Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll42. Sitzung, 19. Oktober 2018 / Seite 7

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dieses völlig unverhältnismäßigen Einschnitts in die Freiheit der Bürger_innen sind jedoch weitreichend für Wirtschaft, die Verwendung von Steuergeld und die Personen­freizügigkeit jedes einzelnen Österreichers und jeder einzelnen Österreicherin. ÖVP und FPÖ tragen Schritt für Schritt jene Freiheiten und Rechte ab, die durch jahr­zehntelange Bemühungen der Europäischen Union für die Bürgerinnen und Bürger erreicht wurden. Sie bauen eine Mauer um Österreich und schotten uns ab.

Europarechtswidrige und unverhältnismäßige Verlängerung der Grenzkontrollen

Der Schengenraum ist eigentlich ein Gebiet ohne Binnengrenzen und entsprechende Kontrollen an diesen. Gemäß dem Schengener Grenzkodex (Art. 25 ff. VO 2016/399) ist es den Schengen-Staaten in absoluten Ausnahmesituationen gestattet, temporär und nur bei ernsthafter Bedrohung der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung, Grenzkontrollen an den nationalen Grenzen einzuführen. Das Schengen-Abkommen macht klar, dass von dieser Möglichkeit nur in einer absoluten Notsituation als letztes Mittel Gebrauch gemacht werden darf, denn es geht dabei um die Ein­schränkung der Freiheit von Bürgerinnen und Bürgern. Der Text des Abkommens besagt: „Die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen darf in Umfang und Dauer nicht über das Maß hinausgehen, das zur Bewältigung der ernsthaften Bedrohung unbedingt erforderlich ist.“

Die Kontrollen an den österreichischen Binnengrenzen bestehen nun seit 2015. Sie wurden ursprünglich mit Verweis auf die Lage in Griechenland und Deutschland damit begründet, dass der Schutz der EU-Außengrenze nicht intakt sei und auf Empfehlung der Kommission und des Rates eingeführt. Ende 2017 war eine weitere Verlängerung der Kontrollen mit dieser Begründung nicht mehr möglich. Seitdem beruft sich die österreichische Bundesregierung auf die „Sicherheitslage in Europa“ und Sekundär­migration. Mit diesem Hinweis verlängerte Österreich die Kontrollen seither bereits zweimal um jeweils sechs Monate. Der Bundesminister für Inneres hat gegenüber Medien (APA, 13.9.18) und auch dem Parlament (Aktuelle Europastunde, 26.9.18) argumentiert, dass eine Aufhebung der 2015 eingeführten Grenzkontrollen erst erfolgen könne, wenn der Schutz der Außengrenzen tatsächlich funktioniere. Dies ist irritierend, da es sich weder mit der bisherigen offiziellen Begründung Österreichs deckt, noch mit Artikel 25 des Schengener Grenzkodexes vereinbar ist.

Walter Obwexer, Europarechtsexperte an der Universität Innsbruck, weist daraufhin, dass Mitgliedstaaten Kontrollen gemäß Schengener Grenzkodex nur vorübergehend und bis zu einer Dauer von zwei Jahren einführen dürfen und diese einmalig um 6 Monate verlängern dürfen (ORF Tirol,12.09.18). Diese Zeit ist für Österreich im Mai 2018 abgelaufen. Auch der Asyl- und Europarechtsexperte Jorrit Rijpma von der Uni­versität Leiden nannte die zeitgleich stattfindenden deutschen Kontrollen an der Grenze zu Österreich illegal, da die Fristen im Mai 2018 ausgeschöpft waren (SZ, 23.06.18). Experten zufolge ist also sowohl Österreichs Verlängerung der Kontrollen von Mai 2018 bis November 2018, als auch die im Raum stehende neuerliche Ver­längerung im November 2018 auf weitere sechs Monate, illegal.

Die Öffentlichkeit und das Parlament werden über die Vorgänge bezüglich der Verlän­gerung im Dunkeln gelassen. Abgesehen von einer Absichtserklärung des Innenminis­ters fand keine öffentliche oder parlamentarische Debatte über eine etwaige Verlän­gerung der Grenzkontrollen statt. Es ist nicht bekannt, wie sich die Bundesregierung untereinander und auf europäischer Ebene diesbezüglich abstimmt.

Fatale Folgen für die Wirtschaft

Ein Wiederaufziehen der nationalen Grenzen im Schengenraum wirkt sich auf direktem Wege negativ auf die Wirtschaft aus. Experten gehen von hohen Kosten aus, die durch Wartezeiten an den Grenzen verursacht werden: Pönalezahlungen bei Lieferverzöge-


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