Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll42. Sitzung, 19. Oktober 2018 / Seite 15

HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite

Die Grenzkontrollen zu verlängern, ist eine sehr einschneidende Frage. Das ist eine einschneidende Frage für die Menschen, die tagtäglich im Stau stehen – Frau Abge­ordnete Steger, Sie kennen offensichtlich niemanden in einer Grenzregion oder Pend­lerinnen und Pendler, die tagtäglich im Stau stehen, da Sie den Kopf schütteln, die tun sich tatsächlich mit dem Pendeln schwer –, und es schränkt auch die Freiheit ein. Es ist eine entscheidende Frage für die Wirtschaft in der Grenzregion, die durch Warte­zeiten massiven Schaden erleidet und die mit Mehrkosten zu kämpfen hat – auf ge­naue Zahlen werde ich noch eingehen. (Abg. Rädler: ... völlig fremd!) Es ist aber auch eine entscheidende Frage für das vereinte Europa an sich, von dem wir überzeugt sind, dass es den Weg in die Herzen der Menschen finden muss.

Ich habe vor einiger Zeit mit meinem Vater über Europa gesprochen und darüber, wie wesentlich dieser Schritt Österreichs in das vereinte Europa für mich als jungen Menschen immer war. Ich habe gesagt, es fehlt ein Narrativ, das letztlich auch die Herzen der Menschen erreicht. Und er hat zu mir gesagt: Na ja, ich würde sagen: Ich bin Wiener im Herzen, ich bin Österreicher im Bauch und ich bin Europäer im Kopf. – Das mag zwar ganz vernünftig sein, aber es zeigt, dass wir tatsächlich Schwierigkeiten haben, mit diesem Projekt des vereinten Europas die Herzen der Menschen zu gewinnen.

Wenn Sie aber fragen, was es ist, was die Menschen an Europa schätzen, dann hören Sie einen Satz sehr oft: dass ich mich frei bewegen kann, dass ich nicht mehr an der Grenze stehe, dass ich in Europa dort leben, arbeiten, studieren kann, wo ich möchte, und dass ich nicht mehr aufgrund von Passkontrollen bei jedem Grenzübertritt so­zusagen stundenlange Wartezeiten in Kauf nehmen muss. (Abg. Wurm: Keine Sicherheitskontrollen am Flughafen mehr?)

Die offenen Binnengrenzen sind eine Errungenschaft: Die Menschen haben dadurch mehr Freiheit. Die Wirtschaft gerade in der Grenzregion hat begonnen zu florieren. Ich glaube, Sie können sich sicher noch an die geschlossenen Grenzen erinnern und daran, wie trostlos, würde ich einmal sagen, es durchaus in einigen dieser Regionen war. (Abg. Zanger: Respektvoll ...!) – Ich habe sehr viele gute Gespräche auch im Waldviertel geführt, und ich glaube, die Leute wünschen sich dort nicht mehr die geschlossenen Grenzen zurück, da bin ich mir ziemlich sicher. (Abg. Deimek: Aber zu Deutschland war auch eine Grenze ...!)

In Notsituationen, bei ernsthaften Bedrohungen kann man diese Grenzkontrollen wie gesagt wieder einführen. Ich zitiere hier Artikel 23 des Vertrages, in dem in Absatz 1 steht:

„(1) Im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit kann ein Mitgliedstaat ausnahmsweise nach dem in Artikel 24 festgelegten Verfahren oder in dringenden Fällen nach dem in Artikel 25 festgelegten Verfahren für einen begrenzten Zeitraum von höchstens 30 Tagen oder für die vorhersehbare Dauer der schwerwiegenden Bedrohung“ – bla, bla, bla – „wieder Grenzkontrollen einführen.“

Es muss also eine schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit sein. Sie ernennen hier eine Notsituation – und das sagen alle Zahlen –, die nicht mehr gegeben ist, zur Norm. Sie erheben sozusagen die Krise zum Normalzustand, und es wird Sie nicht verwundern, dass namhafte Europarechts­expertinnen und -experten – um nur einen davon zu zitieren: Walter Obwexer von der Universität Innsbruck – darauf hinweisen, dass es rechtswidrig, eindeutig rechtswidrig ist, diese permanente Grenzkontrollverlängerung und diese Bedrohungsszenarien auf­rechtzuerhalten, obwohl die nüchternen Zahlen etwas ganz anderes sagen. Das heißt, Sie brechen hier bewusst europäisches Recht. – Das möchte ich nicht! (Beifall bei den NEOS.)

 


HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite