vorhin: Fällt man bei Arbeitnehmerrechten so um wie die FPÖ in dieser Diskussion, darf man sich nicht wundern, dass man bald eine Lösung bekommt. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der FPÖ: Aber geh!)

Das Geheimnis der raschen Lösung ist damit geklärt, Frau Präsidentin Griss. Ich glaube, das kann man so sagen.

Kolleginnen und Kollegen, wir haben ein Rechtsbereinigungsgesetz vorliegen, und das ist leider Gottes ein weiterer betrüblicher Höhepunkt an Verschwendung von Res­sourcen und von Geld, das wir für andere Dinge wesentlich dringender bräuchten als dafür mehr oder weniger nichts anderes zu machen als nach totem Recht zu graben.

Ich weiß, das ist ein Steckenpferd des Herrn Bundeskanzlers, daher war auch sein Auftrag an das Justizministerium, das umzusetzen. Er glaubt, dass er dadurch Inno­vation zeigt, er glaubt, dass er dadurch Umsetzungskraft und Umsetzungsstärke zeigt, aber in Wirklichkeit ist es eine massive Verschwendung von Steuermitteln.

Der Herr Bundeskanzler müsste das auch wissen, da er sich in zwei – von drei – Stu­dienabschnitten mit der Justizmaterie befasst hat. Ich nehme an, dass Verständnis dafür, ob das gut und notwendig ist, vorhanden sein muss und dafür, ob es vor allem wichtiger ist als es etwa die Ressourcen im Strafvollzug oder in anderen Bereichen sind, nachdem wir zuletzt erfahren haben, was sich im Grauen Haus abspielt.

Worum geht es da eigentlich? – Es geht dabei darum, dass in sehr aufwendiger Art und Weise nach totem Recht gesucht wird, nach Recht, das nicht mehr angewendet wird, als wäre das etwas besonders Wesentliches. Stellt man sich das bildlich vor, so soll auf einem Friedhof die Leiche, das tote Recht, aus einem Grab ausgegraben und neuerlich in einem anderen Grab versenkt werden, und dort liegt es dann. (Abg. Stefan: Noch nicht im Grab, das ist es ja! Im Leichenschauhaus!)

Auf Wunsch des Herrn Bundeskanzlers wird dafür über ein halbes Jahr, glaube ich, ein Aufwand betrieben, bei dem viele Beamtinnen und Beamte schauen, was wir noch brauchen und was wir eigentlich nicht brauchen, da alles, was vor dem Jahr 2000 Gesetz war, grundsätzlich gestrichen wird. Meine Damen und Herren, da reicht ein Student im zweiten oder dritten Abschnitt oder Semester, um zu sehen: Was ist denn um Himmels willen der Wert davon, dass ich totes Recht erkenne?

Eines kommt noch dazu: Man hat gesagt, na ja, möglicherweise braucht man das tote Recht doch irgendwann, um es anzuwenden, und daher wird auf diesem Friedhof noch ein Hochstand aufgestellt. Da oben sitzt dann jemand und schaut, wo sich unter Umständen noch eine Leiche bewegt, denn wenn das der Fall ist, dann exhumiert man


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sie wieder und legt sie zu den Lebenden, meine Damen und Herren. – Das Ganze ist völlig grotesk! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Krisper und Noll.)

Sie reden immer von Gold Plating: Das ist der Inbegriff von Gold Plating, da vergolden Sie etwas, was kein Mensch in diesem Land braucht. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.) Ich habe es schon einmal gesagt – wenn der Herr Bundesminister das vielleicht noch wird sagen müssen, verstehe ich das dann auch –, dass wir schon einmal eine Rechts­bereinigung im Jahr 2000 hatten und damals von den Wissenschaftlern zahlreiche Vorwürfe dahin gehend bekommen haben, ob wir nichts Wichtigeres zu tun haben, als solche Maßnahmen zu treffen, wie jetzt zum Beispiel, da es alles, was vor 2000 an Gesetzen geschaffen wurde, nicht mehr geben soll.

Wir brauchen das Geld anderswo, wir brauchen das Geld etwa beim Erwachse­nen­schutzgesetz, bei dem wir zauberhafterweise von 80 auf 20 Millionen Euro zulasten der Ärmsten der Armen reduziert haben. Letzte Woche etwa – der „Falter“ bringt das gut (eine Ausgabe der genannten Zeitung in die Höhe haltend) –, kam es aufgrund man­geln­den Einsatzes – weil wir, weil Sie, Herr Minister, das Personal nicht haben – im Grauen Haus zu einem Brand, bei dem drei Personen fast verbrannt wären und viele Beamte schwerst verletzt worden sind. Das ist eigentlich das, wofür man das Geld wirklich braucht, und nicht zum Ausgraben von Gesetzesleichen, die keinen Menschen tangieren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Krisper und Zinggl.)

14.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Lettenbichler ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


14.14.47

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie und auch zu Hause vor den Bildschirmen! Es ist mir wichtig, nach den Argumenten oder Nicht-Argumenten des Kollegen Jarolim einiges zurechtzurücken, denn unter dem sperrigen Titel Zweites Bundesrechtsbereinigungsgesetz versteht man die größte Rechtsbereinigung in der Zweiten Republik. Es ist dies ein weiterer Schritt unseres Projektes: Österreich neu bauen.

Diese Koalition treibt große Reformen voran und startet mit einer umfassenden Rechts­bereinigung zugunsten aller Bürgerinnen und Bürger, zugunsten aller Unternehmerin­nen und Unternehmer. Damit werfen wir Rechtsnormballast ab. Diese Koalition setzt damit den Auftakt zu umfassenden Reformen im Rechtsbereich. Als Nächstes wollen wir uns mit dem Gold Plating befassen und in weiterer Folge die weiterhin bestehenden Gesetze vereinfachen, sprich: verständlicher machen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Reformminister Josef Moser hat mit seinem Team im Bundesministerium, aber auch in Zusammenarbeit mit den anderen Bundesministerien in höchster Professionalität und binnen kürzester Zeit mit der gebotenen Genauigkeit und sehr ressourcenschonend die bestehende Rechtslage durchforstet und Gesetze und Verordnungen auf deren Sinnhaftigkeit und vor allem auf deren Notwendigkeit überprüft. Von den über 5 000 über­prüften Gesetzen beziehungsweise Verordnungen, die vor dem Jahr 2000 beschlossen wurden – um diese Gesetze geht es –, werden nun 2 455 Stammvorschriften außer Kraft treten, das sind immerhin mehr als 54 Prozent aller Verordnungen, Kundmachun­gen und Entschließungen sowie 38 Prozent der Gesetze.

Es ist schon angesprochen worden: Die letzte Rechtsbereinigung im Jahr 1999 hat im Vergleich dazu zu einer Streichung von 500 Gesetzen und Normen geführt und die da-


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malige Koalition hat dafür circa 13 Jahre gebraucht. Im Vergleich dazu: Dieser Entlas­tungsschritt, Herr Bundesminister, benötigte keine vier Monate. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Der damalige Prozess wurde auch dieses Mal angewandt, und umso bedauerlicher und auch unverständlicher ist, dass die SPÖ ihn nun nicht mitträgt. Die Argumente der Ressourcenverschwendung kann ich nicht teilen. Der Herr Bundesminister hat sich schon zwei Mal bemüht, einmal bei einer Aussprache und auch im letzten Ausschuss, und er wird es, glaube ich, heute auch wieder erklären. Vielleicht verstehen Sie es beim dritten Mal.

Da auch die wissenschaftliche Seite angesprochen wurde: Wir erhalten Unterstützung für diese Rechtsbereinigung. So hat zum Beispiel Professor Bernd-Christian Funk schon im Jahr 1994 gemeint: Rechtsbereinigung soll den Zugang zum Recht freilegen, der durch Über- und Fehlproduktion an Gesetzen verschüttet zu werden droht.

Die Tausenden sinnlosen oder nicht mehr zeitgemäßen Normen sind ein überflüssiger Ballast für uns alle, und es ist wohl jedem klar, dass es, wenn man als Bürger versucht, sich im RIS Informationen zu holen, gewiss einen Unterschied macht, ob 5 000 Nor­men, Gesetze und Verordnungen drinnen sind oder nur die Hälfte davon.

Wir wollen die Rechtsanwendung erleichtern und sorgen damit für mehr Rechts­sicher­heit. Vereinfachen, beschleunigen, entbürokratisieren – mit diesem Versprechen ist diese Bundesregierung angetreten und mit diesem heutigen Gesetz halten wir einmal mehr Wort. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Zinggl. – Bitte.


14.18.56

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (PILZ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Niemand hat etwas gegen die Entsorgung alter, toter, unnötiger Gesetze, aber bei der Durchsicht der Gesetze, die im Zuge des Reinigungs­pro­grammes überlebt haben, ist mir ein Gesetz aufgefallen, das vielleicht charakte­ris­tisch für diese Politik ist und verblieben ist, obwohl es 150 Jahre alt ist. Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1868 – nicht 1968, sondern 1868! –, und ich habe gedacht, es ist tot, aber es lebt weiter und es lebt wieder und es wurde explizit aus diesem Reini­gungs­programm herausgefischt. Es geht um das Eidgesetz. Es geht um die Prozess­ordnung und das Schwören vor Gericht mit Schwurgarnitur und allem möglichen Hokus­pokus.

Ich darf vielleicht nur § 3 als Beispiel vorlesen:

„Vor der Eidesablegung hat der Richter den Schwurpflichtigen in einer dessen Bil­dungs­grade und Fassungskraft angemessenen Weise an die Heiligkeit des Eides vom religiösen Standpuncte, an die Wichtigkeit des Eides für die Rechtsordnung, an die zeitlichen und ewigen Strafen des Meineides zu erinnern [...]“

Na ja. Dieses juristische Fossil ist nicht einmal novelliert worden, das heißt, es ist in seiner Urfassung weiterhin gültig und es bleibt offensichtlich Gesetz, weil es für die Regeln der gemeinsamen Staatsführung wichtig ist, für unser Zusammenleben wie einen Bissen Manna. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie, Herr Minister, nicht Ihren Abge­ordneten von den Regierungsfraktionen da etwas vorführen wollen, nämlich: Wir be­stim­men da Gesetze, die so komisch sind, und ihr müsst es trotzdem beschließen, ob ihr wollt oder nicht.


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Stellen wir uns jetzt einmal dieses Szenario vor: Wir brauchen erstens ein Kruzifix, das am Richtertisch fix montiert ist, damit nicht irgendjemand während der Verhandlung auf blöde Gedanken kommt. Dann brauchen wir links und rechts davon eine brennende Kerze, und wir brauchen drei Finger der rechten Hand, die gehoben werden, während die Formel „[...]; so wahr mir Gott helfe!“ gesprochen wird. Ich weiß nicht, ob die Richter auch darauf achten müssen, ob nicht die sogenannte Blitzableiterfunktion ein­gesetzt wird. Sie kennen das vielleicht noch, die Älteren zumindest, aus der Kindheit: Wenn wir in Schwurnot geraten sind, konnten wir mit der linken Hand hinter dem Rücken zwei Finger kreuzen, und damit war das, was man vorne geschworen hat, obsolet, das heißt, es war nicht mehr gültig. Um diese Tricks zu verhindern, würde ich vorschlagen, dass wir überlegen, einen entsprechenden Initiativantrag einzubringen. – Spaß beiseite!

Schade, dass wir in diesem Land von der Aufklärung offensichtlich nur gestreift worden sind. Sie erinnern sich, Immanuel Kant hat immer wieder darauf hingewiesen, dass Schwüre und Eide eine Einschränkung der Freiheit bedeuten und hat sie dement­sprechend abgelehnt. Tausend Jahre europäische Geschichte, Kampf gegen die Ein­mischung von religiösen Vorstellungen in die Staatsgewalt und in die Gerichtsbarkeit sind offensichtlich nicht ganz erfolgreich gewesen in dem Land, denn wir schwören weiterhin und haben Angst vor Höllenqualen. Die Christen schwören noch dazu auf einen Christus am Richtertisch, der ihnen in der Bergpredigt deutlich gesagt hat: Schwört nicht, weder beim Himmel noch bei der Erde noch bei Jerusalem. Gut möglich, dass uns auch das Christentum nur gestreift hat. Vielleicht sind wir überhaupt noch wesent­lich länger den Runen und den Fackelkreisen und den Schutzamuletten und was im­mer es damals gegeben hat, verhaftet.

Jedenfalls ist dieses Beharren auf einem Gesetz symbolisch für diese anachronistische und rückwärtsgewandte Politik. Ich stelle daher folgenden Antrag:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage 192 d.B.: Bundesgesetz betreffend die Bereinigung von vor dem 1. Jänner 2000 kundgemachten Bundesgesetzen und Verordnungen (Zweites Bundesrechtsbereinigungsgesetz – 2. BRBG)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

„In der Anlage zu diesem Bundesgesetz wird der Eintrag unter der Klassifikations­num­mer 22.04.20 betreffend RGBl. 33/1868 gestrichen.“

*****

Ich bin der Meinung, das Eidgesetz aus 1868 ist ein Fremdkörper in einem aufge­klär­ten, modernen Rechtsstaat und daher entbehrlich. – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz.)

14.23

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Wolfgang Zinggl,


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Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage 192 d.B., Bundesgesetz betreffend die Bereinigung von vor dem 1. Jänner 2000 kundgemachten Bundesgesetzen und Verordnungen (Zweites Bundesrechtsbereinigungsgesetz – 2. BRBG)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

In der Anlage zu diesem Bundesgesetz wird der Eintrag unter der Klassifikations­num­mer 22.04.20, betreffend RGBl. Nr. 33/1868 gestrichen.

Begründung

Das Eidgesetz aus dem Jahr 1868 stellt einen Fremdkörper in einem modernen demo­kratischen Staatswesen dar und ist für die Rechtspflege verzichtbar. Darüber hinaus steht es in Konflikt mit der Menschenrechtskonvention (Religionsfreiheit).

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Tschank. – Bitte.


14.24.15

Abgeordneter Dr. Markus Tschank (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Bild­schirmen! Wir diskutieren heute das Zweite Bundesrechtsbereinigungsgesetz, das vor allem für Rechtsanwender viele Vorteile bringt. Vor knapp 19 Jahren hat das Hohe Haus bereits ein Erstes Bundesrechtsbereinigungsgesetz in ähnlicher Form beschlos­sen. Damals waren rund 250 von 500 Normen betroffen, und circa 170 weitere Rechts­vorschriften traten durch das Deregulierungsgesetz 2006 außer Kraft. Das nunmehr anstehende Gesetzesvorhaben ist der bislang umfangreichste Schritt zur Entrümpe­lung der österreichischen Rechtsordnung, und das ist auch gut so, sehr geehrte Da­men und Herren.

Es soll wieder einen guten Überblick über unsere Gesetze geben, und die Menschen sollen auch auf einen Blick wissen, was gilt und was eben nicht mehr gilt. Recht muss verständlich sein, damit man es in Anspruch nehmen kann, ist eine ganz wichtige Devise. Und das gilt nicht für die Sprache der jeweiligen Gesetze, sondern für ihre Systematik.

Die Gesetzesflut der letzten Jahrzehnte birgt die Gefahr, dass der Rechtsstaat an der Fülle seiner eigenen Gesetze erstickt. Es sollte ja nicht unser Anspruch sein, den Men­schen das Leben zu erschweren, sondern wir wollen das Leben der Menschen ein­facher gestalten. Und wenn die Bürokratie und die Regulierung ansteigen, gibt es immer weniger Freiheit und Eigenverantwortung für die Menschen in diesem Land, sehr geehrte Damen und Herren. Wir wollen das Leben der Bürgerinnen und Bürger vereinfachen, auch das Leben der Behörden und Unternehmen vereinfachen und eben Freiheit und Eigenverantwortung stärken.

Durch dieses Gesetz, sehr geehrte Damen und Herren, sollen gegenstandslos gewor­dene Rechtsvorschriften außer Kraft gesetzt werden, um die Rechtssicherheit zu erhö­hen und die Grundlage für weitere Reformschritte zu schaffen. Totes Recht soll eben nicht länger völlig unnötigerweise Teil der österreichischen Rechtsordnung sein.


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Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele, um das praktisch ein bisschen zu veranschaulichen: Brauchen wir eine Verordnung, mit der eine Ausnahme von der Wochenendruhe während der Alpinen Skiweltmeisterschaft 1991 zugelassen wird? Brauchen wir ein Gesetz über die Einziehung der Scheidemünzen – das ist ein Zahlungsmittel aus Zei­ten der Monarchie zu 10 Groschen aus Zink? Oder: Brauchen wir eine Verordnung über die Richtigstellung der Firmenbezeichnung des Betriebes Kupferbergbau Mitterberg? – Wahrscheinlich werden Sie mir recht geben, Kolleginnen und Kollegen, wenn ich sage, dass wir solche Gesetzesmaterien und Verordnungen natürlich nicht mehr brauchen.

Zum Inhalt dieser Reform: Alle einfachen Bundesgesetze und Verordnungen des Bundes, die vor dem 1. Jänner 2000 kundgemacht wurden und noch als Bundesrecht in Geltung stehen, sollen mit 31. Dezember 2018 außer Kraft treten, sofern sie nicht im Anhang des Gesetzes aufgezählt sind. In den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen insgesamt rund 5 000 Rechtsvorschriften. Von diesen 5 000 Rechtsvorschriften werden rund 2 500 Rechtsvorschriften außer Kraft gesetzt, was in etwa einer Bereini­gungs­quote von 50 Prozent entspricht. Von den insgesamt rund 1 650 Bundesgesetzen wer­den mehr als 600 außer Kraft treten, das ist eine Bereinigungsquote von etwa 38 Prozent. Von den rund 3 350 Verordnungen werden mehr als 1 800 außer Kraft treten, das ist eine Bereinigungsquote von rund 54 Prozent.

Die Rechtsvorschriften, die jetzt gelöscht werden, wurden in einem mehrstufigen Ver­fah­ren unter Einbeziehung aller beteiligten Stakeholder eruiert und identifiziert. Gene­rell ausgenommen sind nur Verfassungsgesetze und Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen.

Wir haben – erinnern Sie sich? – im Ausschuss über das Problem der Gesetzes­ver­weise gesprochen. Auch diesbezüglich gibt es eine Klarstellung in den Materialien dahin gehend, dass jene Verweise, die in den Rechtsvorschriften, die nunmehr ge­löscht werden, zitiert werden, selbstverständlich für den Sinn und Zweck dieser Rechts­vorschrift in Kraft bleiben.

Die Vorteile dieser groß angelegten Reform – danke noch einmal an den Herrn Minis­ter, dass er das angegangen ist –: Es liegt auf der Hand, dass es einen großen Unter­schied macht, ob statt circa 5 000 im RIS abfragbaren Rechtsvorschriften nur noch 2 500, also die Hälfte davon, für die Lösung eines konkreten Rechtsfalles relevant sein können, eine flächendeckende Rechtsbereinigung erhöht die Rechtsklarheit, und schließ­lich schafft es dieses Gesetz, dass Überregulierung und Bürokratisierung, unter denen die Bürger, die Behörden und die Unternehmer leiden, zurückgehen. Deshalb kann ich dieses Gesetz und dieses Vorhaben nur unterstützen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Griss. – Ich erteile ihr das Wort.


14.29.34

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich möchte bei meinem Vorredner anschließen und sagen – so, wie er es geschildert hat –, Rechtssicherheit erhöhen, Rechtslage bereinigen, Zugang zum Recht verbessern, dagegen kann man nicht sein, da muss jeder sagen, wun­derbar, das ist ein großer Reformschritt. – Nur, das Problem dabei ist, dass es mit dem, was dieses Gesetz bewirkt, nicht übereinstimmt, denn dieses Gesetz setzt totes Recht außer Kraft, und toter als tot, wenn es die Steigerung gibt, kann man nicht sein. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Stefan: Untote! Zom­bies!)


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Ich will jetzt nicht das etwas drastische Bild des Herrn Dr. Jarolim verwenden, der vom Exhumieren und Wiederbegraben gesprochen hat, aber ich bringe ein anderes Bild: Stellen Sie sich einen Wald vor, in dem viel totes Holz liegt, und das tote Holz lässt die jungen Bäume nicht richtig wachsen. Da wird man natürlich sagen: Das tote Holz muss man beseitigen, damit die jungen Bäume wachsen können. – Nur, und das ist der ent­scheidende Punkt, die Rechtsordnung ist etwas ganz anderes. Ein Gesetz ohne An­wen­dungsbereich, ein überflüssig gewordenes Gesetz stört niemanden! Niemanden! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Jeder Jurist oder jede Juristin, der oder die einen Fall zu lösen hat, geht natürlich ins RIS. Jemand hat in einer Zeitung geschrieben: Diese Reform ist schon gut, denn dadurch werden die Gesetzbücher dünner. – Die sind in keinem Gesetzbuch drinnen, all diese gegenstandslos gewordenen Gesetze! Daher ist das im wahrsten Sinne des Wortes ein Luxusgesetz. Wir leisten uns das. Es bringt nichts, aber es schadet auch nicht; daher werden wir zustimmen, denn es ist völlig egal. (Heiterkeit bei den NEOS.)

Es ist sehr schade, dass sich die Regierung nicht Montesquieu zu Herzen genommen hat. Montesquieu hat gesagt: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen“, und an das hätten Sie sich halten sollen. – Danke. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz.)

14.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Moser. – Bitte, Herr Bundesminister.


14.32.27

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich glaube, jeder hier in diesem Raum hat sich zum Vorsatz gemacht, die Ge­setze einfacher, klarer, verständlicher zu machen, Rechtsklarheit herzustellen und die Rechtssicherheit zu stärken. Wenn man dies beabsichtigt, wenn man Österreich in diese Richtung bauen will, dann ist es sehr wohl ein Punkt, dass man eben tatsächlich Maßnahmen in diese Richtung setzt.

Ein Punkt, der in diese Richtung geht, ist das Zweite Bundesrechtsbereinigungsgesetz, im Zuge dessen man überprüft hat, welche Gesetze überhaupt noch anwendbar sind und welche nicht anwendbar sind, um den Ballast, den man nicht mehr benötigt, abzuwerfen, was notwendig war. Man hat also jetzt nach langer Zeit wieder einmal die Gesetze durchforstet und ist draufgekommen, dass im Rechtsinformationssystem viele Gesetze und Verordnungen gar nicht beinhaltet waren, weil man darauf vergessen hat. Das heißt, somit haben wir jetzt mehr Verständlichkeit, da das RIS, das Rechts­infor­mationssystem des Bundes, jetzt vollständig ist und auch das wiedergibt, was man benötigt, nämlich jene Gesetze, die tatsächlich noch gelten. Das ist ein Effekt dieses Gesetzes.

Der zweite Punkt ist, dass man eine moderne Rechtsordnung hat, die 5 001 Rechts­vor­schriften beinhaltet, Gesetze und Verordnungen, wovon 49 Prozent, wie es bereits er­wähnt worden ist, nicht mehr anwendbar waren. Das heißt, es geht, wenn man Öster­reich neu bauen will, um das Setzen des ersten Schrittes in diese Richtung, nämlich dass man das wegfallen lässt, was man nicht benötigt, und sich das anschaut, was man noch benötigt. Und der zweite Schritt geht in die Richtung, dass man jene Nor­men, die beispielsweise EU-Normen übererfüllen, dahin gehend prüft, ob die Über­erfüllung in dem Fall noch zweckmäßig ist, noch notwendig ist oder ob diese die Leis­tungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Das ist der zweite Schritt.


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Der dritte Schritt, für den wir auch alle sind, ist der, dass man sich die Gesetze dahin gehend anschaut, ob sie so, wie sie derzeit bestehen, verständlich sind, ob sie bür­gernah sind, ob sie einen Zweck erfüllen, ob sie einfacher gemacht werden können. Auch das ist ein nächster Schritt. Aber man macht es nicht so, dass man 5 000 Vor­schriften, die noch in Geltung sind, einfacher gestaltet, um dann im vierten Schritt draufzukommen, dass dieses und jenes Gesetz gar nicht mehr notwendig ist.

Das heißt, wir gehen nach einer Strategie Schritt für Schritt vor: Wir lassen das weg­fallen, was wir nicht mehr benötigen. Wir überprüfen das, was übererfüllend und nicht mehr notwendig ist, und wir machen das Gesetz einfacher. Das ist meines Erachtens eine Vorgangsweise, die zweckmäßig und notwendig ist.

Frau Dr. Griss, Sie haben gesagt, dass das Gesetz überhaupt keinen Sinn macht. Ich meine, Professor Funk ist einer, den wir alle kennen und auch schätzen; er hat in diesem Zusammenhang Folgendes ausgeführt – ich zitiere –: „Eine systematische und fortlaufende Sichtung des Rechts auf dergleichen Ballast ist ein nicht zu unter­schät­zender Beitrag zur Rechtsbereinigung, der die Qualität des Rechts spürbar verbessern kann.“ – Also auch Professor Funk steht zu Ihnen im Widerspruch, indem auch er meint, dass es notwendig ist, diese Maßnahme zu setzen.

Es gab ja schon eine erste Rechtsbereinigung, nämlich im Jahr 1999 – sie ist bereits erwähnt worden –, die 13 Jahre gedauert hat, also sicherlich sehr aufwendig durch­geführt worden ist. Diese hat dazu geführt, dass von rund 500 Rechtsvorschriften 250 weggefallen sind, also auch rund 50 Prozent. Und jetzt haben wir eine Rechts­be­reinigung durchgeführt, die dazu führt, dass 2 500 Rechtsvorschriften wegfallen. Da­mals, als es um 250 Rechtsvorschriften gegangen ist, die weggefallen sind, gab es Einstimmigkeit im Nationalrat, und damals waren alle der Meinung, dass es wichtig und notwendig ist, eine Rechtsbereinigung durchzuführen und endlich einmal zu schauen, dass das Recht den Gegebenheiten angepasst wird.

Ich zitiere in diesem Zusammenhang Herrn Abgeordneten Jarolim, den ich sehr schätze:

„Zur inhaltlichen Bereinigung sieht der heute zur Diskussion stehende Entwurf vor, daß alle Regelungen, die vor 1946 in Kraft gesetzt wurden, dann aufgehoben werden, wenn sie nicht ausdrücklich in der Anlage des Gesetzes erwähnt werden.“ Genau das haben wir gemacht. „Es ist das eine relativ unumstrittene Maßnahme, und nach einer umfang­reichen Prüfung – man muß dazusagen, daß dieses Projekt bereits seit 1986 läuft –“, also 13 Jahre, „bei der die einzelnen Regelungen auf Wirksamkeit, Bedarf, Anwender­freund­lichkeit und Überschaubarkeit überprüft worden sind [...]“. – Abgeordneter Jarolim, ich stimme Ihnen voll zu.

Dann geht es weiter: „Ich glaube, dieses Projekt ist ein Beginn. Allein schon das Datum – es sind Gesetzesmaterien bis 1946 – zeigt, daß natürlich noch darüber hinaus die Notwendigkeit besteht, die Gesetze weiter zu durchforsten [...]“ – das heißt Gesetze de facto nach dem 1.1.1946. Das haben wir gemacht.

„Insofern ist dieses Projekt ein erster Schritt [...] in Richtung Vereinfachung und Ver­ständlichkeit des Gesetzes [...]“. – Da stimme ich zu hundert Prozent zu. Ich schätze ihn auch aufgrund der Äußerungen, aber nicht nur aufgrund dieser.

Dann heißt es weiter: „Ich gehe davon aus, daß wir weiterhin daran arbeiten, und wir werden natürlich auch bei den laufenden Gesetzen immer wieder diese Kriterien, nach denen wir die Gesetze vor 1946 geprüft haben, zu prüfen haben [...]“. – Das haben wir gemacht.

Ich meine deshalb, dass Abgeordneter Jarolim selbst und vielleicht Sie alle seiner da­maligen Beurteilung folgen können, denn es hat sich nichts geändert. Geändert hat


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sich, dass es damals nur 500 Gesetze waren und 250 gelöscht worden sind und wir heute 2 500 Gesetze löschen, um eine Rechtsordnung zu haben, die überschaubar ist, die einfacher ist und dementsprechend auch die Informationskosten für den Rechts­anwender senkt.

Ich hoffe, dass der nächste Schritt, der in die Richtung geht, überflüssige Übererfül­lun­gen von EU-Normen zu streichen beziehungsweise inhaltliche Verbesserungen in den Gesetzen durchzuführen, auch mit Ihrer Unterstützung möglich sein wird, damit eben die Gesetze in Österreich wieder verständlicher werden und von den Menschen auch angenommen werden können.

Abgeordneter Zinggl hat auf das Eidgesetz hingewiesen. Auch diesbezüglich möchte ich darauf hinweisen: Wir haben dieses Verfahren sehr, sehr gewissenhaft abgewickelt und durchgeführt. Zum einen hat jedes Ministerium in seinem Bereich alle Gesetze überprüft und dargelegt, welche Gesetze noch anwendbar sind und welche nicht anwendbar sind. Der Verfassungsdienst meines Hauses hat die gleiche Prüfung durch­geführt. Es wurde dann alles gesichtet und in einem Begutachtungsentwurf zusam­men­gefasst. Danach folgte eine sechswöchige Begutachtung. Es wurden auch die Arbeitsunterlagen im Internet veröffentlicht, und es hätte die Möglichkeit bestanden, Herr Abgeordneter, dass Sie dieses Gesetz einmelden, dass es auch gestrichen werden soll. Das war aber nicht der Fall. Das heißt, es war jeder eingeladen, bekannt zu geben, welches Gesetz aus seiner Sicht nicht mehr benötigt wird – eine Möglichkeit, die man in Zukunft wahrnehmen sollte.

Der nächste Schritt war, dass die im Rahmen des Begutachtungsverfahrens einge­langten Rückmeldungen an die Ministerien weiterübermittelt wurden. Die haben sie dann geprüft, ebenso der Verfassungsdienst, es hat eine Kommunikation stattge­funden – und das Ergebnis liegt heute auf dem Tisch. Ich bin mir sicher, dass hier eine Materie auf dem Tisch liegt, die wirklich sehr akribisch erarbeitet worden ist und eine entsprechende Verbesserung und mehr Klarheit bringt.

Abschließend möchte ich, so wie das damals auch Abgeordneter Jarolim in seiner Rede getan hat, insbesondere dem Verfassungsdienst und dem Leiter des Verfas­sungsdienstes für die hervorragende Vorarbeit zu diesem Gesetz danken, und ich hoffe, dass auch diejenigen, die noch nicht überzeugt waren, dieser Vorlage doch noch ihre Zustimmung geben werden, weil damit ein Schritt in die richtige Richtung gesetzt wird. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.39


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Smodics-Neumann. (Zwischenruf des Abg. Jarolim. – Ruf: Der kann es wirklich nicht lassen, ... Kasperl! – Abg. Wöginger: Es ist alles gesagt, Jarolim!) – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.40.22

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident, herzlichen Dank für die Worterteilung! Inhaltlich, glaube ich, brauche ich nichts mehr hinzuzufügen, denn die Kollegen Lettenbichler und Tschank haben bereits sehr gut erläutert, worum es in diesem Gesetz geht, und auch Herr Bundesminister Moser hat, wie ich meine, sowohl im Ausschuss als auch hier noch einmal deutlich gemacht, wie die Vorgehensweise ist.

Nun sage ich Ihnen als Unternehmerin Folgendes: Würde oder müsste ich etwas aus­misten, dann ist es genau diese Vorgehensweise, die kosteneffizient und sinnvoll ist, denn ich werde mir nicht alles inhaltlich in der Tiefe anschauen, sondern ich schaue zuerst einmal, was überhaupt noch Sinn macht, hole mir das heraus, was tatsächlich noch Sinn macht, und komme dann zum nächsten Schritt, auf den ich mich speziell als


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Unternehmerin sehr, sehr freue, nämlich auf die Evaluierung und auf die Überprüfung des Gold Plating. Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung, Herr Jarolim: Gold Plating hat nichts mit dem Gewerbe des Vergolders oder Juweliers zu tun, sondern da geht es darum, dass gewisse Vorschriften übererfüllt werden. Gerade die Unternehmerschaft ist in diesem Falle sehr betroffen, und wir freuen uns da natürlich auf Erleichterungen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) – Danke.

Dann kommt eigentlich der wichtigste, nämlich der dritte Schritt, bei dem wir sagen: Wir haben jetzt bereinigt, wir haben evaluiert, wir haben verändert, und nun kommt die Überprüfung der Wirksamkeit und damit auch noch einmal die Möglichkeit, auf verän­derte Gegebenheiten Einfluss zu nehmen. Es folgt also eine Überprüfung der Wirk­samkeit und auch des Kostenaufwandes, denn es macht, meine ich, auch durchaus Sinn, die Höhe der Kosten, die der Vollzug eines Gesetzes verursacht, und was es tatsächlich auch im Budget bringt, zu überprüfen.

Ich danke Ihnen, Herr Minister, für dieses gewaltige Engagement, auch für diese Input-Output-Relation, die Sie da im letzten halben Jahr geleistet haben. Das sind Zugänge, die Effizienz und Unternehmertum schätzen. Ich danke Ihnen sehr herzlich dafür und freue mich auf den zweiten Schritt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie Bravoruf des Abg. Zanger.)

14.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Fried­rich Ofenauer. – Bitte.


14.42.58

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Geschätzte Zuse­herinnen und Zuseher! Ein Motto dieser Bundesregierung ist, das Leben der Menschen einfacher zu gestalten und – wir haben es schon gehört – Österreich neu zu bauen.

In diesem Zusammenhang spielen Gesetze und Verordnungen natürlich eine ganz wichtige Rolle. Dabei sind Gesetze kein Selbstzweck und vor allem auch kein Arbeits­nach­weis für uns Abgeordnete – also möglichst viele Gesetze zu beschließen, um dann möglichst viel gearbeitet zu haben –, im Gegenteil: Wir brauchen klare und über­sichtliche Regelungen, Gesetze, an denen sich die Menschen orientieren können, und diese müssen einfach und lesbar und vor allem auch verständlich sein, auch wenn alles immer komplexer wird, die Themengebiete immer schwieriger und vielfältiger und auch die Fragestellungen schwieriger werden.

Da geht es um eine inhaltliche Prüfung, und das ist der nächste Schritt, wie bereits angekündigt wurde, und zwar der nächste Schritt vor dem Schritt, die Übersichtlichkeit wiederherzustellen, denn um diese zu erhalten, ist es wichtig, regelmäßig auszu­sortieren. Sie werden das vielleicht aus dem eigenen Keller kennen: Irgendwann einmal ist ein Kellerabteil, in dem immer noch ein Ding hineingestellt wird, weil man sonst keinen Platz findet, voll, und man weiß eigentlich gar nicht mehr, was man hat. Das heißt, es ist auch notwendig, dieses Kellerabteil regelmäßig zu entrümpeln – und das machen wir mit diesem Gesetz. Es freut mich eigentlich, dass keiner der Vorredner wirklich tragfähige Gründe gegen den Beschluss dieses Gesetzes gehabt hat; es gab nur einen erheiternden Ausflug ins Jagdrecht und einige polemische Vergleiche.

Festzuhalten ist, dass 2 447 Gesetze und Verordnungen ersatzlos aus dem Rechts­bestand gestrichen werden, denn auch wenn sie totes Recht sind, sind sie immer noch da und tragen damit nicht zur Übersichtlichkeit bei; gleichzeitig werden aber 2 554 Vor-


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schriften ausdrücklich angeführt, die in Geltung bleiben – das Ganze nach einem entsprechenden Prozess, damit kein wichtiges Gesetz übersehen wird.

Auf einen Punkt möchte ich besonders hinweisen: Es ist natürlich wichtig, dass man sicher sein kann, dass im Rechtsinformationssystem des Bundes wirklich die gültigen Gesetze angeführt sind, dass man die gültigen Gesetze findet und dass es nicht vielleicht irgendwo anders auch noch ein Gesetz gibt, das man anwenden könnte. Dann wäre es tatsächlich so, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht findet, und auch in einem Wald muss man regelmäßig ausforsten.

Es ist ein Schritt zu einem schlanken, effizienteren Staat, der von unserer Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Strache und Reformminister Josef Moser gesetzt wird, wenn 38 Prozent aller vor dem Jahr 2000 kundgemachten Gesetze und 54 Prozent aller Verordnungen ihre Gültigkeit verlieren. Im nächsten Schritt wird es um die inhaltliche Prüfung der bestehenden Gesetze gehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dieser Bereinigung werfen wir unnötigen Ballast ab und entrümpeln – was notwendig ist – wieder einmal unsere Rechtsord­nung. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Berlakovich ist nächster Red­ner. Ich darf ihm das Wort erteilen.


14.46.10

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Frau Abgeordnete Griss hat einen originellen Vergleich gebracht, indem Sie das tote Recht mit Totholz im Wald verglichen hat. – Ich meine, der Vergleich ist kreativ, aber falsch, denn totes Recht ist zu nichts nütze, außer dass es in irgendwelchen Verzeichnissen steht, aber Totholz ist sogar sehr wichtig, weil es für die Humusbildung des Waldes notwendig und für so mancherlei Getier auch eine gute Heimstatt ist – für Spechte und andere Vögel. Deswegen wird in Natur­schutzprogrammen sogar unterstützt, dass es Totholz in den Wäldern gibt, weil es bunter wird. – Der Vergleich ist aber originell und man kann darüber diskutieren. (Abg. Scherak:  ... Landwirtschaftsminister?!)

Diese Bundesregierung ist angetreten, Österreich nachhaltig zu verändern und im positiven Sinn zu gestalten. Das haben wir heute gemacht, indem der Familienbonus Plus, eine große Unterstützung für die Familien, beschlossen wurde, das wurde ge­macht, indem die Arbeitslosenversicherungsbeiträge für Niedrigeinkommensbezieher gesenkt wurden – ebenfalls eine Entlastung –, und ein weiteres großes Thema ist die Entbürokratisierung.

Jetzt muss man ehrlich sein: Die Bürgerinnen und Bürger glauben ja der Politik wenig, wenn man davon spricht, denn eigentlich jede Regierung, jeder Politiker nimmt das in den Mund und sagt: Entbürokratisierung!, aber was die Bürgerinnen und Bürger erfah­ren, ist oft das Gegenteil, nämlich dass es mehr wird. Das ist mir zuletzt passiert – Ihnen wahrscheinlich auch – im Zusammenhang mit der Datenschutz-Grundverord­nung, wegen der die Menschen sagen: Bitte weniger Bürokratie, wir haben jetzt viel mehr Bürokratie zu bewältigen! – Das erklärt sich aber auch aus den Gegenständen, denn es gibt jede Menge Daten und man muss dieses Datensystem ordnen, man muss den Bürger schützen, und daher braucht man die Datenschutz-Grundverordnung.

Damit will ich sagen, dass neue Materien, neue Lebensumstände es oft erfordern, dass neue Regeln aufgestellt werden, die dann die Bürgerin, den Bürger sozusagen in neue bürokratische Strukturen bringen. Nichtsdestotrotz ist es aber wichtig, dass man Schritte unternimmt, wie hier ein erster gemacht wird, wie es Bundesminister Moser ja


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auch gesagt hat, dass man einmal totes Recht beseitigt. Dies ist einmal ein erster Schritt, das wurde immer wieder gesagt.

Wenn es Gesetze aus der Monarchie gibt, die zwecklos sind, weil es gewisse Materien nicht mehr gibt – Kollege Tschank hat einige davon aufgezählt –, sind diese natürlich abzuschaffen, aber ich finde, die nächsten Schritte sind dann genauso wichtig, nämlich dass gesagt wird, dass keine überschießenden Regelungen gemacht werden, Gold Plating zum Beispiel in vielen Bereichen.

Ein weiterer Schritt ist, dass man viele kleine Verästelungen zum Beispiel in Inves­titions- oder Förderprogrammen beseitigt, die ja in Wahrheit dem Bürger viel Ärger bringen, beispielsweise wenn ein Wirt investiert und dann unglaubliche Vorschriften zu erfüllen hat, die er kaum einzuhalten vermag. Da ist auch die Mithilfe der Länder not­wendig, um wirklich Bürokratie zu reduzieren.

Vor einigen Jahren, als es um die letzte Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ging, durfte ich als Landwirtschaftsminister die Verhandlungen führen, und wir haben eine Arbeitsgruppe auf Bundesebene auch mit Ländervertretern und Praktikern eingerichtet, um das eben im Detail durchzuackern – das ist eine Knochenarbeit! – und unnötige Bürokratie bei Förderanträgen, bei Investitionsprogrammen abzuschaffen. Das war ein großes Konvolut von bürokratischen Regelungen.

Ich habe das damals dem seinerzeitigen Agrarkommissar Cioloş übergeben mit der Bitte, dass die Europäische Kommission selbiges macht und Bürokratie reduziert, und ich meine, das ist ein ständiges Programm, das notwendig ist. Es ist wichtig, Herr Bun­desminister, dass das angegangen wurde und dass man Schritt für Schritt wirklich ernsthaft – und die Bundesregierung vermittelt auch diese Ernsthaftigkeit – Bürokratie abbaut.

Das ist ein großes Unterfangen, aber ich glaube, dass die Bevölkerung das auch zu Recht erwartet, weil alle in allen Lebensbereichen unter der enormen Bürokratie stöhnen. – Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.49

14.50.05


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 192 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Zinggl, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungs­antrag eingebracht.

Ich darf daher zunächst über den vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teil und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile dieses Gesetzent­wurfs abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Zinggl, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Streichung des Eintrags unter der Klassifikationsnummer 22.04.20 aus der Anlage zu diesem Bundesgesetz eingebracht.

Wer dafür stimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diesen Teil des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren des Hohen Hauses, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Damit ist er angenommen.


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Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfs samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungs­vorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür die Zustimmung erteilen, sich zu erheben. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen zugleich zur dritten Lesung.

Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung angenommen.

14.51.4711. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (188 d.B.): Bun­desgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstraf­sachen (226 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (193 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfah­rens­gesetzen 2008, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwal­tungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geändert werden (227 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als erster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wittmann. – Bitte.


14.52.36

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! (Der Redner trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Antibasti“. – Ruf: Antibasti!) Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Europäischen Ermittlungsanord­nung ist festzuhalten (Unruhe im Saal – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), dass es sich dabei um eine Verfassungsbestimmung handelt, und letztendlich um eine vernünftige Verfassungsbestimmung. (Abg. Gudenus – auf das T-Shirt des Abg. Wittmann weisend, auf dem wegen des darüber getragenen Sakkos nicht alle Buch­staben sichtbar sind –: Taliban?)

Wir haben das Gesetz für die Landesverwaltungsgerichtshöfe und für die Bundes­verwaltungsgerichtshöfe betreffend die Zuständigkeiten absichtlich sehr eng gefasst, sodass wir deren Zuständigkeiten für diese Rechtshilfeersuchen jetzt erweitern.

In guter Form, wie im Verfassungsausschuss üblich, wurden auch jene technischen Dinge, die an diesem Gesetz nicht so gestimmt haben, in weiteren Verhandlungen bis heute bereinigt, sodass auch wir diesem Gesetz zustimmen können.

Wenn wir aber schon bei guter Form und beim Verfassungsrecht sind, möchte ich doch auch einige Worte zur Führung dieses Hauses verlieren, und zwar möchte ich als Vorsitzender des Verfassungsausschusses Folgendes dazu sagen: Es war üblich, dass man sich an die Usancen dieses Hauses gehalten hat, und es war so, dass sich die Präsidenten bisher als Präsidenten der dritten Gewalt verstanden haben, nämlich der Legislative, und nicht als Anhängsel der Regierung und nicht als Hausmeister der


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Regierung. Ich glaube, dass es in diesem Machtbalancefeld notwendig ist, auch die Rechte der dritten Gewalt zu vertreten. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie (in Richtung Präsident Sobotka) erfüllen diese Anforderungen nicht, aber ich erwarte mir, dass die Präsidentschaft so ausgeführt wird, wie sie in der Verfassung verankert ist, nämlich als Präsidentschaft der dritten Gewalt und nicht als Anhängsel der Exekutive.

Man sollte endlich damit aufhören, die Usancen, die in diesem Hause über 50 Jahre üblich waren, zu missbrauchen, indem man die Zuweisung an jene Ausschüsse gewährleistet, die dafür zuständig sind, und nicht Umgehungshandlungen setzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Es wäre auch die Aufgabe des Präsidenten, dafür Sorge zu tragen, dass Gesetze ordentlich begutachtet werden und nicht Husch-Pfusch-Ausschussbegutachtungen durch dieses Haus getrieben werden, was tatsächlich einer Umgehung dieses Hauses gleichkommt. Ich halte auch das für Ihre Verantwortung, und diese Verantwortung erfüllen Sie ebenfalls nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich ersuche Sie daher, erstens einmal in Ihrer Verantwortung vor der Verfassung Ihre Rolle endlich so wahrzunehmen, wie sie diesem Haus entspricht, dass Sie auch mit Selbstbewusstsein gegen die Regierung auftreten, wenn Sie zum Beispiel Polemik von der Regierungsbank zu unterbinden haben – das war bisher hier üblich und auch da sind Sie Ihrer Verantwortung nicht nachgekommen (Ruf: Stimmt!) –, und ich erwarte mir, dass die Führung dieses Hauses endlich wieder in geordnete Bahnen kommt.

Wir sind bereit, bei Verfassungsbestimmungen mitzuarbeiten; Sie sind nicht bereit, das Haus in jener Form zu führen, wie es Präsidenten vor Ihnen hervorragend gemacht haben, und da waren auch Präsidenten der Freiheitlichen und genauso der ÖVP dabei. (Abg. Kassegger: Ja, der Herr Graf!) Herr Khol hat das Haus der Verfassung ent­sprechend hervorragend vertreten, Sie tun das nicht. Machen Sie Ihre Verantwortung fest und machen Sie Ihren Job so, wie er auszuführen ist, eben in Verantwortung der Verfassung! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Hoyos-Trauttmansdorff. – Abg. Martin Graf: Als Nächstes wünscht du dir wieder mich zurück! Danke für das Lob! – Ruf: ... abgewählter Herr Wittmann!)

14.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gerstl. – Bitte.


14.56.37

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Mein Vorredner hat – das für alle Zuseherinnen und Zuseher – ein Thema gewählt, das nicht auf der Tagesordnung steht; erlauben Sie mir, trotzdem einen Punkt dazu zu sagen. Mein Vorredner konnte mit keinem einzigen Satz irgendeine Verfassungswidrigkeit des Handelns des Nationalratspräsidenten aufzeigen (Beifall bei ÖVP und FPÖ – Zwischenruf des Abg. Scherak), denn es gab keine Verfassungswidrigkeit in seinem Handeln. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt, meine Damen und Herren: Es hat sich in diesem Haus eine gewisse Usance eingespielt, nämlich die, dass man in einer Präsidiale, in der alle Klubs vertreten sind, gemeinsam zu einer Lösung findet, wie Tagesordnungen abzuhalten sind, an welche Ausschüsse wann zugewiesen wird. Allerdings gab es vor kurzer Zeit eine Situation, bei der eine Fraktion in diesem Hause nicht bereit war, für eine gemein­same Lösung da zu sein. (Abg. Schieder: Ihre!) Daraufhin hat der Nationalrats-


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präsident von seinem Recht Gebrauch gemacht, nämlich dem, eine Entscheidung zu treffen. Das Schlimmste, was dem Haus passieren kann, ist nämlich, dass keine Ent­scheidung getroffen wird, meine Damen und Herren. Dadurch unterscheiden sich auch diese Regierungsparteien von anderen Parteien: Wir wollen Entscheidungen herbei­führen und dieses Land regieren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Schieder: Sie wissen aber eh, dass das falsch ist, was Sie gerade erzählen! – Abg. Wöginger: Das ist nicht falsch! – Abg. Schieder: Aber so etwas von falsch!)

Darf ich nun zum Tagesordnungspunkt kommen? – Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es darum, wie wir mit unseren Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen umgehen, wenn sie Verwaltungsdelikte begehen. Dabei geht es darum: Was ist die Haltung? – Unsere Haltung ist, zu entkriminalisieren, das heißt, zu beraten statt zu strafen – unser erster Grundsatz. Wenn ein Dauerdelikt gesetzt wird, dann soll die Möglichkeit der Behörde bestehen, dass man zuerst berät und erst dann ein Strafverfahren einleitet, wenn jemand die Beratung nicht ernst nimmt und sein Verhalten nicht ändert.

Woran denke ich da konkret? – Dieses Beispiel kennt wahrscheinlich jeder: Sie über­siedeln von einem Ort in einen anderen, vielleicht sogar im selben Verwaltungsbezirk, und vergessen, Ihr Auto umzumelden. Die Behörde merkt das und sagt Ihnen: Melden Sie innerhalb einer Woche Ihre neue Adresse bei der Zulassungsbehörde! – Wenn Sie das tun, bekommen Sie keine Verwaltungsstrafe; wenn Sie es nicht tun, wird ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet. Ich glaube, das ist einfach ein neuer Zugang, wie wir mit Rechtsunterworfenen – ich sage: mit Staatsbürgern – umgehen, wie wir mit den Menschen umgehen. Wir leiten sie zu einem rechtskonformen Zugang an und wir strafen nicht als Erstes. Das ist der erste Grundsatz, der hiermit verfolgt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Zweiter Punkt – das kennen wahrscheinlich auch viele von Ihnen –: Sie fahren zu schnell in Niederösterreich, Sie fahren zu schnell in Wien oder Sie fahren zu schnell in Tirol, und überall bekommen Sie für dieselbe Geschwindigkeitsübertretung, sagen wir, von 12 km/h, eine andere Verwaltungsstrafe. Sie halten es für ungerecht, dass Sie in Wien mehr als etwa in Kärnten bezahlen müssen, um nur ein Beispiel zu nennen. Wir führen das jetzt zusammen. In Zukunft werden Sie in ganz Österreich nach einem einheitlichen Deliktskatalog einen einheitlichen Strafsatz bekommen. Ich glaube, es war längst an der Zeit, dass der Bürger auch dahin gehend Rechtssicherheit und Klarheit hat, dass jedes Delikt, egal, wo es in Österreich gesetzt wird, die gleiche Strafe verdient. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Der dritte Punkt ist für die Behörde, aber wahrscheinlich auch für die Staatsbürger wichtig: Es gibt immer wieder Menschen, die vor Verwaltungsgerichten oder vor Ver­waltungsbehörden immer wieder neue Dinge einbringen, um Verfahren unendlich zu verzögern oder zu verschleppen. Da gibt es jetzt einen Stopp; sie können in Zukunft nur mehr Neuerungen einbringen, wenn sie diese bis zum Ende des Ermittlungs­verfahrens beziehungsweise bis zum Ende der mündlichen Verhandlung einbringen. Bis dahin ist es möglich, aber danach dürfen sie – nur weil sie denken, sie können das Verfahren nochmals hinauszögern – keine neuen Tatsachen mehr einbringen, sofern diese zuvor noch nicht bekannt waren und dann erst bekannt wurden.

Meine Damen und Herren, das führt zu mehr Schnelligkeit, auch für die Behörden. Das führt zu mehr Klarheit und zu mehr Rechtssicherheit. In diesem Sinne möchte ich mich ganz herzlich bei unserem Reformminister, unserem Alt-Rechnungshofpräsidenten Moser, bedanken. Wir entbürokratisieren, wir verschlanken und wir wollen den Bürge­rin­nen und Bürgern damit ein einfacheres und leichter verständliches Verfahren zur Verfügung stellen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.01



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich unterbreche die Sitzung für einige Minuten und komme dann zum Aufruf.

*****

(Die Sitzung wird um 15.01 Uhr unterbrochen und um 15.03 Uhr wieder aufge­nom­men.)

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Ich unterbreche die Verhandlungen zu den Punkten 11 und 12 der Tagesordnung, da­mit die verlangte Behandlung einer Dringlichen Anfrage gemäß der Geschäftsord­nung um 15.04 Uhr stattfinden kann.

15.04.19Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Alma Zadić, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend „Die Achse der Mutwilligen“ (1182/J)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 1182/J.

Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

Seit wenigen Tagen führt Österreich den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Zwei Mal - 1998 und 2006 - hat Österreich diesen Vorsitz geführt, um die Einigung Europas voranzutreiben. Bei ihrem dritten Vorsitz steht die österreichische Bundesregierung zum ersten Mal auf der anderen Seite.

Die politische Wende, die die neue Bundesregierung in Österreich vollzieht, hat zwei Kerne. Der türkise Kern beherrscht die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Mit Abschaffung von Gewinnsteuern, 12 Stundentag und Angriff auf die Sozialversicherung bestimmt die ÖVP die neoliberale Linie. Das war keine Überraschung.

Der blaue Kern bestimmt die Linie der Regierung in der EU. Unter Kurz und Strache verlässt Österreich Schritt für Schritt die traditionelle Allianz der westeuropäischen Demokratien. Schon im September 2016 plädierte Strache für den Beitritt Österreichs in die Visegrad-Gruppe. Heute scheint es so weit. Das überrascht weit über Europa hinaus.

München – Wien – Budapest: die Achse der Mutwilligen

Für seine neue Politik braucht Kanzler Kurz neue Verbündete. Er findet sie in der euro­päischen Rechten. "Wer auf Orbán und Salvini herabschaut, zerstört die EU."1 Das sagt Kurz. „Die, mit denen wir zusammenarbeiten wollen, müssen, die heißen zum Bei­spiel: Heinz Christian Strache, Sebastian Kurz, Matteo Salvini und auch Victor Orban."2 Das sagt Jörg Meuthen, der Vorsitzende der AfD.

Im Verbund der neuen Rechten findet der italienische Innenminister Matteo Salvini die klarsten Worte: „Wir brauchen ein großes Aufräumen, Straße für Straße, Platz für Platz, Nachbarschaft für Nachbarschaft.“3


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Das Projekt der europäischen Einigung konnte sich mit „Paris-Berlin“ bis heute auf eine starke Achse verlassen. Die rechte Wende baut auf eine neue Achse: „München – Wien – Budapest“.

Die Achse „Paris – Berlin“ setzt weiterhin auf gemeinsame europäische Lösungen. Die Achse „München – Wien – Budapest“ setzt auf nationale Alleingänge. Sie nimmt mutwillig die Beschädigung der EU in Kauf. Sie ist die Achse der Mutwilligen.

Polen und Ungarn sind die Pioniere des neuen Blocks in Osteuropa. Sie finanzieren bis zu 20 Prozent ihrer nationalen Budgets aus Zuwendungen der EU. Im Gegenzug verweigern sie jede Solidarität mit Staaten wie Österreich, die nicht nur 2015 ge­mein­sam mit Deutschland große Beiträge zur Lösung der Flüchtlingskrise geleistet haben. Sie sind die Trittbrettfahrer Europas. Ihre wichtigste Plattform ist „Visegrad“.

Im Zentrum der Renationalisierung steht die Flüchtlingspolitik. Ihr Rezept klingt einfach. Es besteht im Kern aus vier Punkten:

1.          Lager in Nordafrika

2.          Hilfe vor Ort

3.          undurchlässige europäische Außengrenzen

4.          Abschreckung durch Abschiebungen und Kürzung der Leistungen für Flüchtlinge, die es schon nach Europa geschafft haben.

Lager in Nordafrika sind ebenso unrealistisch wie eine hermetisch abgedichtete EU. Aber Hilfe vor Ort, das geht – wenn man will. Nur: Das World Food Programm WFP, von dem die Versorgung Hunderttausender Flüchtlinge mit Lebensmitteln abhängt, wird von österreichischen Regierungen seit Jahren im Stich gelassen. 2018 liegt Öster­reich mit 603.865 USD auf Platz 43 der Spenderliste – hinter Lesotho, Luxemburg und Island. Die Schweiz zeigt mit 55 Millionen USD, wie auch ein kleines Land wirksam helfen kann.

Dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat Österreich für 2018 ganze 283.754 USD ver­sprochen. Die Schweiz beteiligt sich mit knapp 30 Millionen.

Statt der Flüchtlingshilfe finanziert Kanzler Kurz 2018 sich selbst – mit einem „Sonder­budget“ von 35,5 Millionen Euro. Für jeden Euro, den Kurz in Hilfe vor Ort investiert, in­vestiert er 30 Euro in sich selbst.

Und bei den Abschiebungen zeigt die Bundesregierung, wie man alles falsch macht. Ehemalige Flüchtlinge, die sich als Schlüsselarbeitskräfte bewährt haben, werden abgeschoben – und islamistische Hassprediger und Erdogan-Spitzel dürfen bleiben.

Der Fehlstart

„ ,Ich danke dir für deinen Mut und dass du hier für neue Bewegung sorgst‘, wendet sich Söder dann auch noch an Kurz persönlich.“4 Das berichtete die Presse am 20. Juni 2018 vom Besuch des bayrischen Ministerpräsidenten bei Kanzler Kurz in Linz. Strache und Kickl trafen zur gleichen Zeit den italienischen Innenminister Matteo Salvini in Rom.

Kurz machte aus seiner Unterstützung für die Grenzschließungspläne der CSU kein Hehl. Er verstärkte die Position der CSU: "Das Weiterwinken nach Mitteleuropa muss beendet werden!"5.

Am 20. Juni war der Putsch der CSU gegen die deutsche Bundeskanzlerin in vollem Gange. Innenminister Seehofer verfolgte mit der Schließung der bayrischen Grenze für Flüchtlinge aus Österreich ein offenes Ziel. Der Sturz von Angela Merkel war offen­sichtlich miteinkalkuliert.


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In Linz war klar: Die CSU putscht gegen die deutsche Kanzlerin. Aber warum machte Kanzler Kurz da mit?

Österreich wäre das Hauptopfer der Schließung der bayrischen Südgrenze für Flüchtlinge geworden. Kanzler Kurz nahm den Schaden für Österreich in Kauf. Wa­rum? War ihm eine Führungsrolle beim Sturz der deutschen Kanzlerin wichtiger als das Herzstück seiner Innenpolitik, die eigene Flüchtlingsabwehr?

Mit seiner Beteiligung an der Seehofer-Aktion hat Kanzler Kurz der österreichischen Ratspräsidentschaft einen Fehlstart beschert. Statt die neue Führungsrolle für die Stärkung Europa zu nützen hat sich Kanzler Kurz am CSU-Putsch beteiligt.

Damit hat Kanzler Kurz österreichischen und europäischen Interessen geschadet.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundeskanzler folgende

Anfrage

Asyl und Migration Österreich/Deutschland

1.          Wie bereitet sich Österreich auf mögliche Rückweisungen von Asyl­wer­bern an der österreichisch-deutschen Grenze vor?

2.          Welche konkreten Ziele verfolgen Sie in den Verhandlungen mit Deutsch­land nach der dortigen Einigung zur Rückweisungspolitik?

3.          Gab es bereits Konsultationen zwischen Österreich und Deutschland im Vorfeld der Einigung von CSU und CDU auf die Rückweisung von Asyl­suchenden an der Grenze oder die Unterbringung in Transitzentren entlang der Grenze?

a.          Wenn ja, zwischen welchen konkreten Vertreterinnen und Vertretern und auf welchen Ebenen?

4.          Haben Sie bei Ihrem Treffen mit Markus Söder am 20. Juni in Linz vereinbart, die CSU mit ihren Plänen zur „Flüchtlingsabwehr“ gegen die deutsche Bundeskanzlerin zu unterstützen?

5.          Warum unterstützen Sie die Initiative der CSU, möglichst viele Flücht­linge nach Österreich zurückzuschicken?

6.          Werden durch die deutschen Maßnahmen mehr oder weniger Flücht­linge in Österreich bleiben?

7.          Wie viele Flüchtlinge sind 2018 und wie viele sind 2017 über die öster­reichische Grenze nach Deutschland gekommen?

8.          Wie viele davon (Frage 7) sind Asylwerber, für deren Asylverfahren an­dere Staaten als Deutschland zuständig sind?

9.          Wie viele davon (Frage 7) sind Asylwerber, für deren Asylverfahren Öster­reich zuständig ist?

10.        Wie viele Asylwerber sind 2017 und wie viele sind 2018 aus Deutsch­land wieder nach Österreich zurückgeschickt worden?

Asyl und Migration - Grenzen

11.        Wie sollen die angekündigten Maßnahmen zum Schutz der Südgrenze Österreichs konkret aussehen?


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a.          Gab es Absprachen zwischen Ihnen und Bundesminister Kickl zur Grenzschutzübung „Puma“?

b.          Haben Sie oder Ihr Kabinett im Vorfeld mit Seehofer oder anderen Deutschen Regierungsvertretern betreffend eine mögliche Schließung der österreichischen Südgrenze Kon­takt gehabt?

12.        Wie viele Flüchtlinge sind 2018 an der Grenze zu Slowenien aufge­griffen worden?

13.        Wie viele Flüchtlinge sind 2018 an der Grenze zu Ungarn aufgegriffen worden?

14.        Was kostet der jährliche Grenzschutz gegen illegale Übertritte an der österreichischen Ost- und Südgrenze?

15.        Können Sie ausschließen, dass es in der Zeit des Sommerreiseverkehrs zu Grenzkontrollen an der österreichischen Südgrenze kommt?

16.        Können Sie garantieren, dass es durch diese Grenzkontrollen zu keinen Massenstaus kommt?

17.        Welche Belastungen für die Länder an den EU-Außengrenzen, wo laut aktuellen Dublin-Regeln die Asylanträge gestellt werden sollten, sind zu erwarten?

a.          Welche konkreten Maßnahmen sind bereits geplant, um die Länder an den EU-Außengrenzen zu entlasten?

b.          Welchen Beitrag möchten Sie leisten, um vor allem die Visegrad Staaten dazu zu bringen, die Länder zu unter­stützen, die durch ihre Lage an der EU-Außengrenze die meisten Geflüchteten in den letzten Jahren aufgenommen haben?

Asyl und Migration – EU Gipfel

18.        In welchen nordafrikanischen Staaten sollen die Anhaltelager für Flücht­linge errichtet werden?

19.        Welches Rechtssystem soll in diesen Migrationszentren angewandt wer­den?

20.        Wie soll die Einhaltung der Menschenrechte sichergestellt werden?

21.        Welche Staaten haben bisher abgelehnt, derartige Lager zu errichten?

22.        Welche Staaten haben diesbezüglich zugesagt?

23.        Welche Maßnahmen werden Sie im Rahmen des Ratsvorsitzes ergrei­fen, um eine Einigung zum einheitlichen europäischen Asylrecht herbei­zuführen?

24.        Bekennen Sie sich im Gegensatz zum Innenminister zum humanitären Völkerrecht und den Menschenrechten?

25.        Wenn ja, wie werden Sie dann durchsetzen, dass in den Anhaltelagern außerhalb der EU Asylanträge gestellt werden können?

26.        Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zu der 2015 getätigten Aus­sage des damaligen Generalsekretärs der FPÖ, Herbert Kickl, der in


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einer Aussendung die Europäische Menschenrechtskonvention kriti­sierte: Diese schaffe ein „Einfallstor für illegale Masseneinwanderung“?

27.        Der damalige ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter erwiderte dem damaligen Abgeordneten Kickl 2015, wer die Europäische Menschen­rechtskonvention in Frage stelle, bewege sich außerhalb des Verfas­sungs­bogens und sei ein „Totengräber des Abendlandes“. Werden Sie von Ihrem Innenminister eine Klarstellung fordern, dass Österreich wei­ter­hin in vollem Umfang zur EMRK steht?

Asyl und Migration – Hilfe vor Ort“

28.        Welchen konkreten Beitrag leistet Österreich derzeit zur Fluchtursachen­bekämpfung und zur „Hilfe vor Ort,“ die oftmals von der Regierung in den letzten Wochen versprochen wurde?

a.          Ist geplant, diese angesichts des Migrationsdrucks und Migrationspotentials aus Afrika zu erhöhen?

b.          Wenn ja, um wie viel?

c.          Welche konkreten Pläne haben Sie für die Reform des europäischen Handels, damit dieser den Menschen in Afrika nicht mehr ihre Lebensgrundlage entzieht?

29.        Für das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR wird für 2018 nur eine Zusage („pledge“) von 283.754 € ausgewiesen. Wie hoch sind die Zuwen­dun­gen, die das UNHCR 2017 von Österreich erhalten hat und welcher Be­trag wurde 2018 bereits geleistet?

30.        Schon als Minister mussten Sie vom Nationalrat dazu gezwungen wer­den, dem WFP 5 Millionen € zur Verfügung zu stellen. Wie hoch sind die Gelder, die dem WFP 2018 überwiesen wurden?

31.        Sind Sie bereit, dem WFP mit der Schweiz vergleichbare Mittel zur Verfügung zu stellen?

32.        Die Mittel für den Auslandskatastrophenfonds AKF sind im Doppel­bud­get 2018/19 von 20 Millionen auf 15 Millionen Euro gekürzt worden. Warum wird diese „Hilfe vor Ort“ um 25 Prozent gekürzt? Wie verträgt sich diese Kürzung mit Ihrer Behauptung, es sei mehr “Hilfe vor Ort” notwendig und geplant?

33.        Wie will man sicherstellen, dass Asylsuchende nicht über einen langen Zeitraum hinweg in Migrationszentren verbleiben, ohne die Perspektiven zu haben, entweder in der EU Asyl zu bekommen, in anderen Staaten auf freiwilliger Basis aufgenommen zu werden oder in ihr Heimatland zurückkehren zu können?

Hauptfrage „Flüchtlingsabwehr“?

34.        In ganz Europa gehen die Flüchtlingszahlen kontinuierlich zurück. Das Problem verlagert sich immer mehr von „Flucht“ zu „Integration“. Trotz­dem investiert die Bundesregierung in Flüchtlingsabwehr und kürzt Mittel für Integration. Im Zentrum gelungener Integration steht das Erlernen der deutschen Sprache. Warum haben Sie zugelassen, dass die Mittel für Deutschkurse gekürzt werden?

35.        Gerade durch das Engagement vieler freiwilliger Helfer und Helferinnen gelingt Integration durch Bildung und Arbeit immer besser. Warum las-


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sen Sie zu, dass gut integrierte Flüchtlinge, die perfekt Deutsch sprechen, sich in Ausbildung oder in einem Arbeitsverhältnis befinden und in Öster­reich gebraucht werden, abgeschoben werden?

Der Fehlstart

36.        Warum haben Sie bei der österreichisch-bayrischen Regierungssitzung in Linz die bayrische Linie in der Asylpolitik unterstützt?

37.        Warum haben Sie damit im innerdeutschen Asylstreit Partei ergriffen?

38.        Warum nahmen Sie in Linz in Kauf, dass Österreich durch die Rück­weisung von Flüchtlingen an der österreichisch-bayrischen Grenze Nach­teile entstehen?

39.        Warum nahmen Sie durch Ihre Parteinahme im innerdeutschen Asyl­streit in Kauf, dass die österreichische Ratspräsidentschaft beschädigt würde?

40.        Seit der antieuropäischen Wende der Bundesregierung werden Sie erstmals in angesehenen internationalen Medien wie der Financial Times  als „Austria´s far-right chancellor“ – Kanzler der extremen Rech­ten bezeichnet. Der FT-Journalist Edward Luce hat dem ORF berichtet, dass er deshalb von der österreichischen Botschaft in Washington „kon­taktiert“ worden sei.  Ist es Aufgabe des Außenministeriums, die nega­tive internationale Berichterstattung über Sie durch direkte Interven­tionen zu korrigieren?

41.        Wie wollen Sie den Schaden, den Sie durch Ihre Beteiligung am CSU-Putsch angerichtet haben, wiedergutmachen?

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1 https://derstandard.at/2000081642343/Kanzler-Kurz-Wer-auf-Orban-und-Salvini-herabschaut-zerstoert-die-EU .

2 https://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5456481/Parteitag-in-Augsburg_Kurz-bekommt-Lob-von-AfDChef_Mitstreiter .

3 “We need a mass cleansing, street by street, piazza by piazza, neighbourhood by neighbourhood,” https://www.independent.co.uk/news/world/europe/italy-matteo-salvini-video-immigration-mass-cleansing-roma-travellers-far-right-league-party-a8409506.html .

4 https://diepresse.com/home/ausland/eu/5450553/Achse-WienMuenchen-via-Linz-Hauptbahnhof .

5 https://derstandard.at/2000081895460/Kurz-und-Soeder-machen-im-Asylstreit-auf-enge-Spezln-statt .

6 http://orf.at/stories/2444836/ .

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich erteile Abgeordnetem Pilz als erstem Frage­steller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Mi­nu­ten nicht überschreiten darf, das Wort. – Bitte.



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15.04.36

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (PILZ): Herr Präsident! Willkommen, Herr Bundes­kanz­ler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler, das muss für Sie ein tolles Gefühl sein: Sie kommen in einen Plenarsaal, und der Plenarsaal ist fast voll. Sie erinnern sich an Brüssel vor wenigen Tagen: Sie kommen in einen Plenarsaal, um Ihr Programm für den Ratsvorsitz vorzustellen, und der Saal ist leer, gähnend leer. Nie­mand will den österreichischen Kanzler hören (Abg. Höbart: Sie aber auch niemand! – Abg. Winzig: Sie auch nicht!), und ich behaupte, es liegt nicht an Österreich. Es liegt mit Sicherheit nicht an Österreich. Wenn Sie sich diese Bilder anschauen, einen leeren Plenarsaal – das hat es bei der Vorstellung eines Ratsvorsitzes durch einen Regie­rungschef in der Geschichte des Europaparlaments so noch nicht gegeben.

Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Warum? – Dazu muss man Brüssel kennen, und der Herr Bundeskanzler wird Brüssel ausreichend kennen, um zu wissen, dass ein Signal dieser Art, bei dem seine eigenen Parteifreunde aus ganz Europa scharen­weise seine Vorstellungsrede boykottiert haben, kein Zeichen des Desinteresses, son­dern der Ablehnung ist, weil man in Brüssel genau gewusst hat, wer Sebastian Kurz als Bundeskanzler dieser Republik ist, was er vertritt und wer sein Koalitions­partner ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie, Herr Bundeskanzler, sind in Brüssel durchgefallen, und wir sollten uns gemeinsam im Plenum des Nationalrates überlegen, warum das so gekommen ist.

Meiner Meinung nach geht es um einen ganz einfachen Punkt. Europa, das spüren wir hier im Haus, das spüren unsere Bürgerinnen und Bürger in Österreich und in der ge­samten Europäischen Union, steht an einem bedeutenden politischen Scheideweg. Auf der einen Seite sind die Kräfte, die sagen, nur mit Europa geht es weiter; von den großen sozialen Fragen bis zu den großen Bildungsfragen, bis zu den großen Steuer­fragen und vor allem bis zu den großen Fragen von Integration und Einwanderung lässt sich alles nur gemeinsam lösen. Es gibt auf globale Fragen nur noch bestenfalls europäische Antworten. Das ist die eine Seite. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Auf der anderen Seite stehen die Trittbrettfahrer. Das Rezept der Trittbrettfahrer ist sehr einfach: Wir nehmen, was wir bekommen, aber wir beteiligen uns an nichts! Her mit Steuergeldern, her mit Subventionen, her mit Posten, aber wir tun nichts für Europa! – In Österreich hat es diese Trittbrettfahrerhaltung in der Geschichte unseres Landes in der Europäischen Union nie gegeben, und ich bin stolz darauf, dass die Republik Österreich niemals Trittbrettfahrer in Brüssel war – bis jetzt, und das ist ein entschei­dender Punkt. Dieser Ratsvorsitz unterscheidet sich völlig von den beiden Ratsvor­sitzen, die Österreich zuvor innegehabt hat: zwei europäische Ratsvorsitze und ein anti­europäischer Ratsvorsitz.

Herr Bundeskanzler Kurz, es war gemeinsam mit Ihrem Koalitionspartner eine be­wusste politische Entscheidung, dass Sie sich diesmal mit Ihrer Bundesregierung auf die andere Seite stellen. Sie wissen doch, wie dieser Slogan „Ein Europa, das schützt“ entstanden ist. Das wurde bereits bei den Ratspräsidentschaften von Estland und Bul­garien gemeinsam mit Österreich vorbereitet, und der Kern waren – und das können Sie nach wie vor in Dokumenten nachlesen – diese fünf Prioritäten: eine Union für Arbeitsplätze, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit; eine Union, die jeden ihrer Bürger befähigt und schützt – und das heißt vor allem Integration und Bildung –; auf dem Weg zu einer Energieunion mit einer zukunftsorientierten Klimapolitik; eine Union der Frei­heit, der Sicherheit und des Rechts und die Union als starker globaler Akteur.

Was ist von all dem übrig geblieben? – Flüchtlinge, nur Flüchtlinge, Flüchtlingsabwehr. In einer Zeit, in der wir alle wissen, dass wir diese großen Fragen nur gemeinsam in


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Europa lösen können, zieht sich der Kanzler zurück, hat er keinen Afrikaplan, hat er keinen Russlandplan, hat er keinen Plan der Auseinandersetzung mit den USA, hat er keinen Demokratisierungsplan der Europäischen Union, hat er keinen Plan für eine Sozialunion – hat er nichts. Er hat einen einzigen Plan, das ist der Plan zur Flüchtlings­abwehr. Das hat er bei Orbán gelernt, das hat er in Polen gelernt und das hat er bei seinen neuen Freunden in München gelernt.

Das ist die Gefahr, die in diesem EU-Ratsvorsitz verborgen ist, und das ist auch der tiefere Grund dafür, warum Ihre eigenen Parteifreunde Ihre Rede boykottiert haben: weil eine Gegenachse München–Wien–Budapest zur zentralen europäischen Eini­gungs­achse Paris–Berlin das Dümmste ist, was der Europäischen Union in der jetzigen Situation passieren kann. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist so ein abgrundtiefer Unfug, dass man sich fragen muss: Was steht dahinter?

Ich gehe einmal darauf ein und sage: Nehmen wir es ernst!, obwohl es schwerfällt. Nehmen wir es ernst und tun wir alle gemeinsam so, als ob die Flüchtlingsfrage jetzt die allerwichtigste Frage Europas wäre! Ich habe selbst immer wieder bei anderen Fragen – Kriminalität, politischer Islam – betont, wie wichtig es ist, sich mit den konkreten Problemen zu beschäftigen; aber nehmen wir einmal an, Sebastian Kurz hat recht, die Flüchtlingsfrage ist die allerwichtigste Frage, und sonst gibt es nichts. Dieses nächste halbe Jahr österreichischer Ratsvorsitz: Flüchtlinge, Flüchtlinge, Flüchtlinge; Abwehr, Abwehr, Abwehr!

Okay. Wie wird es gemacht? – Erster Punkt, denn dort fängt die Kette für Sebastian Kurz an: Lager in Afrika. – Schon wieder Lager in Afrika! Niemand kann es mehr hören, niemand glaubt es, jeder weiß, ein Staat nach dem anderen sagt Nein, und nach Libyen, Herr Bundeskanzler, werden Sie es doch nicht ein zweites Mal versuchen. Das ist eine Kette von Fata Morganas.

Der zweite Punkt ist wesentlich ernster, weil er realistisch ist, und das ist ein guter Vorschlag von Ihnen, der da heißt: Hilfe vor Ort, denn wir wissen – wir haben das durchgerechnet –, wir müssen nur ein Zehntel vor Ort investieren, damit die Menschen nicht nach Europa, nicht nach Österreich kommen müssen und in der Nähe ihrer Heimat bleiben. Das sind gute Investitionen, menschlich und wirtschaftlich. – Aber was passiert konkret? Was passiert konkret bei den Flüchtlingen?

World Food Programme: Wir hatten diesbezüglich jahrelang in diesem Haus diesen Streit mit Ihnen als Staatssekretär, als Außenminister. Beim World Food Programme liegt Österreich heuer mit 603 865 Dollar auf Platz 43 der Spenderliste, hinter Lesotho, hinter Luxemburg, hinter Island. Schauen Sie zum UNO-Flüchtlingshilfswerk, UNHCR: für 2018 eine Zusage von 283 754 Dollar! Wissen Sie, was die Schweiz zahlt? – 50 Millionen Dollar an das World Food Programme; selbstverständlich, weil sie wissen, dass dort investiert werden muss, weil sie wissen, dass viele der Flüchtlinge, die zu uns kommen und das Ertrinken im Mittelmeer in Kauf nehmen, Hungerflüchtlinge sind. Und Sie lassen sie verhungern, aber dafür nehmen Sie sich mehr als 30 Millionen Euro zu Ihrer eigenen Verfügung, für das Bundeskanzleramt, für zusätzliche Projekte. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) Auf jeden Euro Nahrungsmittelhilfe von Österreich kommen 30 Euro im Budget zusätzliche Hilfe für den Bundeskanzler im Bundeskanzleramt. Das sind die Verhältnisse, so schaut es aus. Dabei lasse ich noch den Auslands­katastro­phenfonds weg, der auch um 25 Prozent gekürzt worden ist, und ich lasse die Deutsch­stunden weg, und ich lasse die gekürzten Integrationsmaßnahmen weg und vieles andere auch.

Ja, Sie dürfen sich nicht wundern, wenn Sie einer derjenigen sind, die ständig Hilfe vor Ort versprechen und niemals Hilfe vor Ort leisten, dass dann die Leute irgendwann


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genug haben, denn sie brauchen auch – nicht nur, aber auch – die Unterstützung aus Österreich, und von Sebastian Kurz werden sie diese mit Sicherheit nicht kriegen.

Jetzt ist die Frage: Wozu das alles in der Flüchtlingspolitik? – Das ist eine Frage poli­tischen Kalküls. Einen Punkt verstehe ich noch immer nicht: Sie sitzen vor wenigen Tagen in Linz bei einer gemeinsamen Sitzung der bayerischen Regierung mit der österreichischen Bundesregierung und applaudieren Ihren bayerischen Freunden laut bei deren Projekt, die Südgrenze Deutschlands in Bayern dicht zu machen und Asylwerber dort abzuweisen. Jetzt gibt es nur noch eine Möglichkeit: dass Sie nicht gewusst haben, dass auf der anderen Seite dieser Südgrenze Österreich liegt. (Heiter­keit und Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Gehen wir aber davon aus, Sie haben gewusst, auf der anderen Seite liegt Österreich. Warum applaudieren Sie da? Sie sind einer der seltsamsten politischen Trittbrettfahrer, der sagt: Ich fahre auf Trittbrettern mit, die mir selbst noch schaden!

Wie ist denn das mit den Visegrád-Staaten, bei denen der Vizekanzler schon 2016 Mitglied werden wollte und bei denen Sie derzeit praktisch eine De-facto-Mitgliedschaft vorbereiten? Wir als Nettozahler zahlen bis zu 20 Prozent in die polnischen und ungarischen Budgets ein und kriegen dann Tag für Tag und Woche für Woche ein Nein zu gemeinsamen europäischen Anliegen: Nein, wir nehmen keine Flüchtlinge, nein, wir beteiligen uns nicht an gemeinsamen Projekten, wir wollen das Geld! – Und dann tritt Sebastian Kurz auf und sagt: Toll, wir sind zwar Nettozahler, aber ich bin jetzt der Fahrschullehrer der Trittbrettfahrer und zeige ihnen, wie es in Europa geht!

Herr Bundeskanzler, ich glaube, das ist ausschließlich innenpolitisches Kalkül und sonst nichts. Das ergibt in der Flüchtlingspolitik keinen Sinn. Vernünftige Flüchtlings­politik macht man ganz anders, da beginnt man bei den Fluchtursachen. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir haben in den Neunzigerjahren in diesem Haus – noch drüben am Ring – einige Male gemeinsam mit internationalen Expertinnen und Experten diskutiert und festge­stellt, dass es circa 15 bis 20 Jahre braucht, bis Maßnahmen und große Unterstüt­zun­gen in Afrika flächendeckend greifen. Wir wissen, dass es mit einigen Maßnahmen schnel­ler geht, aber Sie, Ihre Vorgänger, eine Kette von österreichischen Bundes­regierungen, von deutschen und europäischen haben nichts getan. (Abg. Wöginger: Applaudiert die SPÖ jetzt auch?) Wir haben Afrika im Stich gelassen und wundern uns, dass heute die Flüchtlinge kommen.

Wenn Sie schon einmal den Ratsvorsitz haben, Herr Bundeskanzler Kurz, dann wäre das genau der Tag, an dem Sie aufstehen und sagen: Ja, ich habe einen Plan! Ja, ich habe einen Plan und versuche, alle in Europa davon zu überzeugen! Ja, ich habe einen Plan, wie wir die Lasten aufteilen! Ja, ich habe einen Plan, wie wir Integration schaffen! Ja, ich habe einen Plan, wie wir mit den vielen jungen Menschen umgehen, die ohne ein Wort Deutsch zu können, aber mit allen ihren Kräften Chancen suchen, um etwas Neues in Österreich zu beginnen! Ja, ich habe einen Plan – so müsste jeder Satz von Ihnen beginnen; aber jeder Satz von Ihnen beginnt mit: Schuld an allem sind die Flüchtlinge, und wir müssen sie abwehren!

Herr Bundeskanzler Kurz, Sie werden kein einziges europäisches Problem damit lösen – kein einziges! Sie werden nur eines tun: Sie werden Europa weiter spalten. Und Sie sollten sich eines überlegen, bevor Sie sich das nächste Mal mit Orbán, Seehofer und vielleicht Salvini gegen Angela Merkel und deren Freunde in Paris und anderen Städten verbünden: Es gibt für kleine Staaten wie Österreich nur eine Chance, und die heißt: gemeinsam, denn die Alternative zu gemeinsam ist allein, und Ihre Politik zielt darauf ab, dass Österreich irgendwann allein ist. (Abg. Gudenus: Herr Pilz weiß, wie das ist!) Wir werden manchmal Nutzen daraus ziehen, wenn wir vielleicht


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irgendwo etwas weniger zahlen, aber irgendwann werden wir Partner und Freunde brauchen. Ein kleines Land ist nicht krisenfest, und wenn wir dann feststellen, wir sind allein, weil wir allen anderen die Solidarität verweigert haben, dann kommt der Punkt, an dem alle Österreicherinnen und Österreicher für eine perspektivlose und oppor­tunistische Europapolitik, für eine rechtspopulistische Europapolitik von Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache die Rechnung zahlen. Und darüber müssen wir recht­zeitig in diesem Haus reden.

Wenn Sie vor zehn Jahren gefragt hätten, ob man sich vorstellen kann, dass es mitten in Europa wieder Grenzen gibt, dann hätten alle gesagt: Das ist ja undenkbar! Nie wieder Grenzen! – Heute sind wir dank Seehofer, dank Orbán, dank Kurz wieder so weit. Ein Grenzzaun nach dem anderen wird wieder hochgezogen. Das offene und einige Europa wird wieder zerschnitten. An diesem Punkt sind wir jetzt, und wenn das möglich ist, dann ist ganz anderes möglich, dann ist es möglich, dass es in fünf Jahren keinen Euro und in 15 Jahren keine Europäische Union mehr gibt (Abg. Mölzer: In 15 Jahren gibt es keine Liste Pilz mehr!), weil es zu wenig Europäer an den Spitzen der nationalen Politik gegeben hat; und darüber müssen wir rechtzeitig reden! (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich unterstelle Ihnen gar nicht, dass Ihr Plan die Zerstörung der Europäischen Union ist. Ich weiß, dass das nicht der Fall ist. Ich unterstelle Ihnen etwas ganz anderes, und da bin ich mir sicher: Sie nehmen diese Entwicklung einfach in Kauf. Sie nehmen die Beschädigung Europas als möglichen Kollateralschaden Ihrer persönlichen Kanzler­schaft einfach in Kauf. Die Achse mit Seehofer und Orbán – diese Achse, die alles auf Kosten von Flüchtlingen und alles mit rechtem Populismus macht – ist Ihnen mehr wert als die Begründung und Stärkung einer gemeinsamen europäischen Zukunft. An diesem Punkt sind wir nun, Herr Bundeskanzler.

An diesem Punkt möchte ich Sie noch an etwas Zweites erinnern: In der Flücht­lingspolitik muss es wie in der Sicherheitspolitik so etwas wie Vertrauen und Ehrlichkeit geben. Ich möchte Ihnen nun zum Abschluss ein Beispiel zeigen, damit wir sehen, wie es da mit der Österreichischen Volkspartei wirklich ausschaut. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Abg. Rosenkranz: ... verwendet gern Fremdwörter!)

Ich habe in diesem Haus nicht als Einziger immer vor den Gefahren des politischen Islam gewarnt. Ich habe in diesem Haus nicht als Einziger immer vor den Gefahren des Erdoğan-Regimes und seinen Anschlägen auf die offene Gesellschaft in Europa gewarnt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Gudenus.) Das haben auch die Freiheitlichen getan. Das haben auch Vertreterinnen und Vertreter der Volkspartei, der SPÖ und auch der NEOS getan. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das haben wir alle getan, aber mir ist wichtig, dass das ernst gemeint wird.

Ich zeige Ihnen nur, wie ernst das ist, hier haben Sie ein Beispiel (ein Veranstal­tungs­plakat in die Höhe haltend und davon ablesend): 13. Kultur- und Buchmesse und 7. Tür­kische Unternehmermesse in der Messehalle in Dornbirn, Eröffnung am 28. April 2018 mit Kemal Ergün, Nihat Hatipoğlu, Christian Gantner, Erich Schwärzler.

Christian Gantner und Erich Schwärzler brauche ich den Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP nicht zu erklären; der eine ist Landesrat der ÖVP in Vorarlberg, der andere war es. Aber wer ist Kemal Ergün? – Das ist der Vorsitzende von Millȋ Görüş, der Muslim­bruderschaft. Wer ist Nihat Hatipoğlu? – Das ist ein hoher Vertreter von Diyanet, der türkischen Religionsbehörde in Ankara. (Abg. Schieder: Hört! Hört!)

Das sind türkische Unternehmer auf einer Unternehmermesse, die gemeinsam mit der ÖVP in Vorarlberg die Wirtschaft voranbringen wollen? – Nein, das sind Erdoğans Muslimbrüder und Erdoğans Religionsspitzel in Österreich! (Abg. Schieder: Hört! Hört!) Das sind die Leute, gegen die unser Verfassungsschutz ermittelt. Das sind die


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Leute, gegen die unsere Staatsanwaltschaft ermittelt. (Zwischenruf der Abg. Schimanek.) Und die ÖVP veranstaltet in Vorarlberg gemeinsam mit ihnen Unternehmermessen? – Das erklären Sie mir! Das ist genauso doppelbödig wie Ihre Flüchtlingspolitik, wie Ihre Hilfe vor Ort. Das stimmt alles nicht. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Herr Bundeskanzler Kurz, wir haben in Österreich einen Luftballonmangel, denn so viele Luftballons gibt es in dieser Republik gar nicht, damit die gesamte heiße Luft, die Sie als Kanzler produziert haben, darin aufgefangen werden kann. Sie haben uns unglaublich viel versprochen, von der Flüchtlingspolitik bis zur Bekämpfung des poli­tischen Islam. Nicht nur Plakate wie diese (das Veranstaltungsplakat nochmals kurz in die Höhe haltend), nicht nur Berichte aus dem Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien – dem ich selbst einmal einen Besuch abgestattet habe – zeigen uns, dass Ihre Ankün­digungen von Hilfe vor Ort bis zur Bekämpfung von Erdoğan und des politischen Islam schlicht und einfach einen doppelten Boden haben, nicht der Realität entsprechen, nicht ernst gemeint sind und nur dazu dienen, Wählerinnen und Wähler zu täuschen.

Wir brauchen ein starkes Parlament, das das ins rechte Licht rückt. Deshalb bin ich froh, dass Sie heute in dieses Haus gekommen sind. Deswegen bin ich froh, dass es zumindest in Österreich noch Abgeordnete gibt, die an Ihnen Interesse haben, und zwar aus einem einfachen Grund: Sehr viele Abgeordnete in diesem Haus sind davon überzeugt, dass wir diese Politik beenden müssen, dass wir eine politische Wende vorbereiten müssen (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ) und dass wir dazu die parla­mentarische Auseinandersetzung mit Ihnen suchen und führen müssen. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Genau das tun wir, und deswegen bin ich froh, dass Sie heute da sind. – Danke schön. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

15.24


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die jungen „Bürgermeister“ des Projekts KinderParlament aus Graz recht herzlich bei uns im Hohen Haus begrüßen. (Allge­meiner Beifall.)

Zur Anfragebeantwortung hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.


15.24.33

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzter Herr Präsident! Vor allem aber liebe Kinderbürgermeister aus Graz, die ich gerade treffen durfte – schön, dass wir uns nun im Parlament wiedersehen!

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Pilz, ich werde versuchen, auf vieles von dem einzu­gehen, was Sie gesagt haben. Ich werde es allerdings in einer sachlicheren und weni­ger polemischen Art und Weise versuchen, weil ich glaube, dass das der politischen Kultur ganz guttut. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich beginne daher bei einem Thema, von dem ich glaube, dass es wichtig ist, es festzuhalten, damit hier nicht schrittweise Geschichtsfälschung betrieben wird. Sie haben die Frage der Grenzkontrollen in Europa angesprochen und eine klare Schuld­zuweisung gemacht. Ich glaube, die Realität schaut ein bisschen anders aus. Wenn es eine Verantwortung dafür gibt, dass heute wieder Grenzkontrollen in Europa notwendig sind, wenn es eine Verantwortung dafür gibt, dass viele Menschen in Europa sich heute wieder Grenzen im Inneren wünschen, dann liegt diese Verantwortung bei all jenen, die 2015 und 2016 eine falsche Flüchtlingspolitik betrieben haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich möchte Sie schon ersuchen, nicht jenen die Schuld zu geben - - (Neuerliche Zwi­schenrufe bei der SPÖ.)



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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka – das Glockenzeichen gebend –: Sie haben vorhin eingefordert, dass man eine gewisse Disziplin einhält; das würde ich jetzt auch einmahnen wollen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)


Bundeskanzler Sebastian Kurz (fortsetzend): Schauen Sie, das Problem ist immer: Wenn Argumente nicht mehr ausreichen, dann gibt es Polemik oder Zwischenrufe. (Rufe bei der SPÖ: Sie waren Integrationsminister! Tatsache! Das kann man nach­lesen!) Wenn Sie sich dann beruhigt haben, lassen Sie mich vielleicht wieder ein paar Gedanken weiter ausführen. (Abg. Noll: Herr Bundeskanzler, beruhigen tun wir uns, wenn wir uns beruhigen wollen, und nicht, wenn Sie uns das sagen! – Beifall und Bravorufe bei SPÖ und Liste Pilz.)

Herr Abgeordneter Pilz, was ich Ihnen versprechen kann, ist, dass in Österreich nun eine Regierung die Führung hat, die versuchen wird, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Ich bin froh, dass sich auf europäischer Ebene die Dinge in genau dieselbe Richtung entwickeln. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es haben nämlich mittlerweile mehr und mehr auf europäischer Ebene verstanden, dass es nur mit einem ordentlichen Außengrenzschutz, nur mit einer Trendwende in der Politik möglich ist, ein Europa ohne Grenzen im Inneren zu sichern. Ich gebe heute ein Versprechen ab: Wir werden es zustande bringen, dass das Europa ohne Grenzen im Inneren wieder eine Selbstverständlichkeit ist. Der Weg dorthin wird ein schwieriger und ein herausfordernder werden. Und ja, vielleicht werden Staaten wie Deutschland auf nationale Maßnahmen setzen, weil sie zuerst so lange in die falsche Richtung gelaufen sind, dass sie nun in ihrer Hektik versuchen, da gegenzusteuern, wo zu lange weggesehen wurde. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.)

Wir haben einen Plan – und wir haben den Plan schon lang –, nämlich in der Euro­päischen Union sicherzustellen, dass sich die Staaten untereinander nicht noch mehr in der Frage der Verteilung zerkriegen, dass die Gräben nicht größer werden, sondern dass wir gemeinsam alles versuchen, um die Probleme bei der Wurzel zu packen. Das ist zum Ersten mehr Hilfe vor Ort und Unterstützung für die Menschen, die wirklich in Not sind. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist zum Zweiten der Außengrenzschutz, um sicherzustellen, dass die Menschen nach der Rettung gar nicht mehr nach Europa gebracht werden. Und dann kann man in Europa auch wieder sicherstellen, dass es keine Grenzen im Inneren und keine Gräben zwischen den Mitgliedstaaten gibt und alle gemeinsam in dieselbe Richtung agieren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wenn Sie das kritisch sehen, dann ist das Ihr gutes Recht. Das haben weder grüne Ab­geordnete noch Abgeordnete der Liste Pilz entschieden, sondern die Staats- und Regierungschefs haben eine Entscheidung in diese Richtung getroffen. Ich sage allen Vertretern im Parlament hier heute eines: Es war parteiübergreifend möglich, diese Entscheidung im Rat zu treffen.

Der Premierminister von Malta hat gesagt, dass er ein Sozialdemokrat ist, er aber, wenn es um den Schutz der Grenzen geht, sehr klar ist. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Der liberale Premierminister Mark Rutte ist mein engster Verbündeter auf europäischer Ebene. (Ruf bei der SPÖ: Ich habe geglaubt, das ist der Orbán!) Auch die konser­vativen Regierungschefs haben den Beschluss letzte Woche selbstverständlich mitge­tragen. Ich sage Ihnen, ich bin sehr hoffnungsfroh, denn der Beschluss letzte Woche hat eine Trendwende gebracht. Er gibt uns die Möglichkeit, nun auch die notwendigen Maßnahmen vor Ort umzusetzen. Die Veränderung in den Köpfen hat begonnen, nun muss sie auf den Boden gebracht werden, und da werden wir als Ratsvorsitz Treiber sein und unseren Beitrag leisten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich bitte Sie daher, uns nicht zu unterstellen, dass wir keinen Plan haben, sondern vielmehr zu akzeptieren, dass wir nicht erst jetzt einen Plan haben, sondern schon in


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Zeiten einen Plan gehabt haben, wo Sie das nicht wahrhaben wollten – das ist die Realität. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Dieser Plan wird mehr und mehr Wirklichkeit.

Ich erlebe derzeit in Deutschland zwei Dynamiken, nämlich zum einen die Überzeu­gung, dass sich die Flüchtlingspolitik und die Migrationspolitik ändern müssen. Das ist gut und richtig, das unterstütze ich aus tiefster Überzeugung, ganz gleich, mit wem ich da in Kontakt bin. Zum anderen erlebe ich in Deutschland, dass es dort Überlegungen für nationale Maßnahmen gibt. Da sind wir natürlich der Meinung, dass wir nichts mittragen werden, das zum Nachteil Österreichs ist. Wenn es aber darum geht, Mög­lichkeiten auch im Sinne des Beschlusses des Europäischen Rates zu finden, um Sekun­därmigration und das Weiterwinken zu verhindern, weil es Angela Merkel bei der Ratssitzung ein Anliegen war, wenn es darum geht, sind wir selbstverständlich gerne Partner für die Deutschen, weil das genauso im Interesse Österreichs wie im Interesse Deutschlands ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Dass der Ratsvorsitz ganz viele Themen mit sich bringen wird, darauf brauche ich, glaube ich, nicht einzugehen, denn das wissen Sie alle. Ich darf mich in diesem Zu­sam­menhang nur noch einmal bei allen Mitgliedern der Bundesregierung bedanken, die eine wirklich sehr tolle Vorbereitungsarbeit geleistet haben, sodass wir vom Bereich der Bildung, Wissenschaft und Innovation bis hin zur Zusammenarbeit im Justizbereich in vielen Bereichen Triloge abschließen werden können. Es gibt einen guten Aus­tausch, der zwischen uns, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Par­la­ment angelaufen ist. Es gibt vieles abzuschließen, weil wir der letzte vollständige Ratsvorsitz vor den Wahlen zum Europäischen Parlament sind. Es gibt die Brexitver­handlungen, den auszuverhandelnden mehrjährigen Finanzrahmen – es wird uns also ganz gewiss nicht langweilig.

Ich kann Ihnen daher auch versprechen, dass das Migrationsthema bei Weitem nicht das einzige Thema ist, das uns beschäftigt. Ich gebe aber zu, dass es ein Thema ist, das in den letzten Jahren sehr tiefe Gräben in der Europäischen Union ausgelöst hat, weswegen ich sehr froh bin, wenn sich die Dinge nun in die richtige Richtung ent­wickeln, damit wir endlich wieder ein geeintes Europa sein können, das wir auch sein sollten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Etwas paradox ist: Sie sprechen davon, dass zu viel über Migration gesprochen wird, und veranstalten dann hier im Parlament eine Dringliche Anfrage zu genau diesem Thema. Ich als Regierungschef respektiere das natürlich, denn das ist das gute Recht von Ihnen und den Parlamentariern, und werde daher nun zur Beantwortung Ihrer Fragen kommen, die sich eigentlich fast ausschließlich mit dem Migrationsthema be­schäftigen, obwohl Sie der Meinung sind, dass das Thema ohnehin schon zu viel dis­kutiert wird.

Ich komme nun zur Beantwortung Ihrer Fragen.

Zu den Fragen 1 bis 3:

Wir prüfen derzeit alle rechtlichen und operativen Möglichkeiten. Wir befinden uns dabei im ständigen Austausch mit der deutschen Bundesregierung, mit der Kanzlerin und dem Innenminister. Neben meinen Kontakten ist insbesondere Innenminister Kickl im Kontakt mit seinem deutschen Kollegen. Wir warten die deutschen Entscheidungen ab und werden darauf adäquat reagieren.

Zu den Fragen 4 bis 6, 36 bis 39 sowie 41:

Bereits im Februar wurde die gemeinsame Regierungskonferenz zwischen der öster­reichischen Bundesregierung und der bayerischen Staatsregierung vereinbart. Am 20. Juni wurden dann diverse Themen, die unsere bilateralen Beziehungen betreffen, besprochen, um den Kontakt zu vertiefen und insbesondere den wirtschaftlichen Aus-


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tausch zu fördern. Es gilt nun, die Ergebnisse aus Deutschland abzuwarten. Jedenfalls ist aber klar, dass es keine Vereinbarung zulasten Österreichs geben wird.

Zu den Fragen 7 bis 9:

Ich bitte um Verständnis: Das liegt nicht im Vollzugsbereich Österreichs.

Zur Frage 10:

Ich zitiere Zahlen aus dem Innenministerium: Im Jahr 2017 wurden 234 Asylwerber im Rahmen der Dublin-III-Verordnung von Deutschland nach Österreich überstellt. Im Jahr 2018 waren es bis Ende Mai 201 Asylwerber.

Zur Frage 11:

Die deutsche Regierungslinie ist noch offen. Bereits heute gibt es Maßnahmen zum Schutz unserer Südgrenzen. Wir sind aber jederzeit bereit, diese Maßnahmen auszu­weiten. Einen Teil dieser Überlegung bildet die grenz- und fremdenpolizeiliche Einheit Puma. Mit dem Bundesminister für Inneres bin ich diesbezüglich im laufenden Kontakt.

Zur Frage 12:

Laut Informationen des Innenministeriums kann ich wieder Auskunft geben: Von 1. Jänner bis 30. Juni 2018 wurden insgesamt 250 illegal eingereiste oder aufhältige Fremde mit Ausgangsland Slowenien in Österreich aufgegriffen. Im selben Zeitraum wurden 161 Fremde nach Slowenien zurückgewiesen.

Zur Frage 13:

Laut Informationen des Innenministeriums: Zwischen 1. Jänner und 30. Juni wurden insgesamt 819 illegal eingereiste oder aufhältige Fremde mit Ausgangsland Ungarn in Österreich aufgegriffen. Im selben Zeitraum wurden 161 Fremde nach Ungarn zurück­gewiesen.

Zur Frage 14:

Wieder laut Information des Innenministeriums: Für die zur Durchführung von Grenz­kontrollen notwendigen Verordnungen werden jeweils vom BMI gemeinsam mit BMF und BMLV Kostenschätzungen vorgenommen.

Zu den Fragen 15 und 16:

Unser vordringliches Ziel bleibt: sichere Außengrenzen und keine Grenzen in Eu­ro­pa. – Wir bereiten uns aber selbstverständlich auf alle Szenarien vor, weil das auch unsere Verpflichtung als Bundesregierung ist. Wir werden uns bemühen, individuelle Beeinträchtigungen möglichst gering zu halten. Wir haben selbstverständlich die Möglichkeit, engmaschigere Grenzkontrollen durchzuführen. (Ruf bei der SPÖ: Das war jetzt aber keine Antwort!)

Zur Frage 17:

Unsere Meinung ist klar: Wir brauchen eine europäische Lösung der Migrationsfrage, so wie ich das auch schon seit mehreren Jahren vertrete. – Die Beschlüsse des Euro­päischen Rates von vergangener Woche haben eine Trendwende eingeleitet. Sie gehen meiner Meinung nach in die richtige Richtung, denn nur durch funktionierende Außengrenzen ist es möglich, die Last mancher Mitgliedstaaten zu reduzieren, die Menschen vor Ort besser zu unterstützen und gleichzeitig die Streitigkeiten und Gräben in Europa zuzuschütten.

Zu den Fragen 18 bis 22 sowie 25 und 33:

Erstmals haben wir uns im Europäischen Rat auf sogenannte Ausschiffungsplattformen geeinigt – wir haben das früher stets als sichere Schutzzonen bezeichnet –, womit eine


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Trendwende gelungen ist. Die Diskussion, ob es dort die Möglichkeit geben soll, Asylanträge zu stellen oder nicht, ist nach wie vor im Gange. Es gibt diesbezüglich unterschiedliche Zugänge. Wir setzen auf den Zugang der Resettlement-Programme direkt aus Kriegsgebieten, um keine Pull-Faktoren zu schaffen. Das ist ein Paradig­menwechsel weg von der unbeschränkten Aufnahme in Mitteleuropa hin zu einer Lösung der Frage in den Herkunfts- und Transitländern.

Zur Frage 23:

Wir wollen Frontex stärken, das ist richtig. Was das Asylpaket anbelangt, werden wir die Arbeiten – wie in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates festgehalten – in den entsprechenden Gremien auf Basis der Arbeit des bulgarischen Vorsitzes fort­setzen.

Erlauben Sie mir nur eine Bemerkung dazu. Nachdem es jahrelang erfolglose Diskus­sionen dazu gegeben hat und ich letzte Woche bei der Sitzung des Europäischen Rates dabei war, bei der sich die Meinungen nicht verändert, sondern verhärtet haben, bin ich nicht sonderlich optimistisch, dass es wirklich leicht sein wird, diesbezüglich eine Einstimmigkeit zu erzielen. Daher liegt unser Fokus auch auf der Frage, wo wir alle an einem Strang ziehen.

Zu den Fragen 24, 26 und 27:

Wir sind als proeuropäische Bundesregierung mit einem proeuropäischen Programm angetreten. Die Bundesregierung bekennt sich selbstverständlich auch zur österreichi­schen Verfassung und zum humanitären Völkerrecht. Ich bitte Sie, das auch nicht infrage zu stellen.

Zur Frage 28:

Österreich leistet in vielfältiger Form einen Beitrag zur Bekämpfung von Flucht­ursachen, und zwar durch die Entwicklungszusammenarbeit, durch die Unterstützung seitens des Auslandskatastrophenfonds und vor allem – das wird sehr gerne vergessen – als Netto­zahler in der Europäischen Union. Die Europäische Union ist der größte Leister von Entwicklungszusammenarbeit weltweit. Wir haben gerade heute erst wieder in der Bun­desregierung Beschlüsse im Rahmen des Auslandskatastrophenfonds gefasst.

Zu den Fragen 29 bis 33:

Ich darf bei diesen Fragen auf die federführende Zuständigkeit des Außenministeriums in Zusammenarbeit mit anderen Ministerien verweisen.

Zur Frage 34:

Entsprechend dem Integrationsgesetz – und das ist nun wichtig, Herr Abgeordneter Pilz – erhält jeder anerkannte Flüchtling Deutschkurse bis zum Sprachniveau A2 und ist bei sonstiger Kürzung der Mindestsicherung zur Teilnahme an diesen Kursen ver­pflichtet. Es ändert sich nichts am Angebot für Deutschkurse und an der gesetzlichen Verpflichtung. Was allerdings beim Integrationsbudget in diesem Bereich geschehen ist, ist, dass die Anzahl der Deutschkurse an die positiven Asylbescheide angepasst worden ist.

Zur Frage 35:

Aus Integrationssicht ist es vorrangig, den Schwerpunkt auf Personen mit langfristiger Aufenthaltsperspektive zu legen. Derzeit sind rund 32 000 anerkannte Flüchtlinge beim AMS gemeldet. Davon sind über 9 000 Personen unter 25 Jahren, die potenzielle Ziel­gruppe der Lehrlingsausbildung in Mangelberufen sein können. Wir haben also eine Zahl von 32 000 anerkannten Flüchtlingen, die beim AMS gemeldet sind und die


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arbeitsfähig sind. Und wir haben über 9 000 junge Menschen, die eine potenzielle Zielgruppe für die Lehrlingsausbildung in Mangelberufen sind.

Ich glaube, es ist wichtig, diese Menschen in den Arbeitsmarkt zu bringen. Ich kann hier nur an die Arbeitgeber appellieren, wenn es Bedarf gibt, auch auf diese Menschen zuzugehen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zur Frage 40:

Wir können und wollen nicht beeinflussen, was internationale Medien über Österreich beziehungsweise einzelne Mitglieder der Bundesregierung berichten. Selbstver­ständ­lich halte ich es aber für sinnvoll, wenn diese Medien auch meine Parteizugehörigkeit richtig nennen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordnete Zadić. – Bitte.


15.41.40

Abgeordnete Dr. Alma Zadić, LL.M. (PILZ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Europa ist aus den Trümmern des Krieges entstanden. Damit die großen Weltkriege einfach nicht mehr passieren, haben wir uns dazu entschlossen, zusammenzuwachsen. Ja, Europa ist zusammengewachsen, wir sind zusammengewachsen. Ich möchte noch einmal an das Bild erinnern, als der damalige österreichische Außenminister Alois Mock mit seinem Kollegen aus Ungarn den Zaun zwischen Österreich und Ungarn zerschnitten hat – als Symbol für den Fall des Eisernen Vorhangs.

Die letzten Jahre haben wir gekämpft, um zusammenzuwachsen. Wir haben uns eine Gemeinschaft der Werte aufgebaut. Es ist eine Gemeinschaft der Grundrechte, eine Gemeinschaft der Menschenrechte. Es ist eine Gemeinschaft, die die Freiheit achtet und die die Menschenwürde achtet. Es ist ein Europa der Toleranz und es ist auch ein Europa der Solidarität. Mit diesen Worten und mit diesen Werten bin ich groß ge­worden. Auf diese Werte bin ich stolz. Ich gehöre zur Generation der Erasmus-Stu­dentInnen, ich gehöre zur Generation der Interrail-FahrerInnen. Wir haben alle gefeiert, als Grenzen abgebaut wurden. Wir haben alle gefeiert, als Mauern einge­ris­sen wur­den. Wir haben das Europa der Brücken gefeiert. Und auf dieses Europa bin ich stolz, und dieses Europa lassen wir uns nicht zerstören! (Beifall bei Liste Pilz, SPÖ und NEOS.)

Wir dürfen nicht zulassen, dass Grenzen innerhalb Europas wieder hochgezogen werden. Herr Bundeskanzler! Sie haben gestern in Straßburg erklärt, Sie werden dafür sorgen und Sie werden dafür kämpfen, dass es in diesem Europa keine Grenzen innerhalb Europas gibt. Aber Sie tun genau das Gegenteil: Sie unterstützen jene Mächte in Europa, die für eine Grenzschließung eintreten. Sie bilden eine Achse der Willigen oder der Mutwilligen und spalten das, was zusammengewachsen ist.

Herr Bundeskanzler! Ich würde mir Sorgen machen, wenn Marine Le Pen sagt, dass sie große Hoffnungen auf Österreich setzt – eine Marine Le Pen, die sagt, Europa sei am Ende. Wenn Sie sagen, Sie sind nicht diejenigen, die Europa spalten, sondern es waren die Leute, die 2015 die Willkommenskultur geprägt haben, es waren die Regie­rungschefs aus dem Jahr 2015, dann muss ich Ihnen schon entgegenhalten, dass Sie damals auch ein Teil dieser Regierung waren und dass Sie damals auch Außen­minister waren. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Ich muss auch ehrlich sagen: Ich fühle mich ein bisschen wie in dem George-Orwell-Buch „1984“. Im George-Orwell-Buch „1984“ gibt es ein Ministerium, das heißt das Wahrheitsministerium. Dieses Wahrheitsministerium tut aber genau das Gegenteil von


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dem, was es vorgibt zu tun. Es verbreitet nämlich Propaganda – und nicht die Wahr­heit. (Abg. Lugar: Dann wäre Peter Pilz der ideale Minister für dieses Ministerium!)  Machen Sie es anders, Herr Bundeskanzler! Stehen Sie für Europa und handeln Sie europäisch!

Die globalen Herausforderungen der Migration und des Asyls können wir nur gemein­sam als Europa lösen. Wenn wir keine Grenzen innerhalb von Europa haben wollen, wenn wir die Freizügigkeit in Europa leben wollen, dann gebe ich Ihnen ja auch recht: Wir müssen unsere Außengrenzen schützen. Selbstverständlich müssen wir diese schützen. Die Kommission fordert ja schon seit 20 Jahren einen effektiven Schutz der europäischen Außengrenzen. Geschehen ist aber bislang nichts. Jetzt haben wir uns zu einem symbolischen Beitrag bekannt, wo wir uns für 35 Millionen Euro dazu ent­schlossen haben, einen Außengrenzschutz aufzubauen. Ob dieser tatsächlich auch ernsthaft den Schutz der gesamten europäischen Außengrenze gewährleisten kann, sei dahingestellt.

Aber, meine Damen und Herren, eine strategische und gut durchdachte Asyl- und Migrationspolitik endet nicht an der europäischen Grenze. Eine europäische Strategie ist eine Herausforderung, der wir uns gemeinsam stellen müssen. Wir müssen uns die gesamte Kette anschauen, wir können uns nicht nur die Außengrenze anschauen. Wir müssen uns auch anschauen: Was passiert am Anfang? – Da muss man sich auf die Herkunftsländer konzentrieren. Ich habe mir das ganz genau angeschaut: Wer flüchtet denn? – Es gibt natürlich jene, die Schutz suchen, die vor Krieg flüchten. Die suchen Schutz und die brauchen Asyl. Und da gibt es natürlich auch jene Migrantinnen und Migranten, die flüchten, weil sie eine Hoffnung auf ein besseres Leben haben. (Abg. Belakowitsch: Wirklich?) Wir müssen uns anschauen, warum diese Menschen flüch­ten und warum sich diese Menschen auf den Weg machen. (Abg. Gudenus: Das ist dann nicht flüchten, das ist Migration!)

Sie sagen ja: Wir wollen verhindern, dass diese Menschen sich auf den Weg machen. Wir wollen ja Hilfe vor Ort leisten. Diese bekannte Hilfe vor Ort habe ich mir auch genau angeschaut. Ich habe mir genau angesehen: Was hat denn Österreich im letzten Jahr gemacht oder was wollen wir denn tun in den nächsten Jahren, um auch tatsächlich vor Ort aufzubauen? – Die Entwicklungshilfemittel sind im letzten Jahr um 27 Prozent zurückgegangen. (Abg. Leichtfried: Das ist ja unglaublich!) Österreich ist Spitzenreiter bei der Phantomhilfe. Das heißt, nur 55 Prozent der Entwicklungshilfe­gel­der kommen auch tatsächlich vor Ort an. (Abg. Leichtfried: Das ist ja noch unglaub­licher!)

Europas Handelspolitik und Europas Freihandelsabkommen mit westafrikanischen und ostafrikanischen Staaten zerstören die wirtschaftliche Basis der Menschen vor Ort. Ich kann ein paar Beispiele nennen. Ich habe mir nämlich genau angeschaut: Wer sind denn die Migranten, die nach Europa einwandern? – Das sind hauptsächlich Leute aus Tunesien, Marokko, Guinea.

Was passiert denn in Tunesien? – Seit 2008 gibt es ein Freihandelsabkommen zwi­schen Tunesien und der Europäischen Union. Expertinnen und Experten haben uns erzählt und auch geschrieben, dass die Wirtschaft Tunesiens durch diese EU-Frei­han­delsabkommen schwer gefährdet ist. Die tunesische Landwirtschaft kann nicht mit­halten mit den europäischen Landwirtschaftsprodukten, die hoch subventioniert sind. Kleinbetriebe Tunesiens können nicht mithalten mit großen europäischen Corporations.

Die Lage in Marokko ist sehr ähnlich. In Marokko gibt es mit der Europäischen Union das Fischereipartnerschaftsabkommen. Dieses Fischereiabkommen führt dazu, dass supergut ausgestattete europäische Flotten vor der Küste Marokkos die Meere leer­fischen. Die heimischen Flotten gehen leer aus.


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Genau das sind die Gründe, meine Damen und Herren, warum Leute flüchten. Das sind die Gründe, warum die wirtschaftliche Grundlage der Menschen zerstört wird und warum sie sich auf den Weg nach Europa machen. Deswegen müssen wir dort an­setzen und dort was tun. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Einen wichtigen Punkt möchte ich unbedingt noch anbringen: Wir reden immer davon, dass sich Menschen auf den Weg machen und das Mittelmeer überqueren. Viele davon schaffen es nicht, viele davon sterben und ertrinken im Mittelmeer. (Abg. Gudenus: Das wollen wir verhindern!) 2015 waren es eine Million Menschen, die sich von Afrika nach Europa auf den Weg gemacht haben. Heute sind es nur 45 000. Trotzdem ist die Zahl derjenigen, die im Mittelmeer ertrinken, im Verhältnis bei Weitem gestiegen. Von Jänner bis Juni dieses Jahres sind 1 405 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Diese Menschen sind keine Zahlen. Das sind Menschen, das sind Personen, das sind Kinder, das sind Frauen, die im Mittelmeer ertrinken. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Abg. Jenewein: Genau das soll aufhören!)

Und was tun wir? – Nichts, wir tun nichts. Wir kriminalisieren diejenigen, die helfen wollen. Und ich schäme mich dafür. Ich schäme mich dafür, dass wir zuschauen. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Es sind europäische Staats- und Regierungschefs, die zuschauen, wie Menschen im Mittelmeer ertrinken, und es gibt keinen Aufschrei. Es gibt keinen Aufschrei, weil es halt keine europäischen Kinder sind. Es sind fremde Kinder. (Ein Blatt Papier mit einer Karikatur in die Höhe haltend.) Da muss ich unweigerlich an eine Karikatur aus dem Jahr 1941 denken, als die USA sich geweigert haben, jüdische Flüchtlinge aufzu­neh­men, als die USA sich geweigert haben, jüdischen Kindern Schutz zu gewähren. Da liest eine Mutter ihren zwei Kindern ein Märchen vor, und da steht: Und dann hat der Wolf die Knochen der Kinder ausgespuckt. Aber ihr Kinder, habt keine Sorgen, es waren ja nur fremde Kinder. Und dann steht da: America first. – Diese Karikatur möchte ich nicht für Europa haben. Diese Karikatur möchte ich auch nicht im Jahr 2018 haben. – Vielen Dank. (Beifall bei Liste Pilz, SPÖ und NEOS.)

15.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Amon. – Bitte.


15.51.33

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wenn man sich mit der Rede der Frau Dr. Zadić auseinandersetzt – und das kann man durchaus, sie war über weite Strecken ja differenziert und sachlich, auch wenn ich zwar viele Punkte nicht teile, aber wie gesagt, da kann man sich damit auseinandersetzen –, dann zeigt sich, sie war jedenfalls das perfekte Gegenstück zur Rede des Herrn Dr. Pilz, denn die Rede des Herrn Dr. Pilz war ja über weite Strecken eigentlich unsachlich, polemisch und bösartig; lieber Herr Dr. Pilz, das möchte ich Ihnen sagen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich habe mir die Präsentation des Herrn Bundeskanzlers im Europäischen Parlament, dieses Mal in Straßburg, auch angesehen. Ich habe eigentlich nur festgestellt, dass da laufend Personen in den Saal hereingekommen sind, während – wenn ich mich recht erinnere – das bei Ihrer Angelobung hier im Saal genau umgekehrt war. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rossmann: Und das ist nicht polemisch? – Abg. Kassegger: Das ist eine Tatsachenfeststellung! – Weitere Rufe bei der FPÖ: Tat­sachen­feststellung!) – Aber so passend, Herr Dr. Rossmann, so passend.

Sie haben gemeint, die Präsidentschaft sei nicht von einem europäischen Geist ge­tragen. Ich möchte hier einen zitieren, der, glaube ich, wirklich über jeden Zweifel erha-


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ben ist, der selbst nicht ganz, aber fast zwei Jahrzehnte Premierminister in Luxemburg war und jetzt Präsident der Europäischen Kommission ist. Ich zitiere aus der APA: „EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker attestierte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), ‚von europäischen Überzeugungen getragen‘ zu sein. Bei der Debatte über den Österreichischen Ratsvorsitz im EU-Parlament am Dienstag in Straßburg bekräftigte Juncker, dass ‚Österreichs Regierung eine klar proeuropäische Tonalität hat‘. Er kenne Kurz seit vielen Jahren. ‚Ich freue mich auf den österreichischen Vorsitz‘, so Juncker,“ – (Ruf bei der SPÖ: ... ang’soffen!) – „‚weil die beiden vorherigen (Prä­sidentschaften, Anm.) von Erfolg gekrönt waren. Alle relevanten politischen Kräfte in Österreich [...]‘“ - - (Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich erteile einen Ordnungsruf für das „ang’sof­fen“. (Rufe bei SPÖ und Liste Pilz: Wem? Wofür? – Allgemeine Heiterkeit.) – Wer war das? Haben Sie wenigstens den Mut, sich zu melden? (Ruf bei der FPÖ in Richtung SPÖ : Das war da oben, glaube ich! – Heiterkeit bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)

Ich glaube, den Kommissionspräsidenten (Abg. Schieder: Müssen wir jetzt nach­sitzen?) bei einer Handlung, die er gegenüber der APA gesetzt hat, als angesoffen zu bezeichnen, ist wohl eines Ordnungsrufes würdig. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Ja, aber wem? – Abg. Schieder: Aber wem? – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Winzig: Feig sind sie auch noch!)

Wenn es nicht möglich ist, den Zwischenrufer ausfindig zu machen, dann muss ich den Ordnungsruf zurücknehmen – so viel zur persönlichen Festigkeit. Das Wort hat Kollege Amon. (Ruf bei der ÖVP: Die gesamte SPÖ-Fraktion abmahnen! – Abg. Schieder: Ja, wer war das jetzt? – Abg. Rosenkranz: Das passiert alles hinter Ihrem Rücken, Kollege Schieder! )


Abgeordneter Werner Amon, MBA (fortsetzend): Herr Präsident! Ich glaube aber, dass es dennoch wert ist, das fertig zu zitieren. Juncker sagt: „‚Alle relevanten politi­schen Kräfte‘“ – ich weiß jetzt nicht, ob die Liste Pilz gemeint ist – „‚in Österreich sind in die selbe Richtung geschwommen und haben sich kohärent bewegt‘. Das Angebot der Kommission gelte, ‚dass wir in Freundschaft zusammenarbeiten und in gegenseitigem Verstehen‘.“

Dann – und das finde ich auch ganz lustig – sagt der Kommissionspräsident weiter: „Die Kommission werde Donnerstag und Freitag dieser Woche in Wien sein. ‚Eine schöne Stadt. Wir freuen uns auf den Besuch. Ich hätte zwar lieber ein Treffen in Tirol gehabt, das österreichische Bundesland, das ich am besten kenne. Aber Wien ist auch OK‘“. – (Heiterkeit und Beifall des Abg. Eßl.) Ich weiß nicht, ob das eine politische Wertung war, aber er hat es jedenfalls gesagt, meine Damen und Herren.

Damit bin ich bei Frau Kollegin Dr. Zadić. Sie haben hier gemeint, der Schutz der Außengrenze ist etwas, wofür Sie auch sind. Ich gebe Ihnen auch recht, auch 2015 waren wir in der Bundesregierung. Ich möchte Ihnen sagen: Gerade aus dieser Erfah­rung heraus – und mein Wahlkreis ist an der steirischen Südgrenze – bin ich dem Herrn Bundeskanzler und der jetzigen Bundesregierung dankbar, dass sie hier keinen Zweifel offenlässt, dass wir so etwas, wie wir 2015 erlebt haben, nie wieder erleben, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich habe die Bilder sehr gut im Kopf, als eine Handvoll Polizisten versucht hat, eine Hundertschaft von Flüchtlingen aufzuhalten, nur um zu fragen: Wer seid ihr, wohin wollt ihr?, und die Flüchtlinge einfach durchmarschiert sind – das war dieser soge­nannte Durchbruch –, weil es in der Regierung keine Einigung darüber gegeben hat, ob es eine Assistenzleistung etwa des Militärs gibt, um den Grenzschutz in dieser schwierigen Situation sicherzustellen. Diese Einigkeit, Frau Dr. Zadić, gibt es heute in


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der Bundesregierung, und das ist gut so, denn die Österreicherinnen und Österreicher wollen das auch. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist nicht antieuropäisch, wenn der österreichische Regierungschef versucht, im Europäischen Rat eine Meinung durchzusetzen. Das ist in einem zutiefst europäischen Geist. Es ist – und das möchte ich Ihnen sagen – ein nicht zu unterschätzender Erfolg, der unserem Bundeskanzler im Europäischen Rat gelungen ist, denn nicht wir stehen außerhalb dessen, was die europäischen Staats- und Regierungschefs jetzt wollen, sondern in Wahrheit ist es dieser Bundeskanzler, meine Damen und Herren, der die Meinung im Europäischen Rat gedreht hat. Das ist gut für Europa, und das ist gut für Österreich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Als flammender Europäer sage ich Ihnen noch ein Letztes: Wenn einem Europa am Herzen liegt und wenn einem diese Europäische Union am Herzen liegt (Abg. Schieder: Was dann?), weil sie ein Konzept ist, das nicht nur den Frieden am Kontinent sichert, sondern ein Konzept ist, das die Integration fördert, ein Konzept ist, das auch ein Wertekonzept ist, wenn Sie so wollen (Abg. Schieder: Ja, was ist dann?), und wenn man will, dass die europäischen Grundfreiheiten wie etwa der freie Personenverkehr Wirklichkeit sind, dann muss sichergestellt werden, dass die europäische Außengrenze geschützt wird. Da hat die Europäische Union nachzuarbeiten, so wie sie bei der Währungsunion nacharbeiten musste, weil die Konvergenzkriterien, die ursprünglich vereinbart waren, nicht eingehalten worden sind. Ich brauche Sie nicht daran zu erinnern, wer die Ersten waren, die die Konvergenzkriterien gebrochen haben. (Prä­sidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Beim Schengenvertrag ist es ähnlich: Wir haben den freien Personenverkehr fixiert und haben gleichzeitig nicht sichergestellt, die Außengrenze zu schützen. Dass das jetzt kommt, ist nicht zuletzt ein Verdienst dieser Bundesregierung und unseres Bundes­kanzlers. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.59


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Abgeordneter Schieder gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte.


15.59.42

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Werte Herren auf der Regierungsbank! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bun­deskanzler, die letzten Tage sind schon komische Tage gewesen, nicht? Gestern gab es ein leeres Plenum im Europäischen Parlament in Straßburg, während der Vor­sit­zende beziehungsweise der aktuelle Präsident der Europäischen Union das Programm vorstellt – und das, obwohl diese Leere im Europäischen Parlament eigentlich nicht üblich ist. Kurz darauf, als andere dort waren, war es plötzlich wieder voll. – Das hat vielleicht ein bisschen am Ego geknabbert.

Zweitens: Hier in Wien wurde am Nachmittag eine Pressekonferenz zu einem aktuellen Thema gehalten. Das war eine Pressekonferenz mit einem seltenen Schauspiel österreichischer Innenpolitik: Man lädt selbst zu einer Pressekonferenz ein, um die Ahnungslosigkeit darzustellen, um zu zeigen, dass genau die, die ja im dauernden Kontakt mit Deutschland stehen – nämlich Bundeskanzler Kurz und Innenminister Kickl –, eigentlich gar nicht wissen, was die Deutschen vorhaben. Das Lustige dabei ist: Auf einmal fliegt man nicht mehr Linie, sondern nimmt einen Bedarfsflieger. Wie war denn das, auf einmal so im Bedarfsflieger, Herr Bundeskanzler?

Es sind komische Tage. Das Komischste an diesen Tagen ist: Heute sind Sie auf ein­mal doch im Parlament! Das muss ja wirklich ein komisches Gefühl sein, noch dazu, da


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es um Ihr Lieblingsthema geht. (Abg. Gudenus: Und dann redet der Schieder auch noch!)

Wir kennen ja den Text Ihres Lieblingsthemas. Sie rühmen sich, dass Sie die West­balkanroute geschlossen haben. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Auf Ihrer eigenen Homepage liest man auch: „Im Februar 2016 wurde die Balkanroute, auf Initiative von Sebastian Kurz, geschlossen. Anfangs wurde er heftig dafür kritisiert, jetzt zeigt sich, dass der Zustrom dadurch massiv reduziert werden konnte.“ (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich sage Ihnen, Österreich steht heute, im Juli 2018, in Fragen der Migration vor den größten Herausforderungen seit dem Herbst 2015. Sie sollten vielleicht Ihre Homepage ein bisschen ergänzen. Zum Beispiel: Im Sommer 2018 wurde die Walserbergroute auf Initiative von Sebastian Kurz aufgemacht. Vielleicht könnten Sie auch noch dazu­schreiben: Im Norden haben unsere bayerischen Freunde die Grenzen geöffnet und schicken uns die Flüchtlinge zurück, deswegen werde ich, Sebastian Kurz, jetzt die Südgrenze schützen und zumachen. (Abg. Deimek: Kärnten hat sie ja nicht zuge­macht!) Dann könnten Sie noch dazuschreiben: Ich, Sebastian Kurz, der vor dem leeren Europaparlament von den Grundfreiheiten, der Reisefreiheit, der Bewegungs­freiheit, der Personenfreizügigkeit gesprochen hat, versuche jetzt, die Grenzen im Süden Österreichs zuzumachen. – Das Lustige daran ist: Keiner ertappt mich bei die­sem Widerspruch. (Beifall bei der SPÖ.)

Was ist denn passiert, Herr Bundeskanzler? – Der Ausgangspunkt war ein Streit der deutschen Unionsparteien. Sie haben mitgezündelt und den Streit befeuert. Sie haben Horst Seehofer getroffen, um Merkel zu schwächen. Zu welchem Zweck? Was war denn genau die Absicht, um Angela Merkel zu schwächen? – Statt konstruktiver Politik setzen Sie auf Profilierungssucht und Nationalismus. Nationalisten ist immer die eigene Nation näher als das gemeinsame Interesse, das haben Sie jetzt auch gelernt; auch das könnten Sie einmal auf Ihre Homepage schreiben: Ich habe gelernt, Nationalisten schauen nur auf sich selbst.

Was passiert denn, wenn Ihre neuen Freunde wie Salvini, Seehofer oder Orbán agie­ren? – Die schauen dann auf einmal natürlich nur mehr auf sich selbst. Was ist denn das Resultat Ihrer Zündelei? Was passiert denn, wenn man auf Nationalismus setzt? – Unsicherheit und Chaos in Österreich und Zerstörung des europäischen Konsenses. (Beifall bei der SPÖ.)

Was ist denn noch passiert? – Der deutsche Streit wird am Ende des Tages auf dem Rücken und auf Kosten Österreichs ausgetragen: Unsicherheit entlang der deutschen Grenze, Unsicherheit in Orten und Gemeinden in Oberösterreich, in Salzburg und in Tirol, Unsicherheit und unbeantwortete Fragen für unsere Bevölkerung. Was bedeuten denn diese Lager in Deutschland für uns? Was bedeutet es denn, wenn Deutschland seine Südgrenze schließt, keine Asylanträge mehr annimmt und Menschen an der Grenze zu Österreich zurückweist? Sind es diese Orte und Gemeinden, wo die Menschen dann bleiben werden? – Menschen und Bürgermeister vor Ort und Ihre eigenen Landeshauptleute, Herr Bundeskanzler, haben nichts zu erwarten und können sich nur fragend an den Kopf greifen.

Auf der anderen Seite tut Schwarz-Blau nichts bei der Kinderbetreuung, beim Schul­ausbau, in Infrastrukturfragen. Und jetzt? – Jetzt lassen Sie diese Bürgermeister nicht nur in diesen Fragen alleine, sondern auch in der Flüchtlingsfrage. Ist das Ihre Politik, Herr Bundeskanzler? Sie wollen keine Antworten und keine Lösungen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie wollen nicht für die Menschen in Österreich arbeiten. Sie wollen ständig neue Probleme in der Flüchtlingsfrage erzeugen, in der Hoffnung, dass Sie dann das politische Kleingeld wechseln können. (Beifall bei der SPÖ.)


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Diese Bundesregierung hat kein Interesse an einer tragfähigen und stabilen Lösung in der Flüchtlingsfrage. Warum? – Weil sie sich dann nicht mehr dahinter verstecken kann. Diese Regierung will, dass über Flucht und Migration geredet wird, weil das ÖVP und FPÖ zusammenschweißt und die Auswirkungen der politischen Maßnahmen, die sie im Inland trifft, verschleiert. Ohne Ihre Zündelei, Herr Bundeskanzler, bliebe das übrig, was vertuscht werden soll, nämlich einzig Ihre unsoziale Politik.

Es blieben übrig: der 12-Stunden-Tag, der Raub von Überstundenzuschlägen, Freizeit und Gesundheit (Abg. Rosenkranz: Das ist doch alles falsch! – Abg. Winzig: Jetzt wissen wir, wieso er nicht Bürgermeister hat werden können!), die Schwächung von gewerkschaftlicher Mitbestimmung, die Streichung von Kinderbetreuungsgeldern und das Stoppen des Ganztagsschulausbaus – ein Anschlag auf die Familien und Allein­erziehenden. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Es bleibt übrig, dass Sie immer wieder die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher verraten. Und warum? – Weil Sie für Ihre Großspender da sein müssen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Sie verwechseln Sozialismus mit Österreich, oder?!)

Sie sind der Konzernkanzler Kurz, und, Herr Rosenkranz, Vizekanzler Strache ist der Steigbügelhalter dieser Politik. (Abg. Rosenkranz: Aber gehen Sie, packen Sie ein!) Strache ist der Arbeiterverräter, das liegt klar auf dem Tisch. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Schwacher Applaus bei der SPÖ!)

Keine Antworten, keine Lösungen, keine Handschlagqualität und keine Verantwor­tung – Sie verraten täglich die arbeitenden Menschen in unserem Land. Sie verraten aber auch die Grundwerte der Europäischen Union, Sie verraten die europäische Idee. (Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.) Sie nennen sich Brückenbauer, in Wahrheit machen Sie aber Österreich kaputt, und – das ist das Traurige dabei – Sie machen ganz Europa kaputt. (Beifall bei der SPÖ.)

16.06


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jenewein. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Rosenkranz – auf den den Sitzungssaal verlassenden Abg. Kern weisend –: Hans-Jörg, ich glaube, das ist jetzt genug! Der Herr Kanzler, glaube ich, geht jetzt eh! Was hat der für eine kurze Hose an?! – Heiterkeit bei Ab­geordneten der FPÖ. – Abg. Jenewein – auf dem Weg zum Rednerpult –: Na ja, ich hoffe nicht, dass der Herr Bundeskanzler geht!)


16.07.13

Abgeordneter Hans-Jörg Jenewein, MA (FPÖ): Um auf meinen Vorredner direkt einzugehen: Herr Kollege, Sie haben davon gesprochen, dass es so komische Tage sind. – Es sind wirklich komische Tage, und besonders komisch muss man sich fühlen, wenn man so gerne Wiener Bürgermeister geworden wäre und jetzt auf den harten Oppositionsbänken sitzt. (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Das ist genau so komisch, wie Ihr Kollege, der die meiste Zeit nicht da ist – was ja auch heute eindeutig publiziert wurde –, der Herr Kollege, der jetzt wiederum nicht da ist, der so gerne Bundeskanzler geworden wäre. Das sind schon komische Tage, wenn man nicht Bundeskanzler der Republik werden kann. (Beifall bei der FPÖ.)

Um aber auf das Thema zurückzukommen: Es sind auch insofern komische Tage, als ich mir beim Redebeitrag von Frau Zadić gedacht habe, dass das ja wirklich ein sehr bemühtes Referat war, das sie da gehalten hat. Als ich mir den Beitrag des Erstredners der Liste Pilz angeschaut habe, habe ich mich die ganze Zeit gefragt: Ist das jetzt eine kabarettistische Darbietung, die er da liefert? Ist die ganze Liste Pilz nur ein Kunstprojekt? – Er spricht hier von einem leeren Plenarsaal und weiß selbst sehr gut, wie es ist, wenn ein Plenarsaal leer ist. Man hat aber auch ein bisschen gespürt, dass


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bei Peter Pilz die Luft draußen ist. Ich habe nachgeschaut: Er wird im nächsten Jahr 65, und das ist für manche Männer ein kritisches Alter (Heiterkeit bei der FPÖ – Zwischenruf der Abg. Friedl), überhaupt dann, wenn sie sich als Grapscherkönige und Mandatskäufer hier einen besonderen Namen gemacht haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Das sind dann die Leute, die sich hierherstellen und glauben, der Bundesregierung und den Regierungsparteien gute Ratschläge geben zu müssen. (Zwischenrufe der Abge­ordneten Wittmann und Friedl.) Ich bin aber Herrn Pilz insofern dankbar, als er 20 Mi­nu­ten Zeit gehabt hat, um hier zu erklären, wie denn dieser Paradigmenwechsel, den diese österreichische Bundesregierung jetzt endlich vollzogen hat, in Wahrheit aussieht. Diese 20 Minuten waren in Wahrheit eine Werbung dafür, dass es eine Not­wen­digkeit ist (Zwischenrufe der Abg. Friedl), dieses Modell 2015 – mein Vorredner hat das so beklagt, er möchte offenbar diesen Zustand sehr gerne wieder haben – eben nicht mehr in die Realpolitik in Österreich zurückzuführen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Friedl. Ist schon recht, Sie können da reinplärren, was Sie wollen, ich höre Sie ja auch gar nicht, weil es viel zu sehr hallt, aber es macht nichts: Machen Sie sich das mit sich aus!

Herr Pilz hat ja auch die Lage in Afrika und die Unmenschlichkeit dieser Idee ange­sprochen. Wissen Sie, was besonders interessant ist? – Der Erste in Europa, der diese Idee gehabt hat, ist jemand, der nicht unbedingt in Verdacht steht, der FPÖ oder der ÖVP irgendwie nahezustehen. Es war der deutsche Innenminister Otto Schily im Jahr 2004, der das erste Mal davon gesprochen hat, dass wir in Afrika Auffanglager für die illegalen Migranten brauchen. Jetzt haben wir das Jahr 2018. In Europa braucht halt alles ein bisschen Zeit, bis es wird; 2004 hat er es gefordert.

Ich bin froh, dass wir mit dieser Bundesregierung, mit Bundeskanzler Kurz an der Spitze, Innenminister Herbert Kickl und auch Verteidigungsminister Mario Kunasek, Leute in politischer Verantwortung haben, die nicht bereit sind, genau die Fehler zu wiederholen, die im Jahr 2015 ein österreichischer Bundeskanzler gemacht hat.

Wissen Sie, das politische Kurzzeitgedächtnis ist auch immer sehr interessant. (Zwi­schenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.) Überlegen Sie einmal, warum Sie da drüben in Opposition sitzen! Überlegt die Liste Pilz einmal, warum sie in den Umfragen nur 2 Prozent hat? Ein österreichischer Journalist hat das in den vergangenen Tagen relativ schön analysiert. Ihnen kommt es nicht mehr darauf an, dass hier Politik für die Menschen im Land gemacht wird. (Zwischenruf der Abg. Duzdar.) Ihnen kommt es nicht darauf an, dass die Österreicher einen Mehrwert von aktiver, gestalterischer Politik haben. Ihnen kommt es nur mehr darauf an, dass Sie den Florian Klenks und Armin Wolfs in dieser Republik gefallen. Darauf kommt es Ihnen an! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das ist nur leider nicht mehrheitsfähig, meine sehr geehrten Damen und Herren. Oder: Es ist Gott sei Dank nicht mehrheitsfähig!

Ich sage Ihnen, ich bin froh, dass wir heute in Österreich die Situation haben, dass hier nicht nur nationale Politik, sondern auch europäische Politik aktiv gestaltet wird. Das ist etwas, das man in den vergangenen Jahren nicht mehr erlebt hat, obwohl es in Österreich immer gute Tradition war. In Österreich war es immer gute Tradition, dass man Impulse – durchaus auch europäische Impulse – von hier aus gesetzt hat. Nur: Mit den Totalversagern, die vorher die Regierungsführung innegehabt haben, war eben kein Staat zu machen; darum sind sie abgewählt worden, und es ist gut, dass sie abgewählt worden sind. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.12


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Strolz. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)



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16.12.16

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanz­ler! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Das ist eine wei­tere Debatte zum Thema Europa, das dieser Tage in aller Munde ist. (Abg. Deimek: Den gibt’s auch noch?) – Ja, ich bin noch da, aber es wird ein überschaubarer Zeit­rahmen sein. (Abg. Belakowitsch: Gleich ist er weg ...!)

Für alle, die sich ernsthaft erkundigen wollen: Ende September werde ich meinen Sitz hier im Haus übergeben. Das gibt mir die Chance, hier noch das eine oder andere Wort zu deponieren. Und ich muss ja nicht reden; wir haben genügend gute Leute, die auch reden könnten, dennoch habe ich mich heute gemeldet, weil es mir ein Anliegen ist, Sebastian Kurz, wenn er hierherkommt, ein paar Dinge mitzugeben.

Ich war gestern bei einem Abendessen, bei dem einer dabei war, der es an und für sich gut mit mir meint. Er hat mich gefragt: Warum bist du gar so kritisch und so böse mit Sebastian Kurz? – Das stimmt schon, ich glaube, ich habe in den letzten zwei, drei Wochen oft sehr hart ausgeteilt, und es ist nicht so, dass mir das Spaß macht. Es ist für mich jedes Mal eine echte Überwindung. (Heiterkeit bei der FPÖ. – Rufe bei der FPÖ: So schlimm ist das auch nicht! Das ist fishing for compliments! Matthias, wenn du selber nicht mehr ehrlich bist ...!) – Nein, nein, das ist ehrlich! (Beifall bei den NEOS.)

Ich zitiere meine Frau als Bürgin, die danebengesessen ist, genickt hat und gesagt hat: Ja, er ist am Abend immer ganz fertig, wenn er kritisieren musste. – Das beschäftigt mich sehr. (Ruf bei der FPÖ: Weil du ein schlechtes Gewissen hast ...! – Zwischen­be­mer­kung von Bundeskanzler Kurz.) – Ja, schlechtes Gewissen? Ich wollte in der Politik eigentlich nie so persönlich werden, und es gab ja Zeiten, in denen ich ein echter Sebastian-Kurz-Fan war. (Bravorufe bei der ÖVP.) – War ich, ja. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Als ich in die Politik gegangen bin, hatten wir ein Unternehmen und dort auch ein großes Projekt, das nicht gewinnorientiert war. Wir haben uns um die Begleitung von talentierten und engagierten Jugendlichen mit Migrationshintergrund gekümmert. Das war zum Beispiel ein Projekt, das du (in Richtung Bundeskanzler Kurz) als Staats­sekretär übernommen hast. Wir haben es in einen Verein verlagert, denn ich wollte nicht, dass es unter die Räder kommt, nur weil ich in die Politik gehe. Du hast es mit offenen Armen genommen und sofort verstanden, worum es geht, nämlich um Poten­zialentfaltung et cetera.

Das ist schon irgendwie der Grund, warum ich mich noch einmal melde. Vielleicht nutzt es eh nichts, aber ich glaube, wir waren letztes Mal beim biblischen Gleichnis der Talente, und ich denke, es ist mehr möglich, Sebastian Kurz. Ich glaube das tat­sächlich und werde noch jede Chance nutzen, um an dir zu rütteln. (Ruf bei der FPÖ: Da wird er ganz fertig sein!) Wenn ich zuschaue, wie diese Bundesregierung und vor allem ein Bundeskanzler agiert, der der Generation Interrail und Erasmus angehört, dann sage ich: Das kann nicht alles sein! Das kann nicht der Ernst dieses jungen Men­schen mit 31 Jahren sein, der auch diesem Kontinent und seiner Einigung so viel zu verdanken hat. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Dann schießt mir Voltaire ein, der sagt: „Du bist nicht nur verantwortlich für das, was du tust, sondern auch für das, was du nicht tust.“ Die Frage: Was habe ich heute nicht getan?, möchte ich einfach als abendliches Mantra mitgeben. Da wird jemandem hoffentlich einiges für den nächsten Tag einfallen, denn mit den Möglichkeiten, die dieser Kanzler hat, könnte er ganz andere Dinge bewirken, als zu zündeln und irgend­wie Nationalismen zu beflügeln. Da wären ganz andere Dinge möglich, davon bin ich überzeugt. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)


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Wenn man an Voltaire denkt: Er hat im 18. Jahrhundert dieses Europa schon in einer Dimension gelebt, von der wir heute mancherorts nur noch träumen können. Er ist durch diesen Kontinent gereist und hat als Wegbereiter der Aufklärung, als Freund und Fan der aufkeimenden parlamentarischen Demokratie sehr viele Türen geöffnet, durch die wir als Völker gegangen sind.

Dann kommen einige Generationen später Leute, die die Gnade der späten Geburt haben und so viele Türen schließen und Zäune aufbauen. Das verstehe ich nicht. Sie machen das mit einem Unterton: Ich habe keine andere Möglichkeit, ich muss das ja machen. Also frei nach Voltaire: In einem seiner Meisterwerke, „Candide oder die beste aller Welten“, beschreibt er, dass man sich nicht dem undifferenzierten Optimis­mus hingeben sollte. Das ist eine Tonalität, Sebastian Kurz, die auch bei dir immer wieder durchschlägt: Man darf sich nicht diesem undifferenzierten Optimismus, dieser Naivität hingeben, denn es ist gefährlich. – Ja, das ist die eine Seite der Medaille.

Voltaire schreibt aber in „Candide“ am Schluss – und hat es dann selbst vorgelebt, als er sich auf seine alten Tage an der französisch-schweizerischen Grenze nieder­gelas­sen hat –: Du sollst dich nicht den metaphysischen Luftschlössern hingeben, aber du sollst dich um deinen eigenen Garten kümmern. Du sollst ihn bestellen. Du sollst – und das ist ein Appell an den Herrn Bundeskanzler – soziale Felder kultivieren. – Das ist aber mehr ein Aufruf, über die Grenze zu denken und nicht den politischen Schre­bergärtner zu machen, Sebastian Kurz, und dabei noch die eigene Hecke anzuzünden, nur weil man sie mit dem Nachbarn teilt. Es ist ja dann die eigene Hecke, die ebenfalls brennt. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Sich um den eigenen Garten zu kümmern, heißt auch, zu begreifen, dass wir auf die­sem Flecken Erde, Europa, einfach eine Schicksalsgemeinschaft sind. Ich habe es schon öfters gesagt: Wenn ich meinen Kindern, als sie klein waren, Europa auf diesem blauen Planeten gezeigt und erklärt habe, dann sind sie nach 5 Minuten mit dem Globus wiedergekommen und haben gefragt, wo das denn sei.

Es ist so ein Tropfen Zeit, es sind über 500 Millionen Menschen. Wir sind kraft Geo­grafie, Geschichte, Dichte der Bevölkerung eine Schicksalsgemeinschaft. Wir können es uns nicht aussuchen. Wenn eine Hütte brennt – und wir haben das am Balkan pro­biert –, dann fackelt die Nachbarhütte mit ab. Die Leute, die drinnen sind, sind dann entweder geflüchtet oder tot. Wenn eine Grenze brennt, dann brennt die nächste Grenze mit, und am Schluss brennen alle Grenzen und dann der ganze Kontinent. Das ist einfach so.

Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft, und wir können – das wäre der Auftrag für die Ge­neration Erasmus und Interrail – und müssen diese Schicksalsgemeinschaft als Chancengemeinschaft begreifen. Wenn man das ernst meint, dann muss einem mehr einfallen, als dir bisher eingefallen ist.

Nur ein Beispiel, man könnte zum Beispiel sagen: Machen wir 1 000 Partnerstädte in Nordafrika, und ich mit meinen Netzwerken, mit meiner Autorität, nehme zwei bis drei Regierungschefs und sage: Wir gehen als Österreich voran, mit zwei, drei anderen Ländern, seien es die Niederlande, sei es Frankreich, sei es Tschechien. – Das ist nicht naiv, das bedeutet es, den eigenen Garten zu bestellen! Das wären nur 15 Städte für Österreich, das schaffen wir leicht. Eine Stadt kümmert sich in einer Partnerschaft um ein Bildungsprojekt, eine um ein Krankenhaus, um Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten, eine um Abwasserentsorgung, eine um Kriminalitätsbekämpfung, eine um Elektrizität. Das wären nur 15 Städte! Wir finden die – nicht wenn ein Oppositionsführer die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister anschreibt, aber wenn der Bundeskanzler sie anschreibt, schriebe er sie an, dann finden wir sie! Es sind 15, wenn wir das mit zwei, drei anderen Regierungschefs skalieren, dann seid ihr mit 300 Partnerstädten


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unterwegs; dann geht ihr zu Jean-Claude Juncker und sagt: Herr Kommissions­prä­sident, das ist dein Job! 300 haben wir schon – 1 000, bitte!

Es ist eine Kleinigkeit, es ist nur Projektmanagement, es ist keine Raketenwis­sen­schaft. Und wenn dann 300 Projekte floppen, haben wir immer noch 700, die funk­tionieren, quer durch ganz Nordafrika. Dadurch wachsen Chancen, Stabilität, Zuversicht, und damit verhindern wir Flucht und Tod. Das wäre möglich. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.)

Das wären keine naiven Luftschlösser, es wären nur Taten, die einem Wollen ent­springen, und dieses Wollen vermisse ich bitterlich. Ich werde das noch bei jeder sich bietenden Gelegenheit deponieren. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.) 

16.21


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Gahr. – Bitte, Herr Abgeordneter.


16.21.52

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bun­desminister! Bürgerinnen und Bürger! Hohes Haus! Der Herr Bundeskanzler hat uns heute eingangs gesagt, dass das Jahr 2015 Österreich und Europa in eine bedrohliche Lage gebracht hat. Wir brauchen also einen aktiven Grenzschutz, wenn es um die Sicher­heit von Österreich und Europa geht, und gerade die EU-Ratspräsidentschaft wird zeigen, dass sich Österreich um diese Sicherheit annimmt und unser Bundes­kanzler Kurz Garant dafür ist.

Es braucht aber in der sensiblen Frage Asyl und Migration eine genaue Differen­zierung. Wir müssen klar zwischen illegaler Migration und fairer Asylpolitik unterschei­den. Nicht Schlepper sollten entscheiden, wer zu uns kommt, sondern wir selbst. Diese Schlepper verdienen am Leid der Menschen, wie zahlreiche Fälle in den vergangenen Monaten zeigten.

Zur aktuellen Lage in Deutschland muss man klar feststellen: Österreich muss sich auf die Entwicklungen in Deutschland einstellen und auch einrichten, denn derzeit ist wohl für niemanden genau klar, was Deutschland vorhat. Morgen wird unser Bundeskanzler Sebastian Kurz mit dem deutschen Innenminister über Details verhandeln. Eines steht wohl klar fest: Es kann keine Verträge und Abmachungen geben, die zulasten von Österreich gehen.

Als Tiroler darf ich berichten, dass es am Brenner seit zwei Jahren ein funktionierendes Grenzmanagement gibt. Es wurden Grenzkontrollen eingerichtet, die in 24 Stunden hochgefahren werden können. Derzeit kontrollieren 180 Polizisten und 100 Soldaten des Bundesheeres den Grenzbereich und die Güterzüge.

Im Jahre 2018 wurden bisher 2 410 illegale Personen aufgegriffen, und die Zahlen zeigen, dass wir hier einen Grenzschutz brauchen. Unser Landeshauptmann Günther Platter hat auch zur Entwicklung in Deutschland klar festgestellt, dass Tirol nicht zum Wartezimmer Europas werden darf.

Österreich ist bestens vorbereitet, und es wird hier durchaus unterschiedliche An­schau­­ungen geben. Es wurde ja bereits in Spielfeld das aktive Einschreiten von Polizei und Bundesheer bei einem Ansturm von Migranten geübt. Gemeinsam mit den Assistenz­kräften des Bundesheeres wurden Übungen durchgeführt.

Die neue Fremden- und Grenzpolizeieinheit Puma wird zeitlich und örtlich flexibel zum Einsatz kommen. Puma wird insbesondere die Durchsetzung des geltenden Fremden­rechts kontrollieren, die Bearbeitung von Asylbegehren im Rahmen der polizeilichen


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Aufgaben und Befugnisse sicherstellen, bei Grenzkontrollen effektive Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen übernehmen und im Bedarfsfall bei Flughäfen verstärkt kon­trollieren.

Unter dem Vorsitz unseres Innenministers wird es eine Taskforce Migration aus Ver­tretern verschiedener Ministerien geben. Damit ist sichergestellt, dass Österreich für den Eventualfall vorbereitet ist. Es darf kein zweites 2015 geben!

Mittel- und langfristig brauchen wir einen funktionierenden Außengrenzschutz. Der Schengenraum muss aufrechterhalten werden, dafür wird sich die Bundesregierung während des EU-Ratsvorsitzes einsetzen und dahin gehend Maßnahmen setzen. Wichtig sind auch eine Stärkung von Frontex und verbindliche Spielregeln für NGOs.

Abgeordneter Pilz, Flüchtlingspolitik funktioniert nicht auf Knopfdruck, es braucht Ver­nunft und Verlässlichkeit. Wir brauchen die Achse von Verantwortung und voraus­schauenden Maßnahmen, keine billige Polemik. Kollege Pilz, Ihre Anfrage geht ins Leere. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

16.26


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Leichtfried. – Bitte, Herr Abgeordneter.


16.26.16

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie und an den Bildschirmen! Ich habe vor dieser Rede lange nachgedacht, wie man beschreiben könnte, was derzeit passiert. Wie könnte man für Menschen, die politisch nicht so interessiert sind, beschreiben, was dieser Bundeskanzler, was Sebastian Kurz derzeit macht? Wie kann man da ein Bild zeichnen? Sie wirken, Herr Bundeskanzler, derzeit wie ein Jongleur, ein Jongleur, den das Glück verlassen hat, der den Zenit seiner Leistungsfähigkeit überschritten hat, und ein Jongleur, der er­staunt feststellt, dass die Teller, die er so kunstvoll am Staberl balanciert hat, derzeit herunterkrachen und zersplittern! (Heiterkeit des Abg. Rosenkranz.)

Ich kann mich noch gut erinnern, wie das war, als Sie, Herr Bundeskanzler, mit dem Jonglieren begonnen haben. Der erste Teller war diese so einschlägig berühmt ge­wordene Routenschließungsnummer mit der Balkanroute. (Abg. Rosenkranz: In so einer Welt möchte ich einmal leben!) Dieser Teller hat eigentlich eine Zeitlang nicht so schlecht am Staberl geschwirrt – zumindest Ihrem Empfinden nach, wahrscheinlich –, und das ist vielleicht der Grund dafür, dass jetzt schon jedes zweite Monat eine neue Route erfunden wird, die zu schließen ist. (Abg. Gudenus: Das ist ein schönes Bild!) Man braucht in dieser Branche schwirrende Teller.

Der zweite Teller, geschätzte Damen und Herren, war die Totalumkehr in der öster­reichischen Außenpolitik, das Abgehen vom Prowestlichen hin zum Anbiedern an die Visegrádstaaten. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Dieser Teller hat zuerst auch geschwirrt und dann hat er sich plötzlich nicht mehr so gut gedreht, als Sie sich entschlossen haben, die Arbeitskräfte – hauptsächlich Frauen –, die dafür verant­wort­lich sind, dass unser Pflegesystem funktioniert, und die aus diesen Staaten kommen, finanziell zu drangsalieren. Da hat der Teller nicht mehr so gut geschwirrt, da hat er schon etwas geeiert. (Ruf bei der SPÖ – in Richtung des mit einer Mitarbeiterin sprechenden Bundeskanzlers Kurz –: Hören Sie zu! – Abg. Wittmann: Frau Präsidentin, der Herr Bundeskanzler soll zuhören!)

Der dritte Teller, Herr Bundeskanzler, war, als Sie sich gedacht haben: Na ja, mit Visegrád ist das vielleicht doch nicht so cool, und dieser Brückenbauerschmäh mit denen greift auch nicht wirklich. Na, dann mache ich eine Achse der Willigen, eine


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Achse Rom-Wien-Berlin! – Und dieser Teller, geschätzte Damen und Herren, eiert nicht nur, der war aufgrund der Beteiligten, des Herrn Seehofer und des Herrn Salvini, bereits von Anfang an absturzgefährdet. Herr Kurz, ich frage Sie aber jetzt eines und bitte Sie, das vielleicht auch noch zu beantworten: Wie können Sie unter diesen Umständen mit diesen Inhalten so etwas Achse nennen, Herr Bundeskanzler? Wo waren Sie im Geschichtsunterricht? Das frage ich Sie! (Rufe bei der FPÖ: Geh bitte! Schlechte Rede! – Ruf bei der SPÖ: Wo war er?)

Dann gibt es den vierten Teller, und diesen vierten Teller würde ich mit einem Zitat beschreiben: Übermut tut selten gut. (Abg. Gudenus: Das macht die SPÖ ganz gerne!) Das ist ein großer und schwerer Teller gewesen. (Abg. Rosenkranz: Wo war denn der im Geschichtsunterricht? Der hat die Wasserstoffbombe erfunden, der Teller!) Es war meines Erachtens, Herr Bundeskanzler, ein fataler Fehler, den Versuch zu unternehmen, mit Ihren Kurzzeit-Weißwurst-Spezerln die Regierungszeit der deutschen Bundeskanzlerin zu verkürzen.

Das Ergebnis war, dass die Teller krachend heruntergefallen sind. (Ruf bei der FPÖ: Da klatscht nicht einmal die SPÖ! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ und Gegenrufe bei der SPÖ.) Der Effekt war, dass durch diese Maßnahmen, die Sie gesetzt haben, durch dieses Zündeln, ein großer Schaden für unser Land, für unsere internationale Reputation, für unsere Wirtschaft und für die Menschen in Österreich entstanden ist. Das ist Ihre Verantwortung, Herr Bundeskanzler, und die Verantwortung von nie­mandem sonst! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Aber wieso verstehen das die Menschen ganz anders?)

Geschätzte Damen und Herren, es gibt bei der FPÖ einen Abgeordneten, der immer mit Zwischenrufen glänzt, und das ist der Herr Rosenkranz – er hat schon wieder irgendetwas gesagt –, der bei seiner Landespartei als Kandidat für den Parteivorsitz angetreten ist und als alleiniger Kandidat 60 Prozent bekommen hat. 40 Prozent wollen also lieber niemanden statt ihm, geschätzte Damen und Herren – so erfolgreich ist der Herr Rosenkranz! (Beifall bei der SPÖ. – Anhaltende Zwischenrufe bei FPÖ und SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, Sie spüren ja auch schon die Folgen Ihres Handelns. Ich frage Sie – es ist schon angesprochen worden, aber es würde mich persönlich interes­sieren –: Ist es Ihnen nicht peinlich, dass gerade 50 Abgeordnete bei Ihrer Antrittsrede im Europäischen Parlament anwesend waren, weil nichts Neues zu erwarten war? (Abg. Schieder: Nicht einmal die Abgeordneten der Europäischen Volkspartei!) Es war nicht zu erwarten, dass Sie irgendetwas sagen, das in die Richtung geht, wie die Europäische Union weitergebracht werden kann. Das ist doch peinlich!

Ist es Ihnen nicht unangenehm, dass Sie nachher mit einem Sonderflug zu einer Pres­sekonferenz geflogen sind, mit Ihrem Vizekanzler und mit dem Herrn Innenminister dorthin geeilt sind (Abg. Martin Graf: Wenn Sie im Parlament reden, kann es sein, dass gar keiner zuhört!) – ich würde mir wünschen, dass Sie derartige Anstrengungen unternehmen, wenn Sie hier im Parlament gefragt sind; das sei nur nebenbei gesagt – und dass Sie dann zu dritt dagestanden sind und nur sagen haben können: Wir wissen eigentlich nicht, was die Deutschen tun!? – Das hat diesen Aufwand meines Erachtens nicht gerechtfertigt, Herr Kurz, mit einem Sonderflug zu einer Pressekonferenz zu fliegen.

Herr Bundeskanzler, Sie haben dabei gesagt, Sie werden nie einen Vertrag zulasten Dritter abschließen, Sie werden das nicht akzeptieren. Ich möchte nur anmerken: In diesem Vertragsverhältnis, das Sie uns da gebracht haben, sind wir diese Dritten, die nicht gefragt werden, geschätzte Damen und Herren. Aus der Kurzzeitachse ist ein Schraubstock geworden, und in der Mitte dieses Schraubstocks wird jetzt Österreich


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sein. Das ist die Verantwortung von Ihnen, Herr Bundeskanzler, und von niemandem sonst! (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Bundeskanzler, haben Sie nicht auch manchmal das Gefühl, dass Sie mit Ihrem Koalitionspartner knapp am Verzweifeln sind? Ich gestehe Ihnen das zu, dass Sie das manchmal sein müssen! (Abg. Winzig: Früher war es das! – Ruf bei der ÖVP: Die Zeiten sind vorbei!) Als Deutschland drohte, dass Zehntausende Menschen in Zukunft unkontrolliert nach Österreich kommen, sind dem Herrn Innenminister zwei Dinge eingefallen. Er hat – und das müssen Sie sich vorstellen! – am Jahrestag der Schlacht von Königgrätz gesagt: Die Preußen schießen nicht so schnell!, dabei haben sie dort erstmals das Zündnadelgewehr mit einer dreifachen Kadenz der österreichischen Gewehre verwendet. Das historische Wissen des Herrn Innenministers ist also hinter­fragbar. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Und dann hat er noch gesagt: Ja dann schützen wir die Südgrenze! Geschätzte Damen und Herren, ich bin echt verblüfft, dass es einen FPÖ-Innenminister gibt, der nicht weiß, dass Deutschland im Norden und nicht im Süden von Österreich liegt. Das ist ja unglaublich! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Dann hast aber du das nicht verstanden, wo die Migrationsströme herkommen!)

Herr Bundeskanzler, anstatt sich für ein europäisches Asylsystem einzusetzen, anstatt für Hilfe vor Ort zu sorgen, anstatt für Schengen zu kämpfen, das wir so lieben und schätzen gelernt haben, anstatt die Ratspräsidentschaft für das Wohl der Euro­pä­ischen Union und das Wohl Österreichs zu nützen, haben Sie eitel gezündelt, für den Rückfall in die Kleinstaaterei, für die Gefährdung der Europäischen Union und für Chaos gesorgt und haben dafür noch dazu das Lob der Frau Le Pen erhalten. Allein deshalb würde ich mir schon Gedanken machen!

Geschätzte Damen und Herren, sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger, dem über­schätzten Jongleur sind die Teller heruntergefallen. Es hat gekracht und gescheppert, und darunter werden wir alle noch lange leiden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz. – Abg. Martin Graf: Die Le Pen hat den Kern auch schon gelobt!)

16.35


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Lugar. – Bitte, Herr Abgeordneter.


16.35.17

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Minister! Hohes Haus! Es ist wirklich hochinteressant, wie sehr sich die SPÖ verrenkt, um eine Politik, die ja nachweislich falsch war, heute noch zu rechtfertigen. (Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Schieder: Da redet der Richtige!) Normalerweise müssten Sie sich ja dafür entschuldigen, dass Sie uns 2015, 2016 unter Anleitung der Frau Merkel diese Politik eingebrockt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Faymann von der SPÖ hat bei der Frau Merkel mitgemacht, anscheinend ohne zu wissen, was er uns antut. (Abg. Leichtfried: Wenn Sie reden, reden Sie zum Bun­deskanzler!) Deshalb sollten Sie ein bisschen in sich gehen und nicht wie ein trotziges Kind eine falsche Politik verteidigen, obwohl Sie ja schon selbst wissen müssen, dass diese Politik falsch war. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.) Diese Politik ist tot, und jetzt ist es Zeit, dass man die Herz-Lungen-Maschine abschaltet und diese Politik, die ja nachweislich falsch war, endlich zu Grabe trägt.

Und was machen Sie heute hier? – Sie erklären uns immer noch, dass wir diese Flüchtlinge, die ja Schutz suchen, aufnehmen müssen. Auch damals schon waren es nur ganz, ganz wenige Flüchtlinge, die nach Deutschland und nach Österreich gekom­men sind. Das wussten Sie damals, und wir haben es Ihnen auch damals sehr, sehr oft


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gesagt. (Abg. Leichtfried: Wer ist jetzt „wir“?) Und was haben Sie gemacht? – Sie haben eine Migrationswelle bewusst ins Land gelassen, obwohl Sie wussten, dass es keine Flüchtlinge, keine Schutzbedürftigen sind.

Das Ganze ist in Deutschland entstanden. Das sieht man, wenn man sich eine Rede des Herrn de Maizière, des damaligen Innenministers, ansieht, und zwar ein Jahr bevor das Ganze losgegangen ist. Da hat er gesagt – es ist im Internet nachzulesen –, wenn es uns gelingt, die Flüchtlingsströme aus Syrien nach Deutschland umzuleiten, dann kann das nur ein Gewinn für Deutschland sein – ein Jahr bevor es losgegangen ist! Das heißt, die Idee war, dass man eine Migrationswelle lostritt, um bestens ausgebildete Arbeitskräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen. (Zwischenruf des Abg. Gudenus.) Spätestens ein halbes Jahr später hat man gewusst, dass das so nicht funktioniert, und trotzdem hat man diese Politik weitergeführt.

Jetzt gibt es endlich eine neue Regierung, die vernünftig ist und sagt: Okay, es sind Fehler passiert, der Herr Faymann und die Frau Merkel haben das damals falsch gemacht, und jetzt machen wir es besser. Jetzt ist die Frage, was daran schlecht ist, außer dass Sie wie ein trotziges kleines Kind nicht einsehen wollen, dass Sie etwas falsch gemacht haben. Geben Sie es doch zu! Geben Sie zu, dass niemand etwas davon hat, wenn man Migranten ins Land lässt, die nicht einmal lesen und schreiben können! AMS-Chef Kopf sagt, dass die in 15 Jahren immer noch arbeitslos sein werden. Das erzeugt doch Frustration auf allen Seiten, das muss doch sogar den Sozialdemokraten klar sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Hören Sie bitte endlich auf, Migration mit Flucht zu vermischen. Es gibt die Schutz­bedürftigen, da gebe ich Ihnen recht, aber die fliehen nicht über sechs, sieben Länder, um nach Österreich zu kommen, um endlich Schutz zu haben. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.) Denen helfen wir vor Ort – und das wollen wir, das will unsere Bundesregierung.

Dann gibt es jene Migranten, die zu uns kommen wollen, weil sie ein besseres Leben wollen. Das ist ja auch legitim, natürlich wollen diese Menschen ein besseres Leben, aber die Frage ist nicht, was diese Menschen wollen, die Frage ist, was für uns vertretbar ist, und das ist nicht Solidarität! Sie sagen immer, wir müssen solidarisch sein. – Nein, das müssen wir nicht! Wenn Menschen beschließen, zu uns zu kommen, müssen wir mit jenen Menschen nicht solidarisch sein. (Ruf: Du lebst in der Vergan­genheit!)

Was wir machen müssen, ist, darauf zu schauen, dass diese Menschen in Österreich eine Perspektive haben. (Zwischenruf des Abg. Noll.) Deshalb müssen wir es uns aussuchen, wer nach Österreich kommen darf und wer nicht. Das ist Hausverstand. Wenn Sie das nicht akzeptieren wollen, dann liegt es einfach daran, dass die SPÖ Entwicklungspolitik nicht dort machen will, wo sie sinnvoll ist und wo wir sie daher machen wollen, nämlich in den Heimatländern, nein, Sie wollen Entwicklungspolitik in Österreich machen, indem Sie diese Menschen hierherlocken – ungebildete Men­schen, Menschen, die hier am Arbeitsmarkt nicht Fuß fassen können – und ihnen hier helfen. Das ist der Fehler in Ihrem Denken. (Abg. Gudenus: Bis wir ein Entwick­lungs­land sind!) Sie müssen endlich einmal dahinterkommen, dass das so nicht funktioniert! (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Bundesregierung steht auf den Fundamenten der Europäischen Union, und da geht es einmal darum, dass man die europäischen Völker schützt, denn nur gemein­sam mit den europäischen Völkern können wir dieses Projekt Europa am Leben erhal­ten – und nicht das, was Sie machen, nämlich Türen auf, alles rein, was will, und dann haben wir am Ende des Tages die Probleme, die wir alle sehen. Deshalb: Vertrauen Sie dieser Bundesregierung ein bisschen! Sehen Sie ein, dass Sie Fehler gemacht


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haben! Jetzt machen wir es besser. Arbeiten Sie mit uns gemeinsam an neuen Lö­sungen, und dann schaffen wir etwas, was wir alle wollen, nämlich eine stabile Euro­päische Union, in der die Völker mitbestimmen können und nicht über die Völker drüber­gefahren wird. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.40


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Gamon. – Bitte.


16.40.44

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, das ist das Thema Nummer eins, Migration und Asyl. Es ist ein Dauerbrenner, ein Sommerhit, es ist quasi das „Despacito“ der österreichischen Politik, nunmehr schon seit zwei Jahren, und wir bekommen es einfach nicht mehr aus dem Kopf heraus. Die Liste Pilz trifft nicht die ganze Schuld. Wir haben das bei der Sondersitzung letzte Woche gesehen: Da ging es eigentlich um den 12-Stunden-Tag, und der Herr Bundeskanzler ist rein­gekommen und das ihm am nächsten liegende, logischste Thema, um seine Rede zu beginnen, war Migration – eindeutig! Irgendein Zusammenhang?

Was aber ist eigentlich mit den anderen Themen? Österreich hat die Ratspräsident­schaft; das wurde hier im Haus auch schon diskutiert. Viel zu kurz kommt die Diskus­sion über andere Themen, die auch im Programm erwähnt sind, wenn auch nur kurz. Die sind auch wichtig, weil wir uns jetzt in unserem gemeinsamen Europa in einer ganz wichtigen Phase befinden, was Themen wie zum Beispiel das Budget oder die Digita­lisie­rung betrifft.

Ich möchte ein paar Themen herausgreifen: Die Digitalisierung ist eine Hauptpriorität dieser Bundesregierung, sollte auch eine der Ratspräsidentschaft sein. Die Vorschläge machen jedoch oft den Eindruck, als wäre man auf einer Zeitreise unterwegs ins Jahr 1999, in dem es nur um den Infrastrukturausbau ging und man diverse Onlineplatt­formen baute, um Informationen zu bündeln. Wir sind alle schon ein bisschen weiter – die österreichische Bundesregierung offensichtlich nicht.

Es gibt auch Themen aus diesem Bereich, die man mit der Bevölkerung diskutieren muss, etwa wie die Artificial Intelligence auf uns zukommt; da gibt es Konsequenzen, mit denen man umgehen können muss. In diese öffentliche Debatte werden wir aber nicht kommen, wenn alles von Asyl und Migration überschattet wird. Man könnte natürlich auch schon eine Asyl-und-Migration-Artifical-Intelligence bauen, die für den Herrn Bundeskanzler Reden halten könnte, denn es kommt eigentlich immer das Gleiche heraus.

Thema Nummer zwei ist der Westbalkan. Man hat immer gesagt, dass das ein Haupt­thema für diese Bundesregierung ist, aber es reicht meiner Meinung nach nicht, nur mit vielen Regierungsspitzen dort gut zu stehen, sondern es geht auch darum, was man für die Jugend in dieser Region an Zukunftsperspektiven entwickeln kann. Es gibt eindeutig ein Wettrennen darum, wie die Zukunft dieser jungen Generation am West­balkan ausschauen wird, ob die Zukunft dort bei den Autokraten und Populisten liegen wird, die um sie kämpfen, oder ob sie in Zukunft Teil der liberalen Demokratie in Europa sein können. Diese Perspektive muss man nicht nur mit Worten eröffnen, sondern auch mit Taten erfüllen. Wichtig sind ein massiver Infrastrukturausbau, Foreign Direct Investment in der Region und auch ein Bekenntnis dazu, indem man sagt: Ihr habt hier eine Perspektive, und wir wollen, dass ihr Teil eines gemeinsamen, liberalen Europas seid und wir euch nicht verlieren! – Das ist etwas Wichtiges, das


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man auch ansprechen könnte und wofür man vor allem auch einmal Taten setzen müsste.

Beim Thema Budget ist jetzt lange darüber diskutiert worden, dass man das Brexitloch vielleicht mit dem Zauberstab Verwaltungsreform in Brüssel wettmachen könnte. Es hat sich relativ schnell gezeigt, dass sich das nicht ausgehen wird, und jetzt ist man umgeschwenkt und erzählt die Geschichte, dass man, wenn man das mit Asyl und Migration irgendwie hinbiegt, auch wieder einen Haufen Geld einsparen können wird. Das ist nur eine billige Ausrede, weil man sich nicht mit dem gemeinsamen Agrar­budget beschäftigen möchte oder mit der Strukturpolitik, denn das sind – no na net – schwierige Themen, wenn man auf sieben Jahre ausverhandeln muss, ob es nicht eventuell sein könnte, dass man bei den Subventionen gerade für größere Landwirt­schaftsbetriebe etwas einspart.

Das sind harte Diskussionen. Der Punkt ist: Wir müssen sie führen. Es geht gar nicht einmal darum, dass man jetzt schon sagt, welche Position man hat, sondern das sind Dinge, die man auch mit der breiten Bevölkerung ausverhandeln und ausdiskutieren muss, weil es eben so wichtig ist und es um einen mehrjährigen Finanzrahmen geht, der bestimmt, wie in den nächsten sieben Jahren die Geldverteilung im gemeinsamen Europa ausschaut.

Wenn wir schon von Migration reden, dann widmen wir uns dem Thema noch ein bisschen: Wie ist es denn dazu gekommen, Herr Bundeskanzler, dass Sie sich am Höhepunkt des Streits zwischen CDU und CSU plötzlich in der Mitte wiedergefunden haben? Das hat man eigentlich schon auf 3 Kilometer mit freiem Auge erkennen können, dass es nicht um Brückenbauen gegangen ist, sondern allerhöchstens darum, weiterzuzündeln.

Was wir von Ihnen verlangen, ist ein bisschen Multitasking. Man sagt, es fällt Ihnen schwer, aber ich glaube an Sie. Es wird möglich sein, politisch zu multitasken und zu sagen: Es gibt auch noch andere wichtige Themen, wir können die auch mit der Bevölkerung ausdiskutieren und wir können sie hier im Parlament ausdiskutieren. Es ist an der Zeit, in diesem Dauerwahlkampf endlich einmal auf die Pausetaste zu drücken und sich den wirklich wichtigen Themen zu widmen. Das Nachdenken über das Morgen in der Europäischen Union, über die Zukunft ist eine sehr lohnende Auf­gabe, und auch, die Debatte darüber zu führen, wo es denn langfristig hingehen soll.

Ich kann dieses Desinteresse für alles, was sich nicht für Innenpolitik eignet, überhaupt nicht nachempfinden. Es ist eine wahnsinnig spannende Zeit, um sich auch wirklich in die Debatte darüber reinzuwerfen, wie Europa in 10, 20, 30 Jahren ausschaut.

Da gibt es zwei Zukunftsszenarien:

Szenario Nummer eins: Die Verzwergung, die Renationalisierung, die Irrelevanz des europäischen Kontinents in der Welt.

Szenario Nummer zwei: Die Vereinigten Staaten von Europa, die Europäische Repu­blik, der stärkste Akteur der Welt, der sich für liberale Demokratie einsetzt, für die Werte, für die das Ganze steht, für progressiven Freihandel, für Wohlstand und für Frieden. (Beifall bei den NEOS.)

Szenario Nummer zwei ist ein bisschen sympathischer. Ich glaube, in dieser Frage muss man nicht allzu viele Leute überzeugen, aber es ist ein langer Weg dorthin. Man muss anfangen, das Ganze zu diskutieren, und man muss es öffentlich tun.

Der erste Schritt dahin – um zum Schluss noch einen aktuelleren Vorschlag zu brin­gen – ist selbstverständlich die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips in der Ge­mein­samen Außen- und Sicherheitspolitik. Das ist etwas, worauf Ihr Parteikollege


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Othmar Karas am Sonntag in der Sendung „Im Zentrum“ mit: Ja, sofort, bitte gerne, absolut!, reagiert hat. Er hat es als einen ganz wichtigen Schritt bezeichnet. Da gibt es unterschiedliche Vorschläge, wie man das dann in Zukunft managen kann – einen europäischen Sicherheitsrat zum Beispiel. Darüber kann man unterschiedlicher Mei­nung sein, es gibt auch ganz legitime Kritikpunkte an den unterschiedlichen Wegen, die man geht; wir werden aber nicht einmal dazukommen, das zu diskutieren, wenn es eigentlich wieder nur um das Thema Migration geht.

Wir sagen nicht, dass das kein wichtiges Thema ist. Nein, es ist eines der wichtigsten Themen überhaupt, die die globale Politik im Moment beschäftigen. Es geht vor allem um die Frage, wie man mit Migration umgehen soll. Auch dafür werden wir eine Antwort finden müssen. Es reicht nicht, nur zu sagen, dass es einen Unterschied zwischen Asyl und Migration gibt, denn das Thema Migration ist eines, das genauso gelöst werden muss. Es wird immer gesagt, wir helfen ohnedies vor Ort. Da bin ich gespannt, wenn einmal der Beweis dafür erbracht werden muss. Es gibt relativ wenig Indizien dafür, dass überhaupt etwas getan wird, das auch nur ansatzweise funktioniert.

Wir verlangen einfach nur, dass man ein bisschen weiter denkt und auch der Bevöl­kerung die Möglichkeit gibt, an diesen europäischen Diskussionen teilzunehmen, sich eine Meinung zu bilden und den Verlauf des Diskurses mitzubestimmen. Es lohnt sich jedenfalls, für dieses gemeinsame Europa ein wenig die Augen offen zu halten. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Kirchbaumer. – Bitte, Frau Abgeordnete.


16.48.18

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Bundeskanzler! Werter Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Pilz! Frau Kollegin Zadić! Dieses Papier (die Rednerin hält ein Schriftstück in die Höhe), diese Dringliche Anfrage ist ein Sam­melsurium, und ich kann daraus nichts herauslesen, außer dass sie nicht dringlich ist. Vielmehr liest sich Ihre Anfrage so, als hätte die Liste Pilz gestern Abend durch Zufall entdeckt, dass sie keine Position zur Flüchtlingsproblematik hat, und wollte jetzt einmal den Bundeskanzler fragen, wie denn der Stand der Dinge ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Man merkt in Ihrer Anfrage, dass Sie hier in Wien keine Vorstellung von den realen Verhältnissen vor Ort haben. Gerne erkläre ich Ihnen diese. Fakt ist: Wir wollen keine weitere Flüchtlingskrise wie 2015, und wir wollen vor allem kein Weiterwinken, wie wir es damals erlebt haben. Fakt ist auch, dass immer noch sehr viele Flüchtlinge an unse­ren Grenzen angehalten werden. Allein heuer wurden dank des Kontrollnetzes am Brenner durch die 280 Polizistinnen und Polizisten beziehungsweise Soldatinnen und Soldaten des österreichischen Bundesheeres bisher 2 410 Personen beim illegalen Grenzübertritt aufgehalten. Im ersten Halbjahr 2017 waren es 3 000 Menschen. Immer wieder versuchen Flüchtlinge ohne gültige Papiere, im Zug über den Brenner nach Deutschland oder nach Nordeuropa zu gelangen. Wir können also festhalten: Der Brenner ist nicht nur eine Transitroute, sondern auch eine Flüchtlingsroute.

Die Zahlen zeigen, dass wir auf der Hut sein müssen, und es ist ein Verdienst dieser und der vergangenen Bundesregierung, dass am Brenner alle nötigen Vorkehrungen getroffen wurden, um im Notfall auf Knopfdruck ein effizientes und wirksames Grenz­management hochzufahren. Für mich als Tiroler Abgeordnete ist klar: Wenn es not-


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wen­dig ist, muss die Brennergrenze geschützt werden. Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter hat heute am frühen Nachmittag treffend gesagt: Tirol darf nicht das Wartezimmer Europas werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Und eines muss klar sein: Ein sicherer Schutz unserer Grenzen und klare Regelungen für Asylwerber stellen auch sicher, dass sich jene, die keinen Anspruch auf Asyl haben, gar nicht erst auf den gefährlichen Weg machen.

Sehr geehrte Damen und Herren! In der Frage der Flüchtlingspolitik muss Europa zu­sam­menrücken. Es ist unser klarer Auftrag, die Außengrenzen zu schützen und Hilfe vor Ort zu geben. Die österreichische Bundesregierung wird auch in Zukunft alles Nötige tun, damit unsere Grenzen sicher bleiben, und sie wird die Ratspräsidentschaft dazu nützen, für ein Europa, das schützt, einzutreten. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.51


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­ne­ter Haider. – Bitte.


16.51.49

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Frau Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wenn es in der Liste Pilz einen Segler gibt, dann weiß der sicher, was ein Schott ist: Das ist ein Begriff aus der Seemannssprache. Man zieht in ein Schiff Schotten ein, das sind Abtrennungen zwischen einzelnen Abschnitten, und wenn das Schiff leck schlägt, dann schließt man diese Schotten, denn so wird ver­hindert, dass das ganze Schiff untergeht. Das ist also eine vorausschauende Sicher­heits­maßnahme für den Fall eines Unglücks. Und genau so, liebe Kollegin Zadić, weil Sie so interessiert zuhören, genau so ist es mit dem Grenzschutz. Wenn der Rumpf des europäischen Schiffes hält, dann ist alles gut, und wenn dieser Rumpf, wenn die Außengrenzen nicht halten, dann ist es gut, wenn man die Schotten schließt, wenn man die nationalen Grenzen schließt, denn damit verhindert man größeren Schaden.

Ich sage Ihnen, es wäre nicht nur ein kleines Versäumnis, wenn sich der Herr Innen­mi­nis­ter nicht um die Grenzsicherung kümmern würde, sondern das wäre ein sehr großes und fatales Versäumnis, wenn er das täte. Die Juristen würden das Dolus eventualis, Eventualvorsatz nennen: Man nimmt einen Tatbestand in Kauf, man geht ein Risiko ein, und das wird übrigens juristisch mit einem Vorsatz gleichgesetzt; das aber nur nebenbei. Genau das hatten wir schon einmal, das hatten wir schon einmal, und das wollen wir nie wieder haben: diesen völligen Kontrollverlust. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es ist nicht einmal versucht worden, die Grenzen vor dem Massenansturm von Immi­granten zu schützen, obwohl man genau um das Risiko der Menschenflut aus aller Herren Länder gewusst und nichts getan hat. Wirklich überhaupt nichts, und das wird nie wieder passieren, meine Damen und Herren, nie wieder! Wir werden die Grenzen zum Wohle Österreichs schützen, und ich kann Ihnen versichern: Das schaffen wir! Wir schaffen das im Gegensatz zu anderen nämlich wirklich! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Jetzt, Herr Kollege Pilz, zu Ihrem Europaargument: das arme Europa, das es auf einmal zu schützen gilt! Wissen Sie, wohin Ihre Vorstellung von Schutz geführt hat? Wissen Sie, wohin diese Vorstellung geführt hat? – Ihre Vorstellung von Schutz hat genau zur Silvesternacht von Köln geführt – das ist das Ergebnis Ihrer Vorstellung von Schutz! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Gegensatz zu Ihnen nehmen wir es nämlich ernst mit dem Schutz Europas, damit unsere Bürger und vor allem die Bür­gerinnen ruhig schlafen können, aber ich weiß ja, dass der Schutz von Frauen in der Liste Pilz nie ein wirklich vorrangiges Anliegen gewesen ist. Ganz im Gegenteil! Das ist


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sozusagen ein fraktionsimmanenter Gründungsfehler der Liste Pilz; das aber nur ne­ben­bei. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Rädler.)

Damit die Bürgerinnen und Bürger ruhig schlafen können, deswegen, gerade deswe­gen müssen wir unsere Grenzen schützen, und vor allem auch, weil wir weiterhin ein europäisches Europa haben möchten und nicht eines, in dem es zugeht wie in Somalia oder in Afghanistan. Vielleicht hat die deutsche Kanzlerin Merkel kein Problem mit solchen Zuständen, wir aber schon. Wir wollen Europa erhalten!

Darum haben zuerst die Regierungen von Ungarn und der übrigen Visegrád-Staaten erkannt, was zu tun ist, und sie haben auch entsprechend gehandelt. Und jetzt, nach­dem die Bevölkerung auch bei Wahlen ihrem Veränderungswillen Ausdruck verliehen hat, gibt es einen Kurswechsel, und das macht diese Open-border-Fraktion so panisch. Das sehen wir ja auch an den Fragen dieser Dringlichen Anfrage. Auf einmal schwim­men euch die Felle davon: Österreich, Italien, Dänemark und viele mehr, sogar in Deutschland kommt man auf einmal zur Vernunft, natürlich immer unter dem Druck von Wahlen. Und das macht die Refugees-welcome-Klatscher, das macht Sie so panisch.

Herr Pilz, Herr Rossmann, weil ich Sie da gerade sitzen sehe: Erinnern Sie sich noch an Ihre eigenen Forderungen, als Sie noch bei den Grünen waren? Ich lese Ihnen das vor: Als Sie noch bei den Grünen waren, wollten Sie einen Schutzkorridor durchs Mit­tel­­meer, finanziert natürlich aus EU-Geldern – also quasi Schlepperei auf Staats­kosten, das ist das, was Sie wollten! Gerade diese abstrusen und absurden Forderun­gen zerstören aber Europa! Die Refugees-welcome-Klatscher und ihre Helfershelfer in den NGOs, Herr Rossmann, und in den linken Parteien zerstören Europa wirklich! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Glück sind Sie ja in letzter Minute vom Wähler gestoppt worden, und jetzt gehen wir daran, Österreich und auch Europa zu retten, auch wenn Ihnen das offensichtlich nicht passt. Die Zeit der offenen Grenzen für Glücksritter aus der ganzen Welt ist jetzt zu Ende, die Zeit eines sicheren Europa hat begonnen. „Ein Europa, das schützt“ ist der Slogan des österreichischen EU-Ratsvorsitzes, und deswegen sage ich es an dieser Stelle ganz klar: Herr Dr. Pilz, wir werden die Schotten, wir werden die Grenzen dicht machen, wenn es sein muss! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Krisper. – Bitte, Frau Abgeordnete.


16.58.15

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! (In Richtung des in sein Smartphone tippenden Bundeskanzlers:) Ich würde mich freuen, wenn Sie mir zuhören, Herr Bundeskanzler, so wie sich alle ande­ren Abgeordneten auch freuen würden. Ich fände das sehr höflich. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz. – Bundeskanzler Kurz: Ich bin multitaskingfähig!) – Das glaube ich nicht.

In einer extrem kritischen Situation des europäischen Einigungsprojekts übernimmt Öster­reich den Ratsvorsitz der EU. Was eine große Chance und Aufgabe für ein kleines Mitgliedsland sein könnte, opfern Sie meiner Meinung nach Ihrem machtpo­litischen Kalkül, und ich glaube, Sie werden bei diesem Thema ins Schleudern geraten. Sie von den Regierungsparteien vermitteln gerne das Bild des jugendlich-genialen Kanzlers fotografisch auf Augenhöhe mit den Größen der EU und der Welt. Sie, Herr Kanzler, geben den großen Vermittler in Migrationsangelegenheiten, aber vermitteln,


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Brücken bauen, das kann man doch nur, wenn man im betreffenden Konflikt nicht selbst Partei ist, und in der Migrationsfrage sind Sie Partei, und zwar auf der falschen, auf der lösungsfeindlichen Seite – und das schon immer und immer destruktiv. Und in der Asylfrage inszenieren Sie eine Krise, die es in diesem Ausmaß gar nicht gibt.

Ihre destruktive Politik bei diesen wichtigen Themen ist, wie gesagt, nichts Neues. Sie, Herr Kurz, als längst dienendes Regierungsmitglied, waren zum Beispiel schon dabei, als die syrische Flüchtlingskatastrophe ihren Anfang nahm, als der UNHCR im Jahr 2014, im Jänner, Alarm rief und konstatierte:

Wenn weiterhin so wenige Beiträge der Staatengemeinschaft eintreffen und dem UNHCR statt 1 Dollar nur 29 Cent pro Flüchtling und Tag zur Verfügung stehen, dann wird es eine Flüchtlingswelle Richtung Europa geben. – Das war die Warnung.

Wir NEOS haben nach mehr Hilfe vor Ort gerufen. Und was waren Ihre Taten? – Österreichs ohnehin schon sehr geringe UNHCR-Beiträge schrumpften und wurden möglichst spät überwiesen. Im letzten Jahr hatten wir noch 8 Millionen Euro, dieses Jahr haben wir nur 321 000 Euro überwiesen. Alle reden von Vor-Ort-Hilfe – nichts als ein Lippenbekenntnis, ein Wahlkampfschmäh. Auch das Resettlement wurde entgegen Zusagen im Regierungsprogramm eingestellt.

Gleichzeitig reden Sie über Diskussionen auf Augenhöhe in Europa, genieren sich aber nicht, sich hinzustellen und die deutsche Kanzlerin zum Sündenbock für ein gesamt­euro­päisches Versagen zu machen (Abg. Gudenus: Das hat sie selbst gemacht!), an dem Sie auch einen großen Anteil haben; denn die Bundesregierung, der auch Sie angehörten, war 2015 doch froh, dass Merkel die Grenzen nicht zumachte, sondern Österreich durchwinken ließ, als Ihr Freund Orbán am Bahnhof in Budapest Zehntau­sende hat stranden lassen. Sie wissen wohl nicht mehr, wie froh Sie da gewesen sind. (Bundeskanzler Kurz: Wer war da froh? – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Weiters: Wer hat, als die große Zahl von Flüchtlingen und Migranten Griechenland und Italien erreichte, diese Länder allein gelassen? Wer hat dann den Hilferuf aus Italien so lange ignoriert, bis man selber wieder einmal betroffen war? Ist es möglich, dass Sie damals auch Teil eines Kollektivorgans namens österreichische Bundesregierung waren? – Ich glaube, ja; und wenn Sie davon heute nichts mehr wissen wollen, war es dennoch so. Sie meinten damals ja auch plötzlich, die Dublinverordnung müsse einge­halten werden, und wollten Lampedusa zum Sammellager machen, sehr zur Verärge­rung unseres italienischen Nachbarn. Sie waren damals und sind heute kein sehr großer Europäer.

Ihr Verhalten steigert sich bis heute, vor allem mit der tagaus, tagein getrommelten grandiosen Scheinlösung: Schutz der EU-Außengrenze. Nur nebenbei: War Österreich dafür, als es seinerzeit um eine gemeinsame EU-Außengrenzkontrolle im Zuge der Schengenentscheidung ging? – Nein, das sollte doch subsidiär in nationaler Kom­petenz bleiben; aber davon will heute auch wieder einmal niemand etwas wissen. Sie sind vergesslich.

Jetzt: Ausbau zum Beispiel bei Frontex. Wer, wie, was, wann, wo: Auf diese Fragen gibt es keine Antworten. Nur betreffend Finanzierung ist jetzt schon wieder klar: Öster­reich sagt, man zahlt nicht mehr. Wer soll also zahlen? – Die EU, allen voran wahr­scheinlich der Sündenbock Deutschland. Dann noch dieses ganze EU-interne Lasten­verteilungstheater: Haben Sie nicht eigentlich der Quotenentscheidung zugestimmt? – Haben Sie! Heute sagen Sie: Unmöglich, so geht das nicht!

Dem stimmen wir zu. Die Dublinverordnung ist unfair und funktioniert nicht, das hat sich gezeigt; aber wir brauchen eine Verteilung, gerade als Österreich, die wir in Rela­tion zu anderen Ländern viele, viele Asylwerber aufgenommen haben. Das heißt, für


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uns wäre ein Verteilungsschlüssel ein Entlastungsschlüssel. Ich verstehe nicht, warum Sie sich hier gegen eine konstruktive neue Lösung sträuben.

Noch zu Ihrer neuen Idee der Flüchtlingssammellager außerhalb der EU, in denen man aber keine Asylanträge stellen soll: Empathie hat die spannende Nebenwirkung, dass man sich in die Menschen einfühlen kann, daher realitätsnah denkt und Politik für diese Welt macht und nicht für Absurdistan. Warum sollte sich ein ehrlicher Flüchtling in so ein Lager begeben? – Alle werden einen großen Bogen um diese Lager machen, insbe­sondere jene, die die Bundesregierung in die Hände der Schlepper zwingt, nämlich jene Frauen und Kinder, denen sie im Rahmen der Familienzusammenführung ein Kommen nach Österreich nicht ermöglicht.

Wer zahlt für diese Lager? Welches Recht gilt dort? – Sie wollen ja nichts zahlen und für nötige gemeinsame Asylverfahren keine Kompetenzen nach Brüssel abgeben. Statt­des­sen sitzen Sie in Ihrer Geisterbahn, deren Einladungsliste Sie selbst geschrieben haben.

Natürlich muss man mit europäischen Partnern auf Augenhöhe reden. Niemand kriti­siert, dass Sie das tun. Was wir kritisieren – wie auch schon Matthias Strolz sagte, im Sinne von: „Was habe ich heute nicht getan?“ –, ist, dass Sie nicht mit den Richtigen über das Richtige reden. Oder haben Sie mit Kollegen Salvini darüber gesprochen und ihn gefragt, zu welchem Zweck er die italienischen Roma und Sinti zählen möchte?

Die Geister, die Sie riefen, haben ein Eigenleben, wollen ganz eindeutig keine zu­kunftstragenden europäischen Lösungen, und Sie werden sie nicht mehr loswerden. Das versuchen Sie gekonnt zu übertünchen, mit schöner Rhetorik und Scheinlö­sun­gen. Im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft schaden Sie damit in unverantwortungs­voller Weise dem Friedens- und Sicherheitsprojekt Europa und damit auch Österreich. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz.)

17.04


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Rossmann zu Wort gemeldet. Ich gehe davon aus, dass Sie die Bestimmungen betreffend tatsächliche Berichtigung beherzigen werden. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.04.58

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Danke, Frau Präsidentin! Ich werde mich sehr kurz fassen.

Herr Abgeordneter Roman Haider hat behauptet, dass ich zu jener Zeit, als ich bei der grünen Fraktion war, einen Korridor durchs Mittelmeer gefordert hätte.

Das ist völlig aus der Luft gegriffen, das entbehrt jeder Grundlage. – Danke sehr. (Bei­fall bei der Liste Pilz.)

17.05


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mahrer. – Bitte. (Abg. Haider – in Richtung Liste Pilz –: Das wollten die Grünen! – Abg. Rossmann: Ob es die Grünen wollten, ist eine andere Sache! Sie haben gesagt, ich wollte es!)

17.05.29

Abgeordneter Karl Mahrer, BA (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­kanzler! Hohes Haus! Ich danke für alle sachlichen und auch innovativen Beiträge im Rahmen dieser Diskussion, auch meiner so geschätzten Kollegin Alma Zadić herz­lichen Dank für ihren sachlichen Beitrag! Ich schätze das wirklich sehr, bitte aber nur – vielleicht für uns alle –, in der künftigen Diskussion zwischen Flucht und


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Migration wirklich scharf zu unterscheiden; denn dann wäre das tunesische Beispiel vielleicht gar nicht da. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zum Zweiten darf ich vielleicht auch meinen Beitrag zur Sachlichkeit liefern und ein wenig berichten, was ich über den Europäischen Rat in der vorigen Woche so alles gelesen habe. Der Europäische Rat, der EU-Gipfel, hat in der Vorwoche – 28./29. Juni –, wie wir alle wissen, ein klares Signal einer europäischen Lösung in der Flüchtlings- und Migrationsfrage gesetzt. Ich hatte den Eindruck, dass damit Europa die von Bundes­kanzler Sebastian Kurz von Anfang an geforderten Maßnahmen zu einer geordneten Asyl- und Migrationspolitik zu einem großen Teil übernommen und ihnen damit auf europäischer Ebene zugestimmt hat. (Zwischenruf des Abg. Schieder.) Das sollte man nicht übergehen. Das war ein ganz besonderer Beschluss und eine ganz besondere Entscheidung auf europäischer Ebene. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich zitiere jetzt ein wenig aus den Beschlüssen des Euro­päischen Rates. Ich zitiere nicht die Wahlprogramme von ÖVP und FPÖ, ich zitiere auch nicht das Regierungsprogramm; ich zitiere den Europäischen Rat.

Der Europäische Rat stellt fest: Die unkontrollierten Migrationsbewegungen des Jahres 2015 dürfen sich nicht wiederholen. – Als Zeitzeuge – ich war tagelang, wochen­lang und monatelang im Einsatzstab der Wiener Polizei – kann ich das nur dreimal unterstreichen.

Das nächste Zitat: Die illegale Migration über alle bestehenden und neuen Routen muss weiter eingedämmt werden. Es braucht eine Stärkung von Frontex. Das Prinzip muss sein, nicht die Schlepper entscheiden, wohin die Menschen kommen. Und wenn Menschen im Mittelmeer aufgegriffen werden, sind sie zu retten, zu versorgen und in die zu schaffenden Anlande- beziehungsweise Ausschiffungsplattformen zu bringen. – Das sagt der Europäische Rat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Speziell im Hinblick auf die zentrale Mittelmeerroute stellt der Europäische Rat fest, dass die Maßnahmen gegen von Libyen oder anderen nordafrikanischen Staaten aus operierende Schlepper weiter zu intensivieren sind. Der Europäische Rat stellt fest, dass in Bezug auf die östliche Mittelmeerroute zusätzliche Anstrengungen erforderlich sind, um die EU-Türkei-Erklärung vollständig umzusetzen. Es sind Mittel dafür in Bewegung gebracht worden. Weiters erinnert der Europäische Rat daran, dass die effektive Rückführung von Migranten deutlich verstärkt werden muss.

Wenn der Europäische Rat letztlich feststellt, dass es die Lage innerhalb der EU, die Sekundärmigration von Asylwerbern, notwendig macht, die Integrität des Gemein­samen Europäischen Asylsystems dadurch zu schützen, dass die Mitgliedstaaten alle erforderlichen internen Rechtssetzungs- und Verwaltungsmaßnahmen umsetzen und dabei eng zusammenzuarbeiten haben, dann sehe ich in all diesen Zitaten einen – wenn Sie wollen, roten, blauen, türkisen – europäischen Faden, nämlich den Faden, dass die österreichische Bundesregierung unter der Führung von Sebastian Kurz nun­mehr mit den jahrelangen Forderungen in Europa angekommen ist.

Die Bundesregierung setzt auch bereits Teile dieser europäischen Empfehlungen um. Das, meine Damen und Herren, ist die Wahrheit! So hat die Bundesregierung – und ich glaube, wir haben das alles in den letzten Wochen und Monaten beobachtet – nicht nur internationale Kontakte gepflegt, sondern eine Taskforce gegründet. Innenminister Herbert Kickl und Bundesminister Kunasek haben gemeinsam Grenzschutzübungen durchgeführt. Ich weiß, diese sind teilweise belächelt worden; ich glaube, sie sind notwendig und richtig.

Meine Damen und Herren! Zum Abschluss: Was ist das Entscheidende? – Es ist heute mehrmals gefordert worden: Bundeskanzler Sebastian Kurz und die Bundesregierung


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sind davon überzeugt, dass nur das Zusammenspiel der notwendigen Maßnahmen – funktionierender Außengrenzschutz, budgetäre, personelle und inhaltliche Stärkung von Frontex, die Durchführung von Asylverfahren außerhalb von Europa, die Hilfe vor Ort mit all den innovativen Ansätzen, die heute gekommen sind – nachhaltige Lösungen bringen wird.

Meine Damen und Herren! Diese Lösungen werden bewirken, dass wir dann, wenn sie umgesetzt sind, ein reisefreies Europa, ein Europa ohne Grenzen haben. Das ist es, was sich die Menschen wünschen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich komme zum Schluss: Diese Bundesregierung hat versprochen, die illegale Migra­tion und die Schlepperkriminalität in Österreich zu bekämpfen und für ein sicheres Österreich zu sorgen. Diese Bundesregierung setzt nun im EU-Ratsvorsitz einen klaren Schwerpunkt: Europa, das schützt! Bundeskanzler Sebastian Kurz ist in der Zwischen­zeit Themenführer in Europa im Bereich Asyl, Migration und Gemeinsamkeit.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen, Herr Bundeskanzler, und der Bundesregierung viel Erfolg, auch im Rahmen des EU-Ratsvorsitzes! Ich bin davon überzeugt, die Menschen in Österreich und in Europa werden es Ihnen danken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

17.12


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Pilz. – Bitte.


17.12.11

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (PILZ): Werte Kolleginnen und Kollegen! Was immer auffällt, wenn ein Mitglied des ÖVP-Klubs hier eine gut vorbereitete Rede hält, ist der tiefe Kniefall zum Schluss, der tiefe, dankbare Kniefall vor dem Bundeskanzler und Parteivorsitzenden. (Widerspruch bei der ÖVP. – Bundeskanzler Kurz: Es war eher umgekehrt!)

Der Tiroler Arbeiterkammerpräsident Erwin Zangerl liefert dafür eine Erklärung im heutigen „Standard“. Ich weiß nicht, ob es die richtige Erklärung ist, ich zitiere diesen hohen ÖVP-Arbeiterfunktionär. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) „Die Abgeordneten wer­den nicht informiert, deshalb will ich sie gar nicht kritisieren, die tun mir leid. Diese Regierung hat sich sektenartig strukturiert. Ein kleiner Kreis entscheidet, und der Rest wird dumm gehalten. Das hat diktatorische Züge, das ist erschütternd.“ (Ruf bei der ÖVP: Ist das die Liste Pilz?)

Das sagt der schwarze Präsident der Tiroler Arbeiterkammer. Da gibt es noch viel mehr. (Abg. Stefan: So demokratisch wie die Liste Pilz? – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Da beschreibt er auch: „Die türkisen Putschisten sitzen nun an der Spitze und bezahlen mit Zinsen an die Großsponsoren und die Industriellenvereinigung zurück, was die ihnen im Wahlkampf gespendet haben. Das gab es früher in diesem Ausmaß nicht, das ist demokratiegefährdend.“ Das ist parteiinterne Diskussion in der ÖVP. Ich bin froh, dass diese Diskussion beginnt und auch in dieser Offenheit geführt wird.

Ich danke aber auch Kollegen Jenewein für seine sehr offene Kritik am Koalitions­partner. Ich habe es noch nie erlebt, dass ein freiheitlicher Abgeordneter den damali­gen Außenminister und jetzigen Bundeskanzler als Totalversager bezeichnet. (Beifall bei Abgeordneten von Liste Pilz und SPÖ. – Abg. Jenewein: Habe ich nicht getan!) Er muss es wissen, und da Kollege Jenewein seine Reden immer penibel und sachlich vorbereitet (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jenewein), halte ich es für äußerst un­wahrscheinlich, dass er hier einem Irrtum unterliegt.


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Jetzt ist natürlich die Frage: Warum hält die Freiheitliche Partei einem Totalversager in Fragen der Integration und der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik die Treue? – Ich kann es nicht beantworten, wir müssen da selbst fragen. Eine mögliche Antwort liegt in der Politik selbst. Die Regierungspolitik besteht ja aus zwei Kernen; einem türkisen Kern, das ist so das Modell KTM (Abg. Gudenus: Steht alles im Text! Den haben wir schon gelesen!): Ich spende 400 000 Euro und lukriere zwischen 4 und 15 Millionen Euro innerhalb einer Legislaturperiode, also Verzinsung immer so zwischen tausend und ein paar tausend Prozent. Das ist das türkise Modell.

Der blaue Kern – und das ist für mich persönlich das wirklich Überraschende – findet sich in der Regierung in der Europapolitik. Das ist freiheitliche Politik, reden wir einmal offen darüber! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Alles, was die FPÖ in den letzten Jahren an der Europapolitik ändern wollte, wird unter Bundeskanzler Kurz vollzogen.

Visegrád: Strache fordert im September 2016, Österreich soll der Visegrádgruppe beitreten. – Na, was wir jetzt mit Sebastian Kurz erleben, ist im Prinzip eine Orbán-Imi­tation; das ist die Nummer Orbán, bis hin zu: Österreichische Botschaft interveniert in Washington bei amerikanischen Journalisten persönlich. Das ist Viktor Orbán, nur etwas freundlicher, burschikoser und wienerischer. Das ist die Geschichte; und die Geschichte, zu renationalisieren und unter dem Schlagwort Subsidiarität die euro­pä­ische Entsolidarisierung zu verkaufen, gehört auch dazu.

Vielleicht ist es auch eher freiheitliches Verhalten – weil es das in der ÖVP bis jetzt nicht gegeben hat –, dass man sich mit den CSU-Freunden und -Freundinnen in Linz trifft, um offen einen Putsch, einen politischen Putsch, gegen die deutsche Bundes­kanzlerin zu unterstützen. (Heiterkeit bei der FPÖ.) Das habe ich noch nie erlebt, dass ein amtierender österreichischer Regierungschef und Parteifreund den politischen Hin­ter­grund, den Nachbarschaftshintergrund für einen politischen Putsch aus München liefert.

Na, wie war es denn (Zwischenrufe bei der SPÖ), als es das Treffen in Linz gab und Kurz zu den CSU-Freunden und -Freundinnen sagte: Das Weiterwinken nach Mittel­europa muss beendet werden!? (Abg. Bösch: Bravo! Da hat er recht!) Das war noch zu der Zeit, als der Bundeskanzler kurzfristig vergessen hat, dass hinter der bayeri­schen Grenze Österreich ist. Das hat sich ja jetzt wieder geändert. (Abg. Bösch: Das war jetzt eine Wiederholung, Herr Kollege!) Darauf Söder: Ich danke dir für deinen Mut und dass du hier für neue Bewegung sorgst! (Abg. Stefan: Wahnsinnsaussagen! Bist du narrisch!)

An dieser Stelle mischt sich dann Matteo Salvini ein und erklärt, wie in dieser Gemein­schaft Politik zu betreiben ist (Ruf bei der FPÖ: Ein gewählter Innenminister!) – Matteo Salvini, der italienische Innenminister, dem jetzt Strache und Kickl einen ersten Besuch abgestattet haben. Zitat Salvini: Wir brauchen ein großes Aufräumen, Straße für Straße, Platz für Platz, Nachbarschaft für Nachbarschaft. (Abg. Gudenus: Sapperlot! – Abg. Bösch: Pilz ist alt geworden!) – So haben das letzte Mal in Italien die Trupps von Mussolini auf den Straßen gesprochen, und nicht die Mitglieder einer demokratischen Regierung. (Abg. Gudenus: Sie wirken müde, Herr Pilz!) Auf den Straßen, in der Nachbarschaft aufräumen, das sind die Worte eines italienischen Regierungsmitglieds. (Abg. Gudenus: Müde und zermürbt!)

Da tritt aber wieder Sebastian Kurz auf und sagt: „Wer auf Orbán und Salvini herab­schaut, zerstört die EU“. – Wer auf Salvini herabschaut, wer Salvini kritisiert, wer sich von Salvini distanziert, gefährdet die EU? – Nein, Herr Bundeskanzler, Ihre neuen Freunde gefährden die EU, Ihre neuen Kollegen. Ihre neuen Kameraden sind erstran­gige Gefährder der Europäischen Union. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)


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Nicht wir, nicht die Sozialdemokraten, nicht die NEOS (Abg. Zanger: Wenn du die SPÖ nicht hättest, würde keiner mehr klatschen bei dem Blödsinn!) und nicht die noch halbwegs selbstständig handlungsfähigen Teile der alten ÖVP gefährden die EU, son­dern Salvini gefährdet die EU, Seehofer gefährdet die EU, Orbán gefährdet die EU, Strache gefährdet die EU, und Sebastian Kurz gefährdet die EU! Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Die Allianz der Trittbrettfahrer in der Achse München-Wien-Buda­pest, das ist die Gefahr für die Europäische Union. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ.)

Dann wird das ja von einem Berufenen zusammengefasst, der die Gruppe, ihre Wir­kungs­macht und ihre Bedeutung erkennt – ich zitiere –: „Die, mit denen wir zusam­menarbeiten wollen, müssen, die heißen zum Beispiel: Heinz-Christian Strache, Sebastian Kurz, Matteo Salvini und auch Victor Orban“. – Das sagt Jörg Meuthen, der Vorsitzende der AfD. (Abg. Gudenus: Na, hör auf! – Abg. Zanger: Wahnsinn!) Der beschreibt - - (Abg. Gudenus: Empöret euch! Wahnsinn! Hat er noch mehr gesagt? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Freudige Zustimmung vonseiten der Freiheitlichen Partei! AfD, Freiheitliche Partei, es ist nichts Neues.

So, das ist der Punkt, an dem wir sind. Und vor diesem Hintergrund, Herr Bun­des­kanzler - - (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Bitte schön, schreiben Sie (in Richtung des Parlamentsstenographen) da rein: Aufregung bei der Freiheitlichen Par­tei. (Zwischenrufe der Abgeordneten Gudenus und Schimanek. – Weitere Zwischen­rufe bei der FPÖ.)

Bitte schön, schreiben Sie da rein: Anhaltende Aufregung bei der Freiheitlichen Partei. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten von Liste Pilz, SPÖ und NEOS.)

Bitte, schreiben Sie rein: Die Aufregung geht wieder zurück. (Abg. Schimanek: Das ist nicht korrekt! – Zwischenruf bei der ÖVP.)

So, Herr Bundeskanzler, eines wollte ich trotzdem noch kurz mit Ihnen besprechen: Sie haben das Parlament heute bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage in einer Art und Weise behandelt, die ich ganz vorsichtig nur als letztklassig bezeichnen kann. Sie haben einfach keine einzige der konkreten Fragen konkret beantwortet. (Abg. Jarolim: Ist ja nicht das erste Mal! – Zwischenruf des Abg. Gudenus.) Beispiel, Frage 14: „Was kostet der jährliche Grenzschutz gegen illegale Übertritte an der österreichischen Ost- und Südgrenze?“ – Ihre Antwort: Die Ressorts haben Kostenschätzungen erarbeitet. Auf unsere Fragen zu konkreten Zusagen von Staaten für Lager in Nordafrika: keine Antwort. Konkrete Absagen? – Keine Antwort. Ich kann es der Reihe nach durchgehen. Ich erspare es mir.

Das Problem dabei ist: Einiges davon wissen Sie. Einige Antworten würden Ihr Ver­sagen zuerst als Außenminister, dann als Bundeskanzler dokumentieren. (Abg. Gudenus: Wie war das vor Gericht bei Ihnen? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Bevor Sie Fragen beantworten, nehmen Sie sich heraus, diesem Parlament (Zwischenruf des Abg. Zanger) – und damit ignorieren Sie gesetzliche Bestimmungen, die in diesem Haus gelten – Fragen dieses Parlaments nicht zu beantworten. Sie gehen mit diesem Parlament bereits in einer Art und Weise um, wie wir es nur aus östlichen Nachbar­staaten kennen. (Zwischenruf des Abg. Schieder.)

Und ich will – ich schreibe es Ihnen gleich in Ihr Stammbuch, Herr Bundeskanzler Kurz – keinen Visegrádostblock und ich will nicht, dass Österreich Mitglied eines Vise­grádostblocks wird (Abg. Gudenus: Diese Ausländerfeindlichkeit! Unbeschreiblich!), auch wenn sich Bundeskanzler Kurz Chancen auf eine Führungsrolle in diesem Ost-


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block ausrechnet. – Danke schön. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ. – Abg. Jarolim: Das war eine vernünftige Rede!)

17.22


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ord­nete Bißmann. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


17.22.22

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (PILZ): Frau Präsidentin! (Zwi­schenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Herr Bundeskanzler, ich habe abschließend eine kurze, aber dringliche und wichtige Botschaft für Sie: Ich teile den Eindruck, den viele hier im Saal haben. Sie verwenden all Ihre Kanzler- und EU-Vorsitz-Energie sowie die tollste Marketingstrategie dafür, Flüchtlinge als größte Bedrohung für Europa zu inszenieren. (Abg. Zanger: Na ja, man kann das realistisch auch betrachten!) Und ich sage Ihnen: Es ist nicht weniger als der Versuch fahrlässiger Täuschung Ihrer Wählerinnen und Wähler und letztlich aller Europäerinnen und Europäer.

Die Wahrheit ist nämlich eine ganz andere. Herr Kurz (Bundeskanzler Kurz: Vor­sitzender Kurz! Vorsitzender Kurz!), haben Sie den globalen Risikobericht des World Economic Forum gelesen? (Bundeskanzler Kurz: Vorsitzender Kurz!) Vorsitzender! (Abg. Lugar: Das ist ja kein Dialog!) Haben Sie den Weltrisikobericht des World Economic Forum, Ausgabe 2018, gelesen? – Da steht, dass drei der fünf weltweit größten Bedrohungen der Menschheit im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen – drei von fünf!

Erzwungene Migration ist da weit abgeschlagen auf Platz 9 gelandet. Ich will damit nicht den Migrationsdruck, erzwungene Migration als Gefahr relativieren. Ja, das ist eine Bedrohung, und ja, man kann die Menschen verstehen, die davor Angst haben. Ich möchte nur in aller Dringlichkeit darauf hinweisen, dass der Klimawandel einerseits die größte Bedrohung ist (Zwischenruf bei der ÖVP), und dass andererseits diese Bedrohung im Falle des Nichthandelns die Bedrohung des Migrationsdrucks erhöht. Da gibt es einen Zusammenhang, und zwar einen drastischen.

50 bis 100 Millionen Klimaflüchtlinge sind bereits Mitte des Jahrhunderts zu erwarten, wenn die ungebremste Klimaerhitzung über 1,5 Grad ansteigt. (Abg. Gudenus: Das ist ja kein Fluchtgrund!) Kosten von 8,8 Milliarden Euro werden die Folgen des Klima­wandels in Österreich bis 2050 im Falle des Nichthandelns verursachen. Ein Vergleich dazu: Das gesamte Asylwesen hat uns im Jahr 2017 in Österreich 2,1 bis 3,1 Milliar­den Euro gekostet.

Eine Frage noch, Herr Kurz: Reden Sie eigentlich mit Ihrer Amtsnachfolgerin Karin Kneissl, unserer Außenministerin? – Sie hat sich zum Klimawandel geäußert. Sie hat gesagt, sie nimmt diese Bedrohung ernst. Das ist längst nicht nur eine umweltpolitische und eine volkswirtschaftliche Angelegenheit, es ist eine sicherheitspolitische Frage und eine sicherheitspolitische Angelegenheit. (Zwischenruf des Abg. Stefan.) Das ist die wahre Bedrohung. Sie und Ihre Regierung, die zu wenig unternimmt, sind eine Bedrohung. Ihre Klimastrategie wird hierzulande und auf EU-Ebene zerrissen: knieschwach, leere Worthülsen, zu wenig Budget, keine Ziele, Maßnahmen und so weiter und so fort. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Stefan.)

Sie als Bundeskanzler, als EU-Präsidentschaftsvorsitzender – ist das jetzt korrekt?; ich hoffe, ja –, stehen in der Pflicht (Abg. Stefan: Machen Sie eine Dringliche Anfrage zur Klima...!), Antworten auf die größten Herausforderungen, Probleme und Bedrohungen zu liefern – ich habe Ihnen gerade die größte Bedrohung aus dem Risikobericht des World Economic Forum zitiert (Abg. Hauser: Es ist eh schön, dass Sie uns ...!) –, Pläne zu erarbeiten, Vorreiter zu sein, internationale Abkommen wie das Pariser Klima-


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schutzabkommen ernst zu nehmen und nicht durch populistische Hetze eine ver­gleichs­weise geringe Gefahr künstlich aufzublähen. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.25


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Stöger. – Bitte.


17.26.04

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär für Integration von 2011 bis 2013! Sehr geehrter Herr Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres in den Jahren 2013 bis 2018! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Kurz! (Abg. Zanger: ... Lebenslaufbeleuchtung?!)

Mir ist es wichtig, darauf hinzuweisen, weil die ÖVP eingemahnt hat, sachlich zu sein – ich möchte sachlich sein (Abg. Schimanek: Klingt aber sehr polemisch!) –: Herr Abge­ordneter Amon hat eine nicht akkordierte Meinung der Bundesregierung von 2015 angesprochen. Ich möchte daran erinnern, ich war Mitglied dieser Bundesregierung (Zwischenrufe bei der ÖVP), mit mir sitzt jemand hier herinnen, der auch Mitglied dieser Bundesregierung war, er sitzt auf der Regierungsbank. Diese Bundesregierung hat am 25. August 2015 einen gemeinsamen Bericht des Bundeskanzlers, damals Faymann, und des damaligen Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirt­schaft Mitterlehner betreffend Positionen der Bundesregierung in der europäischen Asylpolitik beschlossen. Der damals anwesende jetzige Bundeskanzler Kurz hat auch zugestimmt. (Abg. Schieder: Hört, hört! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich sage es nur dazu. – Er hat am 22. September 2015 selber einen Bericht abgegeben, in dem es darum gegangen ist, den Nachbarländern Mittel aus dem Hilfsfonds bereitzu­stellen. Er war nicht anwesend, aber es war sein Antrag.

Am 29. September 2015 gab es einen Bericht des Bundesministers für Inneres, woraufhin wir eine Verordnung der gesamten Bundesregierung gemacht haben, wie wir mit der Unterbringung von hilfsbedürftigen und schutzbedürftigen Fremden durch die Gemeinden umgehen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Gleichzeitig haben wir uns damals darüber unterhalten, wie die Rechtsgrundlagen für die Bewältigung der Flüchtlingskrise sind. (Abg. Stefan: ... eigentlich alles richtig gemacht, oder?) Der jetzige Herr Bundeskanzler hat sein Stimmrecht weitergegeben, hat also mitgestimmt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Stefan.) Am 14. Oktober 2015 gab es wieder einen Bericht an die Bundesregierung, in dem man ähnliche Dinge behandelt hat, in dem es unter anderem darum gegangen ist, wie die Kostensätze der Grundversorgungsvereinbarung geregelt werden. (Abg Stefan: War das gut oder schlecht, was Sie da gemacht haben?) Damals war der jetzige Bundeskanzler auch anwesend. Ich könnte das weiter fortführen. (Abg. Stefan: Was wollen Sie damit sagen?)

Also, was nicht geht, ist, dass man hier sagt: Es hat keine Position der Bundes­regie­rung gegeben. Und das Zweite, was man nicht sagen kann, lieber Herr Abgeordneter Amon, ist, dass das aufgrund einer mangelnden Position der damaligen Bundesregie­rung nicht gegangen wäre.

Folgendes ist mir noch wichtig, Herr Bundeskanzler: Es gibt ein Prinzip in der öster­reichi­schen Außenpolitik, nämlich dass man sich in die Belange anderer Staaten nicht einmischt. (Abg. Gudenus: Das weiß der Experte für eh alles!) Und es ist fatal, wenn man das ändert. Ich glaube, als ehemaliger Außenminister müssten Sie wissen, dass man das nicht tut. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.)


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Ich möchte die Sorgen des oberösterreichischen Landeshauptmannes, des Landes­haupt­mannstellvertreters und des Salzburger Landeshauptmannes, die heute in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ wiedergegeben wurden, ansprechen. (Abg. Stefan: Das mit den Sanktionen meinen Sie doch! ... Bitte um Sanktionen für Öster­reich!)

Das, was in den Gemeinden wieder passiert – das haben wir in Kollerschlag, in Schärding, in Wernstein erlebt –, dass Menschen von der deutschen Grenze nach Oberösterreich zurückgebracht werden, müssen Sie sich dann zuschreiben lassen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

17.30


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Lueger. – Bitte.


17.30.15

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Asyl und Migra­tion: Kollege Haider hat vorhin in der Seemannssprache gesagt, „wir werden die Schotten [...] dicht machen“, und dann gibt es im Zuge dieser Schottendichtmachung – Kollege Mahrer hat es auch erwähnt – diese Pro-Borders-Geschichte. Pro Borders, eine Notübung ohne Not – so wurde sie auch seitens der Slowenen diskutiert.

Damit wir ein Bild produzieren können, das nicht vorhanden ist, das Sie wirklich in die Welt setzen, müssen Polizeischüler nicht vorhandene Migranten spielen. (Abg. Zanger: Sie waren ehemals beim Bundesheer!) Da wird dann ein Spektakel inszeniert, das eine Stunde lang dauert. Man hatte aber noch Bedenken, dass es nicht so gut funktioniert, wenn dann die Journalisten dort sein werden, und deshalb hat man noch eine Gene­ralprobe gemacht – das geschah noch dazu an einem Feiertag, an dem Tag, an dem Slowenien den Unabhängigkeitstag feiert und deshalb sehr wohl stark dagegen protes­tiert hat. (Zwischenruf des Abg. Hauser.)

Slowenien hat Folgendes dazu gesagt: Ja, diese Grenzschutzübung ist schon super, was aber war der Profit? Wie viele Menschen wurden von Österreich nach Slowenien zurückgeschickt? Wie viele? Wissen Sie es? (Abg. Zanger: Erzählen Sie es mir!) – Genau 18! (Abg. Riemer: Und 2015 waren es ...!) Und deswegen macht man an der Grenze zu Slowenien jetzt diese Übung?! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Riemer.)

Spannend wäre gewesen, wenn Sie diese Übung an der Grenze zu Deutschland gemacht hätten. Das wäre eine spannende Geschichte gewesen. Herr Seehofer sagt jetzt, er schickt die Leute zu uns nach Österreich, und Sie sind nicht bereit, etwas zu unterschreiben, damit wir die Menschen dann unterstützen können. (Abg. Riemer: Erzählen Sie das in der Südsteiermark! – Bundeskanzler Kurz: ... bin ich nicht bereit, zu unterschreiben?)  Sie sind nicht bereit, ein Abkommen mit Herrn Seehofer zu unterschreiben, dass Menschen zu uns nach Österreich zurückgeschickt werden. Das wird so kolportiert. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Kurz. – Zwischenruf des Abg. Riemer.) – Das wäre auch die spannende Herausforderung gewesen, wie Sie es dann machen.

Warum machen Sie die Pro-Borders-Übung an einer Grenze, an der nichts ist? (Zwi­schenruf bei der ÖVP. – Abg. Jarolim: So ist es aber!) Sie hätten das ja dann auch Richtung Deutschland machen können. Wenn jetzt gesagt wird, dass Grenzen hoch­gezogen werden, dann möchte ich noch Italiens Vizepremier Matteo Salvini zitieren, der prompt antwortet, er sei gerne bereit, ab morgen Grenzkontrollen am Brenner ein­zu­führen, denn für Italien wäre das ein gutes Geschäft. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.) Es sind mehr Migranten, die von Österreich nach


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Italien ziehen, als umgekehrt. Jetzt frage ich mich: Was ist das für ein Spektakel? Was ist das für ein Schauspiel?

Herr Bundeskanzler, Österreich ist ein Rechtsstaat, und der Rechtsstaat entscheidet mit seinen staatlichen Mitteln, wer Asyl bekommt und wer nicht. Sorgen Sie dafür, dass Rücknahmeübereinkommen weiter forciert werden! Sie hätten damals die Möglichkeit gehabt, Sie waren Integrationsminister, Sie waren Außenminister. (Abg. Hauser: Haben Sie nicht den Bundeskanzler gestellt?) Da ist leider nichts gekommen.

Herr Bundeskanzler, für mich zählt jetzt eigentlich nur ein Satz, der auf Sie zutrifft: Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

17.33


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Nehammer. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Krainer.)


17.34.05

Abgeordneter Karl Nehammer, MSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Damen und Herren im Hohen Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! Das Motto des EU-Ratsvorsitzes ist: ein Europa, das schützt. Frau Kollegin Lueger, es kann niemals ein Fehler sein, sich auf Eventualitäten vorzubereiten. Dass Polizei und Bundesheer gemeinsam üben, ist ein Beitrag zur Sicherheit (Zwischenruf der Abg. Lueger), denn die Österreicherinnen und Öster­reicher haben ein Recht darauf, haben einen Anspruch darauf, dass der Staat dazu in der Lage ist, seine Grenzen zu sichern und zu schützen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Diese Ratspräsidentschaft steht aber für noch viel mehr. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.) Gerade jetzt geht es auch darum, die Sicherung des Wohlstandes und der Wettbewerbsfähigkeit durch die Digitalisierung herzustellen; auch das ist Thema dieses EU-Ratsvorsitzes. Die Stabilität in der Nachbarschaft durch das Heranführen des Westbalkans und Südosteuropas zu fördern (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger), auch das ist ein Thema dieses Ratsvorsitzes – aber die Liste Pilz will über Migration reden.

Lasst uns über Migration reden! Migration ist eine Riesenherausforderung für uns. Ich kann mir schon vorstellen, dass für die Liste Pilz das Thema Wertschätzung und Dankbarkeit nicht so einfach ist, aber wir leben das in dieser türkis-blauen Koalition, Kollege Pilz, und zwar mit Freude und Einsatz. Und wir schätzen einander auch wert.

Da Sie heute schon diese Anfrage an den Bundeskanzler gestellt haben, freut es mich auch, dass ich Danke sagen kann: ein Danke an den Bundeskanzler, dass er diese Trendumkehr in Europa erreicht hat, ein Danke dafür, dass wir eine Stärkung von Frontex haben werden (Beifall bei ÖVP und FPÖ – Abg. Schieder: Und danke, dass er da ist!), dass wir für den Aufbau der Anlandeplattformen außerhalb Europas plötzlich einen Konsens in Europa haben – das ist ein Paradigmenwechsel! – und dass es klare Spielregeln für NGOs geben muss. Das ist dem Einsatz des Bundeskanzlers, dem Einsatz der Bundesregierung und der Zusammenarbeit der Abgeordneten hier im Hohen Haus geschuldet, und dafür gibt es von meiner Seite noch einmal, Herr Dr. Pilz, ein herzliches Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Diese Bundesregierung ist aber auch angetreten, um die Menschen zu entlasten. Und heute ist so ein wichtiger Tag: nicht nur, dass seit 1. Juli die Reduzierung des Arbeits­losenversicherungsbeitrages für Einkommen von 1 340 Euro bis 1 940 Euro gilt – das sind 300 Euro mehr für diese Gruppen von Menschen mit kleinem Einkommen –; wir haben heute auch den historischen Beschluss betreffend den Familienbonus gefasst:


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1 500 Euro mehr für jedes Kind in der Familie. (Abg. Loacker: ... Redezeit!) Das ist wichtig, das ist gut, das ist Familienpolitik für Österreich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Diese Bundesregierung hat sich einem umfassenden Sicherheitsbegriff verschrieben (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger), deswegen auch: ein Europa, das schützt, deswegen auch der Appell an die Opposition: Einigkeit zeichnet eine EU-Rats­präsidentschaft aus, Einigkeit, wie sie diese Koalition im Interesse Österreichs lebt, wie sie jetzt aber auch das Parlament zeigen sollte, da wir uns in einer für Europa heraus­fordernden Zeit befinden. (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Es geht nicht um polemi­sches Kleingeld – Gemeinsamkeit nach außen, Auseinandersetzung nach innen, für eine gute Zukunft für Österreich innerhalb der EU. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Bun­deskanzler Kurz: Gute Rede! – Abg. Jarolim: Aber Einigkeit in der Einfalt ist nicht erstrebenswert! – Zwischenruf des Abg. Stöger.)

17.37


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Gudenus ist zu Wort gemel­det. – Bitte. (Abg. Loacker: Jetzt kommt der wichtigste Beitrag der Debatte!)


17.38.16

Abgeordneter Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. (FPÖ): Herr Loacker hat schon gemeint, jetzt kommt der wichtigste Beitrag der gesamten Debatte – das weiß ich nicht. Ich möchte mich den Dankesworten des Kollegen Nehammer anschließen, denn es ist, glaube ich, wichtig, nach einer Debatte der vielen Vorwürfe, die getätigt wurden, zu betonen, was hier in den letzten Monaten geleistet wurde – unter der neuen Bundesregierung, unter einem Bundeskanzler Kurz, unter einem Vizekanzler Strache, unter einem Innenminister Kickl, einem Verteidigungsminister Kunasek. (Die Abgeord­neten Schieder und Leichtfried: Moser!)

All das, was Sicherheitspolitik betrifft, all die Themen, die wir heute diskutieren und in den letzten Monaten diskutiert haben, sind nicht nur in Österreich durchgekommen. (Die Abgeordneten Kuntzl, Leichtfried und Schieder – auf den nun anwesenden Bundesminister Moser deutend –: Moser!) – Ja, natürlich, Herr Moser! Ich rede von Sicherheitspolitik, aber natürlich spielt die Justiz auch eine große Rolle, Herr Justiz­minister Moser, selbstverständlich, denn die Rechtsbereinigung wurde heute beschlos­sen. – Danke für den Hinweis. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Heiterkeit der Abgeord­neten Kuntzl, Leichtfried und Schieder.)

Das sind Themen, die nicht nur im Regierungsprogramm ganz klar zum Vorschein gekommen sind – und das ist ja keine Selbstverständlichkeit, weil sie das Ergebnis eines vorangegangenen harten Ringens in Verhandlungen sind, aber das Ergebnis, das wir sehen, ist das beste. Das sind Themen, die auch ganz klar, schwarz auf weiß vorliegen und eben auch in den nächsten sechs Monaten beim EU-Ratsvorsitz den Ton angeben werden. Ein Europa, das schützt: Das ist keine Selbstverständlichkeit; also unter einem Bundeskanzler Kern gäbe es das nicht.

Man stelle sich vor, es gäbe noch immer einen Bundeskanzler Kern und zuständige Minister der SPÖ, und man stelle sich vor, die Liste Pilz wäre vielleicht in Regie­rungs­verantwortung. Da würde es heißen: Offene Grenzen, kommt alle herein, ihr bekommt unsere Sozialleistungen, für die unsere fleißigen Bürger hart arbeiten! – Gott sei Dank gibt es das bei uns nicht, weil es ein Europa gibt, das schützt, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das stellen wir auch sicher! Und es kommt nicht von ungefähr, dass sich mittlerweile auch im Europäischen Rat eine andere Meinung durchgesetzt hat, die in Österreich und in Europa auch schon Common Sense geworden ist, nämlich eine vernünftige Zuwanderungspolitik, eine vernünftige Asylpolitik, eine Asylpolitik mit Augenmaß und


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vor allem eine Asylpolitik und eine Zuwanderungspolitik, die zuerst die Sicherheit der Menschen im Visier haben und nichts anderes, und zwar die Sicherheit der Bürger im eigenen Land, den Grenzschutz, den Schutz des Staatsgebietes und den Schutz der Bürger im eigenen Land. Darum geht es zuerst, meine sehr geehrten Damen und Her­ren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es ist ja auch in der Bundesverfassung normiert, dass die Staatsgrenzen und das Staatsvolk zu schützen sind. Das war vorher anscheinend nicht klar, das stellen wir aber sicher; eine Selbstverständlichkeit: den Schutz des Staatsvolkes, den Schutz des Staatsgebietes und der Staatsgrenzen.

Die Reden derjenigen, die heute diese Dringliche Anfrage hier eingebracht haben, und die Reden so mancher Abgeordneter – ich will nicht sagen, der linken Hälfte, denn mitt­lerweile repräsentieren Sie ja nur noch maximal ein Drittel der Bevölkerung – haben sich wie ein verzweifelter Schrei nach Aufmerksamkeit angehört; ein verzweifelter Schrei nach Aufmerksamkeit eines abgewählten Systems, einer abgewählten, grauen, ewiggestrigen Epoche, die eben nicht mehr zeitgemäß ist. (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Es ist eine neue Zeit angebrochen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und zwar nicht nur in Österreich, sondern in der gesamten EU. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Die Zeit der verantwortungslosen, hemmungslosen Zuwanderungsfetischisten ist vor­bei, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Zeit der Willkommensklatscher ist vorbei, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist die Zeit der verantwor­tungs­vollen Politiker gekommen, die ihre eigenen Bürger schützen, die die Werte Europas schützen und es nicht zulassen, dass illegale Migration über das Mittelmeer stattfindet und Menschen vielleicht ertrinken müssen. Auch diese Zeit ist vorbei, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Noch kurz zum Erstredner – ich glaube, er heißt Pilz –, der vom leeren Saal ge­sprochen hat: Ich kann mich an die erste Rede nach seiner Angelobung erinnern, daran, wie leer damals der Saal war, und zwar aus einem guten Grund: Die Damen haben den Saal verlassen – aus einem sehr guten Grund! Man sollte sich immer in Erinnerung rufen, meine sehr geehrten Damen und Herren, warum die Damen hier bei der ersten Rede des Herrn Pilz den Saal verlassen haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kuntzl: Das war bei der Angelobung!) – Bei der Angelobung, ja, wie auch immer; seien Sie nicht so kleinlich!

Keine Show – mittlerweile schon eine sehr müde Show, muss ich sagen (Abg. Höbart: Eine Tragikomödie!); eine Tragikomödie kann man es auch nennen – wird darüber hin­weg­täuschen können, dass Herr Pilz hier bei seiner Angelobung erfahren musste, dass die Frauen den Saal verlassen – aus gutem Grund! Das ist auch der Grund, warum wir zum Beispiel die Kölner Silvesternacht kritisieren, als Frauen begrapscht wurden. Wahrscheinlich ist Herr Pilz deswegen für eine Massenzuwanderung, ich weiß es nicht, aber das bleibt ihm, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP

17.43


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

17.43.52Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 11 und 12 der Tagesordnung wieder auf und erteile Herrn Abgeordnetem Noll das Wort. – Bitte, Herr Abgeordneter.



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17.43.59

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (PILZ): Frau Präsidentin! Den Herrn Bundeskanzler hätte ich ja gerne noch begrüßt, wenn er noch 2 Minuten Zeit hätte. (Bundeskanzler Kurz verlässt den Sitzungssaal.) Ohne dass ich die Debatte über die Dringliche An­frage fortsetzen wollte, würde ich ihm eines schon gerne mit auf den Weg zum Ball­hausplatz geben: Er ist ja einer, der schnell wie kaum ein anderer Grenzen überschrei­tet, und besonders leichtfüßig ist er dann, wenn es darum geht, die Grenze von verbaler Geschmeidigkeit hin zur Demagogie zu überschreiten. Das hier war heute ein gelungenes Beispiel dafür. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Zum Thema, das hier jetzt in der Fortsetzung der Tagesordnung besprochen wird, einige Worte: Die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen ist eine gute Sache. Wir sind dafür, dass man das macht, insbesondere nachdem auf­grund der Kritik, die wir in der Ausschusssitzung angebracht haben, jetzt im § 6 ein Absatz 5 eingefügt wird, der den Konsultationsmechanismus, der vorher gefehlt hat, auch im Gesetz festschreibt.

Das ist gut und richtig. Ich glaube allerdings, dass im Zuge der parlamentarischen Debatte darüber der Hinweis notwendig ist – er findet sich nämlich nicht in den Erläuterungen –, dass auch der Betroffene die Möglichkeit hat, selbst eine Europäische Ermittlungsanordnung zu beantragen, wenn das von der Behörde nicht gemacht wird. Diese Festschreibung im Stenographischen Protokoll ist, glaube ich, wichtig, weil man ansonsten leicht den Gesetzestext missinterpretieren könnte.

Viel spannender ist die Novellierung des Verwaltungsstrafgesetzes. Wir werden dieser Novellierung aus mancherlei Gründen nicht zustimmen. Auch wenn es vielleicht für einige der Abgeordneten nach einem bemühten Vortrag klingt, wenn man sachlich bleibt, möchte ich Ihnen die drei Gründe, warum wir dieser Novellierung des Verwal­tungs­strafgesetzes nicht zustimmen können, nahebringen.

Erstens: Sie wissen, dass im Verwaltungsstrafgesetz die Unschuldsvermutung nicht gilt. Der Bevölkerung ist das kaum klar, aber im Verwaltungsstrafrecht gilt bisher aus­nahmslos die Schuldvermutung. Das heißt, die objektive Tatbestandsmäßigkeit eines Verstoßes gegen eine Verwaltungsstrafnorm reicht für die Bestrafung aus. Seit vielen Jahren, spätestens seit wir die MRK in Österreich als Verfassungsgesetz akzeptiert und angenommen haben, wird die Debatte geführt, ob nicht auch im Verwaltungs­strafverfahren die Unschuldsvermutung gelten sollte. Wenn jetzt in dieser Novelle im Absatz 1a des § 5 ein erster Anfang gesetzt wird, um die Unschuldsvermutung ins Verwaltungsstrafrecht zu bringen, dann begrüßen wir das – aber das ist, bitte, ohne Courage und ohne Herz!

Es wird nämlich jetzt festgeschrieben, dass nur bei Verwaltungsstrafen über 50 000 Euro die Unschuldsvermutung gelten soll, für alles, was darunterliegt, soll es weiter bei der Schuldvermutung bleiben. Man kann das ganz leicht übersetzen: Die Großen können sich auf die Unschuldsvermutung berufen, ihnen muss der Vorsatz im Verwaltungs­straf­verfahren nachgewiesen werden; für die Kleinen hingegen gilt weiter die Schuld­ver­mutung.

Wenn man das nüchtern betrachtet hätte und der Stimme des Herzens und auch der sachlichen Argumentation in der europäischen Verwaltungsrechtslehre gefolgt wäre, dann hätte man nicht 50 000 Euro hineingeschrieben, sondern man hätte 500 Euro oder 1 000 Euro hineingeschrieben. Man hätte damit die Mehrzahl der Bagatellfälle erledigt und nicht wieder ein soziales Missverhältnis eingeführt.

Weiters gibt es eine zweite Lässlichkeit in dieser Regierungsvorlage, die schlechter­dings unverständlich ist. Wenn Sie die Regierungsvorlage hernehmen, dann finden Sie


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in den Erläuterungen zu Artikel 3, nämlich dazu, was sich auf § 5 Abs. 1a bezieht, einen langatmigen Hinweis auf die Novellierung des § 9 Abs. 1 Verwaltungs­straf­ge­setz. Der § 9 regelt die Verantwortlichkeit von juristischen Personen, von Organen von juristischen Personen. In den Erläuterungen wird auf eine Änderung des § 9 Bezug genommen, die dann aber offenkundig nicht gemacht wurde – in den Erläuterungen ist das alles so stehen geblieben –, wiewohl die Änderung des § 9 im Sinne dieser Erläuterungen durchaus notwendig und richtig wäre.

Sie wissen, dass es juristischen Personen nur möglich ist, durch ihre Organe zu han­deln. Das Verwaltungsstrafrecht stellt auf das Handeln dieser Organe ab, und viele der Geschäftsführer, Prokuristen, Abteilungsleiter et cetera organisieren den Betrieb so, wie es in großen Betrieben auch üblich ist. Die in Aussicht genommene Novelle stellte darauf ab, dass ein Organ dann nicht strafbar sein soll, wenn entsprechende Vorkeh­rungen dafür getroffen wurden, dass die Organisation im Betrieb ordnungsgemäß ist – eine durchaus begrüßenswerte Novelle, wenn sie denn nur gekommen wäre. Was das in den Erläuterungen jetzt soll und warum der § 9 nicht im Sinne der Erläuterungen geändert wurde, ist mir schleierhaft, mir konnte das auch keiner erklären.

Der eigentliche Grund, warum wir dieser Novellierung des Verwaltungsstrafgesetzes nicht zustimmen können, ist aber der neu eingeführte § 34b unter dem Stichwort „Identitätsfeststellung“. Also dass die ÖVP immer für mehr Law and Order und immer für mehr polizeiliche Befugnisse gewesen ist, wissen wir. Dass aber die FPÖ jetzt so sehr den Nachweis dafür sucht, dass freiheitlich das Gegenteil von Freiheit ist, ist schon erstaunlich.

Was ist im § 34b geplant? – Sie wissen, dass unsere Sicherheitsorgane im Bereich des Verwaltungsstrafrechts schon bisher immer dann die Möglichkeit hatten, die Identität von Verdächtigen festzustellen, wenn diese auf frischer Tat ertappt wurden. Das ist gut, das ist richtig, das hat sich in der Praxis auch durchaus bewährt. Jetzt wird in den Erläuterungen darauf abgestellt, dass allzu viele Schwarzfahrer in Wien der Identitäts­feststellung entkommen würden, wenn man nicht die Befugnis ins Gesetz schreiben würde, dass die Identität derartiger Personen auch dann festgestellt werden dürfe, wenn es, wie es im § 34b heißt, „glaubwürdig“ entsprechende Auskünfte gibt.

Wissen Sie, was das heißt? – Das heißt, dass bei normalen Fällen von nächtlicher Ruhe­störung zum Beispiel, wenn irgendjemand bei der Polizei anruft und sagt: Der Nachbar war laut!, die Polizeistreife kommt und gar nichts mehr hört, sie dann aber zur Identitätsfeststellung und nach den Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes auch zum Betreten der Wohnung befugt ist, um die Identität von Leuten festzustellen, die bezichtigt wurden. Das bloße Anklopfen, Anläuten wird in der Praxis genau darauf hinauslaufen, die Identitätsfeststellung von denjenigen Personen durch Polizeigewalt zu erzwingen, die in manchen Fällen einfach vernadert worden sind. (Abg. Gerstl: Nein!), und gegen diesen Vernaderungsparagrafen (Abg. Gerstl: Nein!) wehren wir uns aufs Entschiedenste. – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz.)

17.52


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Stefan. – Bitte, Herr Abgeordneter.


17.52.53

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir behandeln hier zwei Themen, zwei Tagesordnungspunkte unter einem. Das eine ist die Umsetzung der Europäischen Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen. Da wird sehr sinn­voll geregelt, dass derartige Anordnungen, die aus einem anderen Staat kommen, in


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Österreich durch ein Verwaltungsgericht geprüft werden müssen, bevor sie umgesetzt werden. Das ist eine sehr sinnvolle Regelung. Ich glaube, darüber gibt es auch hier im Haus einen Konsens. Damit ist gewährleistet, dass eine Anordnung, die vielleicht in einem anderen Staat gültig wäre, aber in Österreich so nicht anwendbar sein könnte, nicht umgesetzt wird. – Das ist der eine Teil.

Der zweite Teil ist der Tagesordnungspunkt betreffend eine Änderung im Verwaltungs­straf­recht. Es werden da mehrere Punkte geändert, und ich möchte sie einzeln aufzäh­len, damit man sieht, worum es da geht.

Ein Punkt ist gerade von meinem Vorredner angesprochen worden: die sogenannte Ver­schuldensvermutung. Im Verwaltungsstrafrecht ist es so, dass man davon ausgeht, dass derjenige, der eine Übertretung begangen hat, schuldig ist, und er selbst be­weisen muss, dass er unschuldig ist. Jetzt hat man aber festgestellt, dass es vor allem in Bereichen, in denen es sehr hohe Strafen gibt, die bis in die Millionenhöhe gehen können, unbillig ist, zu sagen, dass es da eine Verschuldensvermutung gibt, obwohl es im Verwaltungsstrafrecht sehr geringe Möglichkeiten der Verteidigung und auch des ganzen Verfahrensablaufes gibt. Es gibt nämlich nicht, so wie im normalen Strafrecht, ganz klare Regelungen. Diese gibt es da nicht, und daher gibt es jetzt erfreulicherweise endlich einmal eine Umkehrung, nämlich dass man sagt: Bei bestimmten Delikten, ab einer Strafhöhe von 50 000 Euro, gilt nicht mehr das Verschulden als Vermutung, son­dern zuerst einmal die Unschuld, und die Behörde muss das Verschulden nachweisen.

Herr Kollege Noll hat es ja grundsätzlich positiv betrachtet, dass das jetzt geändert wird, hat aber nur gemeint, der Betrag sei zu hoch; aber ich denke, es ist auf jeden Fall sehr sinnvoll, dass wir das jetzt einmal in diese Richtung bringen. Das ist eine völlige Umkehrung des Verwaltungsstrafrechts, auch wenn es erst ab einer bestimmten Grenze gilt, aber immerhin. Es ist, wie gesagt, eine sinnvolle Maßnahme. Und die Behauptung, es sei sozial ungerecht, ist mir unverständlich, denn es hat gerade damit gar nichts zu tun – von wegen die Kleinen: Jeder, der Autofahrer ist, ist ein Kleiner, egal welches Auto er hat. Also das hat mit sozial nichts zu tun, sondern es hat mit den Delikten zu tun, die da in Betracht kommen.

Ein zweiter ganz wichtiger Punkt ist die Beschleunigung von Verwaltungsverfahren. Der­zeit ist es möglich, dass im Verwaltungsverfahren immer wieder neue Vorbringen gemacht werden. Das heißt, eine Partei legt etwas vor, und es wird dann in der Behörde oder beim Verwaltungsgericht bereits entscheidungsreif, und dann wird wie­der etwas Neues vorgelegt, wieder ein neues Argument oder ein neues Beweismittel, und damit kann man Verfahren fast unendlich lang hinauszögern. Jetzt wird klargelegt, dass die Verwaltungsbehörde, das Verwaltungsgericht die Möglichkeit hat, einen Schluss des Ermittlungsverfahrens zu machen beziehungsweise diesen festzulegen, und danach können nur noch Tatsachen, die wirklich neu hervorgekommen sind, die überhaupt erst danach entstanden sind, vorgebracht werden, und man kann damit Verfahren nicht mehr künstlich in die Länge ziehen. Das ist für viele Verfahren ganz wichtig. Wir kennen das ja auch aus dem Asylbereich.

Der dritte Punkt lautet: Beraten statt strafen. – Dabei geht es darum, dass Behörden bei gewissen Delikten – das ist aber sinnvoll eingeschränkt, nämlich auf den Bereich, wo die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität und das Verschulden gering sind – zuerst beraten, nämlich auffordern, einen rechtmäßigen Zustand herzustellen, und nur dann, wenn dieser nicht hergestellt wird, strafen.

Wir haben diesbezüglich eine große Aufregung vor allem in der Stadt Wien erlebt, die behauptet hat, man könnte daher jetzt in vielen Bereichen, beispielsweise im Glücks­spiel und so weiter, überhaupt keine Sanktionen mehr setzen. Wir haben klargelegt – und diese Befürchtung ist mittlerweile auch ausgeräumt –, dass all diese verwaltungs-


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strafrechtlichen Delikte nicht darunterfallen, denn alles, was vorsätzlich begangen wird, fällt nicht darunter, und dass es nur für Dauerdelikte anwendbar ist. Glücksspiel zum Beispiel kann ich nur vorsätzlich begehen, daher gibt es dort kein Beraten statt strafen. Diese Aufregung war also umsonst. Das Ganze ist jetzt Gott sei Dank ausgeräumt. Das ist ganz wichtig.

Jetzt noch zu dem Punkt, bei dem Kollege Noll vor allem die FPÖ kritisiert hat, dahin gehend, dass es die Möglichkeit geben soll, dass Sicherheitsorgane auch dann die Identität feststellen können, wenn sie die Betroffenen nicht unmittelbar bei der Tatbe­gehung antreffen. Zum ersten Mal ist in diesem Gesetzentwurf auch ausdrücklich vor­ge­sehen – und das ist eine wichtige Maßnahme –, wie beim sogenannten Schwarz­fahren vorgegangen wird. Wenn man im öffentlichen Verkehr ohne Fahrkarte aufge­halten wurde, war es bisher nicht möglich, dass die Sicherheitsorgane den Betreffen­den anhalten, sondern sie mussten extra die Polizei holen, um ihn anzuhalten. Wenn diese Person dann einfach verschwunden ist, galt sie nicht mehr als unmittelbar auf frischer Tat ertappt, sondern konnte entweichen, und infolgedessen war das wirklich eine sehr unbefriedigende Situation.

Deswegen ist es jetzt ausdrücklich so festgehalten worden, dass dann, wenn jemand angehalten wird und seine Identität festgestellt wurde, dieser überhaupt keine Verwal­tungsübertretung begangen hat, sofern er innerhalb von 14 Tagen das bezahlt, was ihm vorgeschrieben wurde. Das heißt, das ist in Wirklichkeit eine Entkriminalisierung, also eine sinnvolle Maßnahme, und daher ist es da natürlich wichtig, dass man die Identität feststellen kann.

Dazu, was Kollege Noll meint, dass da jetzt offenbar Exzesse stattfinden, dass also jetzt die Sicherheitsorgane auf Zuruf alle möglichen Menschen anhalten und deren Identität feststellen werden, muss man schon klar sagen: Im Gesetzestext steht – und ich darf das zitieren, damit man das weiß –, es darf die Identität einer Person fest­gestellt werden, „wenn diese auf frischer Tat betreten oder unmittelbar danach entwe­der glaubwürdig der Tatbegehung beschuldigt oder mit Gegenständen betreten wird, die auf ihre Beteiligung an der Tat hinweisen“.

Das ist also so weit eingeschränkt: „unmittelbar danach“ und „glaubwürdig“. Das muss erst einmal jemand der Behörde so nahebringen, und die Behörde wird sich natürlich sehr genau überlegen, ob sie das tut. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Sollte sich tatsächlich herausstellen, was ich mir nicht vorstellen kann, dass das zu weit geht, dann werden wir das künftig ändern. Aber Tatsache ist, dass aufgrund dieser Einschränkung hier keine Gefährdung der Freiheit oder sonst etwas stattfindet, sondern – im Gegenteil! – wir eben mit den flankierenden Maßnahmen sogar dazu bei­tragen, dass eine Entkriminalisierung stattfindet. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Insgesamt sind das sehr vernünftige Maßnahmen, die einerseits die Verfahren be­schleunigen und andererseits zu einer gewissen Entkriminalisierung führen. Daher kann ich mir schwer vorstellen, dass hier tatsächlich jemand dagegenstimmt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Lueger ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


18.00.45

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Werte BesucherInnen auf der Galerie! Die Vorlage ent­spricht den Grundsätzen, die wir schon länger haben – aber warum wir jetzt dagegenstimmen


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werden, werde ich damit begründen, dass es drei grobe Änderungen gibt, die ich jetzt aufzählen werde.

Beraten statt strafen wurde jetzt von dieser Regierung eingeführt, aber als Paradig­men­wechsel, als ein Paradigmenwechsel in der Systematik des Verwaltungs­straf­rechts. Das steht im Gegensatz zu dem, was im Entschließungsantrag der Regierungs­fraktionen vom 16. Mai 2018 enthalten ist, den es ja schon gegeben hat, wonach bis 31.10. dieses Jahres erhoben werden sollte, in welchen Materiengesetzen dieser Grund­satz sinnvoll umgesetzt werden kann. Dieser wurde jetzt damit overrult, dass man sagt, okay, wir machen es jetzt umgekehrt, was zur Folge hat, dass alle Bundes­länder, alle gesetzgebenden Stellen in den Ländern ihre Landesgesetze durchforsten müssen, was davon sie betrifft, um dieses Bundesgesetz, das Sie heute hier be­schließen, zu overrulen.

Das trägt weder zu einer Transparenz noch zu einer Einheitlichkeit bei. Das trägt dazu bei, dass es neun unterschiedliche Sichtweisen geben könnte und es auch zu neun unterschiedlichen Auswirkungen in den Bundesländern kommt.

Weiters geht es um die Beweislastumkehr, die sowohl vom Kollegen Noll als auch jetzt vom Kollegen Stefan angesprochen wurde, wo diese Summe von 50 000 Euro als Strafsanktion angesetzt wurde. Es stellt sich für mich die Frage: Warum erst ab 50 000 Euro? Dadurch sind von dieser Bevorzugung im Verwaltungsstrafrecht alle Unternehmen betroffen, die juristische Personen sind. Aus sozialdemokratischer Sicht, kann ich dazu noch sagen, würden wir uns eine Herabsetzung auf zum Beispiel 5 000 Euro wünschen, womit letztendlich auch natürliche Personen von dieser Umkehr profitieren könnten.

Drittens: Gänzlich gestrichen ist in diesem Vorhaben die früher paktierte Forderung gemeinnützige Leistung statt Ersatzfreiheitsstrafe. Das ist komplett gefallen. Das ist zwar in anderen Rechtsbereichen vorgesehen, aber im Verwaltungsstrafrecht bleibt das Schuldturmprinzip. Daher werden wir dieser Vorlage nicht zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.03


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Nikolaus Scherak. – Bitte.


18.03.49

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Wir haben es schon gehört: Es handelt sich im Wesentlichen um zwei Richtlinienumsetzungen. Ich habe weniger Sorge beim Prinzip Beraten statt strafen und halte es an und für sich für eine wichtige Maßnahme. Der Grund, wieso wir der einen Sache im Zusammenhang mit dem Verwaltungsstrafverfahren nicht zustimmen werden, sind natürlich die Argu­mente, die Kollege Noll hier angesprochen hat. Herr Kollege Stefan, wenn Sie meinen, na ja, wenn es dann zu viele Polizeibefugnisse sind, dann werden Sie diese unter Umständen wieder zurücknehmen, dann sage ich, das ist schon eine Tendenz, die mir Sorgen macht. Ganz ehrlich: Ich kann mich nicht erinnern, dass die Polizei in den letzten Jahrzehnten neue Befugnisse bekommen hat und diese dann jemals wieder zurückgenommen wurden.

Das, was passiert ist, waren mehr Befugnisse für die Polizei, was in einigen Bereichen sinnvoll ist, aber mit diesem Überschießenden – und gerade Sie scheinen sich ja auch nicht zu 100 Prozent sicher zu sein, ob es genau passt – habe ich meine Probleme und würde das ablehnen. Wenn es nur um die Schwarzfahrer ginge, dann sollten wir es entsprechend regeln, explizit für die Schwarzfahrer – denn was Sie diesbezüglich vor­hin angesprochen haben, ist tatsächlich eine Problematik –, aber die Identitätsfest­stel-


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lung generell so festzuschreiben, dass es ohne die unmittelbare Tatbegehung im Vor­hinein geht, das halte ich für einigermaßen problematisch.

Wo wir jedenfalls zustimmen werden, das ist die Umsetzung der Richtlinie zur Euro­päi­schen Ermittlungsanordnung. Ich halte das für eine sinnvolle Maßnahme in Verwal­tungs­strafsachen.

Vielleicht noch etwas dazu, weil es wichtig ist und es Kollege Noll auch schon ange­sprochen hat: Wir haben im Ausschuss länger darüber diskutiert, es ist wichtig, dies hier auch noch einmal festzuhalten. Ich werde nachher noch einen Abänderungsantrag dazu einbringen. Wir sind im Ausschuss draufgekommen, dass etwas nicht zu 100 Pro­zent klar ist; deswegen ist es wichtig, das hier noch einmal zu betonen.

Es ist ja im Verwaltungsstrafgesetz und im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz so, dass die Stellung von Beweisanträgen nicht explizit geregelt ist und dass die Mög­lichkeiten, dass die Parteien einen Beweisantrag stellen können, aber trotzdem klar erkennbar und daraus erkennbar vorausgesetzt sind. Die Behörde hat dem im Rahmen der geltenden Grundsätze der Amtswegigkeit, der materiellen Wahrheit und der Wah­rung des Parteiengehörs entsprechend nachzukommen. Und in diesem Sinne sind eben auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, die man, wenn man es jetzt nicht verstanden hätte, auch ein bisschen anders lesen könnte, zu verstehen, wonach die Mög­lichkeit der Stellung von Beweisanträgen im Verwaltungsstrafgesetz nicht vorge­sehen ist.

Da aber Beweisanträge grundsätzlich im Verwaltungsstrafverfahren schon nach gelten­der Rechtslage gestellt werden können, braucht es jetzt auch keine spezifische Rechts­grundlage im Zusammenhang mit der Europäischen Ermittlungsanordnung. Entsprechend ist das so auch gemeint.

Ich bringe daher noch folgenden Abänderungsantrag ein:

Abänderungsantrag  

der Abgeordneten Mag. Gerstl, Dr. Wittmann, Mag. Stefan, Dr. Scherak, Dr. Noll, Kolle­ginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

„Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf (188 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

§ 6 wird folgender Abs. 5 angefügt:

,(5) Besteht Grund zur Annahme, dass die Erlassung der Europäischen Ermittlungs­anordnung nach Abs. 1 für die Zwecke des Verfahrens unter Berücksichtigung der Rechte des Beschuldigten nicht notwendig oder verhältnismäßig ist, oder stünde die angegebene Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zur Verfügung, so kann die zuständige Behörde des Anordnungsstaates zur Frage der Wichtigkeit der Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung konsultiert und ihre Entscheidung über deren Zurückziehung abgewartet werden.‘“

*****

Was lernen wir daraus? – Wenn wir konstruktiv Parlamentarismus leben und sinnvoll miteinander diskutieren, so wie wir das in diesem Zusammenhang im Verfassungs­aus­schuss getan haben – ich weiß, das tun Sie in dieser Situation dann unter Umständen nur, weil Sie eine Zweidrittelmehrheit brauchen –, dann lernen wir daraus, dass wir das


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in anderen Situationen auch tun sollten, weil wir dann auf etwaige Schwachstellen drauf­kommen, die wir ausmerzen können, und am Schluss damit insbesondere den Bürgerinnen und Bürgern gedient ist. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz.)

18.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerstl, Dr. Wittmann, Mag. Stefan, Dr. Scherak, Dr. Noll

Kolleginnen und Kollegen

zum Ausschussbericht 226 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz über die Euro­päische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen (Europäische Ermittlungs­an­ord­nung Verwaltungsstrafsachen – EAO-VStS)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf (188 der Beilagen) wird wie folgt geändert:

§ 6 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) Besteht Grund zur Annahme, dass die Erlassung der Europäischen Ermittlungs­anordnung nach Abs. 1 für die Zwecke des Verfahrens unter Berücksichtigung der Rechte des Beschuldigten nicht notwendig oder verhältnismäßig ist, oder stünde die angegebene Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zur Verfügung, so kann die zuständige Behörde des Anordnungsstaates zur Frage der Wichtigkeit der Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung konsultiert und ihre Entscheidung über deren Zurückziehung abgewartet werden.“

Begründung

Zu § 6Abs. 5:

Mit der vorgeschlagenen Ergänzung soll Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie EEA (Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen, ABl. Nr. L 130 vom 1.5.2014 S 1; L 143 vom 9.6.2015, S. 16) umgesetzt werden. Es soll eine aus­drückliche Rechtsgrundlage für das dort vorgesehene Konsultationsverfahren geschaf­fen werden:

Die zuständige innerstaatliche Verwaltungsbehörde, die eine Europäische Ermittlungs­anordnung zur Vollstreckung erhält, soll die ausländische Behörde, die die Ermittlungs­anordnung erlassen hat, rückfragen bzw. konsultieren können, wie wichtig deren Voll­streckung ist, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass

1.         der Erlass dieser Ermittlungsanordnung für die Zwecke des Verfahrens unter Be­rück­sichti­gung der Rechte der von der Ermittlungsmaßnahme betroffenen Person unverhältnismäßig (nicht notwendig, geeignet, sonst adäquat) ist oder

2.         die angegebene Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zur Verfügung stünde.

Die Anordnungsbehörde soll nach einer solchen Konsultation entscheiden können, ob sie die Ermittlungsanordnung zurückzieht. Diese Entscheidung soll abgewartet werden können.

Im Übrigen wurde in der Sitzung des Verfassungsausschusses im Gegenstand die Fra-


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ge aufgeworfen, inwieweit die Erlassung einer Europäischen Ermittlungsanordnung vom Beschuldigten bzw. dessen Verteidiger beantragt werden kann (vgl. Art. 1 Abs. 3 RL EEA):

Weder im Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, noch im Allge­mei­nen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, ist die Stellung von Beweisanträgen explizit geregelt. Die Möglichkeit der Parteien (bzw. ihrer Vertreter), im Ermittlungsverfahren Beweisanträge zu stellen, ist aber erkennbar vorausgesetzt (vgl. „Beweisanträge“ in § 43 Abs. 2 AVG und § 60 Abs. 2 VStG). Die Behörde hat diesen im Rahmen der geltenden Grundsätze der Amtswegigkeit, der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs entsprechend nachzukommen. In diesem Sinn sind schon die Erläuterungen zur RV (188, vgl. Besonderer Teil. S. 2, Pkt. 1) zu verstehen, wonach „die Möglichkeit der Stellung von Beweisanträgen im Verwaltungs­strafgesetz nicht vorgesehen“ ist.

Nachdem folglich Beweisanträge im Verwaltungsstrafverfahren schon nach geltender Rechtslage gestellt werden können, bedarf es keiner spezifischen Rechtsgrundlage nur zum Zweck der Erlassung einer Europäischen Ermittlungsanordnung.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jarolim. – Bitte.


18.07.46

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Auch das ist wieder eines jener Vorhaben, die eigentlich völlig unnotwendigerweise in einer Art und Weise aufgesetzt worden sind, dass normalerweise nichts Gescheites dabei herauskommen kann, weil überhudelt, weil nicht wirklich durchdiskutiert – und das völlig unverständlicherweise! Erneut gab es auch da wieder eine Anweisung der Bundesregierung – und da des Herrn Bundeskanzlers Kurz –, etwas in einem Zeitraum umzusetzen, in dem das halt normalerweise nicht passiert. Das Justizministerium hat das versucht, hat auch wirklich in Diskussionen, auch noch gestern, glaube ich, mit der Stadt Wien, Verbesserungen geschaffen, wobei die Subsidiarität der Regelungen auf Bundesebene festgelegt wird, wo Landesrecht etwas anderes, Spezifisches vorsieht.

Ich halte das auch für sehr sinnvoll und möchte hier auch danken. Aber die Rah­menbedingungen, die von Bundeskanzler Kurz vorgegeben worden sind, sind schlicht und einfach nicht zu erfüllen. Daher stellt sich schon die Frage, inwieweit es wirklich notwendig ist, dass eine an sich informiert sein sollende – wir wissen ja, welches Studium er betreibt –, aber tatsächlich nicht informierte Person die Vorgaben geben kann, dass man hier solch ein Chaos zusammenbringt wie jetzt, wo dann immer ein anderer Minister mehr oder weniger sein Gesicht für das Chaos, das entstanden ist, herhalten soll.

Mir tut das jetzt wirklich leid, das sage ich auch. Mir tut es auch leid für das Haus, weil ich weiß, dass hier großes Interesse daran besteht, das sachlich zu bearbeiten, aber es geht halt nicht, meine Damen und Herren. Und wenn man berücksichtigt, dass jetzt eine Norm vorgesehen ist, wonach sich erst bei Strafsätzen ab 50 000 Euro – es ist ja heute schon mehrfach angesprochen worden – das Regime des notwendigen Nach­weises des Verschuldens plötzlich dahin gehend ändert, dass derjenige, der dieses Delikt begangen hat, sagen kann: Ich bin unschuldig, weist mir das nach!, aber bei allen anderen, die unter 50 000 Euro sind, automatisch einmal die Verschuldens­vermu-


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tung gilt, dann kann das ja aus meiner Sicht verfassungsrechtlich schon nicht halten, weil es absolut unsachlich ist.

Warum gerade 50 000 Euro? – Sie hätten ja genauso gut 10 000 oder 5 000 Euro nehmen können, aber die größtmögliche Summe bedeutet natürlich, dass man sagt, es sollen alle in diesem Land gestraft werden, aber nur die Vermögenden, die Industrie und so weiter nicht. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

Jetzt frage ich Sie, ob Sie das unter vier Augen, in Gesprächen untereinander für sachlich erachten würden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand unter Ihnen dabei ist, der sagt: Ja, völlig klar, 50 000 Euro, da ist eine klare Zäsur. Diejenigen, die unter dieser Summe sind, sollen sich irgendwie erhängen, die sollen halt schauen, wie sie zurande kommen, aber ab 50 000 ist das eine so großartige Strafe, da muss man jedenfalls eine Unschuldsvermutung einziehen.

Dadurch werden diese Leute natürlich ermuntert werden, weiterhin zu agieren, weiter­hin auch die Umwelt, die Bevölkerung, die Mitarbeiter, alle zu behelligen, zu belästigen, weil sie sagen können: Mein Gott, mit dem neuen Regime, Gott sei Dank – danke, Herr Kurz –, wurde uns eine neue Welt geschaffen, in der allen rundherum die Dinge um die Ohren fliegen. – Aber das interessiert Sie nicht.

Ich halte das auch charakterlich, politisch-charakterlich für eine absolute Unzumut­barkeit. Daher ist es naheliegend, dass wir da nicht zustimmen können. Aber nichts­des­to­weniger bedanke ich mich noch einmal beim Ministerium, dass der Versuch unternommen worden ist, nach Maßgabe dessen, was halt möglich ist – es ist halt der Herr Kurz, der das vorgegeben hat –, noch das Beste herauszuholen. Es ist verbessert worden, aber es sind eigentlich die Grundvoraussetzungen so gelegt worden, dass es schlicht und einfach für alle Beteiligten, auch für Sie, Herr Minister, unzumutbar war. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Noll.)

18.11


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Smodics-Neumann ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.11.47

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident, danke für das Wort! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren auf der Galerie, Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause! Ich möchte mich auf das Thema Beraten statt strafen beziehen. Bisher galt ja: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Und wer von uns kann jetzt wirklich von sich behaupten, dass er alle Gesetze und Vorschriften ad hoc kennt? Es wurde heute schon erwähnt, es tritt hier ein Para­digmenwechsel ein. Das ist deswegen nicht unbedingt gleich etwas Schlechtes, son­dern ich denke, das ist schon ein anderer und ein neuer Zugang, wenn man sagt, dass eine Behörde durchaus auch einmal beratend tätig werden kann, bevor sie wirklich eine Strafe ausspricht.

An die Sozialdemokraten gerichtet möchte ich schon festhalten, sie mögen sich hier jetzt nicht sozusagen als die Robin Hoods der kleinen Unternehmer, um es noch einmal zu strapazieren, aufspielen. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass im Arbeitsinspektionsgesetz 1993 das Prinzip Beraten statt strafen bereits verankert ist, allerdings mit einer Kannbestimmung – und wer Wiener Unternehmer ist, der weiß, wie oft das Kann statt einem Muss vollzogen wird.

Warum das jetzt so wichtig ist, ab wann man in einem Verwaltungsstrafverfahren ist oder nicht, hat folgenden Grund: Es hat auch insofern eine Auswirkung, als es durch­aus sein kann, sobald man in einem Verwaltungsstrafverfahren ist, dass man Nachteile bei Ausschreibungen oder Förderansuchen hat. Deswegen ist es durchaus keine Un-


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erheb­lichkeit, ob man vorher beraten wurde und erst im Wiederholungsfalle oder im schon sehr genau erläuterten Falle in einem Strafverfahren ist.

Da wir durchaus daran interessiert sind, eine ernsthafte Diskussion zu führen, auch dann, wenn es nicht um eine Zweidrittelmehrheit geht, hat es gestern noch ein Treffen mit der Stadt Wien gegeben, um noch die letzten Sorgen und Nöte auszuräumen. Vielleicht ist Ihnen das noch nicht zugegangen, werte Kollegen von der Sozialdemo­kratie! Vielleicht wollen Sie auch noch kurz – wir haben, glaube ich, noch zwei Redner bis zur Abstimmung – mit Frau Stadträtin Sima Rücksprache halten.

In diesem Zusammenhang darf ich folgenden Abänderungsantrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerstl, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen

zum Ausschussbericht 227 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, das Allgemeine Ver­wal­tungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwal­tungs­gerichtsverfahrensgesetz geändert werden (193 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

„Der dem oben bezeichneten Ausschussbericht angeschlossene Gesetzestext wird wie folgt geändert:

In Art. 3 (Änderung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991) Z 14 wird in § 33a Abs. 1 nach der Wortfolge ‚so hat ihn die Behörde‘ die Wortfolge ‚ , soweit die Verwaltungs­vorschriften nicht anderes bestimmen,‘ eingefügt.“

*****

Also ich denke, hier sollte jetzt kein Hindernis mehr dafür bestehen, dass auch die Sozialdemokratie zustimmen kann. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.)

18.16

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerstl, Mag. Stefan

Kolleginnen und Kollegen

zum Ausschussbericht 227 der Beilagen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ein­führungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, das Allgemeine Ver­wal­tungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwal­tungs­gerichts­verfahrensgesetz geändert werden (193 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der dem oben bezeichneten Ausschussbericht angeschlossene Gesetzestext wird wie folgt geändert:

In Art. 3 (Änderung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991) Z 14 wird in § 33a Abs. 1 nach der Wortfolge „so hat ihn die Behörde“ die Wortfolge „ , soweit die Verwal­tungsvorschriften nicht anderes bestimmen,“ eingefügt.


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Begründung

Zu Art. 3 (Änderung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991) Z 14 (§ 33a):

Mit dem vorgeschlagenen § 33a soll der Grundsatz „Beraten vor strafen“ eingeführt werden. In den Medien wurde dazu die Auffassung vertreten, dass die unbedingte Ein­führung dieses Grundsatzes eine Zunahme an Verwaltungsstraftaten bewirke. Diesen Befürchtungen soll entgegengetreten werden, indem in den Verwaltungsvorschriften vorgesehen werden kann, dass der Grundsatz „Beraten vor strafen“ in bestimmten Angelegenheiten nicht zur Anwendung gelangen soll. Eine entsprechende Anordnung in den Verwaltungsvorschriften unterliegt nicht den besonderen Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 2 B-VG.

Anwendungsfall des Grundsatzes „Beraten vor strafen“ kann etwa ein Fall sein, in dem eine Person es unterlässt, rechtzeitig eine Meldung zu erstatten. Kommt der Beschul­digte der Aufforderung der Behörde, binnen angemessener Frist die Meldung zu erstat­ten, nach, soll er nicht bestraft werden.

Voraussetzung der Anwendung des Grundsatzes ist, dass das Verschulden des Be­schuldigten gering ist. Handelt der Beschuldigte vorsätzlich, wird es – von Ausnahme­fällen abgesehen – nicht zu einer Beratung kommen.

Weitere Voraussetzung ist, dass die Intensität der Beeinträchtigung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes gering ist. Dies wird etwa bei illegalem Glücksspiel (dessen Betreiben wohl nicht gering verschuldet sein wird) nicht der Fall sein.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Ich darf dem Herrn Bundesminister das Wort erteilen. – Bitte.


18.16.21

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist schon mehrmals in der Debatte angesprochen worden, dass gerade dieses Verwaltungsverfahrensgesetz, Verwaltungsstrafgesetz doch eine Entkrimi­nali­sie­rung bringt, auch im Bereich der Verschuldensvermutung; das wurde vom Abge­ordneten Noll angesprochen. Wieso bringt das in dem Fall mehr Rechtsstaatlichkeit? – Weil in Zukunft, wie gesagt, die Verschuldensvermutung bei 50 000 Euro eben nicht gilt, wobei ich dabei ausführen müsste, weil auch die Frage seitens des Herrn Abge­ordneten Jarolim gekommen ist, warum gerade 50 000 Euro: Es ist in eine Richtung gegangen, dass ich dafür eingetreten bin, dass mehr Rechtsstaatlichkeit auch im Verwaltungsstrafrecht geschaffen wird, und man danach getrachtet hat, einen ersten Schritt in Richtung Unschuldsvermutung zu setzen.

Der Grund, warum 50 000 Euro gewählt worden sind, hat mehrere Anknüpfungs­punkte. Der erste Anknüpfungspunkt ist die Exekutionsordnung, wo beispielsweise ein verein­fach­tes Bewilligungsverfahren bis 50 000 Euro durchgeführt werden kann; weiters das Kapitalabfluss-Meldegesetz, wo Kapitalabflüsse über 50 000 Euro meldepflichtig sind; das Schenkungsmeldegesetz, das Finanzstrafgesetz, wodurch bei 50 000 Euro die ge­richtliche Zuständigkeit begründet wird. Es war gleichzeitig auch im alten Strafrecht so, wo sehr viele Vermögenstatbestände beim Betrag von 50 000 Euro angeknüpft haben.


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Das heißt, wir haben daher, unter Berücksichtigung dieser Grenzen, einmal 50 000 Euro genommen und gesagt, es soll als erster Schritt in Richtung einer Entkriminalisierung auch des Verwaltungsstrafrechts gehen. In der Folge kann man das evaluieren, um dann im Rahmen der Evaluierung etwa eine weitere Senkung vorzunehmen. Es sind beispielsweise mehrere Beträge genannt worden, 5 000 Euro oder dergleichen. Es wird also sicher seitens meines Ressorts in die Richtung gehen, dass wir voraus­sichtlich in zwei Jahren wiederum eine Evaluierung durchführen werden, um eben hie­bei eine Entkriminalisierung herbeiführen zu können.

Der zweite Punkt, der angesprochen worden ist, ist „beraten vor strafen“. Auch dabei sind wir den Best-Practice-Erfahrungen gefolgt, wie es zum Beispiel im § 9 des Arbeits­inspektionsgesetzes vorgesehen ist, und zwar schon seit Jahren, wo festgelegt ist, dass auch bei Verletzungen – in dem Fall – der Arbeitnehmerschutzvorschriften zuerst zu beraten ist, in der Folge aufzufordern ist, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen, um dann, wie gesagt, eben keine Strafe zu erhalten. Genau diesen Weg sind wir auch gegangen, wie es im Rahmen der Entkriminalisierung notwendig ist: Wenn das Ver­schulden gering ist, wenn kein Vorsatzdelikt vorliegt, wenn man nicht schon in der Vergangenheit mehrmals eine Strafe bekommen hat, dass in dem Fall „beraten vor strafen“ stattfindet. Ich glaube, das ist sicherlich ein Weg, der richtig und auch angebracht ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das mit der Intention, wie sie seinerzeit im § 9 des Arbeitsinspektionsgesetzes fest­gehalten wurde, dass man den Beratungsansatz gewählt hat mit der Zielsetzung: Das Arbeitsinspektorat soll in die Richtung gehen, im erforderlichen Umfang mit dem Ziel einer möglichst wirksamen Umsetzung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu beraten. Und genau der gleiche Punkt liegt jetzt auch vor.

Ich möchte mich auch bei Ihnen dafür bedanken – da Abgeordneter Jarolim und auch Abgeordneter Scherak das angesprochen haben –, dass im Zusammenhang mit der Europäischen Ermittlungsanordnung die notwendige Verfassungsmehrheit sicherge­stellt wird, denn es ist nunmehr vorgesehen, dass in Zukunft auch Verwaltungs­be­hör­den Europäische Ermittlungsanordnungen ausstellen können. Das bedarf aber einer Validierung, einer Bestätigung durch Gerichte. Den Gerichten, sprich einem Verwal­tungs­gericht, ist es nur dann möglich, die Validierung durchzuführen, wenn sie eben ver­fassungsrechtlich dazu einen Auftrag erhalten.

Die Verwaltungsgerichte sind in der Vergangenheit als Rechtsmittelinstanz eingerichtet worden, und das wäre eine weitere Zuständigkeit, die man ihnen überträgt. Dafür braucht man eine Verfassungsmehrheit, und ich möchte mich dafür bedanken, dass diese Verfassungsmehrheit heute gegeben ist, wodurch die Ermittlungsanordnung in vollem Ausmaß in Österreich Platz greifen kann.

Ein weiterer Punkt ist angesprochen worden: Beschleunigung von Verwaltungs­verfah­ren. Auch dabei gab es einen sehr konstruktiven und gleichzeitig auch vereinnah­men­den Einsatz. Wir sind diesbezüglich sowohl mit allen Landesverwaltungsgerichten als auch dem Bundesverwaltungsgericht und dem Verwaltungsgerichtshof zusammen­ge­ses­sen und haben diese Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens in die Wege ge­leitet.

Zum einen gibt es dabei eine Verfahrensförderungspflicht seitens der Parteien und zum anderen auch eine Entscheidungspflicht seitens der Behörden. Das heißt, wenn die Behörde nicht innerhalb von acht Wochen entscheidet, wird das Ermittlungs­ver­fahren, das vorher schon geschlossen war, wieder aufgemacht. Das bedeutet, es ist ein Anreiz da, dass auch die Behörde schnell agiert. Ich glaube, das ist ein Ansatz, dass Verfahren, die in der Vergangenheit mehrere Jahre gedauert haben, in diesem Fall sehr schnell, sehr zielgerichtet und kostensparsam durchgeführt werden.


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Ein weiterer Punkt betreffend das Verwaltungsstrafverfahren – auch da gehen wir in Richtung Entlastung der Bürger –: Sie wissen, wenn Sie eine Anonymverfügung be­kommen haben und beispielsweise statt 20 Euro 22 Euro eingezahlt haben, dass dessen ungeachtet das Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt worden ist, weil eben der Betrag, den Sie erlegt haben, nicht rechtzeitig beziehungsweise nicht ordnungs­ge­mäß eingezahlt worden ist. In Zukunft ist das anders: Wenn eine Staatsbürgerin oder ein Staatsbürger eine Anonymverfügung erhalten und zu viel eingezahlt hat, dann gilt das natürlich. Es wird kein Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt, und die Überzah­lung wird entsprechend rückvergütet.

Darüber hinaus ist es in Zukunft auch möglich, einen Einspruch, der gegen eine Straf­verfügung gemacht wurde, wieder zurückzunehmen.

Nicht zuletzt besteht auch dadurch, dass für die einzelnen Deliktstypen klare Strafober­grenzen festgelegt werden können, beispielsweise seitens des Verkehrsministers, die Möglichkeit, dass in Zukunft – egal, ob es in Vorarlberg, in Wien oder in der Steiermark passiert – Delikte, beispielsweise das Nichtanlegen eines Gurtes, in gleicher Höhe bestraft werden.

Das sind die Punkte, die tatsächlich in dieser Vorlage beinhaltet sind, und das ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung.

Zu den Anmerkungen, die in diesem Zusammenhang vom Herrn Abgeordneten Noll gemacht worden sind – er hat unter anderem auf § 9 hingewiesen –, möchte ich sagen, wie im § 5 geht es im § 9 auch um Sorgfaltspflichten, und wir haben das im Zusam­menhang damit erläutert, obwohl – wie Sie das angesprochen haben – § 9 nicht ge­ändert worden ist. Das heißt, die Erläuterungen hinsichtlich der Sorgfaltspflichten sind vorgenommen worden, wir wollten aber in diesem Zusammenhang nicht in den § 9 eingreifen.

Sie haben weiters die Identitätsfeststellung angesprochen. Ich möchte darauf hin­weisen – ein Beispiel ist schon gebracht worden –, dass ein Schwarzfahrer, wenn er in einer Straßenbahn von einem Aufsichtsorgan erwischt wird und nicht bereit ist, sich auszuweisen, aus der Straßenbahn hinausgebeten wird. Wenn die Polizei dann eintrifft und die Straßenbahn schon abgefahren ist, wird der Schwarzfahrer aber nicht mehr auf frischer Tat ertappt und – und das war, wie gesagt, bisher das Problem – eine Iden­titäts­feststellung ist nicht mehr möglich. Das wird in Zukunft mit der vorliegenden Novelle ermöglicht. Wobei ich darauf hinweisen möchte – das wissen auch Sie –, dass gerade in diesem Bereich der Verwaltungsgerichtshof einer sehr engen Auslegung folgt beziehungsweise in diesem Bereich sehr streng ist und es daher auch in Zukunft nicht möglich ist, dass gerade die Polizei diese Bestimmung exzessiv auslegen kann – was aber auch nicht anzunehmen ist.

Darüber hinaus werden mit dieser Novelle folgende EU-Richtlinien umgesetzt: die Richt­linie Dolmetsch, die Richtlinie Rechtsbelehrung, die Richtlinie Rechtsbeistand und die Richtlinie Unschuldsvermutung, wodurch die Rechte der Beschuldigten im internatio­nalen Einklang gestärkt werden.

Nicht zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass auch wieder eine Angleichung an das Strafrecht erfolgt: In Zukunft haben auch ehemalige Lebensgefährtinnen und Lebens­ge­fährten einen Aussageverweigerungsgrund, was in der Vergangenheit nicht der Fall war.

Es handelt sich also sicherlich um eine sehr gute Vorlage, eine Vorlage, die Österreich entbürokratisiert und mehr Rechtsstaatlichkeit bringt, und ich hoffe, dass sie daher Ihre Zustimmung findet. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.24



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 189

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Lettenbichler. – Bitte.


18.25.00

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Abgeordnetenkollegen! Besucher auf der Galerie, herzlich willkom­men! „Auch übersetzt versteht man nicht, wenn einer bürokratisch spricht.“ – Das sagte der Dichter Erhard Horst Bellermann. Und tatsächlich gibt es manches, das für Bür­gerinnen und Bürger wie für Unternehmerinnen und Unternehmer in Österreich nicht verständlich ist.

In vielen Bereichen gibt es unverhältnismäßig hohe Strafen für geringfügige Übertre­tungen, oftmals verbunden mit langwierigen Verwaltungsverfahren. Um jedoch eine für den Bürger nachvollziehbare Rechtsprechung zu garantieren und den Wirtschafts­standort Österreich zu stärken, sind schnelle Verwaltungsverfahren und angemessene Konsequenzen bei Übertretungen ein maßgeblicher Faktor. Der aktuelle Tagesord­nungspunkt gibt Behörden die Option, bei geringfügigen Übertretungen ohne Vorsatz vorerst von einer Strafe abzusehen und stattdessen zu beraten und zu einer Korrektur des Missstandes aufzufordern. Erfolgt diese Korrektur innerhalb einer angemessenen Frist nicht, kommt es selbstverständlich zur Einleitung eines Strafverfahrens.

Mit dem begrüßenswerten Ansatz Beraten statt strafen soll die Möglichkeit gegeben werden, die Übertretungen zu beenden, bevor es zu Strafen kommt. Für diesen Ansatz muss natürlich auch klar abgegrenzt sein, wo er keinesfalls gilt, nämlich wenn eine Übertretung innerhalb der letzten drei Jahre vor Feststellung der Übertretung bereits Gegenstand einer Beratung und schriftlichen Aufforderung durch die Behörde war oder zu dieser einschlägige, noch nicht getilgte Verwaltungsstrafen bei der Behörde aufscheinen. In diesen Fällen kommt Beraten statt strafen nicht zur Anwendung, und auch dann – der Herr Minister hat es schon gesagt –, wenn ein Vorsatz erkennbar ist oder die Geringfügigkeit nicht gegeben ist.

Ich erachte es als richtig und wichtig, den Behörden diese Unterscheidung zu ermög­lichen, nämlich zwischen einer unwissentlichen Übertretung ohne weitreichende Kon­sequen­zen und einem vorsätzlichen Rechtsbruch.

Ich darf bei dieser Gelegenheit auch darauf hinweisen, dass der Grundsatz Beraten statt strafen auch beim Arbeitsinspektionsgesetz zur Anwendung kommt. Im Jahr 1992 wurde dies eingeführt – einstimmig eingeführt –, und umso unverständlicher und bedauernswerter ist es, dass dieser Grundsatz, der sich über Jahrzehnte auch in dieser Materie bewährt hat, nun von der SPÖ und von der Liste P nicht mehr weiter verfolgt und abgelehnt wird.

Es sollte in unserem Interesse, im Interesse der politisch Verantwortlichen sein, die Rechtsprechung effizienter und nachvollziehbarer zu gestalten und Bestrafung zu ver­meiden, wo es sinnvollere Möglichkeiten gibt. Mit dem vorliegenden Antrag können wir einen weiteren Teil dazu beitragen, und ich lade Sie ein, hier zuzustimmen. – Besten Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.27

18.27.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 190

Zuerst gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 11: Entwurf betref­fend ein Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungs­strafsachen in 188 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Gerstl, Dr. Wittmann, Mag. Stefan, Dr. Scherak und Dr. Noll einen Zusatzantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über den erwähnten Zusatzantrag und schließlich über den Gesetz­entwurf abstimmen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf Verfassungsbestimmungen enthält, stelle ich zu­nächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erfor­derliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeord­neten fest.

Die Abgeordneten Mag. Gerstl, Dr. Wittmann, Mag. Stefan, Dr. Scherak und Dr. Noll haben einen Zusatzantrag eingebracht, der sich auf die Anfügung eines neuen Absat­zes 5 in § 6 bezieht.

Wer hiefür ist, den ersuche ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig, und somit ist der Antrag angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür die Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist ebenso einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf die Damen und Herren, die auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen ersuchen. – Auch das ist einstimmig. Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 12: Entwurf be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungs­ver­fah­rensgesetzen, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz, das Verwaltungsstraf­gesetz und das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geändert werden, in 227 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Gerstl, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Dr. Noll vor.

Ich werde zunächst über die von dem erwähnten Abänderungsantrag sowie vom Ver­langen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile – der Systematik des Gesetzent­wurfes folgend – und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Gerstl, Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Art. 3 Z 14.

Wer dem seine Zustimmung erteilt, den ersuche ich um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit.

Wir kommen zur getrennten Abstimmung über Art. 3 Z 18 in der Fassung des Aus­schuss­berichtes.

Wer dafür ist, den bitte ich auch, ein Zeichen zu geben. – Das ist die Mehrheit. Damit ist der Antrag angenommen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 191

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschuss­be­richtes, und ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür ihre Zustimmung erteilen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf die Damen und Herren, die zustimmen, bitten, ein Zeichen zu geben. – Das ist die Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

Ich danke.

18.31.4113. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (195 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das allgemeine Grund­buchsgesetz 1955, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das An­erben­gesetz, das Außerstreitgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Fortpflan­zungs­medizingesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtskommissärsgesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das IPR-Gesetz, das Kärntner Erbhöfegesetz 1990, das Konsumentenschutzgesetz, das Landpachtgesetz, das Mietrechtsgesetz, die Notariatsordnung, das Rechtspflegergesetz, das Tiroler Höfegesetz, das Unter­neh­mensgesetzbuch, das Verfahrenshilfeanträge-Übermittlungsgesetz, das Ver­wal­tungsgerichtshofgesetz 1985, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Voll­zugsge­bührengesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 2002, die Zivilprozessordnung, das Erwachsenenschutzvereinsgesetz und das Justizbetreuungsagentur-Gesetz ge­än­dert werden (Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz für den Bereich des Bun­desministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz – ErwSchAG-Justiz) (221 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen daher zum 13. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Ofenauer. – Bitte.


18.32.06

Abgeordneter Mag. Friedrich Ofenauer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Kollegen hier im Hohen Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Mit diesem Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz wird eine Vielzahl an Gesetzen vor allem von den Begrifflichkeiten her an das neue Erwachsenenschutz-Gesetz angepasst, das seit 1. Juli 2018 gilt. Es ist ein Meilenstein in diesem Bereich, weil es die frühere Sachwalterschaft ersetzt und mehr Autonomie, mehr Selbst­bestim­mung und Entscheidungshilfe für die Betroffenen bringt.

Aus den Sachwaltern von früher werden jetzt Erwachsenenvertreter. Das ist schon be­grifflich ein wesentlicher Unterschied, denn grundsätzlich sollen Betroffene weiterhin ihre Angelegenheiten soweit als möglich selbständig erledigen können. Dafür müssen sie natürlich entsprechend handlungsfähig und auch entscheidungsfähig sein. Manche Menschen sind aber allein nicht entscheidungsfähig, trotzdem sollen auch diese Menschen ihre Angelegenheiten soweit wie möglich selbständig erledigen können. Ich bin wirklich froh – und ich darf mich dafür bedanken und auch dazu gratulieren –, dass dafür im Zuge der Budgetverhandlungen im Frühjahr durch Justizminister Moser und Finanzminister Löger auch die Finanzierung sichergestellt wurde. Vielen Dank, ich gra­tu­liere dazu. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 192

Es gibt nun vier Möglichkeiten der Vertretung: zum einen die Vorsorgevollmacht und die gewählte Erwachsenenvertretung, die unbefristet sind; bei der gewählten Erwach­se­nenvertretung muss auch darauf hingewiesen werden, dass mit dieser Vertretung Vertrauenspersonen aus dem Bereich des Betroffenen betraut werden können und nicht ein Fremder eingesetzt werden muss.

Befristet wird es eine gesetzliche Erwachsenenvertretung sowie eine gerichtliche Er­wachsenenvertretung geben.

Die Vorsorgevollmacht – wie der Name schon sagt – kann von Betroffenen vorsorglich vergeben werden, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem sie noch entscheidungsfähig sind, für einen Zeitpunkt, zu dem sie das nicht mehr sind. Dafür kommt auch jede Person im Umfeld des Betroffenen infrage.

Eine weitere Möglichkeit ist die gewählte Vertretung. In diesem Fall wird erst im Bedarfsfall jemand ausgewählt, aber auch vom Betroffenen selbst. Damit wird dem Wunsch nach Selbstbestimmung und vor allem auch dem Wunsch des Betroffenen nach Mitsprache bei der Vertretung Rechnung getragen. Das kann auch bei bereits ge­minderter Entscheidungsfähigkeit erfolgen und muss bei einem Notar, Rechtsanwalt oder einem Erwachsenenschutzverein festgelegt werden.

Eine gesetzliche Vertretung endet spätestens nach drei Jahren. Diese übernehmen die nächsten Angehörigen, und sie unterliegt der richterlichen Kontrolle.

Die gerichtliche Vertretung wiederum ist die bisherige Sachwalterschaft, die allerdings nur mehr auf bestimmte Aufgaben beschränkt wird und keine Vertretung mehr für alle Angelegenheiten ist. Auch diese endet spätestens nach drei Jahren; sie ist das aller­letzte Mittel. Rechtsanwälte, Notare und so weiter dürfen in Zukunft nicht mehr als 15 Vertretungen auf einmal übernehmen, es sei denn, sie sind in einer Liste für besonders qualifizierte Personen eingetragen. Alle bestehenden Sachwalterschaften sollen bis 2023 dahin gehend überprüft werden, ob sie noch notwendig sind, damit auch sichergestellt wird, dass Sachwalterschaften beziehungsweise gerichtliche Ver­tre­tun­gen nur in jenen Fällen zum Einsatz kommen, in denen sie wirklich nötig sind.

Österreich hat damit seit Kurzem eines der modernsten Vertretungsrechte Europas, das die größtmögliche Selbstbestimmung und Entscheidungshilfe der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt. Eigenverantwortung und Selbständigkeit sind Werte der Öster­reichi­schen Volkspartei, ich freue mich daher, dass es mit dem neuen Erwachsenen­schutz-Gesetz den Menschen leichter gemacht wird, so lange wie möglich ein selbst­be­stimmtes Leben zu führen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

18.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jarolim. Ich darf es ihm erteilen.


18.36.11

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Wir werden dieser Vorlage zustimmen. Wir haben schon öfter zu diesem Gesetz ge­sprochen und wir haben auch darüber gesprochen, dass der vormalige Justizminister Brandstetter in seiner ersten Vorlage – ich glaube – 80 oder 82 Millionen Euro als notwendige Mittel dafür, eine massive Verbesserung für die Ärmsten der Armen sicherzustellen, benannt hat. Diese Summe hat sich dann nach Kontaktaufnahme mit dem nunmehrigen Bundeskanzler auf wundersame Weise auf 20 Millionen Euro redu­ziert. Man kann davon ausgehen, dass mit 20 Millionen Euro natürlich weniger gewähr­leistet werden kann als mit 85 Millionen Euro. Nichtsdestoweniger sind wir froh – und das muss man auch dem jetzigen Justizminister anrechnen –, dass wir insgesamt eine


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Lösung zustande gebracht haben, denn auch der Finanzminister hat offensichtlich über Weisung des Herrn Bundeskanzlers die Bremsen angezogen und wollte das Gesetz insgesamt zum Scheitern bringen. – Jetzt gibt es dieses Gesetz.

Das, was heute beschlossen wird, ist eine Anpassung von Definitionen an neue be­stehende Regelungen und insofern also keine inhaltliche Änderung. Aber nichtsdesto­weniger sieht man, dass eine gewisse Beharrlichkeit und der Hinweis darauf, dass qualitätsvolle Gesetze durchgesetzt werden müssen, letztlich doch auch jene Personen überzeugen können, die an sich aus ihrer sozialen Haltung heraus nicht unmittelbar sehr stark für diejenigen, die weniger haben, eintreten wollen. In diesem Fall ist es ge­lun­gen, und ich bin froh darüber. Daher werden wir dieser Regelung auch zustim­men. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.37


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Reifenberger ist zu Wort ge­mel­det. – Bitte.


18.38.02

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Am letzten Sonntag, am 1. Juli 2018, ist das Erwachsenenschutz-Gesetz in Kraft getre­ten – das ist ein historischer Schritt im rechtlichen Umgang mit sogenannten schutz­berechtigten Personen.

Die bisherige Sachwalterschaft wurde reformiert und in das sogenannte Erwach­senen­schutzrecht übergeführt. Dieses besteht aus insgesamt vier Säulen.

Die erste Säule ist die sogenannte Vorsorgevollmacht. Diese ist seit dem Jahr 2007 im ABGB festgeschrieben, de facto gibt es die Vorsorgevollmacht in der Praxis aber schon länger. Das war eine Entwicklung der Notariate, die weit umfassende Vollmach­ten zu dem Zweck, eine Sachwalterschaft zu verhindern, gestaltet haben.

Die zweite Säule – und die ist jetzt neu – ist die sogenannte gewählte Erwachsenen­ver­tretung.

Die dritte Säule ist die sogenannte gesetzliche Erwachsenenvertretung; das ist eine Weiterentwicklung der gesetzlichen Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger.

Die vierte und letzte Säule ist eben die sogenannte gerichtliche Erwachsenen­ver­tretung. Das ist das, was früher in etwa unter dem Begriff Sachwalterschaft zu ver­stehen war. Das ist die letzte Stufe in dieser vierstufigen Hierarchie. Die gerichtliche Erwachsenenvertretung ist sozusagen nur das allerletzte Mittel, wenn keine der drei anderen Säulen zur Anwendung gebracht werden kann.

Ziel und Zweck des Erwachsenenschutz-Gesetzes ist es, die Selbstbestimmung, die Autonomie entsprechend zu stärken und rechtliche Einschränkungen auf ein Mindest­maß zu reduzieren. Das ist natürlich ein schmaler Grat, auf der einen Seite den not­wendigen Schutz zu gewährleisten, auf der anderen Seite aber keine übertriebene Entrechtung zu vollziehen.

Der Gesetzgeber hat im Jahr 2017 beschlossen, das Pendel in die Richtung der Selbst­bestimmung ausschlagen zu lassen; das ist das leitende Prinzip des Erwachsenen­schutz-Gesetzes. Seitens der Betroffenen wird häufig der Wunsch geäußert, das Recht zu bekommen, auch Fehler machen zu dürfen, und nicht durch zu viel Schutz einge­schränkt zu werden.


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Jetzt haben wir das Erwachsenenschutz-Anpassungsgesetz zu beschließen, das am 1. August in Kraft treten soll und mit dem in insgesamt 27 Bundesgesetzen Anpassun­gen vollzogen werden.

Es gibt ein paar Bedenken dagegen – zumindest im Ausschuss von Frau Dr. Griss von den NEOS geäußert –, nämlich dass die Schutzmechanismen zu sehr reduziert wer­den könnten. Das Beispiel, das Frau Dr. Griss im Ausschuss angesprochen hat, war, dass bei der gerichtlichen Erwachsenenvertretung, also der ehemaligen Sachwalter­schaft, es nicht mehr automatisch zu einer Anmerkung im Grundbuch und im Fir­menbuch kommt, was eben früher bei der Sachwalterschaft sehr wohl der Fall war. Jetzt gibt es nur mehr eine Anmerkung, wenn vom Pflegschaftsgericht ausdrücklich ein sogenannter Genehmigungsvorbehalt angeordnet wird.

Ich muss dazu sagen, dass diesbezüglich in meiner Brust zwei Herzen schlagen. Aus der Sicht des Vertragserrichters und Sachwalters, der ich selbst auch einer bin, wün­sche ich mir natürlich den bestmöglichen Schutz der betroffenen Personen. Insofern kann ich die Kritik der NEOS inhaltlich durchaus ein bisschen nachvollziehen. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass Sinn und Zweck des Gesetzes sind, die Auto­nomie zu stärken und so wenig wie möglich in die Rechte der Betroffenen einzugreifen. Gerade die NEOS sollten das so verstehen; sonst hängen sie ja auch einem sehr liberalen Gesellschaftsbild an, und das spiegelt sich darin gewissermaßen wider.

Ich glaube aber, dass die Justiz in der praktischen Handhabung sehr häufig von die­sem gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt Gebrauch machen wird und dass es sehr oft zu Anmerkungen im Grundbuch und im Firmenbuch kommen wird. Insofern kann es sein, dass diese Debatte in Wahrheit eher eine akademische Debatte ist.

Ich denke aber ohnehin, dass man sich dieses Gesetz nach einem gewissen Beobach­tungszeitraum anschauen muss, das Erwachsenenschutz-Gesetz vielleicht evaluieren und dann an der einen oder anderen Stelle vielleicht noch ein bisschen nachschärfen muss. Bis dahin freuen wir uns auf mehr Selbstbestimmung auf der einen Seite und weniger Bevormundung auf der anderen Seite – wahrlich ein freiheitlicher Grundsatz. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Griss. – Bitte.


18.42.45

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich kann mich in den wesentlichen Punkten meinem Vorredner anschließen: Das ist eine Schutzlücke, die derzeit besteht, und man muss beobachten, wie sich das in der Praxis auswirkt. Man wird daher, da bin ich ganz Ihrer Meinung, das Gesetz evaluieren müssen. Ich glaube überhaupt, dass das Erwachsenenschutz-Ge­setz ein gutes Beispiel für ein Gesetz wäre, das ein bestimmtes Ablaufdatum hat. Das ist – da wähle ich auch Ihre Worte, Herr Abgeordneter Reifenberger – eine Gratwan­derung zwischen Selbstbestimmung und Schutz, und man muss sich genau an­schauen, wie sich das in der Praxis auswirkt. Es gibt viele Beschwerden im Zusam­menhang mit Sachwalterschaften, weil viele Leute unzufrieden sind. Das, was jetzt geschieht, ist das, was man so schön einen Paradigmenwechsel nennt; man muss sich anschauen, wie sich das auswirkt.

Ich möchte aber noch einen anderen Punkt ansprechen, und zwar folgenden: Wir haben in Österreich mehr als 50 000 Sachwalterschaften, und all diese Sachwalter­schaf­ten müssen jetzt überprüft werden, weil es in Zukunft, seit 1. Juli 2018, maßge­schneiderte Lösungen für Menschen gibt, die in ihrer Entscheidungsfähigkeit beschränkt


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sind. Man muss sich anschauen, was diese Menschen brauchen, wo man sie unter­stüt­zen muss und wer dafür infrage kommt. Mein Vorredner hat es bereits gesagt: jemand aus der Verwandtschaft, ein Gesetzlicher, ein frei Gewählter oder es muss gerichtlich jemand bestellt werden oder es gibt eine Vorsorgevollmacht, wie auch immer. Das wird jedenfalls ein großer Aufwand für die Gerichte sein, und leider hat man das nicht berücksichtigt; es wurden nicht mehr Stellen für die Gerichte geschaffen. Also die sehr berechtigten Wünsche der Gerichte, der RichterInnenvereinigung nach mehr Personalressourcen für die Justiz, gerade im Zusammenhang mit dem Erwach­se­nenschutz-Gesetz, wurden nicht berücksichtigt.

Wozu führt das? – Das führt dazu, dass für viele Menschen diese maßgeschneiderten Lösungen später kommen werden. Für viele Menschen wird die Lösung zu spät kom­men, denn es sind sehr oft alte und ältere Menschen, die eben nicht mehr in der Lage sind, ihre Angelegenheiten selbst zu besorgen, und die bisher einen Sachwalter be­kom­men haben. Für viele dieser Menschen, die in ihrer Entscheidungsfähigkeit be­schränkt sind, besteht nun vielleicht nicht die Möglichkeit für eine Lösung, die ihren Bedürfnissen entspricht, weil einfach die Ressourcen dafür nicht vorhanden sind. Ich verstehe das, ehrlich gesagt, nicht, denn das ist ein ganz wichtiger Bereich, in dem die Fürsorgepflicht des Staates eine ganz große Rolle spielt.

Ich würde mich bezüglich des Rechts, Fehler zu begehen, nicht Ihrer Einschätzung anschließen, Herr Abgeordneter Reifenberger! Ich glaube nicht, dass es darum gehen kann, sondern es muss darum gehen, den besten Ausgleich zwischen Selbstbestim­mung und notwendigem Schutz zu finden. Man muss sich die Sache immer genau an­schauen, und dazu braucht man Personal. Ich glaube, dass das im Sinne der Men­schen, die das brauchen, gut investiertes Geld gewesen wäre oder gut investiertes Geld wäre; es ist ja nicht aller Tage Abend, es sind ja fünf Jahre Zeit. Ich glaube, dass man die Justiz auf jeden Fall besser ausstatten muss. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

18.46


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Mahrer ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


18.46.30

Abgeordneter Karl Mahrer, BA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Das von allen im Parlament vertretenen Parteien gemeinsam beschlossene Erwachsenenschutz-Gesetz – und das ist auch ein besonderer Beitrag zur Harmonie – ist mit 1.7.2018, also vor wenigen Tagen, in Kraft getreten. Es hat damit einen Paradigmenwechsel gegeben, einen Para­digmenwechsel im Umgang mit Menschen, die nicht zur Gänze oder gar nicht fähig sind, für sich selbst zu entscheiden.

Die wesentlichen Grundsätze dieses Gesetzes möchte ich in Erinnerung rufen, weil es ganz neu in Kraft getreten ist: Wir gehen den Weg von der vielfach erlebten Entmün­digung von Menschen hin zur Unterstützung in einem weitgehend selbstbestimmten Leben. Wir schreiben Autonomie, Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit in die­ses Gesetz, und wir werden auch bei der Umsetzung dafür sorgen, dass der betroffene Mensch im Mittelpunkt steht. Die Entscheidungsfähigkeit der Betroffenen wird wesent­lich gestärkt. Das, meine Damen und Herren, ein einvernehmlich gefasster Gesetzes­beschluss, ist, glaube ich, der richtige Weg, um den Betroffenen ein Leben in Men­schen­würde zu ermöglichen.

All dies und auch eine die Menschenwürde achtende Umsetzung sind besonders wich­tig für ältere Menschen, die – viele von Ihnen wissen es – mir besonders am Herzen liegen. Gemeinsam mit Ingrid Korosec, der Präsidentin des Österreichischen Senioren-


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bundes und heuer auch Präsidentin des Seniorenrates, und den anderen Vertretern des Seniorenbundes möchte ich in Begleitung der Umsetzung ganz besonders darauf achten, dass die Bedürfnisse der älteren Menschen besonders berücksichtigt werden.

Mit dem heute zur Beschlussfassung vorliegenden Erwachsenenschutz-Anpassungs­ge­setz werden wichtige Präzisierungen vorgenommen. Ich möchte nur einige ganz wenige nennen, die für die Betroffenen besonders wichtig sind. Dazu gehört die Prä­zi­sierung der Rechnungslegung. Künftig sollen nächste Angehörige und Erwachsenen­schutzvereine von einer laufenden Rechnungslegung explizit befreit sein und nur bei Vorliegen besonderer Gründe vom Gericht dazu verpflichtet werden können. Der Staat verzichtet somit auf überschießende Kontrolle und das Eingreifen in funktionierende Fa­miliensysteme. Das ist für die Betroffenen eine ganz wichtige und notwendige Ent­scheidung.

Wichtig ist aber auch die Klarstellung in Bezug auf die Datenverarbeitung. Erwachse­nenschutzvereine werden künftig ermächtigt, die Datenverarbeitung im Rahmen ihrer gesetzlich übertragenen Aufgaben vorzunehmen, und die ursprünglich vorgesehene Zehn-Jahre-Löschungsfrist wird gestrichen. Damit wird es den Vereinen möglich gemacht, der Verpflichtung zur Aufbewahrung von Rechnungsbelegen und damit auch der Schaffung möglicher Schadenersatzanspruch-Abwehrmöglichkeiten nachzu­kom­men.

Ein weiteres deutliches Zeichen dafür, dass im neuen Erwachsenenschutz Autonomie und Selbstbestimmung so weit wie möglich erhalten bleiben sollen, ist die neue Hand­habe bei Eintragungen ins Grund- und Firmenbuch. Bis dato, meine Damen und Herren, war jede Sachwalterschaft dort vermerkt, weil die Sachwalterschaft automa­tisch zum Verlust der Geschäftsfähigkeit der vertretenen Person geführt hat. Der neue Erwachsenenschutz kennt diesen automatischen Verlust der Geschäftsfähigkeit nicht mehr. Daher führt nur noch die gerichtliche Anordnung eines Genehmigungsvorbehalts künftig zu einer Eintragung ins Grund- und Firmenbuch. Ich denke, das ist im Sinne der Betroffenen – und sie sollen ja im Mittelpunkt stehen – gut, richtig und auch notwendig.

Ganz generell und abschließend möchte ich feststellen, dass es uns allen, so denke ich, ein besonderes Anliegen sein sollte, bei der Umsetzung der neuen gesetzlichen Be­stimmungen vor allem auch den Erwachsenenschutzvereinen den Rücken zu stärken, denn sie werden einen ganz wesentlichen Beitrag für das Gelingen dieses neuen und umfangreichen Gesetzes leisten.

Je mehr bürokratische Hürden abgebaut werden können, desto schneller kommen wir zu unserem – und ich hoffe, das gilt für uns alle – gemeinsamen Ziel: so viel Selbst­bestimmung wie möglich und so viel Unterstützung wie nötig. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Becher ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


18.51.49

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gegenständlichen Anpassungen tragen sowohl dem demografischen Wandel als auch dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung; dem demografischen Wandel insofern, als die Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit an Bedeutung gewonnen haben. Immer mehr Menschen erfreuen sich einer höheren Le­bens­erwartung und können auch im höheren Alter durch diverse Dienste außerhalb von Pflegeeinrichtungen leben.

Der gesellschaftliche Wandel hat dazu geführt, dass Menschen mit psychischen Ein­schränkungen auch ein aktives Leben führen, Mut dazu haben, und es gibt auch dahin


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gehend Erfolge zu verzeichnen, dass die Stigmatisierungen dieser Menschen abge­baut werden. Diesbezüglich hat auch die Stadt Wien gute Akzente gesetzt, zum Bei­spiel mit dem Tag der seelischen Gesundheit, der zuletzt im Oktober des Vorjahres ver­anstaltet wurde.

Ein paar Zahlen, um nur die Dimension davon zu zeigen, wie viele Menschen betroffen sind: Es sind circa 50 Millionen Menschen weltweit an Demenz erkrankt. Die Betrof­fenen verheimlichen sehr oft die ersten Anzeichen, gehen zu spät zum Arzt, sodass eine frühzeitige Behandlung oft nicht möglich ist; daher sind auch die Behandlungs­erfol­ge nicht so, wie man sich das wünschen würde. Etwa jeder dritte Mensch in Österreich hat in seinem Leben schon einmal eine psychische Erkrankung gehabt. Etwa eine Million Menschen in Österreich sind Analysen zufolge schon einmal wegen psychischer Erkrankungen in ärztlicher Behandlung gewesen.

Das heißt, die Dunkelziffer ist noch weit höher, weil man davon ausgeht, dass sehr viele Menschen sich davor scheuen, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Bei einem Drittel der Betroffenen wird die Erkrankung wahrscheinlich gar nicht diagnostiziert. Wir wissen, dass nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Angehörigen bei solchen Erkrankungen sehr großes Leid erleben.

Der heutige Beschluss betrifft ein Bündel an Maßnahmen, die diesem neuen Erwach­senenschutz-Gesetz Rechnung tragen. Es handelt sich dabei um eine Vereinheit­lichung von Rechtsmaterien hinsichtlich dieser neuen Formulierungen – es ist schon gesagt worden – betreffend Schutzberechtigte, gesetzliche und gerichtliche Erwachse­nenvertreter. Diese Formulierungen und diese Anpassungen sind natürlich zeitgemäß und entsprechen dem Geist dieses neuen Gesetzes. Dieses Gesetz wird die Men­schen nicht unter Kuratel stellen, sondern es soll den Menschen in bestimmten Lebens­phasen unter die Arme greifen, ohne ihre Freiheit im Einzelnen über die Maßen zu beschnei­den. Das Herzstück dieses Gesetzes zur Erreichung dieses Ziels ist die Clearingstelle, die beurteilt, in welchem Umfang die Menschen Unterstützung brauchen; das ist jetzt auch abgestuft möglich.

Es ist sehr erfreulich, dass diese Rechtsmaterie hier so konsensual behandelt und ein breiter gesellschaftlicher Konsens geschaffen wird. Das ist auch ein wichtiges Signal an die Gesellschaft, an die Betroffenen und an die Angehörigen. Meine Fraktion wird diesem Gesetzentwurf auch zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Prinz.)

18.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf den Herrn Bundesminister um seinen Redebeitrag ersuchen. – Bitte.


18.55.25

Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz Dr. Josef Moser: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte mich bei allen dafür be­danken, dass sie diesem Gesetz ihre Zustimmung geben werden, und möchte darauf hinweisen, dass gerade dieses Gesetz – das ist in den Debatten immer wieder erwähnt worden – in Richtung Autonomie und Selbstbestimmung geht, gleichzeitig – Sie haben es angesprochen – Entscheidungshilfe und Schutz für die Betroffenen bietet. Zugleich handelt es sich dabei – auch das wurde angesprochen – um einen Paradigmenwech­sel, einen Paradigmenwechsel weg von der Entmündigung hin zur Selbstbestimmung.

Wie wir aber wissen, tritt ein Paradigmenwechsel nicht dadurch ein, dass ein Gesetz es vorschreibt, sondern es bedarf einer Haltungsänderung. Es bedarf in dem Zusam­menhang, dass man Menschen mit Handicaps eben Hilfestellung gibt, wenn es um den


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Abschluss von Verträgen geht, wenn sie medizinisch zu behandeln sind oder sonstige Maßnahmen im Rechtsverkehr setzen müssen.

In diesem Zusammenhang war ein Anstoßen notwendig. Dieses Anstoßen wurde auch durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses gerade in den letzten Wochen und Monaten massiv betrieben. Zum einen möchte ich darauf hinweisen, dass die Mit­arbeiterInnen durchs Land gereist sind und Hunderte Veranstaltungen absolviert haben, bei denen sie österreichweit Richterinnen und Richter, Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter, Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, Rechtsanwältinnen und Rechts­anwälte, Angehörige von Menschen mit psychischen Krankheiten oder Behinderungen beziehungsweise Heimmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, Ärztinnen und Ärzte und gleichzeitig auch Landesbedienstete geschult haben.

Darüber hinaus möchte ich darauf hinweisen, dass auch die Sachwaltervereine – es ist angesprochen worden –, die in Zukunft Erwachsenenschutzvereine heißen werden, sich personell neu aufstellen mussten. Auch sie mussten dementsprechend Investitio­nen vornehmen. Nicht zuletzt mussten sie die alten und die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem neuen Recht vertraut machen und auch für die neuen Aufgaben schulen.

Es wurden diesbezüglich auch von meinem Haus fünf Broschüren in unterschiedlicher Länge erstellt. Es wurden in diesem Bereich drei sogenannte Konsenspapiere gemein­sam mit Vertreterinnen und Vertretern der Banken, der Heime, der Gesundheitsberufe und der Krankenanstaltenträger erarbeitet, um das Gesetz für die Berufsgruppen ver­ständlich und zugänglicher zu machen. Nicht zuletzt wurden auch von meinem Haus 80 Formulare überarbeitet beziehungsweise neu erstellt.

Außerdem wurde auch die gesamte Rechtsordnung daraufhin untersucht, wo das neue Erwachsenenschutz-Gesetz Änderungen nahelegt. Wir haben das Bundesrecht dahin gehend durchforstet und Änderungsbedarf bei über hundert Gesetzen festgestellt. Die Änderungsvorschläge, die andere Ressorts betreffen, haben wir natürlich den Ressorts übermittelt, damit sie auch die dementsprechenden weiteren Maßnahmen setzen.

Die Änderungsvorschläge, die mein Ressort betreffen, fließen nunmehr in die Regie­rungsvorlage, die Ihnen heute vorliegt, ein. Dieses Anpassungsgesetz Justiz stellt, wie gesagt, nunmehr den Endpunkt der Umsetzung des Erwachsenenschutz-Gesetzes dar. Sie finden darin, und auch das wurde schon angesprochen, terminologische Berei­nigungen. Der Begriff Sachwalter war in der Regel durch jenen des gesetzlichen Ver­treters zu ersetzen, weil meist nicht bloß der gerichtliche Erwachsenenvertreter ge­meint sein soll, sondern natürlich auch der Vorsorgebevollmächtigte und der gewählte und der gesetzliche Erwachsenenvertreter.

Den Ausdruck Eigenberechtigung wird es in Hinkunft auch nicht mehr geben, weil es eben keinen automatischen Ausschluss der Handlungsfähigkeit durch die Bestellung eines Vertreters mehr gibt. Wir haben an dieser Stelle in der Regel an das Vorliegen der Entscheidungsfähigkeit angeknüpft.

Zum anderen hat es sich auch gezeigt – auch das wurde im Rahmen der Debatte bereits angesprochen –, dass die neuen Regelungen im Erwachsenenschutzrecht zur Vermögensverwaltung durch Erwachsenenvertreter Klarstellungen im Vermögens­verwal­tungsrecht Minderjähriger erforderlich gemacht haben. Weiterhin sollen daher so, wie es in der Vergangenheit auch der Fall war, Eltern und Kinder- und Jugend­hil­feträger nicht stets über das Vermögen des Kindes dem Gericht Rechnung legen müs­sen, sondern nur dann, wenn das Gericht eine dementsprechende Vorlage anord­net.

Das Erwachsenenschutz-Gesetz, das hat die Debatte auch gezeigt, geht uns sicherlich alle an, und ich möchte daher an dieser Stelle alle ermuntern, sich darauf einzulassen,


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Menschen, die sich in dem Zusammenhang im Rechtsleben nicht mehr leichttun, etwas Zeit für ihre Entscheidungen zu geben, sie dabei zu unterstützen, die Dinge zu ver­stehen, und ihnen so dazu zu verhelfen, dass sie doch noch eigene Entscheidungen treffen können.

Zum Schluss kann man nur darauf hinweisen: Stellen wir uns selbst vor, was wir uns wünschen würden, wenn wir in diese Situation kommen würden, und behandeln wir dementsprechend auch unser Gegenüber!

Die Debatte heute hat gezeigt, dass wir alle in diese Richtung gehen wollen. – Herz­lichen Dank dafür. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der Abg. Griss.)

19.00

19.00.13


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 195 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. Bewegung tut gut. – Danke, das ist einstimmig.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

19.00.4514. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (185 d.B.): Bundes­gesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geändert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2018 – UrhG-Nov 2018) (222 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Steinacker. – Bitte.


19.01.08

Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Vor allem geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Wir arbeiten hier im Hohen Haus als Ihre Repräsentanten, um in unserer Verantwortung gute Gesetze für Sie zu machen. Natürlich findet ein Großteil unserer Arbeit in den Ausschüssen statt. Da werden Sie über die Berichterstattung informiert, und an öffentlichen Sitzungsteilen können Sie auch persönlich teilnehmen.

Es ist uns aber wichtig, dass wir hier bei den Diskussionen im Plenum Inhalte, Sicht­weisen, unsere Meinung und die Gründe, warum wir diese Gesetze so für Sie gestaltet haben, darlegen können – bei all den verschiedenen Zielrichtungen, bei all den ver­schiedenen Beweggründen, die dahinterstehen. Es ist uns also wichtig, dass wir Sie informiert halten, und nach der einstimmigen Beschlussfassung im Justizausschuss, mit der wir eine Änderung des Urheberrechtsgesetzes vornehmen, ist es nunmehr möglich, Ihnen zukünftig die Plenarsitzungen über Video-on-Demand langfristig zur Verfü­gung zu stellen.

Warum war das notwendig? – Die Zulässigkeit der Nutzung war aus urheberrechtlichen Gründen nur für die Berichterstattung und nicht zu Informationszwecken möglich, was aber die Voraussetzung dafür ist, dass man die Debattenbeiträge langfristig über die


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Videoplattform abrufen kann. Das heißt, sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger, wir freuen uns, wenn Sie live bei unseren Sitzungen dabei sind, Sie können aber in Zukunft auch weit über sieben Tage hinaus, sozusagen eine digitale Ewigkeit, unsere Plenardebatten anhören. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Kern.)

Dafür bedanke ich mich sehr, nicht nur für die Einstimmigkeit, sondern vor allem bei unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern für das Interesse an unseren Debatten, denn von ihrer Meinungsbildung lebt die Vielfalt in unserer Demokratie.

Der zweite Kernpunkt dieser Novelle ist die Umsetzung des Vertrags von Marrakesch, der einen erleichterten Zugang zu veröffentlichten Werken für blinde, sehbehinderte oder anderweitig lesebehinderte Personen schafft. Wir erleichtern für diese Menschen, die es im Leben wahrlich schon schwer genug haben, den barrierefreien Zugang zu Büchern, Zeitungen und anderem gedruckten Material in einem barrierefreien Format, zum Beispiel in Brailleschrift oder als Hörbücher.

Das Besondere daran ist: Wenn sich ein seh- oder lesebehinderter Mensch privat eine Kopie macht, dann ist das kostenlos; wenn sogenannte befugte Stellen, also NGOs, Behindertenvereine oder Bibliotheken, diese Werke herstellen, dann können die Verwertungsgesellschaften von diesen eventuell einen Beitrag verlangen, aber darüber hinaus nicht. Wir stellen daher einerseits sicher, dass diese Kopien ohne Zustimmung des Urhebers gemacht werden können, und andererseits, in einem weiteren Para­grafen, dass der Austausch dieser gezogenen Kopien auch grenzüberschreitend durch­geführt werden kann. Ich finde das sehr vernünftig, ich finde das sehr gelungen.

Alle Parteien unseres Hauses haben dieser Vorlage zugestimmt. Im Sinne dessen, was ich am Anfang gesagt habe, ist es ein gutes Gesetz für die Menschen in unserem Land. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Troch. – Bitte.


19.04.33

Abgeordneter Dr. Harald Troch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Novelle des Urheberrechtsgesetzes bringt vor allem für Menschen, die blind sind, für Menschen mit Seh- und Lesebehinderungen wesentliche Verbesserun­gen. Wie bekannt ist, vollziehen wir hier eine Richtlinie der Europäischen Union. Euro­paweit wird es eine einheitliche Regelung zur Werknutzung für Menschen mit Seh­behinderungen geben.

Mit dem Vertrag von Marrakesch bekennen sich alle Länder der Europäischen Union zur Barrierefreiheit für blinde Menschen, für Menschen mit Einschränkungen beim Lesen und beim Sehen. Österreich hat diesen Vertrag im Wesentlichen schon vollzo­gen, es geht nun um die exakte Übertragung der EU-Richtlinie in österreichisches Recht.

Was die Medien betrifft, so geht es dabei um Bücher, um Magazine, um Zeitschriften, um Zeitungen, sogar um Notenblätter – das ist beispielsweise für das Musikland Öster­reich, denke ich, spannend und richtig – und natürlich auch um Hörbücher. Es geht dabei um die Übertragung dieser Medien in ein barrierefreies Format, und es geht vor allem auch – was für Menschen mit Einschränkungen wichtig ist – um die gemein­nützige, nicht gewinnorientierte Verbreitung zugunsten von blinden Menschen.

Blinde Menschen haben auch Menschenrechte; ich denke, dass es gerade in Zeiten wie diesen tatsächlich wieder aktuell ist, das zu sagen. Menschen mit Behinderung ver-


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dienen mehr Aufmerksamkeit, verdienen auch mehr Chancengleichheit, und ich denke, während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft sollte die Regierung höchste Aufmerksamkeit auf den europäischen Accessibility Act legen, der als Richtlinie ge­währ­leisten soll, dass Menschen mit Behinderungen einen guten Zugang und Barriere­freiheit in Bezug auf wirtschaftliche Produkte und Dienstleistungen haben.

Die SPÖ wird der Regierung dabei genau auf die Finger schauen müssen, denn in Zeiten wie diesen, in denen meiner Meinung nach die soziale Sicherheit wieder aus dem Lot geraten wird, muss man darauf schauen, dass gerade Behinderte nicht unter die Räder kommen. Das Ende der Aktion 20 000 bedeutet ja nicht nur für 20 000 ältere Arbeitnehmer schwierige Bedingungen, sondern gerade auch für ältere Arbeitnehmer mit Behinderungen schwierigere Bedingungen am Arbeitsmarkt; und das neue Arbeits­zeitgesetz mit dem 12-stündigen Arbeitstag und mit der 60-Stunden-Woche wird ge­rade auch für Menschen mit Behinderungen die Situation am Arbeitsmarkt nicht leich­ter machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Situation von Menschen, die es quasi von Natur aus schwerer am Arbeitsmarkt haben, sieht ja nicht nur die SPÖ kritisch; das sieht auch die Österreichische Bischofskonferenz so, das sieht der Österreichische Gewerkschaftsbund so, und das sehen die Sozialmediziner so. Daher braucht es eine ganz klare Kontrolle dieser Bundesregierung, die meines Erachtens eine Tendenz aufweist, die ins Unsoziale geht. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Harald Stefan ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


19.08.08

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Ja, Herr Kollege Troch, Sie haben versucht, da irgendwie die Kurve zu kratzen, bei einer Materie, der alle zustimmen. Alle sind der Meinung, dass es sinnvoll ist, das Urheberrechtsgesetz so zu ändern, dass Menschen mit Sehbehin­derung leichter Zugang zu Werken haben. Da sind wir alle einig, dass das richtig ist, das ist eine Novelle, die umgesetzt wird. Und da jetzt die soziale Kälte oder ein Problem herbeizureden, zu sagen, dass Behinderte jetzt besonders beachtet werden müssen – ja, das tun wir ja!

Dieses Gesetz ist ja auch ein Zeichen dafür, dass wir das Richtige tun; auch in un­serem Regierungsprogramm ist das eindeutig festgehalten, und es gibt überhaupt kei­nerlei Anzeichen dafür, dass behinderte Menschen jetzt in irgendeiner Form schlechter behandelt werden als früher. Wir haben auch einen Minister, dem Behinderte selbst ja ein sehr großes Anliegen sind, unseren Minister Hofer. Also das ist wirklich sehr weit hergeholt, und ich finde es auch nicht in Ordnung, Herr Kollege Troch, dass Sie jetzt hier im Zusammenhang mit blinden Menschen plötzlich die soziale Kälte und Gewerk­schaftsthemen so groß hervorheben. Das passt einfach nicht, das passt eigentlich auch nicht zu Ihnen und Ihrer sonstigen Vorgangsweise. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Krist.)

Wahrscheinlich ist es aber derzeit so vorgegeben, bei jeder Rede irgendwie künstlich zum Thema Arbeitszeitflexibilisierung zu kommen; anders kann ich mir das nicht erklären.

Hier jedenfalls liegt eine sinnvolle Umsetzung einer Novelle einerseits vor, und ande­rerseits wird bei dieser Gelegenheit eben auch ermöglicht, dass Parlamentsreden nicht nur live oder sieben Tage lang angesehen werden können, sondern auf Dauer. Also


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insgesamt ist das eine sehr erfreuliche Änderung, und ich weiß, Sie stimmen eh zu, es war ja nur ein Versuch. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Scherak. – Bitte.


19.10.07

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Wir haben schon gehört, der Novelle des Urheberrechtsgesetzes kann man im Grunde genommen nur zustimmen, weil es darum geht, dass sehbehinderte und blinde Menschen mehr Möglichkeiten haben sollen, barrierefreie Formate in Anspruch zu neh­men. Dementsprechend bin ich froh, dass das Thema hier weitgehend unstrittig ist.

Wenn wir aber über Urheberrecht reden, dürfen wir auch nicht außer Acht lassen, dass es innerhalb der Europäischen Union momentan eine Situation gibt, die alles andere als unstrittig ist. Es wird morgen im Europäischen Parlament unter anderem über das Verhandlungsmandat im Zusammenhang mit einem Vorschlag für eine Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt abgestimmt.

Im Zusammenhang mit dieser vorgeschlagenen Richtlinie gibt es einen ganz beson­ders umstrittenen Artikel, nämlich Artikel 13, der regelt, dass in Zukunft BetreiberInnen von Onlineplattformen einerseits unmittelbar für Urheberrechtsverletzungen von ande­ren Leuten, die diese Onlineplattformen verwenden, verantwortlich sind, und der sie darüber hinaus dazu verpflichten soll, mit einer Inhaltserkennungssoftware und soge­nannten Uploadfiltern Inhalte, bereits bevor sie bei dieser Onlineplattform hochgeladen werden, entsprechend auf vermeintliche Urheberrechtsverletzungen zu überprüfen.

Das ist an und für sich eine Maßnahme aus längst vergangener Zeit, von der ich ge­hofft habe, dass wir sie hinter uns haben. Das ist eine Maßnahme, die die Mei­nungsfreiheit und die Informationsfreiheit massiv einschränken würde. Man kann es nicht anders nennen: Es ist schlichtweg Zensur, was hier auf europäischer Ebene diskutiert wird. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Das Problem ist, dass einerseits gar nicht klar ist, ob das technisch irgendwie möglich ist, und dass andererseits nicht klar ist, was hochzuladen denn überhaupt erlaubt sein sollte und was nicht. Daher stehen die Betreiber von Onlineplattformen vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Was mit einer solchen Regelung geschaffen wird, ist eine umfassende Zensurinfrastruktur, und wir wissen noch gar nicht – das ist ja wie immer das Problem –, wofür das in Zukunft unter Umständen verwendet wird.

Was zusätzlich kommen soll und diskutiert wurde, ist das sehr umstrittene Leistungs­schutzrecht, mit dem das Zitieren und Verlinken von Artikeln quasi kostenpflichtig wer­den soll. Es geht darum, dass Onlinedienste die Vorschautexte, die Sie alle kennen, nicht mehr kostenlos zur Verfügung stellen sollen, sondern dafür Lizenzverträge ab­schließen sollen.

Das ist meiner Meinung nach aus zwei Gründen problematisch: Erstens wissen wir aus der Praxis, dass es dort, wo es schon so war, nämlich in Deutschland und in Spanien, genau nichts gebracht hat. In Deutschland ist es so, dass es Google mit seiner Marktmacht immer noch schafft, dass sie weiterhin die Einzigen sind, die das gratis zur Verfügung stellen können. In Spanien hat es dazu geführt, dass Google einfach Google News abgestellt hat. Das heißt, die Maßnahme war nicht nur nicht sinnvoll, sondern sie hat eigentlich dazu geführt, dass insbesondere kleine und unabhängige Medien massiv beeinträchtigt werden. Das schränkt natürlich nachhaltig auch die Medienvielfalt ein, und das sollte auf keinen Fall geschehen.


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Wieso ist das jetzt gerade so wichtig? – Morgen ist die Abstimmung im Europäischen Parlament, bei der es eben um das Verhandlungsmandat des Europäischen Parla­ments mit dem Rat geht. Da Österreich ja jetzt die Ratspräsidentschaft innehat und Sie in diese Trilogverhandlungen gehen werden, ist es besonders wichtig, dass wir dazu eine klare Meinung haben.

Wenn man sich dann einen Brief unseres Kulturministers durchliest, der an die Abge­ordneten des Europäischen Parlaments schreibt und darum bittet, dass wir gemeinsam die historischen Grundsätze, die Achtung der geistigen Schöpfung und ihrer Schöpfer, die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger am geistigen Schaffen hochhalten sollten, und dann meint, dass dieses Leistungsschutzrecht und diese Uploadfilter de facto ein wichtiger und wesentlicher Schritt für Europa sind, dann sage ich Ihnen: Dieser wichtige Schritt, von dem Kulturminister Blümel spricht, bedeutet umfassende Zensur­maßnahmen, und wenn er so etwas in irgendeiner Art und Weise einfordert und auf europäischer Ebene durchzusetzen versucht, dann ist Minister Blümel nichts anderes als ein Zensurminister. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

Deshalb ist dieses Thema so wichtig. Ich bringe dazu auch noch einen Ent­schließungs­antrag ein, der insbesondere an die Abgeordneten der FPÖ gerichtet ist – bei der ÖVP habe ich da keine Hoffnung –, weil es nämlich Ihr Generalsekretär Harald Vilimsky ist, der im Europäischen Parlament zu Recht seit Ewigkeiten gegen diese Uploadfilter kämpft; dementsprechend hoffe ich, dass Sie dem auch zustimmen werden.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit im Internet“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen der anstehenden interinstitu­tionellen Verhandlungen über die Europäische Urheberrechtsreform klar für die Mei­nungs-, Informations- und Pressefreiheit auszusprechen, sowie sich gegen die Einfüh­rung des unverhältnismäßigen Zensur-Instruments der Upload-Filter und gegen die Einführung des Leistungsschutzrechts einzusetzen; zudem sowohl auf innerstaatlicher als auch auf europäischer Ebene alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit im Internet zu schützen.“

******

Meine Damen und Herren insbesondere von der FPÖ, stimmen Sie dem zu, setzen Sie sich für Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit ein und zeigen Sie dem Zensur­minister Blümel, der auf europäischer Ebene offensichtlich dagegen vorgeht, hiermit seine Grenzen auf! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

19.15

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Nikolaus Scherak, Claudia Gamon, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit im Internet


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 204

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (185 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Urheberrechtsgesetz geän­dert wird (Urheberrechtsgesetz-Novelle 2018 - UrhG-Nov 2018) (222 d.B.) – TOP 14

Aktuell wird auf EU-Ebene der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parla­ments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (2016/0280 (COD)) diskutiert. Artikel 13 des Entwurfs sieht vor, dass Betreiber_innen von Online-Plattformen unmittelbar für Urheberrechtsverletzungen durch ihre Nutzer_innen verant­wortlich gemacht werden sollen und gemäß Absatz 4 nur dann von der Haftung befreit wären, wenn sie beweisen, dass sie "bestmögliche Anstrengungen" unternommen haben, um urheberrechtlich geschütztes Material nicht zugänglich zu machen. Dem Vor­schlag zufolge sollen also Plattformbetreiber_innen dazu verpflichtet werden, durch „wirksame Inhaltserkennungstechniken“ oder sogenannte „Upload-Filter“ Inhalte bereits vor ihrer Veröffentlichung auf eine vermeintliche Urheberrechtsverletzung hin zu überprüfen.

Am 25. Mai 2018 hat sich der Rat der Europäischen Union für die Einführung von Upload-Filtern ausgesprochen und damit die Verhandlungsbasis für die künftigen interinstitutionellen Verhandlungen über die Reform des EU-Urheberrechts zwischen Vertreter_innen des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und des Rates der Europäischen Union dargelegt. Am 20. Juni 2018 hat zudem der Rechtsaus­schuss des Europäischen Parlaments für die umstrittene EU-Urheberrechtsreform gestimmt und die interinstitutionellen Verhandlungen mit den anderen Legislativ­orga­nen der EU eröffnet. Dabei kommt der österreichischen Bundesregierung mit Über­nahme des Ratsvorsitzes durch Österreich am 1.Juli 2018 eine besondere Rolle zu.

Dieser Richtlinien-Vorschlag ist jedoch aus grundrechtlicher Sicht höchst proble­ma­tisch. Ein automatisiertes Filtern von Nutzerinhalten vor Veröffentlichung auf Online-Plattformen kommt einer Zensur gleich und greift unverhältnismäßig in die Meinungs- und Informationsfreiheit der Bürger_innen ein, welche durch Artikel 13 Staats­grund­gesetz, Artikel 10 Europäische Menschenrechtskonvention und Artikel 11 EU-Grund­rechte­charta garantiert werden.

Problematisch ist außerdem, dass es bislang keine technische Lösung gibt, die es ermöglicht, urheberrechtlich geschützte und nicht geschützte Inhalte automatisiert zu unter­scheiden, wodurch es zur Blockierung und Löschung legaler Inhalte kommt (etwa bei Satire oder Zitaten). Erschwerend kommt hinzu, dass den Anbieter_innen die Infor­mationen zur Beurteilung der Frage, ob das hochgeladene Material urheberrechtlich geschützt ist oder nicht, fehlen. Dies hat zur Konsequenz, dass Plattformen aus Angst vor Unterlassungsansprüchen im Zweifel mehr Inhalte blockieren werden, als sie tatsächlich müssten. Die Einführung von Upload-Filtern und der damit einhergehende Aufbau einer nur schwer kontrollierbaren Zensur-Infrastruktur birgt darüber hinaus die Gefahr, dass diese Instrumente in weiterer Folge für die Blockierung anderer Inhalte angewendet oder für eigene Zwecke der Anbieter_innen genutzt werden. Die Imple­mentierung von Upload-Filtern würde eine automatisierte Zensur im Internet und eine unverhältnismäßige Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit im digitalen Raum bedeuten.

Ein weiterer problematischer Aspekt der im Richtlinien-Vorschlag über das Urheber­recht im digitalen Binnenmarkt enthalten ist, ist das neue europäische Leistungs­schutz­recht für Presseverleger (siehe Artikel 11 des Entwurfs). Dadurch soll das Zitieren und Verlinken von Artikeln im Internet erschwert werden. Konkret sieht das Leistungs­schutz­recht vor, dass Suchmaschinenanbieter und ähnliche Dienste, wie etwa Google News oder Facebook, Titel und kurze Vorschautexte nicht mehr kostenlos anzeigen dürfen. Onlinedienste sollen in Zukunft Lizenzverträge mit den Verlagen abschließen, wenn sie deren Inhalte, so z.B. Auszüge von Nachrichtenseiten, anzeigen wollen.


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Ähnliche Regelungen bestehen bereits seit 2013 in Deutschland und seit 2015 in Spanien. Doch in beiden Ländern sind nicht die erhofften Ergebnisse eingetreten. Im Gegenteil: Marktführer Google zahlt nicht mehr Geld an die Verlage, denn in Deutschland räumten viele große Verlagshäuser Google eine Ausnahme ein und stellen ihre Inhalte kostenlos zur Verfügung, da sie sonst aus Google News entfernt worden wären. In Spanien stellte Google seinen Newsdienst hingegen gleich komplett ein. Dies hatte in beiden Ländern die Schwächung von kleineren und unabhängigen Medien zur Folge und führte zu einer Einschränkung der Medienvielfalt. Die Einführung des Leistungsschutzrechts ist daher aus grundrechtlicher und demokratiepolitischer Sicht abzulehnen, da sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Meinungs- und Pres­sefreiheit im digitalen Raum bedeuten würde.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen der anstehenden inter­institu­tionellen Verhandlungen über die Europäische Urheberrechtsreform klar für die Mei­nungs-, Informations- und Pressefreiheit auszusprechen, sowie sich gegen die Einführung des unverhältnismäßigen Zensur-Instruments der Upload-Filter und gegen die Einführung des Leistungsschutzrechts einzusetzen; zudem sowohl auf innerstaatlicher als auch auf europäischer Ebene alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit im Internet zu schützen.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.


19.15.23

Abgeordnete Petra Bayr, MA MLS (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass diese Novelle des Urheberrechtsgesetzes eine gute Sache ist, ist schon von allen Vorrednern und Vorrednerinnen gesagt worden. Das Zugänglichmachen von Werken, die freie Werknutzung zugunsten von Menschen mit Behinderungen, speziell von solchen, die eine Sehbehinderung haben, ist gut und wichtig und ist auch im Sinne eines gleichen Zugangs zu Information für alle Menschen sehr zu begrüßen.

Ich möchte darauf eingehen, dass es hinsichtlich der Frage von Inklusion von Men­schen mit Behinderung aber auch noch eine zweite Seite der Medaille gibt, die man auch nicht außer Acht lassen soll, nämlich die Frage, wie denn Menschen mit Behin­derung in den Medien, die sie jetzt auch leichter konsumieren können, selbst aktiv vor­kommen. Da zeigt sich, dass wir noch sehr, sehr viel zu tun haben, damit Menschen mit Sinnesbehinderungen beispielsweise als AutorInnen, als DarstellerInnen, als Hel­dInnen, als WerbedarstellerInnen, einfach als jemand in einer aktiven Rolle ganz nor­mal vorkommen, so wie auch Menschen ohne Behinderung ganz normal in diesen Rollen vorkommen. Das wäre ein wichtiger Schritt, den wir noch zu gehen haben.

Lesen ist eine der ältesten Kulturtechniken auf dieser Welt. Es ermöglicht Bildung, Unterhaltung und Information, aber auch Teilhabe und Reflexion des eigenen Tuns und Denkens. Es ist schön, dass wir schon so viele technische Möglichkeiten haben, dass mehr oder weniger alle Medien schon barrierefrei sind, sofern die Menschen – was


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wiederum auch aufgrund sozialer Unterschiede nicht immer so ist – den Zugang zu diesen Techniken haben, worauf wir natürlich auch achten müssen.

Da wir beim Thema Inklusion von Menschen mit Behinderungen sind, noch ein ganz anderer Gedanke: Ich finde es sehr fein, dass man auf Ebene des Europarates gerade beginnt, darüber nachzudenken, wie die Gebärdensprache, die gehörlose Menschen verwenden, im gesamten, großen Raum, den der Europarat abdeckt, künftig als amtlich anerkannte Sprache etabliert werden kann. Ich glaube, das ist sehr wichtig, weil wir die Kompetenzen und die Fähigkeiten aller Menschen brauchen, um als Ge­sellschaft weiterzukommen.

Wir können und sollen jene Menschen nicht ausschließen, die zufällig anders kom­munizieren als die große Mehrheit. In diesem Sinn ist auch diese Novelle sehr zu begrüßen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)

19.17

19.17.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Somit gelangen wir zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 185 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich darf die Damen und Herren auch in dritter Lesung um ein Zeichen der Zustimmung ersuchen. – Das ist ebenfalls einstimmig und somit auch in dritter Lesung ange­nom­men.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Dr. Scherak, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit im Internet“.

Ich bitte die Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Strolz in Richtung FPÖ : Der Vilimsky ist dafür! Was ist mit euch? Ruf bei den NEOS: Euer Generalsekretär!) – Das ist die Minderheit, der Antrag ist abgelehnt.

19.18.4715. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Österreichischer Hochschulraum - Reihe BUND 2017/54 (III-56/212 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich darf gleich als ersten Redner Herrn Abgeordneten Marchetti ans Rednerpult bitten.


19.19.18

Abgeordneter Nico Marchetti (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Dieser Rechnungshofbericht behandelt den öster­reichi­­schen Hochschulraum, der Betrachtungszeitraum war 2010 bis 2015. Seitdem sind drei


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Jahre vergangen, und ich möchte darauf hinweisen, dass viele der Erkenntnisse, die in diesem Rechnungshofbericht angeführt sind, mittlerweile auch schon Berücksichtigung in der Arbeit dieser Bundesregierung gefunden haben.

Beispielsweise hat der Rechnungshof festgestellt, dass der Anteil der Mittel, die über spezifische Indikatoren vergeben werden sollen, gesteigert werden soll. Das haben wir mit der Unifinanzierung Neu auf die Reihe gebracht, und zwar wird die Finanzierung jetzt in drei Säulen stattfinden: Die eine Säule ist die Lehre, da geht es darum, wie viele Abschlüsse es tatsächlich gibt, und da gibt es dann auch mehr Geld. Die zweite Säule ist die Forschung, da ist die Forschungsleistung ein wichtiger Indikator dafür, wie viele Mittel eine Universität bekommt. Die dritte Säule ist die Infrastruktur. Das heißt, bei diesem Themenbereich haben wir schon etwas weitergebracht. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Im Rechnungshofbericht wurde auch kritisiert, dass wir noch nicht bei dem angepeilten Unibudget von 2 Prozent sind. Auch da haben wir etwas getan, und zwar die Uni­finan­zierung gesteigert. Jetzt gibt es mehr Budget für die Universitäten, es wurde um 19 Prozent gesteigert, nämlich von 9,73 Milliarden Euro auf 11,07 Milliarden Euro. Auch das haben diese Bundesregierung und dieses Parlament auf die Reihe gebracht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ein weiterer Punkt aus dem Rechnungshofbericht ist der Bereich Zugangsregelungen bei Überlastungssituationen; da wird das Beispiel Jusstudium angeführt. Auch da ha­ben wir den Universitäten mit dem Universitätspaket das Tool in die Hand gegeben, mit dem sie für Zugangsregelungen an den Universitäten sorgen sollen; wir legen ihnen auch nahe, das im Rahmen ihrer Autonomie zu tun.

Eine Achillesferse wird allerdings angesprochen, und das sind die internationalen Ran­kings. Da sind wir nicht gut, das wissen wir. Wir haben begonnen, da mit zwei wich­tigen Maßnahmen gegenzusteuern. Mit dem Opportunity Hiring, wodurch jetzt die Uni­versitäten Spitzenforscher einfacher an die Universitäten bringen können, gehen wir in die richtige Richtung, und wir haben auch ein klares Bekenntnis zur Exzellenz in der For­schung abgegeben. Ein Positivbeispiel ist das IST in Klosterneuburg, das Institute of Science and Technology. Dort passiert schon sehr, sehr viel Gutes in den For­schungsgruppen, die auch international schon für Aufsehen sorgen. Solche Initiativen wollen wir als Bundesregierung unterstützen.

Ich fasse zusammen: Viele Punkte, die da angesprochen worden sind, sind wir schon angegangen. Ich glaube, wir sind da auf dem richtigen Weg, aber wir sind sicher noch nicht am Ende des Weges. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS.)

19.22


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Greiner. – Bitte.


19.22.21

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Rechnungshof hat sich die Hochschulstrategie und den österreichischen Hochschulplan angesehen. Wir wissen, in Österreich haben wir 61 Studienfelder, 37 davon waren überlastet, 20 hingegen hatten freie Kapazitäten. Manche haben Zugangsregelungen; denken wir etwa an Medizin.

Der Rechnungshof kritisiert aber eine fehlende Strategie, wenn es zum Beispiel darum geht, was passiert, wenn jemand die Aufnahmeprüfung nicht schafft. Was tut der- oder diejenige? Studiert er etwas anderes, was zumeist der Fall ist, tut er gar nichts oder probiert es noch einmal? Die Frage muss aber sein: Wie gelingt es, angehende


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Studenten für das richtige Studium zu begeistern? Welche Maßnahmen sind wün­schenswert und effizient?

Wir haben in der Diskussion im Ausschuss angeregt, mehr Aktivitäten in puncto Infor­mation und Orientierung zu setzen. Zusätzlich zu den bereits bestehenden Infor­mationsangeboten sollen Studenten Videoclips produzieren und Neulinge wirklich über Inhalte und Fakten betreffend die Studienrichtungen informieren, nämlich darüber, was einen erwartet und was einen möglicherweise abschreckt. So könnte man mehr Orientierung bieten.

Unser Motto ist ja: bessere Orientierung statt Selektionsprozesse bei Studieneingang. Wir wissen alle, dass diese Selektionsprozesse sozial ungerecht sind, weil sie in der Regel sozioökonomisch Schlechtergestellte treffen. (Beifall bei der SPÖ.) Im Übrigen prüft der Rechnungshof gerade die Beratungstätigkeiten an den Universitäten, das wird auch ein spannender Bericht werden.

Das führt mich zum nächsten Punkt, nämlich zur Finanzierung der Universitäten. Öffentliche Universitäten werden öffentlich finanziert, private Universitäten privat, aber mitunter auch öffentlich. Ich habe den Herrn Bundesminister im Ausschuss gefragt, wie er es mit einer Gesetzesnovelle hält, die regeln sollte, dass Privatuniversitäten aus­schließlich privat und nicht öffentlich finanziert werden. Seine Antwort hat gelautet, er werde diese Frage nicht aus den Augen verlieren, möglicherweise gebe es 2019 da einen ersten Schritt. Ein konkretes Datum für eine derartige Novelle konnte er leider nicht nennen.

Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen, weil er, wie ich meine, sehr wichtig ist. Der Rechnungshof weist darauf hin, dass ein klares Bekenntnis zur Steigerung der Mittel für die Mint-Fächer – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – fehlt. Die Zahl der Studienplätze steigt zwar, aber die Mittel steigen nicht mit. Ich glaube, angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, Stichwort Digitalisie­rung, wäre ein klares Bekenntnis zu steigenden Mint-Mitteln mehr als angebracht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Liste Pilz.)

19.25


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Lintl zu Wort. – Bitte, Frau Abgeordnete.


19.25.20

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rech­nungs­hofpräsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Rechnungshof über­prüfte für den Zeitraum 2010 bis 2015 den sogenannten österreichischen Hoch­schul­raum. Darunter versteht man sämtliche tertiäre Bildungseinrichtungen. Dazu ge­hören 21 öffentliche Universitäten, die Donau-Universität Krems, zwölf Privatuniver­sitäten, 21 Fachhochschulen und 14 Pädagogische Hochschulen. Das betrifft, und das ist besonders interessant, meine Damen und Herren, fast 380 000 Studierende in ganz Österreich.

Überprüft wurden vor allem die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Hoch­schul­strategie des damals zuständigen Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, der österreichische Hochschulplan sowie die finanziellen Rahmen­be­din­gungen von 2010 bis 2015. Dabei wurde der österreichische Hochschulraum mit jenem der Schweiz verglichen. Ich möchte einige Punkte aus diesem Bericht heraus­greifen.

Der Rechnungshof hält fest, dass die Zuständigkeit für die Hochschulen auf mehrere, nämlich drei unterschiedliche Bundesministerien aufgeteilt war. Das war unübersicht­lich und zersplittert, es hat keine einheitliche Linie bei den österreichischen Hoch­schu-


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len gegeben, es fehlte eine einheitliche Vorgehensweise auch im finanziellen Bereich. In der Schweiz dagegen waren Bund und Kantone gemeinsam zuständig, was ein riesiger Vorteil ist.

Die neue Regierung hat das geändert. Mit dem neuen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung ist nun endlich ein Ministerium für den gesamten Bil­dungsbereich zuständig (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP); vom Kindergarten über alle Schulen, Universitäten bis zu den Forschungseinrichtungen ist ein Minister zuständig. Auch da schafft die Regierung ganz klare Strukturen, mehr Transparenz und Übersichtlichkeit zum Nutzen aller.

Weiters regte der Rechnungshof eine klare Abgrenzung der Aufgaben der Beratungs­organe an. Der Wissenschaftsrat berät den Wissenschaftsminister, und der Rat für For­schung und Technologieentwicklung berät die gesamte Regierung. Sie haben teilweise unterschiedliche Ratschläge abgegeben, daher empfiehlt der Rechnungshof eine Zu­sam­menlegung dieser beiden Gremien. Die Forderung nach einem einzigen Bera­tungsgremium der Bundesregierung wurde bereits ins Regierungsprogramm aufge­nom­men und wird außerdem durch eine volkswirtschaftliche Kompetenz ergänzt werden.

Der österreichische Hochschulplan hat zum Ziel, höchste Qualität in Lehre und For­schung sicherzustellen. Österreichische Universitäten sollen international sichtbarer gemacht werden. Für exzellente Forschung für Hochschulen und außeruniversitäre Einrichtungen werden Anreize gesetzt und der Wettbewerb wird gefördert.

Insgesamt ist festzustellen, dass die Empfehlungen des Rechnungshofes, auch was Hochschulplan, Hochschulstrategie und Mitteleinsatz betrifft, von der neuen Bundes­regierung umgesetzt werden. – Vielen Dank für diesen Bericht, Frau Präsidentin! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.29


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Gamon zu Wort. – Bitte.


19.29.12

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Der gegenständliche Bericht ver­mittelt zwar ein sehr umfassendes Bild der österreichischen Hochschullandschaft, jedoch geht die Kritik jetzt schon deshalb in vielen Bereichen ins Leere, weil seither einfach wahnsinnig viele Dinge auf den Weg gebracht wurden beziehungsweise auch aktuell im Umbruch sind.

Ich möchte mich deshalb auf einen Punkt konzentrieren, der meiner Meinung nach immer noch offen ist und der eine sehr grundlegende Kritik an der Struktur und dem Aufbau des österreichischen Hochschulsystems offenbart, nämlich die generelle Frag­mentierung des österreichischen Hochschulraums, an dem nicht zuletzt die Bundes­länder beteiligt sind, was ja ein Grund dafür ist, dass es so fragmentiert ist.

Was bleibt und was vonseiten NEOS immer wieder kritisiert worden ist, ist das un­übersichtliche Engagement der Länder im Hochschulbereich. Exemplarisch wurde da die Med-Fakultät in Linz herausgegriffen, aber das trifft eigentlich auf weite Teile der Hochschullandschaft zu.

Undurchsichtige und keiner Kontrolle unterliegende Finanzierungsströme unterlaufen meiner Meinung nach ganz grundsätzlich die bundesweite Hochschulstrategie. Ich denke, dass das ein Problem ist, denn da muss man sich fragen, wofür man diese bundesweite Strategie eigentlich hat. NEOS fordert eine deutlichere Offenlegung und Transparenz, um in diesem Bereich endlich zu einem Urteil darüber zu kommen, wie


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man das Engagement der Länder im Hochschulbereich grundsätzlich bewerten kann und wie es in die bundesweite Hochschulstrategie hineinpasst.

Meiner Meinung nach sollten die Strategie und die Finanzierung weiterhin vom Minis­terium kommen und es sollte zu keiner Zersplitterung kommen; das ist ja hinreichend bekannt, das wurde auch schon von einer Vorrednerin erwähnt, nämlich ganz spe­zifisch im Hinblick auf die Privatuniversitäten, das ist ein konkretes Problem.

Das wirft zwei Fragen auf, nämlich einerseits: Wie wird das Engagement der Länder im Bereich der Hochschulen vom Ministerium angesichts dieses Berichts gesehen? Das ist eine ganz grundlegende Frage. Mir ist schon bewusst, dass das politisch auch sehr schwierig zu behandeln ist, weil die Bundesländer natürlich sehr an ihren eigenen Fachhochschulen und Privatuniversitäten hängen. Das ist mir ganz klar. Wir wissen aber, dass wir es im Hochschulbereich immer wieder mit knappen Budgetmitteln zu tun haben und eigentlich um jeden Cent kämpfen. Das ist auch etwas, das wir morgen im Zusammenhang mit der UG-Novelle diskutieren werden. Umso schwieriger ist es eigentlich, wenn offenbar wird, dass es einen ganzen Bereich gibt, über den Mittel an die Hochschulen fließen, diese Mittel aber nicht derselben Kontrolle unterliegen wie jene, die über den Bund fließen.

Eine weitere Frage, die man natürlich an das Ministerium richten müsste, ist, wie denn hinsichtlich des Problems der teilfinanzierten, nach außen hin als privat geltenden, nach innen aber öffentlich finanzierten Einrichtungen in Zukunft seitens des Ministe­riums auf höchstmögliche finanzielle Transparenz gedrängt werden wird.

Zum Thema Studienplatzfinanzierung: Das ist etwas, was in großen Teilen mit der vor­ge­stellten Universitätsfinanzierung Neu eigentlich schon geregelt worden ist. Das finden wir sehr positiv, aber es wird sich mit der Umsetzung der Leistungsverein­ba­rungen zeigen, ob das dann auch in der Praxis so gut funktioniert, wie man es sich vor­gestellt hat.

Ein generelles Urteil, was die Finanzierung der Universitäten und des gesamten Hoch­schulraums anbelangt: Der Präsident der ETH hat gesagt, man könne bei einer fest­gelegten Buttermenge ein großes Brot dünn oder ein kleineres dick bestreichen. – Meiner Meinung nach könnte das ein guter Anreiz sein, um den Universitäten mehr Autonomie, was die Ausgestaltung ihrer Schwerpunkte angeht, zu geben. Dann können sie selbst entscheiden, wo sie die Butter gerne ein bisschen dicker auftragen möchten und wo ein wenig dünner. Das ist etwas, was meiner Meinung nach auch essenziell für die Profilbildung der Universitäten ist, was wiederum auch im Rahmen der bundesweiten Hochschulstrategie sehr wichtig ist, die wiederum ein wenig durch das Problem der Fragmentierung des Hochschulraums durch das Engagement der Bun­desländer konterkariert wird. – Wir kommen zurück: Man sollte über den Födera­lismus reden, auch beim Thema Hochschulraum. (Beifall bei den NEOS.)

19.33


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Zinggl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.33.47

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (PILZ): Frau Präsidentin! Werte Präsidentin des Rechnungshofes! Der Rechnungshofbericht zeigt uns, dass nur 20 von 61 Studienfächern noch Kapazitäten frei haben – das ist weniger als ein Drittel –, der Rest ist überlaufen, und überlaufen heißt laut Rechnungshofbericht, dass es zu wenig Betreuungsangebot gibt, also zu wenig Lehrpersonal für zu viele Studierende. Dem kann man entgegenwirken, indem man beispielsweise die Anzahl der Studierenden


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senkt. Das macht man am besten mit Zugangsbeschränkungen; dann haben wir für die wenigen Lehrenden weniger Studierende und alles passt, könnte man sagen.

Im Extremfall bräuchte man überhaupt keine Lehrenden für gar keine Studierenden. Das ist ein Weg, der vom Rechnungshof natürlich nicht empfohlen wird, aber die Ten­denz geht ein bisschen in diese Richtung – Frau Präsidentin, wir haben das im Aus­schuss schon besprochen –, wenn der Rechnungshof empfiehlt, dass man für Studien­fächer, die überbelegt sind, auch Zugangsbeschränkungen andenken sollte; einfach nach dem Motto: besser weniger Studierende, die gut betreut werden, als Massen­uni­versitäten ohne diese Betreuung. Das klingt ja irgendwie ganz gut, andererseits könnte man das aber auch ganz anders denken: Man könnte überlegen, ob nicht beispiels­weise für mehr Studierende, die ja auch ein höheres Bildungsniveau gewährleisten, mehr Lehrpersonal eingestellt werden könnte; dann wären die Fächer nämlich auch nicht mehr überbelegt.

Eines zeigt uns der Rechnungshofbericht jedenfalls am Rande – das steht nicht aus­drücklich drinnen –: Das Argument der Befürworter von Zugangsbeschränkungen, dass die Studierenden, wenn sie ihr Lieblingsfach nicht belegen können, weil es zu voll ist, auch gerne auf ähnliche Fächer ausweichen, ist sehr schwach. Das zeigt uns der Rech­nungshofbericht. Er zeigt nämlich auf, welche Studienfächer überbelegt sind. Zum Beispiel ist Medizin überbelegt, Ausweichmöglichkeit Pharmazie – auch überbelegt; Aus­weichmöglichkeit Psychologie – auch überbelegt; Ausweichmöglichkeit Veterinär­medizin – auch überbelegt. Es gibt also eigentlich gar nichts in der Richtung. Schauen wir uns etwas anderes an, zum Beispiel Erziehungswissenschaften – überbelegt. Man könnte in Richtung Lehramt irgendwelcher Einzelfächer ausweichen, aber all diese Fächer sind überbelegt. Die Sozialwissenschaften und Verhaltenswissenschaften sind überbelegt, Soziologie ist überbelegt. Auch in diesem Bereich ist also eigentlich alles überbelegt.

Was bleibt also jetzt jemandem über, der nicht auf Ähnliches ausweichen kann? – Es bleibt ihm nur, dass er etwas studiert, was er gar nicht studieren möchte. Jemand, der beispielsweise Sprachen – überbelegt – studieren möchte, könnte Chemie studieren. Das ist jetzt nicht unbedingt eine Situation, in der die Motivation am größten sein wird. Da könnte man auch Folgendes überlegen: Wenn alle Fächer, die noch nicht über­belegt sind, plötzlich von denen besucht werden, die von den bereits überbelegten Fächern ausgewichen sind, werden auch die jetzt noch nicht überbelegten, die noch Kapazitäten frei haben, sehr bald voll sein.

Mit einem Wort: Wir haben zu wenig Studienplätze für die, die gerne studieren wollen, und das ist für ein reiches Land wie Österreich eigentlich ein Armutszeugnis.

Das wesentlichste Argument gegen Zugangsbeschränkungen ist aber in Wirklichkeit die soziale Selektion, die immer mit Zugangsbeschränkungen einhergeht. Studierende, die etwas Bestimmtes studieren möchten und aus einem gebildeten Haushalt kommen, haben einfach schon einen Startvorteil, sie können die entsprechenden Aufnahme­prüfungen leichter bewältigen oder Kurse davor, die oft um die 2 000 Euro im Semester kosten, leichter belegen. Daher gibt es keine Chancengleichheit in diesem Bereich und auch keine Möglichkeiten, die Leistung zu bewerten, die es eigentlich darstellt, wenn man von einem geringen Bildungsniveau ein höheres erlangt – im Unterschied dazu, wenn man eine kleine Steigerung von einem bereits relativ hohen Bildungsniveau zu einem noch höheren vollzieht.

Frau Präsidentin, ich habe es schon im Ausschuss gesagt: Ich hätte mir daher ge­wünscht, dass der Rechnungshof der Regierung eher empfiehlt, dafür Sorge zu tragen, dass die Studierenden die Möglichkeit bekommen, ihren Neigungen entsprechend aus-


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ge­bildet zu werden und studieren zu können. Das ist aber zurzeit wahrscheinlich ein Wunsch ans Christkind. – Danke. (Beifall bei der Liste Pilz.)

19.38


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist die Frau Prä­sidentin des Rechnungshofes. – Bitte, Frau Präsident.


19.38.45

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte Ihnen zunächst einmal sagen, dass wir heute wieder 20 Berichte des Rechnungshofes auf der Tagesordnung haben. Wir haben im ersten Halbjahr 82 Berichte des Rechnungshofes behandelt. Ich bedanke mich dafür, dass Sie sich die Zeit für die Behandlung der Rechnungs­hofberichte nehmen und dass diese hier diskutiert werden. Ich bedanke mich auch beim Rechnungshofausschuss, weil ich meine, dass dort intensive Arbeit geleistet wird. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Der Rechnungshof ist fleißig. Wir haben im ersten Halbjahr weitere 48 Berichte pub­liziert, das heißt also, wir tragen dazu bei, dass Ihnen Zahlen, Daten und Fakten vor­liegen. Wir geben auch Empfehlungen ab, wie öffentliche Mittel effizient eingesetzt und wie sie für die Bürgerinnen und Bürger auch nutzbar gemacht werden können.

Beim vorliegenden Bericht des Rechnungshofes geht es um den österreichischen Hoch­schulraum und eben auch um die Rahmenbedingungen, die Studierende an den österreichischen Universitäten, an den Fachhochschulen und den Pädagogischen Hochschulen vorfinden. Es wurde schon berichtet, dass dem österreichischen Hoch­schulraum 21 öffentliche Universitäten, die Donau-Universität Krems, jetzt schon 13 Privatuniversitäten, 21 Fachhochschulen und 14 Pädagogische Hochschulen ange­hö­ren. Das heißt also, der tertiäre Sektor ist sehr stark fragmentiert. Wichtig ist es daher, die Frage zu stellen: Wie erfolgt die Steuerung und Koordinierung der tertiären Bildungseinrichtungen in Österreich?

In diesem Zusammenhang haben wir daher auch den Vergleich mit der Schweiz angestellt. Die Schweiz ist ein Nachbarland, Größe und Struktur des tertiären Bereichs und auch die Absolventenzahlen sind vergleichbar. Diese Vorgehensweise wurde im Ausschuss etwas in Frage gestellt: Warum wird denn ein Vergleich mit der Schweiz angestellt? Die haben ja mehr Geld! – Grundsätzlich muss ich sagen: Wo, wenn nicht im universitären Bereich, kann man über die Staatsgrenzen hinausschauen? Uni­versitäten stehen ja im internationalen Wettbewerb. Ich halte es also für legitim, einen derartigen Vergleich anzustellen. (Beifall bei den NEOS.)

Grundsätzlich möchte ich auch sagen: Ja, es stimmt, es wurde seit der Veröffent­lichung des Berichts und auch schon während der Prüfung einem Teil der Empfehlun­gen Rechnung getragen. Es gibt jetzt ein großes Ministerium, das für Bildung, Wissen­schaft und Forschung zuständig ist. Damit sind die Voraussetzungen gegeben, dass man die Pädagogischen Hochschulen besser in den hochschulischen Bereich einbe­zieht, namentlich in die Hochschulkonferenz. Es gibt aber natürlich eine Ausnahme, denn die Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik gehört weiterhin zum Nach­haltigkeitsressort; darauf wurde nicht verzichtet.

Das zentrale Element der Hochschulstrategie ist der österreichische Hochschulplan. Dabei geht es darum, den Hochschulraum weiterzuentwickeln, die internationale Sicht­barkeit zu erhöhen und höchste Qualität in Lehre und Forschung sicherzustellen. Wir haben feststellen müssen, dass der österreichische Hochschulplan seit dem Jahr 2011 nicht mehr aktualisiert wurde. Mittlerweile liegen auch die Ergebnisse des Projekts Zukunft Hochschule vor. Es ist notwendig, dass man diese Ergebnisse bei der Weiter-


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entwicklung des Hochschulplans berücksichtigt. Es war auch unsere Empfehlung im Bericht, dass der Hochschulplan nicht nur vom zuständigen Ressort, sondern formal von der gesamten Bundesregierung getragen werden sollte, denn das ist eine Quer­schnitts­materie und das ist wichtig.

Herr Abgeordneter Zinggl! Ja, wir haben uns die Über- und Unterkapazitäten der Uni­versitäten angeschaut. Wir haben uns dabei auf den Universitätsentwicklungsplan bezogen und diese Zahlen wiedergegeben. Wir haben gesagt, dass als ein Parameter hinsichtlich der Zugangsregelungen auch die Überlastungssituationen miteinbezogen werden könnten – nicht mehr und nicht weniger; und dazu ist mittlerweile in bestimmten Bereichen eben auch die Möglichkeit gegeben.

Es geht ja auch darum, die Situation der Studierenden zu verbessern. Wir haben im Bericht auch die Absolventenzahlen mit jenen der Schweiz verglichen. Es ist uns auch wichtig, dass wir in Österreich Rahmenbedingungen haben, durch die die Drop-out-Quote verringert oder, positiv formuliert, die Absolventen-Output-Quote erhöht werden kann, sodass die Studierenden ihr Studium eben auch abschließen können. Das ist nicht nur effizient, sondern auch gut für die Studierenden, wenn sie eine abge­schlos­sene Ausbildung haben.

Was den Mitteleinsatz im tertiären Bereich betrifft, so gibt es national und international das Ziel, 2 Prozent des BIP aufzuwenden. Das ist ein Indikator, den man aber nicht isoliert betrachten kann. Wir brauchen zusätzlich noch weitere Wirkungsindikatoren, denn dieser Indikator hängt natürlich von der Steigerungsrate des BIP ab. Wichtig er­scheint es uns, weitere hochschulrelevante Faktoren miteinzubeziehen: prüfungsaktive Studierende, Absolventenquote, Forschungsindikatoren.

Die Verteilung der staatlichen Bildungsausgaben ist in Österreich universitätslastig. 88 Prozent der staatlichen Bildungsausgaben entfallen auf Universitäten, 7 Prozent auf Fachhochschulen und 5 Prozent auf Pädagogische Hochschulen. Eine weitere Emp­feh­lung im Bericht ist, dass der Anteil der leistungsbezogenen Mittel, den die Univer­sitäten erhalten, gesteigert werden sollte, sodass auch kompetitive Faktoren eine Rolle spielen.

Österreich liegt beim Mitteleinsatz für den Hochschulbereich im Spitzenfeld der Euro­päischen Union. Die Bildungsausgaben je Studierendem lagen um 17,4 Prozent über dem EU-Durchschnitt. In den Rankings schlägt sich das aber nicht nieder. Wir haben gesagt, dass man dahin gehend natürlich achtsam sein sollte, damit man im Wett­bewerb mithalten kann.

Ich habe schon gesagt, dass wir den Vergleich zur Schweiz gezogen haben. Im Vergleich zur Schweiz ist es so, dass es in Österreich trotz doppelt so hoher Studie­rendenzahlen kaum mehr Absolventinnen und Absolventen an den Universitäten gibt. Dahin gehend muss man sich etwas überlegen. Wie erfolgen die Steuerungsmaß­nahmen? Wie kann zur Verbesserung dieser Situation beigetragen werden? Wir haben beim Vergleich mit der Schweiz auch festgestellt, dass in der Schweiz, obwohl sie sozusagen ein sehr stark föderaler Staat ist, zwischen Bund und Kantonen drei ge­mein­same hochschulpolitische Organe eingerichtet wurden, die für einen koordinierten Schweizer Hochschulraum sorgen sollen.

Das ist der Bericht in kurzen Zügen. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

19.46

19.46.27


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


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Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-56 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

19.46.54 16. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Tagesbetreuung von Schülerinnen und Schülern – Reihe BUND 2018/2 (III-79/213 d.B.)

17. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Gesundheit der Schülerinnen und Schüler: Schulärztlicher Dienst und Schulpsychologischer Dienst; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/15 (III-113/214 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zu den Punkten 16 und 17 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.47.38

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Präsident des Rechnungs­hofes! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Komplex und unübersichtlich sei die Tagesbetreuung von Schülerinnen und Schülern in Österreich, kritisiert der Rech­nungshof in seinem Bericht. Es ist ein sehr umfangreicher Bericht. Es wurden von Februar bis Juni 2016 das Bildungsministerium, der Landesschulrat für Salzburg, der Stadtschulrat für Wien, das Land Salzburg und die Stadt Wien mit dem Schwerpunkt Tagesbetreuung von Schülerinnen und Schülern geprüft. Ziel war die Beurteilung der unterschiedlichen Zuständigkeiten für die schulische und außerschulische Betreuung von Schülerinnen und Schülern und die Entwicklung der Betreuung von Schülerinnen und Schülern im organisatorischen Bereich.

Auch wurden die baulichen und infrastrukturellen Gegebenheiten an den Schulstand­orten hinsichtlich der Eignung zur Tagesbetreuung geprüft. Insgesamt hat der Rech­nungshof 65 Schlussempfehlungen an das Ministerium, das Land Salzburg und die Stadt Wien ausgesprochen.

Der Herr Bundesminister hat im Ausschuss klar festgehalten, dass es in diesem Be­reich durchaus großen Verbesserungsbedarf gibt. Das war also keine Neuigkeit für den Herrn Bundesminister. Er versprach aber und sagte zu, die Tagesbetreuung auszu­bau­en, die Standards zu steigern und die Qualität zu verbessern. Das ist ihm ein großes Anliegen. Im Ausschuss nannte Bundesminister Faßmann das Ziel, dass 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler zwischen sechs und 15 Jahren eine gesicherte Tages­betreuung angeboten werden soll.

Die Schlussfolgerung des Rechnungshofes war – das habe ich eingangs schon ge­sagt –, dass sich die unterschiedlichen Zuständigkeiten sehr komplex und unübersicht­lich darstellen.


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Bei den Kosten hat es durchaus Unterschiede gegeben, so ist die schulische Tages­betreuung im Land Salzburg um 40 Prozent günstiger als in Wien. An den Wiener Pflichtschulen betrugen die Kosten 176 Euro.

Ein weiteres Anliegen und eine weitere Forderung aus dem Rechnungshofbericht betrifft das Problem der fehlenden Betreuung in den Schulferien – gerade jetzt wissen ja viele Eltern, wovon wir sprechen, wenn es um die Betreuung in den Ferienwochen geht. Ich glaube, es ist durchaus angebracht, da es im AHS-Bereich derzeit keine Be­treu­ung gibt, darüber nachdenken, ob man auch da eine Tagesbetreuung sicherstellen kann. Es geht ganz einfach um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, und dies ist ein zentrales Anliegen.

Abschließend kann man das in zwei Hauptblöcken zusammenfassen: Es geht um Rechtssicherheit, es geht um Qualität, und es geht darum, die schulische Tagesbe­treuung an die Bildungsstandards, an die Bildungsniveaus anzugleichen und die Inte­grationsprozesse zu berücksichtigen beziehungsweise das nachhaltig zu untersuchen.

Punkt zwei: Es geht einfach darum, die schulische Tagesbetreuung auf benachteiligte Gruppen auszuweiten. Da, hat der Rechnungshof ganz kritisch festgestellt, ist es durch­aus angebracht, prioritär vorzugehen.

Der Rechnungshof zeigt auf, es gibt vieles zu tun. Die Tagesbetreuung ist ein Zu­kunftsprojekt. Einiges wurde umgesetzt, und der Herr Bundesminister hat uns im Ausschuss zugesagt, er wird sich intensiv darum bemühen, die Tagesbetreuung in Österreich zu verbessern und zu optimieren. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.51


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Laimer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.51.25

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Rechnungs­hofpräsidentin! Meine Damen und Herren! Leider ist Österreich in Bezug auf die Tagesbetreuung von Schülerinnen und Schülern noch immer nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Die 2016 von Bundesministerin Sonja Hammerschmid unter Bundes­kanzler Christian Kern durchgesetzten 750 Millionen Euro an Bildungsinvestitionen bis 2025 wurden durch Schwarz-Blau auf den Zeitraum bis 2032 erstreckt, und damit wurde der Ausbau eines österreichweiten Angebotes an Ganztagesschulen de facto halbiert. Dabei hat die Bundeshauptstadt Wien auch keine 15a-Mittel mehr, und auch in der Steiermark ist die Situation schon prekär.

Das Ziel, 40 Prozent der Kinder ein Ganztagesangebot zu machen, wurde mit sieben­jähriger Fristerstreckung somit verwässert. (Beifall bei der SPÖ.)

Derzeit kann mangels Angebot nicht einmal ein Viertel der Kinder eine Ganztages­schule besuchen. Aufgrund der neuen Arbeitszeitregelung, des 12-Stunden-Tages und der 60-Stunden-Woche, wird diese Investition allerdings bei Weitem nicht ausreichen. Die Nachfrage an Ganztagesbetreuung wird ab 2019 förmlich explodieren.

Sie kündigen mit Ihrer morgen auf der Tagesordnung stehenden Gesetzesinitiative auf Lohnraub, eingebracht ohne Begutachtung und ohne Einbindung der Sozialpart­ner­schaft, nicht nur den österreichischen Konsens im Bereich des Arbeitsschutzes auf, sondern Sie verschärfen auch die Situation für österreichische Familien nachhaltig zum Nachteil von Eltern und Kindern, zum Nachteil des Freiwilligenwesens, des Ehren­amtes. Das ist Ihre Politik: die Politik der Nachteile für ArbeitnehmerInnen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Glaubst du das?)


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Aber es ist ganz klar, da steht beinharte Ideologie dahinter, ein schwarz-blaues Welt­bild: Der Papa soll, wenn es der Markt erlaubt, Vollzeit arbeiten, die Mama darf dazuverdienen. – Ein Bild, das wir alle überwunden glaubten, nimmt im Jahr 2018 leider wieder besonders starke Konturen an. Die allermeisten Frauen wollen allerdings nicht dazuverdienen, sie wollen genauso selbstbestimmt leben wie die Männer. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Cox.)

Für die Selbstbestimmung der Frau sind aber auch die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen – nicht mehr und nicht weniger.

Sie wollen uns mit Ihrer Initiative für längeres Arbeiten um mehr als 100 Jahre zurückwerfen. Nur zum Vergleich: Laut Eurostat arbeiten nur die Briten und die Zypri­oten länger als wir Österreicherinnen und Österreicher.

Meine Damen und Herren! Die Ganztagesbetreuung sichert Schulerfolge, und insbe­sondere der verschränkte Unterricht stärkt den Bildungsstandard und damit auch die wirtschaftliche Zukunft Österreichs. Die Durchfallquoten bei Unterricht nur bis Mittag liegen bei 9 Prozent, beim verschränkten Unterricht sind es überhaupt nur 1,4 Prozent. Leider sind es auch in meinem Heimatbundesland nur elf Standorte, die verschränkten Unterreicht anbieten. (Abg. Rosenkranz: Gut so!)

Ich glaube, das ist nicht gut, weil da von den Eltern über 110 Millionen Euro pro Jahr in Nachhilfe investiert werden. Bei einem Medianeinkommen von nicht einmal 2 200 Euro brutto ist das ein enormer Aufwand für das individuelle Haushaltsbudget der durch­schnittlichen Österreicherinnen und Österreicher.

Ich glaube, zur heutigen Debatte passt auch noch der Entschließungsantrag der Abge­ordneten Cox, Greiner und KollegInnen betreffend eine Erhebung des schulpsycho­lo­gischen Bedarfs an allen Schulen. Dessen Wichtigkeit für ein modernes Schulsystem ist besonders zu erwähnen.

Im Sinne der Kinder wünsche ich mir vom Herrn Bildungsminister, dass er Bildung nach vorwärts steuert und nicht in vorrepublikanische Zeiten zurückrudert. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Cox und Bißmann.)

19.55


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.55.53

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Rech­nungshofpräsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Kollege Laimer, das war wieder eine perfekte Selbstanklage, was Sie jetzt vom Rednerpult aus ge­macht haben. Der Rechnungshof bezieht sich auf das Jahr 2017 und zeigt die Fakten zur Situation der Tagesbetreuung zu einem Zeitpunkt auf, als die SPÖ für die Tages­betreuung und für die Bildungs- und Schulpolitik verantwortlich war. So gesehen ist es daher eine perfekte Selbstanklage, die Sie heute hier wieder einmal zum Besten gegeben haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.)

Schauen wir uns einmal die im Rechnungshofbericht dargestellten Fakten an! Ich gehe das jetzt punktuell noch einmal durch, obwohl Kollege Gahr schon einiges aufgezählt hat – und das sind, bitte, Fakten aus dem aktuellen Rechnungshofbericht, der das Bild aufzeigt, für das Sie die Verantwortung tragen –:

Punkt eins, wie schon angesprochen: Es gibt eine komplexe und unübersichtliche Situ­ation bei der Tagesbetreuung. Wie Sie wissen, sind für den Pflichtschulbereich die Ge­meinden, die Länder und der Bund zuständig. Das ist ein komplettes Kompetenz-


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wirrwarr, das Sie nicht aufgelöst haben. Dies wird vom Rechnungshof aufgezeigt. Dieses Problem haben wir zu lösen, das haben Sie uns überlassen. Das müssen wie­der wir in dieser Koalition regeln.

Nur für den AHS-Bereich gibt es einen einzigen Zuständigen, und das ist der Bund. Diese Komplexität ist daher aufzulösen, und Fakt muss zukünftig sein: Der, der anschafft, muss auch zahlen! – Das ist das Prinzip, das der Rechnungshof über Jahre vorgegeben hat. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ein zweiter Punkt – auch kein Ruhmesblatt für Sie – sind die unterschiedlichen Eltern­beiträge. In der Stadt Salzburg zahlt man für die Tagesbetreuung monatlich 137,80 Euro, und in Wien hat ein Hortplatz 227,70 Euro gekostet – um 40 Prozent mehr! Und da reden wir über die Leistbarkeit!? Wer kann sich das leisten? Wien war um 40 Prozent teurer. Das sind die Zahlen des aktuellen Rechnungshofberichtes dazu. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Drittens: Wer die Betreuung am dringendsten braucht, nimmt sie am wenigsten in Anspruch. Das Wirkungsziel der Tagesbetreuung wäre, das Bildungsniveau zu erhö­hen und eine Verbesserung der Chancen- und der Geschlechtergerechtigkeit zu er­reichen. – Dies wurde nicht erreicht. Jene Kinder, die Bildungsschwächen haben, nehmen nämlich die Tagesbetreuung am wenigsten in Anspruch. Auch das ist kein Ruhmesblatt für Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ. Auch da haben Sie zur Gänze versagt! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Heinisch-Hosek: ... kein Geld dafür! Kein Geld!)

Wir müssen das sanieren. Wir sind diejenigen, die die Defizite jetzt ausgleichen müssen, und haben zum Beispiel deswegen auch die Deutsch-Förderklassen einge­führt. (Abg. Heinisch-Hosek: Sie reden so einen Unsinn!) Dazu war es höchste Zeit, bitte, weil Sie das nicht zustande gebracht haben.

Viertens: zum Geld, weil jetzt hier polemisiert wird (Abg. Heinisch-Hosek: Wer polemisiert?), dass das Geld für die Tagesbetreuung erstreckt wird. Fakt ist – lesen Sie bitte den Rechnungshofbericht, und es ist wichtig, dass man das heute auch hier ausführen kann (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek); da können Sie noch länger dazwischenschreien, schauen Sie sich den Rechnungshofbericht an, dann wissen Sie, dass das die Fakten sind! –:

Der Bund hat über eine 15a-Vereinbarung zwischen 2011 und 2018 insgesamt 654,1 Millionen Euro für die Tagesbetreuung zur Verfügung gestellt, und die Gelder wurden nicht abgeholt! Allein im Jahr 2014 wurden 50 Millionen Euro nicht abgeholt, bitte! Wieso werden die Gelder nicht abgeholt? – Weil nämlich der, der anschafft, nicht darauf schaut, dass die Gemeinden auch das nötige Geld haben, um die zusätzlichen Kosten abzudecken, die ihnen durch die Umsetzung entstehen. (Abg. Heinisch-Hosek: Die Länder, bitte, ...!)

Wie Sie wissen, sind die Gemeinden in der Tagesbetreuung auch am Nachmittag für das Personal zuständig. Viele Gemeinden haben nicht das Geld, um das Personal anzustellen. Sie haben nicht für die Finanzierung des Personals gesorgt. Regen Sie sich nicht auf, dass die Gelder für die Tagesbetreuung nicht abgeholt werden! Sie haben diesbezüglich zur Gänze versagt! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Im Finanzausgleich hat es weiterhin den abgestuften Bevölkerungsschlüssel gegeben, der die kleinen Gemeinden benachteiligt. Wieso haben Sie das nicht saniert? Klären Sie auf (Heiterkeit der Abg. Heinisch-Hosek) und verbreiten Sie hier nicht einfach Fakten, die nicht stimmen! (Abg. Heinisch-Hosek – auf den Redner weisend –: Keine Ahnung! Keine Ahnung!)


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Und noch etwas zur Tagesbetreuung: Wir selber sind für die Tagesbetreuung, aber wahlweise, und nicht für die verschränkte Tagesbetreuung, sondern für die offene Tagesbetreuung, für die wahlweise Tagesbetreuung! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir sind dagegen, dass die Eltern nicht mehr selbstständig entscheiden können, ob sie ihre Kinder in die Tagesbetreuung geben oder nicht. Das wollen wir so nicht haben! Und damit ist die Erstreckung der Gelder für die Tagesbetreuung, der 750 Millionen Euro, bis 2032 kein Problem, weil nämlich die Gemeinden auch aufgrund Ihrer Politik nicht in der Lage sind, die Tagesbetreuung bis 2025 auszubauen.

Das ist Ihr Verschulden; wir werden das sanieren. – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.01


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Griss. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.01.55

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Vielleicht nur eine Bemerkung zu dem, was mein Vorredner gerade gesagt hat: Sie haben kritisiert, dass jene die Tages­be­treuung nicht in Anspruch nehmen, die sie am meisten brauchen (Abg. Hauser: Das hat der Rechnungshof kritisiert!), treten aber gleichzeitig gegen die verschränkte Form ein (Abg. Rosenkranz: Ja! – Abg. Hauser: Wir wollen das ja nicht! – Ruf bei der FPÖ: Das will ja keiner!); aber nur wenn es eine verschränkte Form gibt, muss wirklich jeder auch den ganzen Tag in der Schule sein, und auch die, die es wirklich notwendig brauchen. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Ich möchte es aber weniger emotional angehen. (Abg. Rosenkranz: Das wäre richtig! Das ist gut!) Mich haben die Berichte des Rechnungshofes über die Tagesbetreuung und über den schulpsychologischen und den schulärztlichen Dienst an das Gleichnis von den blinden Gelehrten und dem Elefanten erinnert – Sie kennen das wahr­schein­lich –:

Blinde Gelehrte sollen herausfinden, was ein Elefant ist. Der eine tastet den Rüssel ab und sagt, das Tier ist lang und beweglich. Der andere kriegt den Stoßzahn zu fassen und sagt, das ist ein Röhrentier. Und ein anderer wieder betastet das Ohr und sagt, das Tier muss ausschauen wie ein Handfächer.

Warum gibt es dieses Ergebnis? – Weil jeder nur einen Teilaspekt wahrgenommen hat – er war ja blind – und daraus auf das Ganze geschlossen hat. Und die gleiche Situation haben wir auch im Bildungssystem: Auch hier wird aus Teilaspekten auf das Ganze geschlossen. Da sind die Beteiligten nicht wirklich blind, aber sie haben eine ideologische Brille auf, und durch diese ideologische Brille sehen sie nur das, was sie sehen wollen, und formen dann ihre Vorstellung für das Ganze! (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Cox.)

Was wir aber brauchen, ist eine Lösung, die auf die Bedürfnisse der Kinder, der Eltern, der Gesellschaft Rücksicht nimmt. (Ruf bei der FPÖ: Genau! – Abg. Rosenkranz: Und jetzt müssen wir auch wissen, welche Gesellschaft wir wollen!) Wir brauchen ein Gesamtbild. Der Rechnungshof hat auch beanstandet, dass dieses fehlt, dass eine Gesamtsicht fehlt, dass man sich nicht überlegt: Was soll das System Schule eigentlich leisten? Was sind die Anforderungen? Was erwarten wir uns?

Ich habe den Herrn Bildungsminister im Ausschuss gefragt, was getan wird, um die steigende Zahl von psychisch auffälligen Kindern und auch von traumatisierten Kindern


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entsprechend eingliedern und betreuen zu können. Die Antwort des Herrn Bildungs­ministers war: Woher wissen Sie das? – Ich habe gesagt: Das haben mir Eltern erzählt, das haben mir Lehrer erzählt. Daraufhin hat der Herr Bildungsminister gesagt: Das sind Einzelevidenzen. – Und damit hat er recht. Das sind Einzelevidenzen. Einzelevidenzen können nicht die Grundlage einer Politik sein – da bin ich bei ihm –, aber Einzel­evidenzen müssen ein Anstoß dafür sein, sich die Sache genau anzuschauen, sich anzuschauen: Was brauchen wir eigentlich? Wie ist die Situation?

Kollege Kucher ist nach der Ausschusssitzung auf mich zugekommen und hat gesagt: Machen wir doch gemeinsam etwas! Stellen wir einen Entschließungsantrag, dass der Bildungsminister das herausfinden muss, dass er so eine Untersuchung in Auftrag geben muss! Dann gab es Gespräche mit allen Fraktionen, um so einen gemeinsamen Entschließungsantrag zustande zu bringen, denn es muss ja das Anliegen von uns allen sein, einmal herauszufinden: Wie steht es denn wirklich?

Leider hat sich dann ergeben, dass keine vollständige Einigung möglich war, weil die ÖVP und die FPÖ diese Anfrage auf den Kompetenzbereich des Bundes beschränken wollten, und die SPÖ und die Liste Pilz wollten, so wie ursprünglich vorgesehen, jedenfalls auch die Bildungsdirektionen einbeziehen. Es war dann eine schwierige Frage für mich: Was machen wir jetzt eigentlich?, und ich habe gedacht: Machen wir einen ersten Schritt! – Ich bin natürlich ganz dafür, dass wir das umfassend unter­suchen, aber wir müssen einmal damit beginnen, und daher stelle ich den kleineren Entschließungsantrag, der ja letztlich durch die Anregung des Kollegen Kucher zustan­de gekommen ist, und dieser lautet wie folgt:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hermann Gahr, Wolfgang Zanger, Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhebung des Bedarfes an schulpsychologischen Inter­ven­tionen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird ersucht, ehest mög­lich alle notwendigen Schritte einzuleiten, um den tatsächlichen Bedarf an schul­psychologischen Interventionen (einschließlich des Bedarfs an Mobbingberatung) im Kompetenzbereich des Bundes zu erheben. Zudem sollen die Aufgaben der Schul­psychologie einer Analyse unterzogen und – beispielsweise von internationalen ,Best-Practice-Beispielen‘ abgeleitete – gezielte Maßnahmen entwickelt werden, um die bedarfsgerechte Praxistauglichkeit weiter zu verbessern.“

*****

Danke. (Beifall bei den NEOS.)

20.07

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Hermann Gahr, Wolfgang Zanger, Dr. Irmgard Griss,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Erhebung des Bedarfes an schulpsychologischen Interventionen


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eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Gesundheit der Schülerinnen und Schüler: Schulärztlicher Dienst und Schulpsychologischer Dienst; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/15 (III-113/214 d.B.) (TOP 17)

In einer sich ständig verändernden Gesellschaft sehen sich auch Jugendliche mit im­mer neuen Herausforderungen und Problemen konfrontiert. Damit einhergehend muss sich – in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen der öffentlichen Hand – auch die Schule mit diesen neuen Herausforderungen auseinandersetzen. Dies schließt unter anderem das Angebot von Hilfestellungen bei persönlichen Problemen von Schülerin­nen und Schülern ein.

Hier gibt es bereits etablierte Angebote wie beispielsweise den schulärztlichen Dienst, Mobbingberatungsstellen oder auch die Schulpsychologie. Um diese Angebote adäquat weiterentwickeln zu können, braucht es in einem ersten Schritt eine umfas­sende Erhebung des tatsächlichen Bedarfes an diesen Angeboten im Kompetenz­bereich des Bundes.

Es wird zudem angeregt, auch eine Analyse internationaler „Best-Practice-Modelle“ durchzuführen. Dabei wäre auch zu beleuchten, wie alle am Schulleben Beteiligten in diese Modelle einbezogen werden können. Die Ergebnisse können bei der Weiter­ent­wicklung der Schulpsychologie in Österreich wertvolle Dienste leisten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird ersucht, ehest möglich alle notwendigen Schritte einzuleiten, um den tatsächlichen Bedarf an schul­psychologischen Interventionen (einschließlich des Bedarfs an Mobbingberatung) im Kompetenzbereich des Bundes zu erheben. Zudem sollen die Aufgaben der Schul­psychologie einer Analyse unterzogen und - beispielsweise von internationalen „Best-Practice-Beispielen“ abgeleitete - gezielte Maßnahmen entwickelt werden, um die bedarfsgerechte Praxistauglichkeit weiter zu verbessern."

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der soeben verlesene Entschließungsantrag wurde ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Cox. – Bitte.


20.07.52

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (PILZ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Danke der Vertreterin des Rechnungshofes hier im Haus für den Bericht! Frau Griss, Sie haben den Entschließungsantrag schon vorgelesen, und Sie haben den Vergleich vom Elefanten gebracht. Ich finde es schade, dass Sie, wie Sie gesagt haben, nur einen kleinen Entschließungsantrag einbringen, denn das heißt, es wird eben nur der Rüssel begutachtet. Das ist, finde ich, sehr, sehr schade, weil das ein sehr, sehr wichtiger Bereich ist, wo man sich wirklich den ganzen Elefanten anschauen muss. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Was bedeutet das, wenn man sich den ganzen Elefanten ansieht? – Da sprechen wir von Kindern und Jugendlichen in den verschiedensten Schulformen. Und wenn wir uns


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das jetzt anschauen, sehen wir, dass sich in Zukunft ja nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch die Schulformen verändern werden. Das heißt, Kinder sind sehr lange, also mehr Stunden in der Schule. Natürlich ist die Belastung, wenn man mit den Kindern zusammen diese Zahl von Stunden in der Schule ist, sehr hoch, was dazu führt, dass es in der digitalen und nondigitalen Welt dann zu Mobbing beziehungsweise Cybermobbing kommt, dass es zu Situationen kommt, in denen es einfach eine psychologische Betreuung brauchen könnte.

Es ist ja so, dass das jetzt nicht ganz fremd ist. Die Beispiele, die wir genannt haben – schulärztlicher Dienst, Mobbingberatungsstellen, Schulpsychologen – gibt es bereits, aber nicht in der Form, in der wir es uns wünschen würden. Deshalb – Frau Griss hat es schon erwähnt – braucht es einmal eine Erhebung, um im Jahr 2018 einmal zu schauen: Was braucht es hier?

Deswegen wollen wir uns aber auch nicht nur den Rüssel anschauen, denn es gibt ja neben der AHS auch noch andere Schulen: Es gibt noch die Neuen Mittelschulen, es gibt auch noch die Volksschulen, es gibt noch weitere Schulformen, die wir hier in Be­tracht ziehen müssen.

Deswegen bringen wir, ich und meine Kollegin Karin Greiner und weitere Kolleginnen und Kollegen, folgenden Antrag ein, mit dem wir nicht nur den Rüssel betrachten wol­len, sondern auch das Weitergehende:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Stephanie Cox, Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Studie zur Bedarfserhebung schulpsychologischer Leistungen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung und die Bundesminis­terin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz werden ersucht, in Ko­ope­ration mit den Bildungsdirektionen eine Studie durchzuführen, wie hoch der kon­krete Bedarf an schulpsychologischen Leistungen einschließlich des Bedarfs an Mobbingberatung ist und wie sich dieser Bedarf in den letzten Jahren entwickelte. Zudem sollen die Aufgaben der Schulpsychologie an allen Schultypen einer Analyse unterzogen und – beispielsweise von internationalen ‚Best-Practice-Beispielen‘ abge­lei­tete – gezielte Maßnahmen entwickelt werden, um die Bedarfsgerechtigkeit und Praxistauglichkeit weiter zu verbessern.“

*****

Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass wir auch die Bildungsdirektionen ins Boot holen müssen. Es ist ein Riesenanliegen von uns, dass der Bildungsminister sich nicht nur den AHS widmet, sondern dass er sagt: Okay, wir schauen weiter, wir arbeiten mit den Bildungsdirektionen zusammen, da das Thema viel zu wichtig ist.

Es geht um die Psyche der Kinder, es geht um die Gesundheit unserer Kinder und es geht darum, dass wir in den Schulformen der Zukunft auch zukunftstaugliche Maßnah­men treffen. Das bedeutet, dass wir die bestmöglichen Maßnahmen setzen und eine psychologische Betreuung, die die richtigen Werkzeuge, die Werkzeuge des Jah­res 2018 verwendet, ermöglichen.

Deswegen ist der erste Schritt die Evaluierung. Dabei geht es darum, sich Best-Practice-Beispiele anzuschauen. Es geht darum, zu schauen, wie man verschiedene


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Akteure bestmöglich in diese Modelle integrieren kann. Es geht darum, sich nicht nur wieder auf bestimmte Schulformen zu konzentrieren, sondern es holistisch zu sehen, um den ganzen Elefanten zu betrachten und das dann auch wirklich umzusetzen. – Danke schön. (Beifall bei Liste Pilz und SPÖ sowie der Abg. Griss.)

20.11

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Stephanie Cox, Karin Greiner, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Studie zur Bedarfserhebung schulpsychologischer Leistungen“

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 17.

Begründung

Die Gesellschaft ist einem ständigen Wandel unterworfen. Jugendliche sehen sich vor immer neuen Problemen und Herausforderungen. Allein durch die Digitalisierung wird die Jugend mit einer Informationsflut und einem unglaublichen Tempo konfrontiert. Ein guter Balanceakt zwischen digitalen und nicht-digitalen Medien und Welten ist wichtig, birgt aber auch Risiken. Eine negative Seite ist beispielsweise die Verlagerung auch von Konflikten und Gruppendynamiken zum Teil in die digitale Welt und es kommt zu Cybermobbing oder ähnlichem. Damit einhergehend muss sich – in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen der öffentlichen Hand – auch die Schule mit diesen neuen Herausforderungen auseinandersetzen. Dies beinhaltet unter anderem auch das Angebot von Hilfestellungen bei persönlichen Problemen von Schülerinnen und Schü­lern.

Angebote wie zum Beispiel der schulärztliche Dienst, Mobbingberatungsstellen oder auch die Schulpsychologie bestehen bereits. Um diese Angebote dem Bedarf anpas­sen zu können, ist eine umfassende Erhebung des konkreten Bedarfes an schul­psycho­logischen Betreuungen (bzw einer Mobbingberatung) zu erheben.

Außerdem wird eine Evaluierung bereits bestehender internationaler „Best-Practice-Modelle“ angeregt. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei darauf gelegt werden, wie alle schulischen Akteure bestmöglich in diese Modelle integriert werden können. Diese Ergebnisse könnten bei der Weiterentwicklung der Schulpsychologie in Österreich wertvolle Dienste leisten.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung und die Bundes­minis­terin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz werden ersucht, in Ko­operation mit den Bildungsdirektionen eine Studie durchzuführen, wie hoch der kon­krete Bedarf an schulpsychologischen Leistungen einschließlich des Bedarfs an Mob­bingberatung ist und wie sich dieser Bedarf in den letzten Jahren entwickelte. Zudem sollen die Aufgaben der Schulpsychologie an allen Schultypen einer Analyse unterzo­gen und – beispielsweise von internationalen „Best-Practice-Beispielen“ abgeleitete –


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gezielte Maßnahmen entwickelt werden, um die Bedarfsgerechtigkeit und Praxis­taug­lichkeit weiter zu verbessern."

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Auch dieser soeben verlesene Antrag wurde ord­nungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Fichtinger. – Bitte.


20.12.10

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Rechnungshof überprüfte, wie schon gesagt wurde, im Mai 2017 beim Bundesministerium für Bildung und beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen im Zuge einer Follow-up-Überprüfung dieser Ministerien – so wie sie damals noch benannt wurden – die Umsetzung von Empfehlungen, die der Rechnungshof bei einer vorangegangenen Gebarungsprüfung zur Thematik Gesundheit der Schüler, schulärztlicher Dienst und schulpsychologischer Dienst abgegeben hatte.

Insgesamt gab der Rechnungshof 20 Empfehlungen ab, wobei 17 das Bundesminis­terium für Bildung und drei das Bundesministerium für Gesundheit betrafen. Das Bun­desministerium für Bildung setzte neun der 17 Empfehlungen vollständig um, vier teil­weise und vier überhaupt nicht. Kollege Hauser hat es schon angemerkt: Das sind doch einige Punkte und eigentlich wurde nicht alles so erledigt, wie man es sich vielleicht wünschen würde.

Auf jeden Fall ist trotzdem positiv anzumerken, dass es die wichtige Überlegung und Weiterentwicklung gibt, dass in Zukunft eine Evaluierung des Aufgabenprofils für den schulpsychologischen Dienst durchgeführt und an aktuelle Anforderungen angepasst werden sollte.

Im Bereich des Ministeriums für Gesundheit und Frauen wurde eine gute Zusam­menarbeit zwischen den Ministerien festgestellt. Auch die Mittelverwendung für länger­fris­tige Projekte wurde nach der Empfehlung des Rechnungshofes umgesetzt. Einige zentrale Empfehlungen aber, welche beide Ministerien betreffen, wurden nicht umge­setzt. Der Rechnungshof empfahl daher dringend, diese Vorschläge zu prüfen.

Er stellte fest, dass eine Steigerung der Effizienz des schulärztlichen Dienstes dann stattfinden kann, wenn die strikte Trennung zwischen Schulgesundheitspflege und Ge­sundheitsvorsorge aufgehoben wird. Die dafür notwendige, aber zum Zeitpunkt der Prüfung noch nicht vorhandene Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen sollte erlassen werden, um der Empfehlung Folge leisten zu können.

Weiters merkte der Rechnungshofbericht auch an, dass der Verein Österreichisches Zentrum für psychologische Gesundheitsförderung im Schulbereich aufzulösen wäre. Die Vereinspsychologen und -psychologinnen sollten als Schulpsychologinnen und -psychologen in den Bundesdienst übernommen werden. Das Bundesministerium hat das mit der Begründung, dass Planstellen fehlten, nicht umgesetzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen, dass immer viel zu tun ist, immer zu schauen ist, dass es funktioniert. Die Gesundheit der Bevölkerung, vor allem die Gesundheit unserer Kinder ist uns aber ein großes Anliegen. Deshalb bin ich froh, dass wir alle die Gesundheit unserer Schülerinnen und Schüler in den Fokus rücken und natürlich immer wieder nach der bestmöglichen Lösung für alle Beteiligten suchen. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

20.16



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 224

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Frau Rechnungshofpräsi­den­tin Kraker. – Bitte, Frau Präsidentin.


20.16.19

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Die Prüfung der schulischen Tagesbetreuung analysierte die Entwicklung in einem Aufgabenfeld, das sich dynamisch entwickelt, und zwar sowohl auf Ebene des Bildungsministeriums als auch in zwei Ländern, nämlich in Salzburg und in der Stadt Wien.

Wir haben beschrieben, dass die Situation im Bereich der schulischen Tagesbetreuung komplex und unübersichtlich ist. Warum ist das so? – Weil eine Tagesbetreuung von der Aufgabe der Schule ursprünglich nicht erfasst war. Die Tagesbetreuung von Schü­lerinnen und Schülern ist von einer Vielzahl an gesetzlichen Regelungen, Akteuren und Organisationsformen geprägt.

Je nach Schultyp, sei es Bundesschule – in dem Fall haben wir AHS-Unterstufen geprüft – oder allgemeinbildende Pflichtschule, gibt es unterschiedliche Zuständigkei­ten in Bezug auf Schulerhaltung und Personal; einmal ist es Lehrpersonal, dann sind es Freizeitpädagogen und Erzieherinnen und Erzieher.

Bauliche Anforderungen, Gruppengrößen und Betreuungsbeiträge sind unterschiedlich geregelt. Die Ferienbetreuung ist grundsätzlich nur im Bereich der außerschulischen Tagesbetreuung, also bei den Horten, möglich.

In diesem Sinne glaube ich, dass man nicht umhinkommen wird, sich darüber Ge­danken zu machen, was alles zu einer Schule von heute gehört – am Vormittag, am Nachmittag, im Zeitalter der Digitalisierung, der Migration beziehungsweise Inklusion. Was davon ist Pädagogik und was Schulerhaltung? Erst wenn man diese Frage genau klärt, wird man wissen, wer die unterschiedlichen Aufgaben im Zusammenhang mit Schule sinnvollerweise wahrnehmen soll: Bund, Länder oder Gemeinden.

Wie sahen nun die Zielsetzungen in der schulischen Tagesbetreuung aus? – Es gab eine zweite Artikel-15a-Vereinbarung 2013, in der sich Bund und Länder zum Ziel gesetzt haben, die damals rund 119 000 Plätze in öffentlichen und privaten Schulen für die schulische Tagesbetreuung auf 200 000 Plätze bis zum Schuljahr 2018/19 auszu­weiten und eine Betreuungsdichte von 30 Prozent zu schaffen. Es gab zusätzlich 50 000 Hortplätze für die außerschulische Tagesbetreuung. Das entsprach in etwa der Bedarfsplanung. Hinzugerechnet wurden aber rund 19 000 Plätze der Mittagsbetreu­ung an den AHS-Unterstufen. Das war eben nur eine Beaufsichtigung und galt nicht als schulische Tagesbetreuung.

Grundsätzlich haben wir festgestellt, dass die Mittagsbetreuung sozusagen die Inan­spruchnahme der schulischen Tagesbetreuung insbesondere in AHS-Unterstufen und vor allem im Ballungszentrum untergraben hat. Es gab in der Stadt Wien eine Versor­gungsdichte von rund einem Drittel; in Salzburg war es weniger, da gab es einen Nachholbedarf, aber es gab eine Steigerungsrate von rund 49 Prozent – das liegt über dem österreichischen Durchschnitt.

Wir haben von den Zweckzuschüssen, die geleistet wurden, gesprochen: Es waren 654 Millionen Euro, die vorgesehen waren. Es gab eine sehr starke bundespolitische Forcierung dieser schulischen Tagesbetreuung; der Bund ist nur für die AHS-Unter­stufen zuständig, die Länder und auch die Gemeinden sind für die restlichen Pflicht­schulen zuständig, und deshalb übernimmt der Bund da die Anschubfinanzierung.

Es gab in der Artikel-15a-Vereinbarung keine Regelung für nicht verbrauchte Mittel, und unsere Empfehlung war, den Ländern Mittel nur bei Verbrauch zur Verfügung zu


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stellen. Mit dem Bildungsinvestitionsgesetz gab es eine Änderung, sodass 15a-Verein­barungen nicht mehr notwendig sind.

Es wurde schon besprochen, dass es unterschiedliche Bemessungsbeiträge hinsicht­lich der Tarife, der Elternbeiträge vor allem im Betreuungsbereich gibt; in Salzburg waren es im Pflichtschulbereich 137,80 Euro, das ist um 40 Prozent weniger als im Hort in der Stadt Wien.

Wir sind in der ersten Ferienwoche und es geht immer auch um die Ferienbetreuung der Schülerinnen und Schüler, aber weil das nicht in den Bereich Schule fällt, fällt das auch nicht unter schulische Tagesbetreuung. Im AHS-Bereich gab es kein ersatz­weises Betreuungsangebot, und es hängt grundsätzlich von den Schulerhaltern ab, ob sie bereit sind, eine Ferienbetreuung anzubieten.

Im Bildungsministerium gab es Wirkungsziele, und die Maßnahme des Ausbaus der schulischen Tagesbetreuung wurde auch als ein Beitrag zur Erhöhung des Bildungs­niveaus und zur Verbesserung der Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit definiert, aber dazu gab es keine empirisch gesicherten Bestätigungen. Es ist ein Faktum, dass SchülerInnen und Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Gruppen die Angebote weniger in Anspruch genommen haben.

Beim schulärztlichen Dienst fehlt noch die Verordnung, dass Schulärzte weitere Tätig­keiten übernehmen können. Was die Schulpsychologie betrifft, gehe ich eigentlich davon aus, dass Schulpsychologie Bundesangelegenheit ist und Sozialarbeit Landes­sache. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

20.22


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Greiner. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.22.18

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Liebe Kollegen der Regierungsparteien! Offensichtlich ignorieren Sie den Bedarf an schulpsychologischen Leistungen. Wenn wir schon im Ausschuss dieses brisante Thema diskutieren und klar ist – nämlich nicht erst seit gestern, sondern seit vielen Jahren –, wie hoch der Bedarf an schulpsycho­logischen Interventionen ist, dann fände ich es nur anständig, wenn Sie einen der­artigen Antrag, wie wir ihn gestellt haben, unterstützen würden. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Krisper.)

Warum ist das so wichtig? – Wir wissen aus Erfahrung, dass es bereits vor Jahren zu wenig war. Bevor Sie übernommen haben, hätten es noch mehr Psychologen sein können. Und was machen Sie? – Sie kommen und setzen den Sparstift rigoros und radikal an. Es fehlen 85 Sozialarbeiter, es fehlen 80 Personen aus dem mobilen Dienst – da waren die Psychologen dabei –, und die Maßnahmen für das Integrations­jahr werden um die Hälfte gekürzt. – Na bravo!, kann ich dazu nur sagen. Wie soll das dann an den Schulen funktionieren?

Unser Vorschlag war: Nehmen wir doch die Bildungsdirektionen mit in den Ent­schließungs­antrag hinein, denn gerade in den Pflichtschulen – wir wissen es – besteht dieser Bedarf an schulpsychologischen Leistungen. Es ist bedauerlich, dass Sie das nicht anerkennen. Es tut mir leid, dass Sie diesen Antrag nicht unterstützen, Sie regieren an der Praxis vorbei! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Griss und Bißmann.)

20.23

20.23.43


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.


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Wünscht einer der Herren Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 16: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht III-79 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 17: Antrag des Rech­nungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-113 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die ihn zur Kenntnis nehmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Gahr, Zanger, Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erhebung des Bedarfes an schulpsychologischen Interventionen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Angenommen. (E 24)

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Cox, Greiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Studie zur Bedarfserhebung schul­psychologischer Leistungen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

20.25.2718. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend EU-Finanzbericht 2015 – Reihe BUND 2017/49 (III-49/215 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Verkehrsdiensteverträge – Schiene – Reihe BUND 2017/50 (III-50/216 d.B.)

20. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Katastrophenhilfe in Niederösterreich, Salzburg und Tirol – Reihe BUND 2017/53 (III-53/217 d.B.)

21. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Forschung an der FH JOANNEUM Gesellschaft mbH und der Fach­hochschule Kärnten – gemeinnützige Privatstiftung – Reihe BUND 2017/55 (III-57/218 d.B.)


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22. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend EU-Mittel unter dem Gesichtspunkt der Wirkungsorientierung – Reihe BUND 2017/56 (III-58/219 d.B.)

23. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Österreich Institut G.m.b.H. – Reihe BUND 2017/57 (III-59/220 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir kommen nun zu den Punkten 18 bis 23 der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Singer. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.25.42

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rech­nungs­hofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Frau Präsidentin des Rech­nungshofes hat es bereits angekündigt, wir beschäftigen uns heute mit sehr vielen Berichten, einer davon befasst sich mit den Verkehrsdiensteverträgen auf der Schiene.

Warum Verkehrsdiensteverträge? – Der Bund und die Länder bestellen Zugkilometer über Verkehrsdiensteverträge, weil die erbrachten Leistungen nicht über Tarifeinnah­men gedeckt sind und nur durch öffentliche Mitfinanzierung wirtschaftlich erbracht wer­den können. Kurz gesagt, für Verkehrsdiensteverträge werden Strecken, die durch die Entgelte der Fahrgäste nicht kostendeckend geführt werden können, subventioniert. Nur um eine Größenordnung zu haben: Für das Jahr 2014 ermittelte der Rechnungs­hof 91,8 Millionen bestellte Zugkilometer mit einem Volumen von 870 Millionen Euro.

Was waren nun die Kritikpunkte des Rechnungshofes? – Bund und Länder bauten für die Vergabe und Abwicklung der Verkehrsdiensteverträge parallele Strukturen auf. Das heißt, durch unterschiedliche Gebietskörperschaften bestellte Züge verkehrten auf denselben Strecken zu unterschiedlichen Zeiten. Über gemeinsame und zentrale Abwicklungsstellen wären Synergien zu nutzen, meinte der Rechnungshof.

Auch ein Interessenkonflikt wurde aufgezeigt: Bund und Länder haben als Besteller klarerweise Interesse daran, die Leistungen möglichst günstig einzukaufen. Als Eigen­tümer der wesentlichen Eisenbahnunternehmungen haben sie aber auch Interesse daran, dass diese ohne Verluste geführt werden. Dieses Spannungsverhältnis hatte zur Folge, dass die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs sowie die wirtschaftliche Lage der Eisenbahnunternehmungen nicht transparent waren.

Als weiterer Punkt wurde aufgezeigt, dass das Bundesministerium für Verkehr, Inno­vation und Technologie bei der Bestellung der Schienen-Personen-Verkehrsleistungen bei den ÖBB das im Bundesvoranschlag vorgesehene Budget jährlich um durchschnitt­lich rund 27 Millionen Euro oder 4,7 Prozent überschritt. Der Rechnungshof mahnt, im Sinne der Budgetgrundsätze der Vollständigkeit und Wahrheit, sämtliche im folgenden Finanzjahr zu erwartenden Mittelverwendungen in den Bundesvoranschlag aufzuneh­men.

Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht bei dieser Thematik um sehr, sehr viel Geld, um Geld des Steuerzahlers. Das System Bahn ist ein wesentlicher Bestandteil des öffentlichen Verkehrs in unserem Land, und das ist auch gut so. Wir müssen aber, so wie in allen Bereichen, auch darauf achten, dass möglichst effizient mit Steuergeld


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umgegangen wird. Daher ist den Vorschlägen des Rechnungshofes von allen geprüf­ten Stellen besonderes Augenmerk zu schenken. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

20.29


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Knes. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.29.11

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Rechnungshofpräsi­dentin! Die Frau Rechnungshofpräsidentin hat es schon angesprochen, wir haben heute sehr, sehr viele Rechnungshofberichte zu debattieren, und deshalb gilt mein Dank jetzt unisono allen Fraktionen für die effiziente Abarbeitung in der Aus­schuss­sitzung, denn nur so ist es möglich, diese Berichte in die Nationalratssitzung zu bringen.

Mein besonderer Dank aber gilt der Vorsitzführenden – sie ist jetzt leider nicht im Raum – Irmgard Griss. Aus meiner Sicht hat sie den Vorsitz wirklich toll geführt, immer effizient, immer sehr loyal zu allen Personen, deshalb einen herzlichen Applaus auch für unsere Vorsitzende! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Strasser.)

Wir haben natürlich auch das Fachhochschulsegment geprüft, und zwar die FH Joan­neum in der Steiermark und die FH Kärnten. Ich möchte nun auf beide kurz Bezug nehmen.

Die Fachhochschule Kärnten hat sich sehr gut entwickelt, auch laut Rechnungs­hofbericht. Die Schwerpunkte wurden von 33 auf 22 reduziert. Das Ziel ist zwar noch nicht ganz erreicht, aber wir sind dabei, die Schwerpunkte noch weiter zu reduzieren, wenngleich ich auch zugeben muss, dass es natürlich aufgrund der geografischen Lage zwischen der Steiermark und Kärnten irrsinnig schwierig ist, weil wir fast die gleichen volkswirtschaftlichen Parameter haben. Es zeigt sich aber beim nächsten Beispiel, das aufzeigt, welche Kooperationen wir zusammengebracht haben, dass es in Kärnten trotzdem positiv läuft.

Kärnten hat auch eines gezeigt, nämlich dass wir mit 47 Prozent an Kooperationen mit der Wirtschaft gearbeitet haben und dass die Strategieziele bis 2022 mit rund 500 000 Euro gefördert werden – danke auch dafür. Wo wir aber hinterherhinken – und das ist auch kein Geheimnis –, ist im Bereich Technik. Da haben wir unsere Strate­gieziele leider nicht ganz erreicht, wir liegen knapp unter den Zielerwartungen, was aber natürlich auch an der Infrastruktur von Kärnten liegt. Ich sage einmal, der Standort ist nicht ganz unumstritten und nicht so attraktiv, weil er für Studierende nicht so attraktiv gestaltet ist. Letztendlich hat Kärnten aber auch da vorgesorgt: Es gibt ab dem Wintersemester eine neue Studienrichtung in der Technik, nämlich Informations­technologien.

Die Kooperation mit Joanneum und FH Kärnten muss auch kurz angesprochen wer­den. Da gibt es den Cluster Silicon Austria, und für diesen brauchen wir natürlich – und das ist vom Rechnungshof auch dankenswerterweise bestätigt worden – auch die Unterstützung vom Bund. An diesem Beispiel sieht man, wie Kooperationen laufen können; aber noch einmal: Wir brauchen da kräftige Unterstützung auch seitens des Bundes, und ich bitte alle Abgeordneten, ihren Beitrag dazu zu leisten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kainz. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 229

20.32.00

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungs­hofpräsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Naturkatastrophen werden, wie Aufzeichnungen über zahl­reiche Ereignisse der letzten Jahre belegen, eine immer größere Bedrohung für die Menschheit – ob Stürme, Hochwasser, Schnee, Hagel, Hitzewellen oder Erdbeben. Präventivmaßnahmen werden immer wichtiger. Die österreichische Bevölkerung muss sich in den kommenden Jahren auf immer häufiger auftretende, nicht vorhersehbare Extremwetterereignisse einstellen. Daher gewinnt auch die Katastrophenhilfe immer mehr an Bedeutung.

Meine Damen und Herren! Der Rechnungshof überprüfte im April die Gebarung des Bundesministeriums für Finanzen und der Länder Niederösterreich, Salzburg und Tirol im Zusammenhang mit der Katastrophenhilfe. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2011 bis 2015. Hierbei wurde festgestellt, dass die von den Ländern im Katastrophenfall ausgezahlten Beihilfen höchst unterschiedlich ausfielen. In Niederösterreich betrug die Beihilfe im Durchschnitt 24 Prozent der anerkannten Schadenshöhe. In Tirol gelangten im Durchschnitt 37 Prozent und in Salzburg sogar im Durchschnitt 61 Prozent der anerkannten Schadenshöhe zur Auszahlung. In Zukunft soll die Katastrophenhilfe aber so geregelt werden, dass eine gleiche Behandlung vergleichbarer Schadensereignisse sichergestellt werden kann. Dies gewährleistet, dass unsere Bürgerinnen und Bürger bei solch schweren Katastrophen gleichermaßen unterstützt werden.

Meine Damen und Herren! An dieser Stelle möchte ich mich bei allen beruflichen und freiwilligen Einrichtungen sowie auch bei unserem österreichischen Bundesheer bedanken. Ihr alle leistet großartige Hilfe im Katastrophenfall. Besonders möchte ich die gute Arbeit unseres Landesverteidigungsministers Mario Kunasek hervorheben, denn dank ihm wird es in Zukunft möglich sein, dass das Bundesheer bei regionalen Katastrophen noch rascher zur Hilfe schreiten kann. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Somit kann sich unsere Bevölkerung im Katastrophenfall auf unser Bundesheer verlassen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Jarolim: Die Rede hat der Kollege Lausch schon einmal gehalten! – Abg. Lausch: Du irrst dich!)

20.34


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hörl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.35.02

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Ich darf heute zu zwei Prüfberichten Stellung nehmen, einmal zum Bericht Verkehrsdiensteverträge Schiene und einmal zum Bericht Katastrophenhilfe. Dabei wurden die Länder Niederösterreich, Salzburg und Tirol geprüft.

Eine Ergänzung zum Kollegen Singer: Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass die­se Verkehrsdiensteverträge natürlich dazu führen, durch die Zweiteilung Schig/BMVIT auf der einen Seite und beispielsweise in Tirol VVT auf der anderen Seite, dass den Unternehmungen eigentlich der Unternehmenszweck genommen wird. Die Einnahmen gehen an diese Institutionen. Die Unternehmen haben eigentlich nur noch das Kosten­management zu machen. Ich denke, man sollte darüber nachdenken, das etwas zu­sam­menzuführen, zumal es einen interessanten Fall gibt.

Es gibt ja mehrere Verkehrsminister a. D. hier im Raum. Wir haben dieses System mit der Schig, und da gibt es eine Vergabe an die Österreichischen Bundesbahnen. Da


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wurde von der Schig vorgeschlagen: Reduktion der Umlaufkosten von 10 Prozent und beim Zugbetrieb, also der Produktion, von 20 Prozent. Tatsächlich wurde dem Unter­nehmen natürlich der Auftrag in der Höhe erteilt, wie es vorgeschlagen wurde.

Herr Minister Stöger a. D.! Ich glaube, da haben Sie eine Komfortzone für die ÖBB ein­ge­richtet. Ich gratuliere Ihnen dazu, und ich danke dem Rechnungshof, dass das auf­gezeigt werden konnte. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Was die Katastrophenhilfe betrifft: Der Bund ist zuständig für die Füllung des Katastro­phenfonds. In den drei geprüften Ländern Niederösterreich, Salzburg und Tirol wurden im Prüfzeitraum 126 Millionen Euro bezahlt. Der Bund stellt das Geld zur Verfügung. Die Länder definieren, was eine Katastrophe ist. Die Festlegung der Schadenshöhe und der Höhe der Beihilfesätze obliegt auch den Ländern. Es gibt, wie auch schon gesagt wurde, unterschiedliche Abrechnungen. So werden in Tirol und in Salzburg 50 Prozent des mit Originalrechnung belegten Schadens übernommen. Ich glaube, das ist sehr korrekt. In Salzburg ist der Einfluss einer bestimmten Berufsgruppe außer­ordentlich groß, sodass es da zu einer gewissen Bevorzugung kommt. In Nieder­österreich geht man einen anderen Weg: Dort werden 20 Prozent der geschätzten Kosten bezahlt. Man mag das kritisieren, als ungerecht empfinden, aber die in Not geratenen Menschen sind zufrieden. Ihnen wird schnell geholfen, und das, glaube ich, ist das Wichtigste. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.37


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Gerstner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


20.37.42

Abgeordneter Peter Gerstner (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Vor lauter Präsidentinnen kommt man ganz durcheinander. Werte Kollegen und Kolleginnen! Auf der Galerie gibt es niemanden mehr. Sehr geehrte Abgeordnete! (Abg. Kuntzl: Jetzt ist Ihre Redezeit bald vorbei! Schneller reden!) – Danke schön.

Der Rechnungshof ist eine sehr wichtige Institution, schaut doch der Rechnungshof darauf, dass die Steuergelder und die Fördermittel im Sinne der Förderungsziele ent­sprechend eingesetzt werden, effizient eingesetzt werden. Ich möchte einen Bericht ein bisschen näher beleuchten, und zwar geht es da um die EU-Mittel unter dem Gesichts­punkt der Wirkungsorientierung, um die Förderung der Strukturpolitik in der EU.

Als Kurzfassung des Berichtes kann man sagen: Zu viele Abwickler, zu viele Insti­tutionen sind damit beschäftigt und es gibt zu wenig Kommunikation, zu wenig Effek­tivität. Der EU-Finanzrahmen 2014 bis 2020 für die Förderung der Umsetzung der Struk­turpolitik in der EU hat ein Volumen von 371 Milliarden Euro; diese stehen dafür zur Verfügung. Wir in Österreich erhalten in diesem Zeitraum ein bisschen mehr als 1,2 Milliarden Euro.

Aus Sicht des Rechnungshofes erhöht die Vielzahl der Ziele gemeinsam mit der Anzahl der bei der Förderabwicklung involvierten Stellen den Aufwand für die Pro­grammabwicklung. So steht es im Rechnungshofbericht drinnen, das heißt so viel wie: Es sind zu viele Leute damit beschäftigt und es gibt auch zu viele Ziele. Von 2007 bis 2013 waren immerhin 37 Institutionen damit beschäftigt, diese Fördermittel zu ver­teilen. Weiters gab es noch 16 andere Behörden, die damit beschäftigt waren.

Mittlerweile sind es nur mehr 16 Abwickler, wie es im Rechnungshofbericht so schön heißt, aber auch das ist dem Rechnungshof noch etwas zu viel, zumal die Förder­abwickler zu wenig miteinander kommunizieren. Auch das ist in diesem Bericht eindeu-


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tig festgehalten. Das Ergebnis lautet natürlich: zu wenig Effektivität. Das ist völlig klar, wenn 16 Behörden damit beschäftigt sind, das Geld aufzuteilen. Ich glaube, es leuchtet jedem ein, dass das nicht sehr effektiv sein kann – ähnlich wie bei unseren Sozial­versicherungen, von denen es auch etwas zu viele gibt.

Die Empfehlung des Rechnungshofes an das Bundeskanzleramt in seiner Rolle als Gesamtkoordinator für die EU-Strukturfonds in Österreich wäre, für die nächste Pro­grammperiode bei der Europäischen Kommission auf eine den verfügbaren Programm­mitteln angemessene Konzentration von Zielen hinzuwirken. Das heißt, wir sollten weniger Ziele aussuchen und diese dafür wirklich effektiv fördern. Bei der Berechnung der finanziellen Auswirkungen von Vorhaben im Rahmen von wirkungsorientierten Fol­ge­abschätzungen wäre der Aufwand hinsichtlich der involvierten Gebietskörper­schaf­ten vollständig darzustellen.

Etliche solche Schlussempfehlungen gibt uns der Rechnungshof, und ich bin überzeugt davon, dass die neue Regierung auch diese Punkte angehen wird.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch zwei Sätze sagen. Ein Satz zu der morgigen Debatte: Wir Abgeordneten von der Regierungskoalition werden über den Sommer Zeit haben, die Bevölkerung darüber aufzuklären, was der Unter­schied zwischen Flexibilisierung und Verlängerung ist, denn eine Arbeitszeitflexi­bilisie­rung ist nicht mit einer Arbeitszeitverlängerung gleichzusetzen. Dass der ÖGB den Arbeitern und Angestellten das Gegenteil mitteilt, das habe ich auf Video festgehalten zugespielt bekommen. Ich finde, es ist unredlich, wenn man den Leuten einredet, sie müssten ab sofort 60 Stunden arbeiten, weil es einfach nicht stimmt. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich freue mich schon auf die nächste Diskussion, wenn wir über die Richtigkeit und die Wichtigkeit der Polizeipferde sprechen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Wittmann: Jetzt sind aber die Pferde mit dir durch­gegangen! – Heiterkeit bei der SPÖ.)

20.42


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Rädler. – Bitte, Herr Abgeordneter.


20.42.51

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Frau Präsident des Nationalrates! Frau Prä­sident des Rechnungshofes! Werte Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen, aber im Besonderen lieber Freund, Bürgermeister, Abgeordneter Preiner! Ich habe gehört, du hättest gesagt, ich wäre heute nicht da, weil es keine Zwischenrufe gegeben hat. Ich bin hier; aber ein persönlicher Rat an den Bürgermeisterkollegen und Freund Preiner: Du bist heute noch auf der Rednerliste. (Abg. Schieder: Da haben Sie schlecht nach­geschaut!) Ich würde dich wirklich freundschaftlich ersuchen: Zieh deine Wortmeldung zurück, denn du kommst in der 12. Arbeitsstunde zum Reden, und das, glaube ich, kommt im Burgenland nicht gut an. Wie du das dann erklären wirst, weiß ich nicht. – Das war nur ein freundschaftlicher Rat, aber nun zum Thema. (Abg. Schieder: Geh, könnten Sie sich den Kragen richten?) – Den Kragen richten? Gut, mache ich gerne für Sie. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Kollege Cap hat immer einen anderen Wiener Schmäh gehabt, nämlich den mit der Krawatte. Der war auch sehr gut; aber gut, ich sage jetzt nichts zur Kleiderordnung, denn sonst müsste ich Kollegen Wittmann ansprechen. (Abg. Schieder: Was hat der eigentlich an?) – Ja, etwas Besonderes. (Abg. Wittmann lüftet sein Sakko und zeigt sein rotes T-Shirt mit der Aufschrift „Antibasti“. – Beifall und Bravorufe bei SPÖ und NEOS.)


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Jetzt aber wirklich zum Thema, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Laut der Bundes­ver­fassung sind die Länder für die Katastrophenschutzeinrichtungen und für die Katastro­phenhilfe zuständig, und im Besonderen – das weiß natürlich ich als Bürgermeister – sind es die Gemeinden, die für die Erhebung dieser Katastrophenschäden verant­wortlich sind. Und wenn alljährlich durch die Einnahmen des Bundes, das muss man auch dazusagen, nämlich durch die Lohnsteuer, durch die Kapitalertragsteuer, durch die Einkommensteuer, Mittel für den Katastrophenschutz aufgebracht werden – 423 Mil­lionen Euro waren es im Vorjahr; davon haben wir noch 30 Millionen Euro als Rücklage –, dann ist die Verwendung dieser Mittel natürlich vom Rechnungshof zu kontrollieren. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Unabhängig davon darf ich aus Niederösterreich berichten, dass wir mehr als 950 Mil­lionen Euro – das ist heute von der Kollegin Bißmann schon angesprochen worden, nämlich im Zusammenhang mit dem Klimawandel – für einen der wesent­lichen Punkte einer vorausschauenden Politik auf Länderebene ausgegeben haben, nämlich dafür, Hochwasserschutzeinrichtungen zu bauen. Niederösterreich hat dafür in den letzten 15 Jahren bereits rund 1 Milliarde Euro ausgegeben.

Zum Einschaubericht des Rechnungshofes: Darin wurde speziell für Niederösterreich angemerkt, dass die Pauschalierung, die in Niederösterreich bei der Vergabe der För­derungsmittel angewendet wird, zu bemängeln ist. Letztendlich wurde aber die Stellungnahme des Landes Niederösterreich, dass beim Hochwasserschutz, bei dem es nach Metern, Quadratmetern, die betroffen sind, nach Höhe des Kellers geht, diese Pauschalierung gerechtfertigt ist, vom Rechnungshof so zur Kenntnis genommen.

Das Zweite, das empfohlen wurde, war, dass man die bei Härtefällen in Nieder­österreich geltenden Regelungen veröffentlichen sollte. Das wurde auf der Homepage des Landes bereits umgesetzt. Somit wurde dem Einschaubericht des Rechnungs­hofes entsprochen.

Als Wahlkreisabgeordneter für Wiener Neustadt und Neunkirchen möchte ich noch eine Anmerkung anbringen: Ich möchte mich bei den Einsatzkräften, aber nicht nur bei den Einsatzkräften, sondern auch bei den vielen Freiwilligen in meinem Wahlkreis, der in den letzten Wochen von der Hochwasserkatastrophe, von Überflutungen betroffen war, bedanken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

20.47


20.47.33Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen daher zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 18: Antrag des Rech­nungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-49 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich darf jene Damen und Herren, die die Zustimmung geben, um ein Zeichen dieser Zustimmung bitten. – Das ist einstimmig angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 19: Antrag des Rech­nungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-50 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte die Damen und Herren um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls einstimmig angenommen.


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Abstimmung über Tagesordnungspunkt 20: Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-53 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen. – Gleiches Stimmverhalten, ist ebenfalls angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 21: Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-57 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen. – Ebenso einstimmig angenommen.

Ferner kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 22: Antrag des Rech­nungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-58 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen. – Ebenso einstimmige Annahme.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 23: Antrag des Rechnungshofausschusses betreffend III-59 der Beilagen. – Gleiches Stimmverhalten, ebenfalls angenommen.

20.48.52 24. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend System der Erhebung der Verbrauchsteuern sowie Aus- und Weiterbildung im BMF – Reihe Bund 2016/15 (III-10/238 d.B.)

25. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Monopolverwaltung GmbH – Reihe BUND 2017/15 (III-21/239 d.B.)

26. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Solidaritäts- und Strukturfonds bei der Monopolverwaltung GmbH – Reihe BUND 2017/16 (III-22/240 d.B.)

27. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes be­treffend Transparenzdatenbank – Kosten und Nutzen, Ziele und Zielerreichung – Reihe Bund 2017/45 (III-45/241 d.B.)

28. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Genderaspekte im Einkommensteuerrecht mit dem Schwerpunkt Lohnsteuer – Reihe BUND 2017/52 (III-52/242 d.B.)

29. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Standorte der allgemein bildenden Pflichtschulen in Tirol und Vorarlberg – Reihe BUND 2018/1 (III-78/243 d.B.)


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30. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Insolvenz-Entgelt-Fonds und IEF-Service GmbH; Follow-up-Überprü­fung – Reihe BUND 2018/5 (III-83/244 d.B.)

31. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Gendergesundheit in Österreich; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/7 (III-85/245 d.B.)

32. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Stadt Salzburg – Meldeverpflichtung gemäß Parteiengesetz 2012 – Reihe BUND 2018/9 (III-88/246 d.B.)

33. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes be­treffend Land Oberösterreich – Meldeverpflichtung gemäß Parteienge­setz 2012 – Reihe BUND 2018/10 (III-89/247 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu den Punkten 24 bis 33 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hermann Gahr. Ich darf ihm das Wort erteilen.


20.49.19

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Präsident des Rechnungs­hofes! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Im Jahre 2010 wurde eine Transparenzdatenbank in Österreich eingerichtet. Sie sollte Doppelförderungen erken­nen und bewirken, dass Steuergeld treffsicher eingesetzt wird.

Insgesamt hat diese Rechnungshofüberprüfung, die in der Zeit von April 2016 bis Juli 2016 durchgeführt wurde, die Jahre 2010 bis 2016 bewertet und hat dabei den potenziellen Nutzen hinsichtlich der Transparenzdatenbank zwecks Transparenz­steuerungs­funktion und Verhinderung von Fördermissbrauch beleuchtet.

Es ging im Wesentlichen darum, dass Bund, Länder und Gemeinden davon betroffen sind und es da durchaus einen sogenannten Förderungsdschungel gegeben hat, der vom Rechnungshof festgestellt wurde. Insgesamt gab es 22 Empfehlungen, die der Rechnungshof in Bezug auf diese sechs Jahre ausgesprochen hat; in dieser Zeit sind Kosten von 13,6 Millionen Euro entstanden. Insgesamt lag das Problem wohl darin, dass die Kompetenz für die Transparenzdatenbank sowohl beim Bund als auch bei den Ländern lag. Auch die mangelnde Anwenderfreundlichkeit wurde vom Rech­nungshof kritisiert.

Bis 2016 wurden in die Transparenzdatenbank 2 426 Leistungsangebote eingebracht und öffentlich einsehbar gemacht, und es gab Zahlungen von insgesamt 208 Milliar-


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den Euro. Laut Rechnungshof wurde mit der Transparenzdatenbank ein kompliziertes Instrument geschaffen. Die Ziele dieser Transparenzdatenbank konnten nicht erreicht werden.

Insgesamt kann man drei große Punkte herausnehmen: Es geht darum, dass man die Potenziale dieser, wie ich meine, durchaus sinnvollen und auch für den Staat sehr vorteilhaften Einrichtung ausschöpfen sollte. Es geht darum, dass man Länderleis­tungen und Gemeindeleistungen in gleicher Weise wie Bundesleistungen erfassen kann. Es geht darum, dass man Gemeindeverbände und Kammern in gleicher Weise in die Leistungen einbeziehen kann, um eine durchgehende Kontrolle sicherzustellen. Es geht auch darum, dass der Zugriff verbessert wird, was die Förderungsabwicklung betrifft.

Es ist also insgesamt ein durchaus kritischer Bericht, aber es gibt auch eine erfreuliche Mitteilung: Im Tätigkeitsbericht 2017 des Rechnungshofes wurde erwähnt, dass die Transparenzdatenbank in Österreich nunmehr verstärkt und besser angenommen wird. Da gibt es jetzt also Entwicklungen, die durchaus erfreulich sind. Die Länder haben sich bereit erklärt, ihre Daten einzuspeisen. Vorreiter ist das Bundesland Oberöster­reich, aber auch Niederösterreich hat mittlerweile zugesagt, dass es die Daten über seine Förderungen zur Verfügung stellen wird.

Eine Ebene, welche durchaus sehr kritisch gesehen wird, ist die Gemeindeebene. Der Gemeindeverband hat seine Bedenken geäußert, weil es auch darum geht, inwieweit, ab welcher Größe und welcher Höhe man Förderungen überhaupt einbringen sollte.

Zusammenfassend darf man sagen: Dieser Rechnungshofbericht ist ein klarer Auftrag, diesbezüglich mehr Transparenz und Einsicht zu gewähren. Der Rechnungshof hat angekündigt, dass er auch eine Follow-up-Überprüfung machen wird und die weitere Entwicklung feststellen wird. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Höbart.)

20.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Karin Greiner zu Wort. – Bitte.


20.53.25

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Rechnungshofprä­si­dentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beziehe mich auf den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Genderaspekte im Einkommensteuerrecht. Das ist ein sehr aufschlussreicher Bericht. Was zeigt er? – Der Bericht zeigt, dass zwar generell ein Gleichstellungsziel formuliert ist, dass man aber von der Umsetzung noch meilenweit entfernt ist.

Was wurde beleuchtet? – Die Einkommen, vor allem die Unterschiede zwischen Frauen- und Männereinkommen, und die Erwerbsquote bei den Frauen. Fazit: Wir haben zu wenige Frauen in Vollbeschäftigung, auch wenn wir eine sehr hohe Quote bei den Teilzeitbeschäftigungen haben. Weiters ist der Gender Pay Gap, also der Unterschied zwischen dem Verdienst von Männern und jenem von Frauen, extrem groß.

Diese Probleme sind nicht neu, sie haben eine Historie. Schauen wir zurück zu Finanz­minister Grasser, das ist dann über einige Nachfolger bis Schelling weitergegangen, jetzt ist Finanzminister Löger verantwortlich: Es war immer klar und evident, dass seitens des BMF, seitens des Finanzministeriums, zu wenig unternommen wird, um diesem Gleichstellungsziel näherzukommen.

Der Rechnungshof kritisiert sehr fundiert eine fehlende Gesamtstrategie. Was würde man dazu brauchen? – Da würde man die Kooperation zwischen allen Ressorts brauchen,


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da würde man auch Gebietskörperschaften übergreifende Kooperation brauchen. Wen braucht man noch? – Sozialversicherungen, Hauptverband et cetera.

Welche Kritik äußert der Rechnungshof noch? – Er sagt, dass Maßnahmen seitens des BMF die Erreichung des Gleichstellungsziels sogar konterkarieren. Was heißt das? – Schauen wir uns den Familienbonus an! Wir haben heute schon darüber diskutiert: Jedes Kind ist gleich viel wert? Von wegen! Einmal 250 Euro und einmal 1 500 Euro. Was ist daran gerecht? (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Bißmann. – Abg. Höbart: ... Sozialisten, die das hinterlassen haben! Jahrelang in der Regierung ...!)

Wir haben, wie schon erwähnt, eine hohe Teilzeitbeschäftigungsquote bei Frauen. Was braucht es, um das zu ändern? – Da braucht es Kinderbetreuungsplätze. Da braucht es vor allem ein Angebot, das man auch annehmen kann. (Abg. Höbart: ... alles ver­nach­lässigt!) Wir hören, es fehlen 50 Millionen Euro. Diese sind nicht budgetiert, die Familienministerin sucht sie. Ja, wo sucht sie sie? Noch hat sie sie nicht gefunden. Sie spricht mit den Ländern. Was ist mit den Gesprächen? Laufen die, gibt es ein Ergeb­nis, sind die 50 Millionen Euro da? – Offensichtlich nicht!

Diese und weitere Fragen, sehr geehrte Damen und Herren, hätten wir im Rechnungs­hofausschuss vergangene Woche sehr gerne beantwortet gehabt. Das war aber leider nicht möglich. Warum? – Weil der Herr Finanzminister, dessen Ressort von diesem Bericht betroffen ist, nicht anwesend war. Am Anfang war man sich nicht sicher: Kommt er? Kommt er nicht? Wo ist er? Warum ist er nicht da? Es hat 1 Stunde und 40 Minuten gedauert, bis es einmal eine Begründung gegeben hat, warum der Herr Finanzminister im Ausschuss nicht da ist, obwohl dieser Termin seit Monaten fixiert und zugesagt war.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn sich ein Finanzminister, dessen Ressort in diesem Bereich Maßnahmen setzen sollte, nicht einmal der parlamentarischen Diskus­sion stellt, dann ist das wahrlich ein Armutszeugnis. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Zanger. – Bitte.


20.56.50

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Frau Präsident des Rech­nungshofes! Ich erspare mir ein Eingehen auf die Vorrednerin, das bringt heute nichts mehr. (Abg. Heinisch-Hosek: Na, na, na! Ersparen Sie sich uns!) – Ja, Sie haben es halt nicht verstanden. Wir wollen jene entlasten, die Steuern zahlen. Bitte kapieren Sie das endlich! Es wird schwer werden, ich weiß – aber das ist sinnlos. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Plessl.)

Die Transparenzdatenbank wäre an und für sich ein wirklich vernünftiges und ge­scheites Instrument, um den Förderdschungel in Österreich zu bereinigen. Der Bund befüllt seit 2013 diese Datenbank, indem er die Förderungsauszahlungen dort rei­nstellt. Die Länder befinden sich, wie schon gesagt, seit 2017 in einer Art Pilotprojekt, das auch noch analysiert wird. Die Ergebnisse werden, soweit ich weiß, über den Sommer vorliegen. Diese Auskunft hat uns der Herr Staatssekretär gegeben. Es wird natürlich an den Ländern liegen, diese Datenbank zu befüllen, damit man einmal wirklich sieht, in welche Kanäle das Steuergeld läuft.

Ein wichtiger Punkt sind die Gemeinden, die ja sehr unterschiedlich und in unter­schiedlichen Höhen zusätzliche Förderungen ausschütten. Da kommt es eben wirklich zu Fällen, in denen Zwei- bis Dreifachförderungen gewährt werden. Gerade angesichts der Finanzlage, nicht nur der Gemeinden, sondern auch der Länder wäre es wichtig,


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dieses Steuergeld effizient zu steuern und nicht nach dem Gießkannenprinzip über die Bevölkerung auszuschütten.

Ich nehme das Beispiel Steiermark her: Das Bundesland Steiermark hat rund 5 Milliar­den Euro Schulden. Das hat sich in den letzten zehn Jahren verzehnfacht. Damals, vor zehn Jahren, war noch die SPÖ die stärkere Partei in der Landesregierung. Seit ihr (in Richtung SPÖ) dort unten regiert habt, haben wir zehnmal so viele Schulden in der Steiermark. (Zwischenrufe der Abgeordneten Plessl und Knes.) Wir müssen das eindämmen, und das geht nur dann, wenn ich weiß, wohin, in welche Kanäle unser Geld läuft. (Zwischenruf des Abg. Wittmann.)

Das Bundesministerium für Finanzen bietet auch eine IT-Unterstützung an. Die Gemeinden wären rein technisch schon der Lage, die Datenbank zu befüllen. Ich weiß, es wird da noch ein bisschen hin und her verhandelt; ich weiß, dass der Gemein­debund da ein bisschen auf die Bremse steigt, dahin gehend, ab welcher Förderungs­höhe man die Daten einspeisen muss et cetera – aber wichtig wäre es.

Kommen wir noch einmal zur Familienförderung zurück! Es hat vor ein paar Jahren einen Rechnungshofbericht gegeben, der damals die unterschiedlichen Familienleis­tungen des Bundes und von zwei, drei Bundesländern verglichen hat: Es gibt über 110 verschiedene Familienförderungsmodelle! Das Ganze hat überhaupt keinen Sinn mehr, weil man nicht weiß, wer was tut. Da gibt es keine Effizienz mehr, und Wirkung war gesamt gesehen eigentlich auch keine erkennbar. Schon alleine aus diesem Grund wäre es notwendig, diese Transparenzdatenbank vernünftig anzuwenden.

Ich hoffe doch, dass die Expertengruppe – die gibt es ja, das hat uns auch der Herr Staatssekretär gesagt –, die eingerichtet worden ist, diese Transparenzdatenbank jetzt überarbeitet, dass aber auch die Verantwortungsträger vor allem in den Ländern und in den Gemeinden draufkommen und erkennen, wie wichtig dieses Steuerungsinstrument für Österreich wäre. Es stimmt nämlich schon: Freilich verursacht das Kosten, das ist keine Frage, aber wenn man das anständig nutzt, glaube ich, dass diese hohen Kosten, die Kollege Rossmann angesprochen hat, sich sehr bald relativieren und durch Effizienz abgedeckt würden. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

21.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Griss. – Bitte.


21.00.26

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Meine Damen und Herren! Ich habe schon in einer der vorherigen Plenardebatten Grillparzer zitiert: „Auf halben Wegen und zu halber Tat / Mit halben Mitteln zauderhaft zu streben.“ Unter den Berichten, die wir in der letzten Ausschuss­sitzung behandelt haben, gibt es einen Bericht, auf den dieses Zitat geradezu idealtypisch passt: eben den Bericht über die Transparenzdatenbank.

Dieser Bericht des Rechnungshofes ist ein vernichtender Bericht, und wenn ich nun das Grillparzerzitat darauf anwende, dann muss ich einmal beginnen mit: „Auf halben Wegen“.

„Auf halben Wegen“ übertragen auf die Transparenzdatenbank heißt Folgendes: Als man sich die Transparenzdatenbank vorgenommen und sie gesetzlich verankert hat, hatte man kein Konzept, was man eigentlich will, wie man es erreichen will und was man alles braucht, um es erreichen zu können. Man hat sich also nicht genau überlegt: Welche Daten wozu?, man hat nur ungefähr gewusst, man will die Förderungen übersichtlich darstellen und Förderungsmissbrauch abstellen.


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„Zu halber Tat“ – das haben Sie schon von meinem Vorredner gehört –: Die Trans­parenz­datenbank ist nach wie vor unvollständig. Es ist schon richtig, dass es jetzt die Zusagen von Oberösterreich und Niederösterreich gibt, Daten einzuspeisen, aber das wird nicht wirklich funktionieren, solange es nicht Sanktionen für Länder und Gebiets­körperschaften, die nicht einspeisen, gibt. Der Finanzausgleich böte eine gute Gele­gen­heit, so eine Sanktion vorzusehen.

„Mit halben Mitteln“: Es ist bisher nicht vorgesehen, dass in der Transparenzdatenbank auch Zahlungszusagen erfasst werden. Es ist völlig selbstverständlich: Wenn man einen Gesamtüberblick über die Förderungen gewinnen will, wenn man Mehrfach­förderungen verhindern will, dann muss man auch bloße Zahlungszusagen erfassen, weil in diesem Zusammenhang ja dann einmal Geld fließen wird. Nur so kann man wirklich ausschließen, dass ein und dasselbe Projekt mehrfach gefördert wird.

Nicht aufgenommen sind auch EU-Förderungen, sofern die auszahlende Stelle nicht in Österreich liegt. Auch das ist ein Punkt, den man verbessern muss, und es muss wohl möglich sein, diesbezüglich einen Informationsaustausch mit der EU herzustellen. Ich kann mir darüber hinaus nicht vorstellen, dass es keine IT-Lösungen gibt, durch die man Daten über Förderungen quasi automatisch in diese Transparenzdatenbank ein­speist.

Das heißt, es ist zwar aufgrund des Rechnungshofberichtes einiges in Bewegung ge­kom­men, es ist einiges geschehen – die Expertengruppe hat sich zusammengesetzt, hat getagt –, aber das reicht noch nicht aus.

Ich würde sagen, eine Regierung, die sich Reformen, eine Neuordnung und noch mehr auf ihre Fahnen geschrieben hat, sollte alles tun, damit der letzte Teil des Grill­parzerzitats nicht zutrifft: „Zauderhaft zu streben“, und sollte sich diesbezüglich wirklich am Riemen reißen, damit die Transparenzdatenbank endlich das liefert, was sie liefern soll. – Danke. (Beifall bei NEOS und Liste Pilz.)

21.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rossmann. Ich darf ihm das Wort erteilen. (Abg. Höbart: Arbeiterkammerbonze!)


21.04.27

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (PILZ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte zu zwei Tagesordnungspunkten Stellung beziehen; der Erste betrifft ebenfalls die Transparenzdatenbank.

Es war Josef Pröll, der – lang, lang ist es her! – unmittelbar nach der Finanzkrise die Idee hatte, eine Transparenzdatenbank einzurichten, und zwar mit zwei Zielen: ers­tens, Förderung der Transparenz; zweitens, Bekämpfung des Missbrauchs bei Förde­rungen. Es stellt sich heraus – und da bin ich der Frau Präsidentin für diesen Bericht sehr dankbar –, dass diese Ziele bis zum heutigen Tag nicht erreicht wurden. Wir sind weit davon entfernt! Die Überschrift dieses Rechnungshofberichtes lautet ja folgender­maßen: „Transparenzdatenbank – Kosten und Nutzen, Ziele und Zielerreichung“.

Also: Die Ziele wurden nicht erreicht, die Ziele wurden glatt verfehlt. – Es wurde ja schon von meiner Vorrednerin darauf hingewiesen, dass es nie eine Gesamtstrategie gegeben hat, wie man denn diese Zielsetzungen auch tatsächlich erreichen will – im Übrigen gibt es eine solche Gesamtstrategie bis heute nicht.

Ferner ist es bis heute auch so, dass diese Transparenzdatenbank gemeinsam mit anderen Förderungsberichten und anderen Daten den Mangel hat, dass es unter­schiedlichste Begriffe für Förderungen gibt. Da gibt es den Förderungsbericht des Bundes, der eine eigene Begriffsdefinitorik hat, die Länder haben eine eigene Begriffs-


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definitorik, dann gibt es die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und dann gibt es noch die Transparenzdatenbank.

Es ist so, dass uns der Herr Staatssekretär im Ausschuss berichtet hat, dass hierfür – zur Klärung des Förderungsbegriffes – eine eigene Arbeitsgruppe eingesetzt wurde. – Ich bin neugierig darauf, wann diese Arbeitsgruppe zu einem Ergebnis kommen wird, denn ich kann mich noch gut daran erinnern, dass uns Herr Finanzminister Schelling, wann immer ein Förderungsbericht erschienen ist, immer wieder wortreich erklärt hat: Wir werden uns um einen einheitlichen Förderungsbegriff kümmern! – Solange es keinen einheitlichen Förderungsbegriff gibt, macht das alles keinen Sinn.

Der Nutzen dieser Transparenzdatenbank ist vernachlässigbar gering, die Kosten sind aber veritabel. Im Rechnungshofbericht, Frau Präsidentin, werden die Kosten mit 13,6 Millionen Euro angegeben. Das ist ja nicht nichts. – Das ist der eine Aspekt.

Der zweite Aspekt – weil auch der Finanzausgleich angesprochen wurde – ist folgen­der: Im Finanzausgleichspaktum, beschlossen im Spätherbst 2016, wurde festgelegt, dass alle Bundesländer in zwei Bereichen, nämlich im Bereich Energie und im Bereich Umwelt, diese Transparenzdatenbank befüllen sollen. Der Herr Staatssekretär hat uns erzählt, dass gerade einmal zwei Bundesländer, nämlich Oberösterreich und Nieder­österreich, diese Transparenzdatenbank überhaupt befüllen. – Na, wenn es ein Finanz­ausgleichspaktum gibt und die Länder scheren sich überhaupt nicht darum, dass sie zugesagt haben, da Daten einzumelden, dann frage ich mich, was der Sinn einer Transparenzdatenbank ist, wenn es an der Ernsthaftigkeit zur Umsetzung seitens der Länder fehlt. (Beifall bei der Liste Pilz.)

Ich weiß schon: Die Länder wollen sich nicht in die Karten schauen lassen. Ich meine, das ist ja nichts Neues. Ich verfolge den Finanzausgleich in Österreich seit mehreren Jahrzehnten, und es war schon immer so, dass immer dann, wenn es um Transparenz seitens der Länder gegangen ist, diese mehr oder weniger gemeint haben: Das geht euch nichts an!

Weil meine Vorrednerin hier Sanktionen angesprochen hat: Man kann schon Sank­tionen ins Finanzausgleichspaktum hineinschreiben, die kann man auch in irgend­welche 15a-Verträge hineinschreiben, es wird aber nichts nützen. Wir kennen das von anderen 15a-Verträgen, in denen Sanktionen festgeschrieben sind: Das sind zahnlose Sanktionen! Wenn die Länder nicht wollen, dann wollen sie nicht.

Wenn sie aber tatsächlich nicht wollen und der Finanzminister nicht in der Lage ist, sich diesbezüglich durchzusetzen, dann kann ich angesichts des Befundes des Berich­tes nur empfehlen: Schließen wir die Bücher, lassen wir die Transparenzdatenbank Transparenzdatenbank sein und sparen wir uns weitere Kosten in diesem Zusam­menhang!

Der zweite Tagesordnungspunkt, zu dem ich Stellung nehmen will, bezieht sich auf einen Bericht, der sich mit Genderaspekten im Einkommensteuerrecht befasst, und hier schließt sich der Kreis zur Aktuellen Stunde von heute Vormittag. Dort habe ich nämlich auf diesen Bericht im Zusammenhang mit dem Familienbonus Bezug genom­men, weil Herr Kollege Wöginger gemeint hat, dass die Steuerreform 2016 so tolle Effekte auf die unteren Einkommen hatte. – Hat sie nicht. (Ruf bei der ÖVP: Doch!) – Überhaupt nicht (Ruf bei der ÖVP: Doch!), ich komme gleich darauf zu sprechen. (Zwischenruf des Abg. Zanger.)

Den Bericht finde ich sehr, sehr interessant, weil er einer der wenigen Berichte ist, die sich mit Genderaspekten, also mit Aspekten der Geschlechtergerechtigkeit, befassen. Ich gebe zu bedenken, dass wir im Zuge des neuen Haushaltsrechts im Jahr 2009 hier im Hohen Haus beschlossen haben, in die Bundesverfassung einen Art. 13 Abs. 3 auf-


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zunehmen, der sich mit der Frage des Gender Budgeting befasst. Dieser ist seither in Kraft – seit 1. Jänner 2009 –, und zwar sowohl für Bund, Länder als auch Gemeinden, aber auch da gilt: In Wirklichkeit kümmert sich niemand darum.

Schauen wir uns ein wenig diesen Bericht an, der anhand von zwei Indikatoren darzu­stellen versucht, wie es denn mit dieser tatsächlichen Gleichstellung von Männern und Frauen ausschaut. – Na, schlecht schaut es aus! Was sind die zwei Indikatoren? – Der eine Indikator ist der Anteil der Frauen an den Teilzeitbeschäftigten, und der zweite Indikator ist der Gender Pay Gap – ich werde gleich erklären, was das ist.

Der Anteil der Frauen an den Teilzeitbeschäftigten ist in Österreich extrem hoch, nach Estland liegen wir an zweiter Stelle. Warum ist das so? – Das ist deshalb so, weil die Frauen in sehr, sehr vielen Bereichen einerseits die Betreuung von Kindern überneh­men, andererseits aber auch die Betreuung von alten und kranken Menschen. Daher werden sie mehr oder weniger gezwungen, in Teilzeit zu arbeiten. Es ist nicht so, wie immer wieder behauptet wird, dass Frauen freiwillig in Teilzeitbeschäftigung sind – nein, das sind sie nicht, sie gehen da bestimmte Verpflichtungen ein.

Damit hängt natürlich auch unmittelbar der Gender Pay Gap zusammen, den wir in Österreich haben. Im internationalen Vergleich sind wir auch da mehr oder weniger im Spitzenfeld zu finden. Der Gender Pay Gap – sozusagen die prozentuelle Differenz zwischen den Löhnen und Gehältern von Männern und Frauen – liegt bei beschämen­den 22,9 Prozent. Ursache ist genau das, worauf ich hingewiesen habe: die Unter­brechung von Berufskarrieren; deshalb finden sich Frauen sehr, sehr häufig und immer stärker im Niedriglohnbereich.

Wer heute die Pressemeldung der OECD gelesen hat, der wird feststellen können, dass auch darin im Zusammenhang mit dem gedämpften Lohnwachstum, das wir in Österreich in den vergangenen Jahren, insbesondere aber seit dem vierten Quar­tal 2016 haben, auf den Gender Pay Gap referiert wird. Eine Ursache ist die relativ geringe Produktivität des Landes – da gibt es Nachholbedarf – und die andere ist eben die Beschäftigung von Frauen im Niedriglohnsektor. Wenn wir uns die Entwicklung im Niedriglohnsektor anschauen, sehen wir, dass der Anteil der Frauen im Niedriglohn­sektor steigt.

Ich komme nun zu dem, was Kollege Wöginger behauptet hat und was der Rech­nungshof in seiner Studie auch untersucht hat, nämlich die Wirkungsbeurteilung ver­schie­dener Maßnahmen, darunter der Steuerreform 2015/2016 – eine Steuerreform, die ja von der SPÖ auf der einen Seite und von der ÖVP auf der anderen Seite getragen worden ist. Das Resümee, meine Damen und Herren, ist verheerend! Es konnte zwar das Lohngefälle ein wenig verringert werden – das ist richtig –, aber im Hinblick auf die Geschlechtergerechtigkeit wurde festgestellt, dass zwei Drittel der Ent­lastung an die Männer und nur ein Drittel an die Frauen gegangen ist.

Die Schlussfolgerung, die der Rechnungshof daraus zieht, ist völlig richtig. Er sagt: Steuerliche Maßnahmen reichen nicht aus, um die tatsächliche Gleichstellung von Männern und Frauen hinsichtlich Gehältern herzustellen, sondern es braucht eine Ge­samtstrategie.

Nun stellt sich die Frage: Hat die neue Regierung eine Gesamtstrategie? – Die Antwort ist einfach: Nein, die Regierung hat keine Gesamtstrategie. Das Einzige, das man dazu im Regierungsprogramm der beiden Parteien finden kann, ist ein Hinweis auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Das führt mich ja nahezu in meine Studentenzeiten zurück, in denen ich diesen Spruch auch schon skandiert habe. Seit damals – und das sind nun, glaube ich, vier Jahrzehnte – hat sich an diesem Slogan nichts geändert. Er ist heute genauso aktuell wie damals. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Eines – und da schließt sich nun noch einmal der Kreis zur Debatte in der Aktuellen Stunde heute Früh – lässt sich zur Geschlechtergerechtigkeit, zum Familienbonus schon sagen: Drei Viertel von diesen 1,5 Milliarden Euro, die ausgeschüttet werden, kommen den Männern zugute und nur ein Viertel den Frauen. Die Männer kassieren, die Frauen sorgen für die Kinder. So schaut es aus! – Vielen Dank. (Beifall bei der Liste Pilz und bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer. – Bitte.


21.15.39

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Rechnungshofpräsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Herr Rossmann, Sie machen mich sprachlos, unglaublich (allgemeine Heiterkeit sowie Beifall bei der ÖVP) – und das ist schwer, glauben Sie mir!

Der Rechnungshof überprüfte die Indikatoren zur Umsetzung des Gleichstellungsziels und die umgesetzten einkommensteuerrechtlichen Maßnahmen des Finanzamtes bei der Steuerreform 2015. Das Finanzministerium hatte folgendes Gleichstellungsziel definiert: „Bessere Verteilung der Erwerbsarbeit wie auch der unbezahlten Arbeit zwischen Frauen und Männern“.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Unterschied zwischen den Gehältern von Män­nern und Frauen lag im Jahr 2011 bei 18,5 Prozent. Was hat nun das Finanzministe­rium gemacht? – Das Finanzministerium hat es sich zum Ziel gesetzt, diesem Effekt entgegenzuwirken, indem es zum einen negative Anreize minimierte und zum anderen weitere Anreize dafür setzte, die Stundenzahlen in Richtung Vollzeit zu erhöhen.

Wir müssen uns aber auch darüber im Klaren sein, dass steuerliche Maßnahmen für eine umfassende Erreichung des Gleichstellungsziels allein nicht ausreichen. Das Steuersystem kann nur eine Unterstützung darstellen. Jedoch hob der Rechnungshof positiv hervor, dass etwa mit den Tarifsenkungen im Zuge der Steuerreform 2015 und 2016 die Erwerbsanreize erhöht wurden. Schließlich wurde der Gender Pay Gap bis zum Jahr 2016 auf 17,2 Prozent gesenkt.

Des Weiteren hat das Finanzministerium beim Wifo eine Studie zu den gesetzlichen Maßnahmen hinsichtlich des Gleichstellungsziels in Auftrag gegeben. Diese wurde im Oktober 2017 veröffentlicht, und sie kommt zu dem Schluss, dass die Steuerreform positive Erwerbsanreize geschaffen hat. (Abg. Plessl: Welche Steuerreform?) Dies wird etwa durch die Senkung des Einkommensteuersatzes erreicht, und damit wird das Gleichstellungsziel unterstützt.

Zudem werden etwa mit dem heute beschlossenen Familienbonus Plus und mit der bevorstehenden Arbeitszeitflexibilisierung die Anreize für Frauen erhöht, die Stunden­anzahl zu erhöhen und damit die volle steuerliche Erleichterung auszuschöpfen. (Bei­fall bei ÖVP und FPÖ.)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Ausmaß und die Struktur der Erwerbs­tätigkeit von Frauen nicht alleine vom steuerlichen Abgabensystem abhängen, sondern auch von der Flexibilität der Arbeitswelt – Stichwort Arbeitszeitflexibilisierung für Teil­zeit­mitarbeiterinnen, die durch Mehrstunden an einzelnen Tagen näher zur Vollzeitbe­schäftigung kommen. Es gibt eine Vielzahl an Gründen, warum Frauen und auch Männer in Teilzeit arbeiten möchten.

Hinsichtlich des Gender Pay Gaps hat sich das Finanzministerium Ziele gesetzt, die­sen möglichst zu verringern. Das Finanzministerium wird in der laufenden Legislatur-


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periode – und das können Sie mir glauben – dafür sorgen, dass der Einkommens­unter­schied zwischen Männern und Frauen weiterhin verringert wird. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

21.18


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wolf­gang Knes. – Bitte. (Zwischenruf der Abg. Schimanek.)


21.19.00

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Herr Präsident! Keine Sorge, Frau Kollegin, ich habe die Ehre, heute über die Monopolverwaltung GmbH zu sprechen und nicht über die Frauen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Schimanek.) Das ist im Rechnungshof auch ein wichtiges Thema gewesen.

Ich möchte vorausschicken, dass das Tabakmonopolgesetz damals eingeführt wurde, damit begünstigte Behinderte auch ein soziales Erwerbsleben erfahren können. Dazu wurde eine Monopolverwaltung GmbH gegründet, wobei aber der Eigentümer – das muss man auch erwähnen – zu 100 Prozent das österreichische Finanzministerium ist. Es wurde gleichzeitig auch ein Solidaritätsbeirat samt -fonds eingerichtet, um jene bedürftigen Menschen zu schützen, deren Trafiken nicht so gut gelaufen sind.

Wenn man sich diesen Bericht über den Zeitraum von 2011 bis 2015 ansieht – ein Danke auch für die Kritik des Rechnungshofes –, sieht man natürlich die Schere aus­einandergehen, was einem wirklich wehtut. Es gibt nämlich genug begünstigte behin­derte Personen, die leider Gottes aber auch in den Trafiken keinen Erwerbsplatz be­kommen.

Insgesamt sind in diesem Zeitraum 853 Trafiken geschlossen worden – des einen Leid, des anderen Freud, kann man da sagen. Natürlich sind aber auch viele weitgehend nicht vorzugsberechtigte Menschen zum Zug gekommen, und zwar die sogenannten Angehörigen, denn diese haben laut Gesetz ein Anrecht darauf.

Was mir Sorge bereitet: Man schließt 853 Trafiken (Abg. Belakowitsch: Ja warum denn? ...!) und hat aber gleichzeitig eine Überdeckung der Mittel im Solifonds. Diese Mittel im Solifonds sollten eigentlich jenen schwächeren Trafiken zukommen. Es liegen da 74 Millionen Euro im Topf, und diese werden dann als Dividende ans Finanzminis­terium der Republik Österreich zurückbezahlt. Das ist also eine komplett verfehlte Politik der ÖVP, was hier auch einmal erwähnt gehört. (Beifall bei der SPÖ.)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, wir treten natürlich dafür ein, dass wir in Zukunft wieder mehr Augenmerk auf unsere begünstigten Behinderten legen. Es gibt leider Gottes genug solcher Menschen, wir sollten uns solidarisch hinter diese Menschen stellen und diese Trafiken nicht den Angehörigen übergeben, vor allem aber sollten wir diese Schließungswelle stoppen, denn: Was verschiebt sich da? – Alle Trafikanten jammern uns vor, dass sie keine Geschäfte machen, während in den Gasthäusern und in Spielhöllen – Unglücksfälle – sogar an Minderjährige Zigaretten verkauft werden. Das kann nicht unser Ziel als politisch Verantwortliche sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Loacker.)

21.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist Frau Abgeordnete Lintl gemeldet. – Bitte.


21.21.58

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rech­nungs­hofpräsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beziehe mich wie


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 243

mein Vorredner auf den Bericht des Rechnungshofes zur Monopolverwaltung GmbH und zum Solidaritäts- und Strukturfonds, die im Zeitraum von 2011 bis 2015 geprüft wurden.

Die Monopolverwaltungsgesellschaft ist nicht nur für den Einzelhandel von Tabak­waren zuständig, sondern hat auch eine sozialpolitische Aufgabe, nämlich möglichst vielen Vorzugsberechtigten – das sind Menschen mit Behinderungen – eine wirtschaft­liche Existenz als Tabaktrafikant zu ermöglichen. Das hat historische Gründe. Schon Kaiser Joseph II. hat im Jahr 1784 das Tabakmonopol erlassen. Von Beginn an wur­den Kriegsinvaliden, Soldatenwitwen und schuldlos verarmten Beamten Trafikanten­stellen zugesprochen, damit sie selbst für ihr Einkommen sorgen konnten. Das war besonders nach den Kriegen wichtig, um Kriegsversehrten eine gesicherte Existenz zu ermöglichen.

Auch heute noch werden Menschen mit Behinderungen bei der Vergabe bevorzugt, und die Trafikantenstellen werden auf Lebenszeit vergeben. Es haben aber auch Angehörige einen gesetzlichen Anspruch darauf, in die Tabaktrafik einzutreten und diese weiterzuführen. Der Rechnungshof empfahl, eben dieses Recht zugunsten von Menschen mit Behinderung einzuschränken, weil zwei Drittel der vergebenen Tabak­fach­geschäfte dann von Angehörigen weitergeführt wurden, was nicht die Idee hinter der Sache ist.

Die Geschäftsführung der Monopolverwaltung bemüht sich, dieser Empfehlung zu ent­sprechen. Das ist aber gar nicht so leicht, denn Trafiken mit Erträgen von unter 80 000 Euro im Jahr sind wenig rentabel, weshalb sich bei solchen Ausschreibungen kaum ein Interessent meldet. Deshalb ist gerade da die freihändige Vergabemög­lich­keit wichtig.

Es gibt ja immer weniger Tabaktrafiken. Wir haben schon gehört, dass im Prüfzeitraum 853 Trafiken geschlossen wurden. Das ist aber auch klar, denn es werden immer weniger Zigaretten und immer weniger Zeitungen und Zeitschriften – die werden durch Onlinemedien ersetzt – verkauft, und Briefmarken, Postkarten und Ansichtskarten, das ist alles nicht mehr aktuell.

Die Monopolverwaltungsgesellschaft hat aber eben auch einen sozialpolitischen Auf­trag. Es ist ihr Ziel, die Zahl der Tabakfachgeschäfte stabil zu halten. Es soll eine ge­sunde Struktur von wirtschaftlich erfolgreichen Trafiken geben, die den Bedarf decken und wirkliche Fachgeschäfte sind.

Ein weiterer Kritikpunkt des Rechnungshofes bezog sich auf den Jugendschutz. Trafi­kan­ten sind gesetzlich dazu verpflichtet, das Alter der Konsumenten zu überprüfen. Auch da hat die Monopolverwaltungsgesellschaft gehandelt und einen Schwerpunkt auf den Bereich des Jugendschutzes gelegt. Damit die Rechtslage abgesichert wird, wurden alle Verträge – auch die, die schon lange bestanden haben – erneuert; so wurde die Möglichkeit der Prüfung festgeschrieben.

Auch eine einheitliche Lösung in der Frage der finanziellen Ablöse bei Übernahme von Trafiken – was ebenfalls der Rechnungshof angesprochen hat – strebt die Monopol­verwaltungsgesellschaft gemeinsam mit den Trafikanten an.

Insgesamt ist festzustellen, dass die Monopolverwaltung GmbH die Empfehlungen des Rechnungshofes aufgenommen hat und sie umsetzt. – Vielen Dank für den Bericht, Frau Präsidentin! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

21.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist Abgeordneter Loacker gemeldet. – Ich darf Ihnen das Wort erteilen.



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21.26.08

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Hohes Haus! Es passt gut, dass ich mir auch den Bericht zur Monopolverwaltung vorgenommen habe – es ist ja nicht immer so, dass alle Redner zum selben Bericht reden –, denn so ergibt das für den Zuschauer auch ein bisschen Sinn.

Ja, Monopolverwaltung: Der Name ist Programm. Es geht um ein Monopol, und das wird wie eine Verwaltung geführt, wie das halt in staatlich organisierten Bereichen so ist. Es gibt keine Bedarfsplanung, wie viele Trafiken es braucht oder nicht braucht. Es gibt keine Unternehmensstrategie, weder von der Monopolverwaltung GmbH selbst noch vom Finanzministerium. Man verwaltet einfach so vor sich hin. Für dieses Vor-sich-hin-Verwalten wird der Herr Geschäftsführer aber fürstlich entlohnt. Dieser bekommt nämlich 160 000 Euro im Jahr, also mehr als ein Sektionschef, was, wie ich meine, auch beachtlich ist, immerhin muss er 16 Mitarbeiter führen.

Auch das ist wiederum interessant, weil, wie Kollege Knes richtig ausgeführt hat, die Zahl der Trafiken ja ständig zurückgeht. Was aber nicht zurückgeht, ist die Zahl der Mitarbeiter in der Monopolverwaltung. Wir haben dort sogar beachtliche Steigerungen bei den Personalausgaben. Dieser Geschäftsführer muss wirklich so viel verantworten, und das muss man auch ordentlich vergüten. Ich meine, er ist ein schwarzer Partei­bruder – natürlich schauen die auf ihre eigenen Leute und bringen sie gut unter. Und man darf ja den Freiheitlichen nur wünschen (Zwischenruf bei der FPÖ), dass sie ihre Leute auch auf so gut dotierte Posten bekommen, denn dann hat sich die Unter­wer­fung wenigstens ausgezahlt. (Beifall bei NEOS, SPÖ und Liste Pilz. – Abg. Rosenkranz: Nur keinen Neid!)

Der Geschäftsführer ist ja gerade wiederbestellt worden. In der Ausschusssitzung hat der Herr Finanzstaatssekretär gesagt: Ja, er ist wiederbestellt worden, aber zu welchem Salär, steht noch nicht fest. – Wie man da im Einflussbereich der Republik Verträge macht, ist schon beeindruckend.

Die Monopolverwaltung wäre gesetzlich eigentlich als Non-Profit-Organisation aufge­stellt, aber sie wirft schöne Gewinne ab, die sie an das Finanzministerium ausschüttet. Nun können sich die Trafikanten – sofern sie Zeit haben, sich zu nachtschlafender Stunde diese Rede anzuhören – überlegen, was sie da mit ihren Zwangsbeiträgen als Trafikanten finanzieren: nicht nur einen stattlich entlohnten Geschäftsführer, sondern auch noch wunderbare Ausschüttungen ans Finanzministerium.

Was auch spannend ist, ist, wie Verwaltungskosten in der Monopolverwaltung verbucht werden. Da dürfte man sich etwas bei der Sozialversicherung abgeschaut haben, nämlich das Verschieben von Verwaltungskosten in den Kostenblock sonstige betrieb­liche Aufwendungen. Diese sind inzwischen so hoch wie die beachtlichen Perso­nalkosten. Man kann also annehmen, dass da der Parkplatz gut gefüllt sein wird. Es werden Berater aus und ein gehen, es wird schöne Reisekosten und Firmenwägen geben. Man wird es sich dort wahrscheinlich gemütlich einrichten.

Was der Rechnungshof des Weiteren festgestellt hat: Öffentliche Ausschreibungen bei der Vergabe von Trafiken finden nicht statt. Auf die großzügige Weitergabe im Fa­milienkreis hat Kollege Knes schon zu Recht hingewiesen. Diese großzügige Weiter­gabe im Familienkreis geht auf Kosten der begünstigten Behinderten, denen dann diese Stellen fehlen. Und auch der Jugendschutz, hinsichtlich dessen Wahrung die Trafiken eigentlich auch eine Aufgabe hätten, wird nicht ausreichend wahrgenommen. Darauf reagiert die Monopolverwaltung – die muss das ja nur verwalten – auch nicht.


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Ich muss jetzt schauen, dass ich keinen Ordnungsruf dafür bekomme, wie ich diesen Laden bezeichne. Das ist ein veritabler Stadl – setzen Sie selber ein Präfix davor. Aber wenn ein Schwarzer den führt, dann ist es in Ordnung, und er bekommt eine Vertrags­verlängerung dafür, dass er seine Aufgabe schlecht macht. Das ist bedauerlich.

Danke an den Rechnungshof, dass Sie das aufgedeckt haben. Leider wurde er wieder­bestellt, aber vielleicht wird ja das Gehalt doch noch gekürzt, das steht ja angeblich noch nicht fest. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

21.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Singer. – Bitte.


21.30.32

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich darf mich noch kurz mit der Monopolverwaltung beschäftigen. Der Rechnungshof hat ja die Monopol­verwaltung geprüft, der Überprüfungszeitraum hat die Jahre 2011 bis 2015 umfasst. Bevor ich auf die Kritikpunkte des Rechnungshofes eingehe, erlauben Sie mir noch eine Darstellung der Aufgaben der Monopolverwaltung: Das Tabakmonopol generiert Einnahmen aus den Steuern auf Tabakwaren und dient insbesondere der Umsetzung sozialpolitischer Ziele und auch der Nahversorgung mit Tabakwaren. Was die Nah­versorgung mit Tabakwaren anbelangt, glaube ich, dass das klar ist. Das sozialpo­litische Ziel ist im Tabakmonopolgesetz so definiert, dass für möglichst viele begüns­tigte Behinderte eine wirtschaftliche Existenzgrundlage als Trafikant oder Trafikantin geschaffen wird.

Der Rechnungshof hat insbesondere fehlende Konzepte eingemahnt. Eine Unterneh­mens­strategie fehlt, und vor allem fehlen auch unternehmensspezifische Zielset­zun­gen.

Sehr geehrte Damen und Herren, nachdem diese Prüfung schon einige Jahre zurück­liegt, haben die geprüften Stellen Zeit gehabt, Anregungen des Rechnungshofes auch entsprechend umzusetzen. Man kann durchaus sagen, dass schon vieles geschehen ist. Insgesamt gab es für das Bundesministerium für Finanzen und für die Monopol­ver­waltung 34 Schlussempfehlungen. 28 davon wurden bereits umgesetzt. Die Monopol­verwaltung hat auch eine entsprechende Unternehmensstrategie entwickelt.

Es ist bereits angesprochen worden, dass es eine starke Kritik an der Umsetzung des Jugendschutzgedankens gegeben hat. Bei den Trafikanten in Wien wurde festgestellt, dass es eine nahezu durchgehende Verletzung von Jugendschutzbestimmungen gab. Auch dieser Kritikpunkt wurde inzwischen gelöst. Mit einem Jugendschutzkonzept wurden jetzt die Überprüfungen der entsprechenden Trafiken systematisiert.

Auch ist festzuhalten, dass das Kernziel der Monopolverwaltung, nämlich im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten freiwerdende Trafiken mit Menschen mit Behinderung zu besetzen, erreicht wurde. 2015 und 2016 waren es jeweils 100 Prozent.

Zusammenfassend, sehr geehrte Damen und Herren, möchte ich sagen: Die Zeit seit der Überprüfung wurde genutzt, vieles wurde bereits umgesetzt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

21.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Plessl. Ich darf ihm das Wort erteilen. (Abg. Knes: Rudi, kannst du das richtigstellen?)



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 246

21.33.33

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Rechnungshofpräsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Bericht bezieht sich auf die Transparenzdatenbank. Ich habe hier eine sehr interessante OTS-Aussendung vom 6. November 2012 gefunden: „Transpa­renzdatenbank ist ‚Innovativstes eGovernmentprojekt‘“, „eGovernmentpreis ist eine große Auszeichnung für Österreich“, hat der damalige Vizekanzler Spindelegger mitge­teilt. – Und noch eine weitere Aussage: „Mit der Transparenzdatenbank haben wir das Förderwesen in Österreich revolutioniert“, zeigte sich die damalige Finanzministerin Maria Fekter hocherfreut über die Verleihung des zwölften eGovernmentpreises.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich glaube, wie sich die Transparenzdatenbank ent­wickelt hat, wissen wir jetzt. Der Bericht zeigt nämlich schonungslos auf, dass hier nicht nur ein Gesamtkonzept fehlt, sondern auch die Steuerung, der Nutzen, aber auch die Zielsetzungen nicht optimal vorbereitet worden sind. Das Interessante daran ist: 2012 haben die Deutschen das noch als Vorbild hergenommen. Ich weiß nicht, wie weit unsere Kollegen in Deutschland mit der Transparenzdatenbank sind, aber hier in Österreich haben wir einen kleinen Abklärungsbedarf.

Wir haben hier Problemstellungen, und da ist es wichtig, im Rechnungshofausschuss den zuständigen Minister – den Finanzminister – vorzuladen und ihm auch dement­sprechend die Möglichkeit zu geben, Stellung zu nehmen. Leider war er kurzfristig verhindert, und der Herr Staatssekretär Fuchs dürfte das, glaube ich, auch sehr kurz­fristig erfahren haben, weil die Antworten auch sehr kurz waren. (Abg. Zanger: Aber ausreichend!)

Herr Kollege Zanger, ich sage Ihnen schon, was ausreichend war. Wir haben auch betreffend die Kosteneruierung Problemstellungen gehabt: Was kostet diese Transpa­renz­datenbank? – Es sind beim Finanzministerium 13,6 Millionen Euro eingepreist worden, aber den Bundesländern sind weitere 80 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden, um die Transparenzdatenbank, aber auch die Verwaltungsgerichte zu etablie­ren. (Beifall bei der SPÖ.) – Danke schön!

Ich habe den Herrn Staatssekretär ersucht, mir die Zahlen zu liefern, wie viele Budget­mittel für die Transparenzdatenbank von den Ländern aufgewendet worden sind. Wir haben keine Mitteilung erhalten. Ich werde deswegen morgen eine dementsprechende Anfrage an den Herrn Finanzminister einbringen, damit wir hier Klarheit haben, welche Kosten entstanden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte auch noch eines erwähnen, weil es vom Herrn Staatssekretär aufgezeigt oder bemängelt worden ist: Gewisse Bundes­länder melden die Daten nicht ein. – Aber wenn nicht einmal alle Ministerien die Daten in diese Transparenzdatenbank einliefern, dann brauchen wir kein Gesetz, sondern dann ist die Bundesregierung dazu angehalten, Daten zu liefern. Sie sollte auch Vorbildwirkung haben. Wenn nicht einmal die Ministerien Daten liefern, wie sollen dann die Bundesländer Daten liefern?

Ein wichtiger Punkt bei diesem Projekt ist auch, dass es betreffend die Transparenz­datenbank Problemstellungen mit der Schnittstelle gibt. Da sollte es eine Verwaltungs­vereinfachung geben. Es gibt wieder neue Schnittstellen für Bund, Länder und Ge­meinden. Die Gemeinden sollten da nicht zu Zahlungen herangezogen werden. Es gibt wunderschöne Informationen von jeder Gemeinde, die man über das Internet schon herunterladen kann: www.offenerhaushalt.at zum Beispiel, oder man könnte die Gemdat fragen. Vielleicht kann man für die Kommunen kostengünstig ein Tool schaf­fen, damit sie ihre Daten liefern können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.37



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 247

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Abgeordneter Gerald Hauser. Ich darf ihm das Wort erteilen.


21.37.18

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Frau Prä­sidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zu den Verbrauchsteuern kom­me, darf ich noch ein Wort zur Transparenzdatenbank sagen. Das ist ein lang­jähriges Projekt, das sich jetzt schon über zehn Jahre hinzieht. Viel Geld wurde investiert. Aber ich frage in Richtung des Kollegen Plessl schon einmal: Das war doch ein gemeinsames Projekt der Bundesregierung - - (Abg. Plessl: Aber der Finanzminis­ter war zuständig!) – Ja, aber ihr wart ja auch in der Bundesregierung, habt den Bundeskanzler gestellt, und jetzt geht ihr immer hierher und kritisiert all diese Sachen – ein halbes Jahr später. (Abg. Plessl: Finanzminister!)

Ihr habt über zehn Jahre den Bundeskanzler gestellt. Hättet ihr darauf gedrängt, dass bei der Transparenzdatenbank etwas weitergeht! Man kann nicht immer so tun, als wäre bis vor einem halben Jahr alles top und alles gut gewesen, und ein halbes Jahr später wird hier immer wieder abgekanzelt und alles kritisiert. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wittmann: ... Finanzminister!)

So einfach strickt sich die Welt nur für euch, bitte. Aber so einfach ist es nicht! Jeder, der heute zusieht und zuhört, weiß es: Man kann die Verantwortungen nicht so einfach weglegen. So spielt sich das Ganze nicht. Und: Hört einmal auf mit den permanenten Selbstanklagen! Geht einmal in euch und schaut, was ihr alles nicht weitergebracht habt! So einfach ist diese ganze Sache. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Jenewein: Da hat er aber recht!)

Zu den Verbrauchsteuern; ich möchte jetzt zum Tagesordnungspunkt Erhebung der Verbrauchsteuern reden. Da stellt sich zu Recht die Frage: Wie groß war das Volumen der Verbrauchsteuern laut Rechnungshofbericht, und wie groß war der Aufwand für die Erhebung dieser Verbrauchsteuern?

In Summe – und das hat der Rechnungshof aufgezeigt – hat man im Jahr 2014 6,21 Mil­liarden Euro über die Verbrauchsteuern eingenommen. Das waren ganz genau 7,92 Prozent des gesamten Einnahmenvolumens des Bundes. Diese Abgaben wurden über neun Zollämter eingehoben. Jetzt hat sich der Rechnungshof genau angeschaut, auf welche Positionen sich diese Ausgaben verteilt haben und wie groß der Einsatz war, um dieses Volumen in den unterschiedlichen Positionen einzuheben.

Bei der Mineralölsteuer – das ist die größte Position – sieht es so aus: Auf die Mineral­ölsteuer sind 4,135 Milliarden Euro von den 6,21 Milliarden Euro entfallen. Das sind in Summe zwei Drittel der Einnahmen bei den Verbrauchsteuern. Und der Anteil an den Kontrollzeiten – also der Aufwand, um die Mineralölsteuer einzuheben – betrug ledig­lich 18 Prozent, weil sich das auf einige wenige Unternehmen beschränkt hat. Also da war die Effizienz unglaublich groß.

Bei der Alkoholsteuer schaut die Sache anders aus. Die macht lediglich 172 Millionen Euro – also genau 3 Prozent des Volumens – aus, aber der Aufwand lag bei 56 Pro­zent. Da war die Diskussion im Ausschuss eine gute. Da stellt sich einfach die Frage, ob diese Steuer, ob dieser Aufwand sich tatsächlich lohnt. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Der Herr Finanzstaatssekretär DDr. Fuchs hat festgehalten, dass im Zuge der Steuerreform diese sogenannten Bagatellsteuern zu evaluieren sind. (Abg. Plessl: Das sagt sich so leicht! Das ist Geld der Gemeinden!) Es sind folgende Fragen abzuklären: Was kommt herein? Wie viel Zeit wird tatsächlich aufgewendet, um diese Alko­hol­steuer einzuheben? Und passt da das Verhältnis? – Wir sind froh, dass das evaluiert wird. (Abg. Plessl: Dann haben die Gemeinden noch weniger Geld!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 248

Bei der Sektsteuer ist die Sache aus freiheitlicher Sicht klar. Die Sektsteuer wurde im Jahr 2014 wieder eingeführt, zum Schaden der österreichischen Wirtschaft; sie bringt lediglich 20 Millionen Euro, und mit der Einführung im Jahr 2014 ist der Markt in Österreich um über 21 Prozent eingebrochen, weil nämlich österreichische Konsumen­ten auf alternative ausländische Produkte umgestiegen sind, wie zum Beispiel auf den Prosecco oder auf den Frizzante. Das heißt also, man hat das inländische Produkt besteuert und hat so die Konsumenten motiviert, günstigere ausländische Produkte zu kaufen, was dem österreichischen Standort natürlich massiv geschadet hat. Diese Steuer gehört weg! Sie bringt nur 20 Millionen Euro, schadet aber dem österreichi­schen Standort. Diese Steuer müssen wir beseitigen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Wir sind angetreten, den Wirtschaftsstandort zu sichern und auf die Einkommen und Einnahmen unserer Bevölkerung und unserer Bauern zu schauen, und das werden wir schaffen, da können sich die Bevölkerung und die Wirtschaft auf uns verlassen. Solche Steuern wie die Schaumweinsteuer und die Sektsteuer gehören ersatzlos gestrichen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.42


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist die Präsidentin des Rech­nungshofes. – Bitte.


21.42.36

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Lassen Sie mich auch noch kurz zu ein paar Berichten Stellung nehmen.

Die Transparenzdatenbank wurde hier ja schon lange und ausführlich diskutiert. Ich denke, dass man die Dinge nicht dauernd beklagen soll, sondern man muss sie endlich als Instrumentarium wirksam werden lassen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Das ist das, was bei der Transparenzdatenbank fehlt. Wir haben Ziele und Zieler­reichung, Kosten und Nutzen der Transparenzdatenbank geprüft. Das Ergebnis lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Idee gut – Umsetzung bescheiden. Der Trans­parenzdatenbank liegen kein schlüssiges Gesamtkonzept und auch keine klaren Zielsetzungen, die miteinander vereinbar sind, zugrunde.

Man hat sehr viel in die Transparenzdatenbank hineinprojiziert: erstens einen Informa­tionszweck über das staatliche Leistungsangebot, zweitens einen Kontroll- und Miss­brauchs­verhinderungszweck bei Förderabwicklungen, drittens einen Steuerungszweck hinsichtlich Leistungszuteilung, den man damit erreichen wollte. Letztlich sollte die Transparenzdatenbank einen Beitrag zu budgetären Einsparungszielen im Förderungs­wesen insgesamt leisten.

Das war natürlich ambitioniert. Viel schwieriger war es, diese ambitionierten Zielsetzun­gen umzusetzen, zumal der Bund ja nur Teilaspekte regeln kann, weil Länder und Ge­meinden für ihre Bereiche selbst zuständig sind. Schließlich spielte auch der Daten­schutz eine Rolle, was die Einsichtsrechte betraf.

Daher ist die Frage, die man sich hier stellen muss, folgende: Wie kann und muss eine Transparenzdatenbank aufgesetzt sein, damit sie größtmögliche Transparenz bietet und den Bürgerinnen und Bürgern einen maximalen Nutzen in Bezug auf die staat­lichen Leistungen bringt? – Das ist das Ziel, das man endlich erreichen muss. Die Transparenzdatenbank wurde 2010 eingerichtet; mangels einer klaren inhaltlichen Konsistenz und mangels vollständiger Daten gelang es bisher nicht – das ist ja schon fast acht Jahre her! –, dass man die Ziele vollständig erreicht.


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Es ist ein kompliziertes Instrumentarium entstanden, das durch eine Vielzahl von Leis­tungen überfrachtet war und bei dem es auch Schwächen in der Logik der Erfassung gab. Der Mitteleinsatz des Bundes wurde schon genannt – das sind 13,6 Millionen Euro. Die Länder erhielten zusätzlich für die Einführung der Transparenzdatenbank und für die Errichtung von Landesverwaltungsgerichten – Letztere ist ja mittlerweile erfolgt –, 80 Millionen Euro. Nicht festgelegt war, wie viel die Länder für die Trans­parenzdatenbank verbrauchen.

Infolge der Veröffentlichung unseres Berichts gab es dann Erklärungen und Absichten, dass man versuchen würde, Bewegung in das Projekt zu bringen. Seit 2017 speisen die Länder im Rahmen eines Pilotprojekts die Zahlungen im Bereich Umwelt und Energie ein. Oberösterreich meldet grundsätzlich alle Zahlungen ein. Niederösterreich, Vorarlberg und der Gemeindebund haben auch ihre grundsätzliche Bereitschaft zugesagt. Länder und Gemeinden forderten aber Vereinfachungen hinsichtlich der Büro­kratie, und es gibt seit Februar 2018 im Finanzministerium ein Expertengremium, das an Modellen dazu arbeitet, wie man Leistungen in der Transparenzdatenbank besser erfassen kann. Der Rechnungshof nimmt daran als Auskunftsperson teil.

Wir haben festgestellt und auch gesagt – und das wissen Sie alle –, dass dem Bund die kompetenzrechtliche Basis auf einfachgesetzlicher Grundlage fehlt, um eine um­fassende Transparenzdatenbank festzulegen. Es gibt keine Verpflichtung der Länder zur Meldung der Zahlungsdaten und es gibt ebenso keine Beteiligungspflicht für die Gemeinden. Es sind aber auch die Meldungen auf Bundesebene unvollständig. Es sind ja die Ministerien dafür zuständig, ihre jeweiligen Leistungen einzumelden. Es war einerseits eine Vielzahl von Leistungen zusammengefasst, es gab keine Informationen zu den Fördervoraussetzungen, oder es fehlten Leistungsangebote gänzlich. Daher haben wir empfohlen, dass man von den Ministerien eine Vollständigkeitserklärung verlangt, damit die Datenbank vollständig befüllt wird. Es müssten eben auch Leis­tungs­zusagen und nicht nur Zahlungen aufgenommen werden.

Durch die ungleichmäßige Einbeziehung der Leistungen kann das Ziel der Datenbank nicht vollständig erreicht werden. So werden Förderungen, die beispielsweise an ein­zelne Gemeindeverbände vergeben werden, nicht einbezogen, auch bei den Kammer­förderungen nicht einbezogen, und es gibt keine Differenzierung nach nationalen und EU-Mitteln. Dann wurden Leistungen einbezogen, bei denen es nicht ganz nachvoll­ziehbar war: Es wird die Finanzierung der Schieneninfrastruktur, die Finanzierung der Universitäten einbezogen, nicht aber die Finanzierung der Krankenanstalten. So ge­sehen fehlt ein Gesamtkonzept, fehlt eine Logik.

Man hatte mit der Transparenzdatenbank hohe Erwartungen verknüpft, hinsichtlich der Kontrolle der Leistungsvoraussetzungen, hinsichtlich der Möglichkeit der Verhinderung von Missbrauch, hinsichtlich des Überschreitens von Fördergrenzen, aber Faktum ist, dass die Abwicklungsstellen, die Förderstellen die Transparenzdatenbank in der Praxis offenbar kaum als Kontrollinstrument benutzt haben – vielleicht weil sie nicht ent­sprechend brauchbar war. Im Jahr 2015 wurden lediglich 839 Behördenabfragen durch­geführt.

Grundsätzlich glauben wir ja an die Idee der Transparenzdatenbank. Transparenz zu schaffen ist etwas Wichtiges, aber es ist notwendig, die Transparenzdatenbank voll­ständig und benutzerfreundlich umzusetzen, also zu einer Gebietskörperschaften über­greifenden Datenbank auszubauen. Man muss die Leistungsarten, die man erfassen will, inhaltlich und systematisch logisch zusammenstellen, und man muss einen aus­reichenden Zugriff der Entscheidungsträger sicherstellen, damit man das auch für die Förderabwicklung nutzen kann.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 250

Der zweite Bericht, auf den ich eingehen möchte, betrifft die Genderaspekte im Ein­kommensteuerrecht mit dem Schwerpunkt Lohnsteuer. Da geht es um Gleichstellungs­ziele, die es im Rahmen der Wirkungsorientierung gibt. Auch der Rechnungshof hat ein Gleichstellungsziel. Wir achten darauf, wie der Staat mit den eigenen Gleichstellungs­zielen umgeht. Wir haben als positiv anerkannt, dass sich das Finanzministerium ein ambitioniertes Gleichstellungsziel gesetzt hat, nämlich die bessere und gleichmäßigere Verteilung der Erwerbsarbeit wie auch der unbezahlten Arbeit zwischen Frauen und Männern durch das Abgabensystem zu unterstützen.

Feststellbar ist – und das wissen alle –, dass das System der Individualbesteuerung natürlich sehr stark und geschlechterneutral wirkt, was positiv ist. Es gibt aber auch negative Erwerbsanreize im Steuerrecht. Das sind Überstundenbegünstigungen, der Alleinverdienerabsetzbetrag. Wir haben gesagt, dass es notwendig ist, dass es eine Gesamtstrategie gibt, denn viele Politikbereiche wirken in den Bereich der Gleich­stellung von Männern und Frauen und in die Frage der Erreichung einer gleichen Bezahlung für gleiche Arbeit ein.

Was die Monopolverwaltung betrifft, so haben wir in dem Bericht auch das sozial­politische Ziel herausgearbeitet. Das Ziel der Einräumung und Vergabe von Trafiken an Vorzugsberechtigte steht natürlich etwas im Spannungsfeld mit der Vergabe von Trafiken oder Tabakfachgeschäften an anspruchsberechtigte Angehörige, was für 28 Pro­zent der Fälle gilt. Öffentliche Ausschreibungen halten wir auch für wichtig, damit in diesem Bereich Transparenz Einzug halten kann. Die gesundheitspolitischen Aspekte und die Kontrollen zum Jugendschutz wurden in die neue Unternehmens­strategie aufgenommen. Das sehen wir positiv, denn das ist ein wichtiges Ziel und der Grund, warum dieses Monopol aufrechterhalten wurde. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

21.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hörl. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.51.47

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Präsidentin! Ich bin neu im Rechnungshofausschuss, aber ich muss schon sagen, ich habe penible Leute, strenge Kontrollen, Menschen, die mit Verve an die Arbeit gehen, kennen­gelernt.

Ich habe mir diese hundert Berichte, die Sie überbracht haben, zum großen Teil durchgelesen. Sie sind nicht mehr ganz aktuell. An der Aktualität der Berichte sollten wir arbeiten. Im Übrigen, denke ich, hat Kollege Hauser alles schon ausführlich und breit mit Zahlen belegt dargestellt. Dass die Einhebung der Verbrauchsteuern über die neuen Zollämter geht, ist etwas eigenartig und wahrscheinlich historisch bedingt. Da sollte man sich vielleicht doch überlegen, ob das nicht im Finanzamt direkt anzusiedeln ist. Es entsteht auch der Eindruck, dass das so nebenbei geht. Das sollte eigentlich nicht sein, da es doch ein Steueraufkommen von fast 8 Milliarden Euro ist – immerhin dreimal so viel, wie das Bundesland Tirol Budget hat.

Ich denke, gerade die Alkoholsteuer und die Schaumweinsteuer sind ein Schuss ins Knie. Die Schaumweinsteuer bringt 5,7 Millionen Euro. Ich denke, derjenige, der sie ein­geführt hat, musste sich bei Sekt und so etwas ganz genau ausgekannt haben, denn sie ist ein wirklicher Volltreffer. Die Italiener zahlen nichts, unsere niederöster­reichischen Bauern zahlen alles. Das gehört abgeschafft. Kollege Hauser hat recht, wir wollen es auch. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 251

Da gibt es nur noch eines: Schönen Abend, auch im Sinne dessen, dass die Mitar­beiter des Parlaments nicht 12 Stunden arbeiten sollen! Nehmen Sie Rücksicht darauf! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

21.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Preiner ist zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Abgeordneter.


21.53.18

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Kolleginnen und Kollegen! Ich beziehe mich in meinen Aus­führungen zum Rechnungshofbericht auf die Transparenzdatenbank, und ich danke den Beamten sehr herzlich für die Erstellung des Berichtes. Die Transparenzdatenbank wäre, wenn sie funktionieren würde, ein profundes Mittel dafür, dass sich die Öster­reicher davon überzeugen könnten, wie ihre Steuergelder nachhaltig, zumindest im Bereich der Fördermittel, verwendet werden.

Der Rechnungshof richtet 22 Empfehlungen zur Verbesserung der Transparenz­daten­bank an das Finanzministerium. Es war in der Ausschusssitzung so, dass keine klare Antwort betreffend die Umsetzung dieser Empfehlungen gegeben wurde. Frau Präsi­dentin des Rechnungshofes, vielleicht könnten Sie da etwas Licht ins Dunkel bringen.

Geschätzte Damen und Herren! Die Transparenzdatenbank existiert seit 2010 und kostete bis dato circa 93 Millionen Euro. Der Bund steuert über das Finanzministerium circa 13 Millionen Euro bei. Das ist natürlich sehr viel Geld, Steuergeld. Die Trans­parenzdatenbank funktioniert leider noch immer nicht so, wie sie funktionieren sollte. Das heißt, es gibt noch Luft nach oben, auch Luft zur Optimierung ist jedenfalls gegeben, vor allem im Schnittstellenbereich Bund, Länder und Gemeinden.

Kolleginnen und Kollegen! Die Transparenzdatenbank nimmt auch keine Differenzie­rung zwischen EU-Mitteln und nationalen Fördermitteln vor. Das wäre jedenfalls dienlich in Richtung mehr Transparenz. Vor allem im Bereich der Landwirtschafts­för­derung ist eine große Intransparenz gegeben.

Frau Präsidentin, haben Sie in nächster Zeit vor, Initiativen in die Richtung zu setzen, dass es getrennte Auflistungen im Bereich der EU-Fördermittel und der nationalen För­dermittel gibt?

Ich möchte auch noch ansprechen, dass der Rechnungshof im Jahr 2016 die För­dermittelverwendung im Innenministerium untersucht und festgestellt hat, dass es entsprechende Mehrfachförderungen gab. Der damalige Innenminister Sobotka meinte, er wisse nicht, wie viele Mehrfachförderungen es gibt. Er hat sich auch ent­gegen der Meinung des Rechnungshofes dagegen ausgesprochen, dass eine zentrale Förderstelle im Innenministerium eingerichtet wird. Auch dazu die Frage an Sie, Frau Präsidentin des Rechnungshofes: Treten Sie dafür ein, dass eine zentrale Förderstelle im Innenministerium geschaffen wird?

Meine letzte Frage: Wie schaut es mit einer Follow-up-Prüfung betreffend die Trans­parenzdatenbank aus?

Ich hoffe, dass Sie diese drei Fragen noch in laufender Sitzung beantworten können. – Geschätzte Damen und Herren, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zanger: Du bist nicht im Ausschuss!)

21.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Becher ist zu Wort gemel­det. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 252

21.56.23

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein paar Bemerkungen zu den Genderaspekten des Rechnungshofberichtes bei der Lohnsteuer: Da stellt ja der Rechnungshof im vorliegenden Bericht dem Finanzministerium ein verheerendes Zeug­nis aus. Ich bin über die Auslegung und die Lesart der Kollegin von den Regie­rungsfraktionen einigermaßen verwundert, wie sie diese Kritik dargestellt hat. Es ist durchaus ein sehr schlechtes Licht, das auf die Ernsthaftigkeit geworfen wird, mit der die ÖVP-Finanzminister eine faire Entlohnung von Frauen und Männern in Österreich angegangen sind und wie sie das verbessern sollten. Für sie ist die Umsetzung der Regierungsziele in Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern offen­sichtlich eine rein optionale Angelegenheit. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

Eine Angleichung der Gehälter von Frauen und Männern durch die Steuern ist nicht einmal im Ansatz vorhanden. Es wurde ja heute schon erwähnt, der Gender Pay Gap, also diese Lohnschere, deren Daten für 2014 vorliegen, beträgt 22,9 Prozent. Hinter uns ist nur mehr Estland. Der EU-Durchschnitt sind 14,9 Prozent. Besonders gut ist Slowenien mit mustergültigen 2,9 Prozent. Da kann man sagen, dass die Frauen in Slowenien im Vergleich zu den Männern einen zehnmal kleineren Lohnunterschied haben als jene bei uns.

Die Lohnschere ist in Wirklichkeit eine Zange gegen die Frauen, die diese Regierung in die Hand nimmt. Lohnunterschiede werden nicht angegangen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird verschlechtert, und mit den Kinderbetreuungseinrichtungen steht es auch ganz schlecht. Länger als 12 Stunden haben nur 10 Prozent der Kinder­betreuungseinrichtungen offen. Mehr als die Hälfte der Einrichtungen, vor allem in den Bundesländern, schließen um 15 Uhr. In diesem Zusammenhang beschließt die Regierung noch den 12-Stunden-Tag. Das ist ein wirklicher Zangenangriff, dem die Frauen immer schwerer entkommen können.

Weniger Lohn für die gleiche Arbeit und ein Mangel an Kinderbetreuungs­einrich­tun­gen – und da lässt uns die Frau Familienministerin auch noch wissen, dass ein wei­terer Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen für die Drei- bis Sechsjährigen nicht mehr nötig ist. Ich kann dazu nur sagen: Gute Nacht der besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Familie! (Beifall bei der SPÖ.)

21.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Präsidentin Kraker hat sich zu Wort ge­meldet. – Bitte.


21.59.45

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Ich wollte nur auf die Fragen antworten:

Ich habe in meinem Redebeitrag gesagt, dass wir im Bericht zur Transparenz­daten­bank die mangelnde Differenzierung zwischen nationalen und EU-Mitteln kritisiert haben.

Eine Follow-up-Überprüfung zur Transparenzdatenbank habe ich im Ausschuss schon in Aussicht gestellt.

Die Förderungspraxis des Innenministeriums haben wir vor einem Jahr im Hohen Haus diskutiert und entsprechende Empfehlungen ausgesprochen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Es hat sich nichts verändert!)

22.00

22.00.38



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll34. Sitzung, 4. Juli 2018 / Seite 253

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Damit ist keine Wortmeldung mehr in der Pipe­line. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zuerst kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 24: Antrag des Rech­nungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-10 zur Kenntnis zu nehmen.

Wer zustimmt, den bitte ich um ein diesbezügliches Zeichen. – Einstimmig.

Tagesordnungspunkt 25: III-21. – Einstimmig.

Tagesordnungspunkt 26: III-22 der Beilagen. – Einstimmig.

Tagesordnungspunkt 27: III-45 der Beilagen. – Einstimmig.

Tagesordnungspunkt 28: III-52 der Beilagen. – Ebenfalls Einstimmig.

Tagesordnungspunkt 29: III-78 der Beilagen. – Ebenfalls einstimmig zur Kenntnis genommen.

Tagesordnungspunkt 30: III-83 der Beilagen. – Einstimmig zur Kenntnis genommen.

Tagesordnungspunkt 31: III-85 der Beilagen. – Ebenfalls einstimmig zur Kenntnis genommen.

Tagesordnungspunkt 32: III-88 der Beilagen. – Auch einstimmig zur Kenntnis genommen worden.

Tagesordnungspunkt 33: Bericht III-89 der Beilagen. – Einstimmig zur Kenntnis genommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

22.02.07Einlauf


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 308/A(E) bis 322/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 22.02 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

22.02.32Schluss der Sitzung: 22.02 Uhr

 

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