Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll39. Sitzung, 26. September 2018 / Seite 41

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Frau Bundesministerin! Sie haben in Ihrer Rede als letzten Satz einen sehr entlarven­den Satz gesagt. Sie haben nämlich gemeint: Wir sind für Herrn und Frau Österrei­cherIn da und für sonst niemanden! – Wenn wir aber über soziale Sicherheit für alle sprechen, Frau Ministerin, dann sprechen wir auch über soziale Sicherheit für Nichtös­terreicherInnen, das heißt für Migrantinnen und Migranten, für Asylwerberinnen und Asylwerber.

Das ist eine Notwendigkeit; eine Notwendigkeit deshalb, weil wir, wenn wir über soziale Sicherheit sprechen, über gesellschaftliche Teilhabe und über ein gutes Leben für alle sprechen müssen. Es kann doch nicht so sein, dass wir auf einen Teil dieser Men­schen vergessen!

Wenn wir über soziale Sicherheit sprechen, so möchte ich damit beginnen, einmal ein paar Fakten aufzuzeigen, wie die Einkommenssituation der Menschen ausschaut, also in den vorgelagerten Netzen der sozialen Sicherheit, weil das ganz entscheidend dafür ist, wie es den Menschen in diesem Lande geht. Erst kürzlich hat eine Umfrage der AK gezeigt, dass fast die Hälfte der Beschäftigten mit dem Geld, das sie verdient, nicht zurande kommt. Wenn wir den Fokus auf weiblich dominierte Berufe legen, also auf Friseurinnen, auf Kellnerinnen, auf Reinigungskräfte, auf Kosmetikkräfte, auf Arzthelfe­rinnen und dergleichen, dann sehen wir, es sind 80 Prozent der Menschen, die mit ih­rem Lohn nicht das Auslangen finden.

Frau Ministerin, Sie wissen – und das wissen wir schon lange in diesem Lande –: In Österreich ist jeder zehnte Mensch armutsgefährdet. Aus dem Einkommensbericht der vergangenen Jahre, erstellt von der Statistik Austria und vom Rechnungshof, wissen wir, dass die Menschen von Realeinkommensverlusten von 20 Prozent, das unterste Einkommensdezil sogar von Einkommensverlusten von bis zu 50 Prozent betroffen wa­ren. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen!

Vor diesem Hintergrund stellt sich jetzt die Frage: Was tut die Regierung dagegen? Gewährt die Regierung wirklich allen ein Recht auf gesellschaftliche Teilhabe, ein gu­tes Leben? – Meine Antwort ist ganz klar: Nein, das tut sie nicht! Sie verteilt vom un­teren Einkommensdrittel hin zum mittleren und zum oberen Einkommensdrittel.

Zwei Beispiele dazu aus der jüngsten Vergangenheit: zum einen der Familienbonus, über den, wie wir ja wissen, jene Menschen mit einem Einkommen bis 1 250 Euro brut­to, also jene, die keine Lohn- und Einkommensteuer zahlen, nur ein Sechstel von dem erhalten, was die Menschen aus der Einkommensmitte erhalten – das heißt also, deren Kinder sind nur ein Sechstel dessen wert, was die Kinder der Mittelschicht und Ober­schicht wert sind –, und zum anderen die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge. Menschen bis in die Einkommensmitte hinein profitierten von dieser Senkung null, Frau Ministerin, da können Sie und der Herr Bundeskanzler noch tausendmal das Ge­genteil behaupten, es wird dadurch nicht besser!

Und das, was kommen wird, wird es noch einmal schlechter machen: die Streichung der Notstandshilfe, die Kürzung der Mindestsicherung mit Vermögensanrechnung. Es droht Hartz IV, Frau Ministerin! Das wird mehr Menschen in die Armut treiben, und die­sen Menschen werden Sie zunehmend weniger helfen.

Zusammenfassend kann man also sagen: Die Situation für das untere Einkommens­drittel hat sich verschlechtert, jene, die in dieser Gesellschaft abgehängt sind, werden weiter abgehängt, die gesellschaftliche Teilhabe für viele Menschen wird immer schwie­riger, und es droht tatsächlich eine Zweidrittelgesellschaft in unserem Land. – Ich bin nicht bereit, das zu tolerieren, und ich hoffe sehr stark auch auf die Unterstützung der Gewerkschaften, des ÖGB, aber auch der Opposition im Kampf dafür, dass allen Menschen eine gesellschaftliche Teilhabe zusteht. (Beifall bei der Liste Pilz sowie der Abg. Yildirim.)

Frau Ministerin! Was wir für diese gesellschaftliche Teilhabe brauchen - -


 


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