Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll42. Sitzung, 19. Oktober 2018 / Seite 43

HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite

Damals war man ja noch sehr vernünftig, und natürlich hat man damals in der ursprünglichen Version in Artikel 17 des Schengener Abkommens auch festgehalten, dass der Ausgleich für das Niederfahren der innerstaatlichen Grenzen die Verstärkung des Außengrenzschutzes sein muss. Das ist zwingend erforderlich: Die Außengrenzen müssen zu sein. Das war die zweite Seite der Medaille. Man hat gesagt: gut, keine Grenzkontrollen im Inneren, Verlegung an die Außengrenzen. Wortwörtlich wurden „ergänzende Maßnahmen zum Schutz der inneren Sicherheit“ in den einzelnen Staaten und die „Verhinderung der unerlaubten Einreise von Personen“ aus Dritt­staaten verpflichtend festgelegt. Das war der Deal, um mit Donald Trump zu sprechen, und der hat nicht lange gegolten. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist aber nach wie vor geltendes Recht, dass die nationalen Grenzkontrollen nur dann nicht bestehen sollen, wenn die Außengrenzen dicht sind. Das ist ja auch klar, man hat ja damals auch schon das Bewusstsein gehabt, dass nicht nur der durch­schnittliche EU-Bürger von der Reisefreiheit Gebrauch machen wird, sondern dass es eben auch für Illegale oder Verbrecher ein Traum ist, sich völlig ohne Identifizie­rungs­verpflichtung in den Mitgliedstaaten frei zu bewegen.

Gut, dann kam Dublin, es kam die Verpflichtung, in den Ländern Asylverfahren durchzuführen, in denen die Menschen ankommen. Berlusconi, der ja als Premier von Italien wirklich hauptsächlich davon betroffen war, hatte zum Beispiel einen sehr gut funktionierenden Deal mit Libyen abgeschlossen. Er gab Gaddafi Geld, und dieser hat von Libyen keine Schiffe und keine Boote abfahren lassen. Das hat so lange funk­tioniert, bis man draufkam, dass man Libyen vielleicht im Namen der Menschenrechte bombardieren und den Staat zerstören soll.

Nun kam es dann, wie es kommen musste. Die Geister, die wir riefen, sind gekommen, und sie sind zu Hunderttausenden gekommen, weil der Arabische Frühling eben im Chaos endete – und wir haben unseren Beitrag dazu geleistet. Die Staaten dort haben nämlich keine Lust, eine Demokratie nach unserem Geschmack aufzubauen.

Die alte Seenotregel – Frauen und Kinder und übrige Schwache zuerst – gilt nicht mehr. Es sind zu einer ganz großen Mehrheit junge starke Männer gekommen – zu einem guten Teil mit erheblichem Aggressionspotenzial uns gegenüber. Die Stärksten mit Ellbogen, die auch das Geld für die Schlepper haben, sind gekommen. Es ist im August 2015 zu einem Kontrollverlust gekommen. Es war die erste Staatskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Immer in Krisen zeigt es sich, wie gut ein Politiker wirklich ist, denn in guten, friedlichen Zeiten ein guter Politiker zu sein und ein bisschen Steuergeld zu verteilen, Hände zu schütteln, überallhin zu rennen, ist ganz leicht, aber in Krisenzeiten ist es sehr schwierig. (Abg. Meinl-Reisinger: Sprechen Sie da von Haider?)

Wie war es nun im August 2015? – Auf der einen Seite stand das glückliche Ungarn mit Viktor Orbán, der seine Bevölkerung geschützt hat, und auf der anderen Seite das unglückliche Deutschland, Österreich und Schweden. Da hat es geheißen: Wir nehmen alle! (Abg. Höbart: Die Willkommensklatscher!) Es gibt keinen Widerspruch, es dürfen nicht einmal Bedenken oder Beschwerden geäußert werden, sonst ist man ein Spalter, das Wort ist dann modern geworden, man hält die Rechtsstaatlichkeit nicht ein, man baut die Demokratie ab – wirklich eine zwingende Logik. Viktor Orbán hat sich ans Gesetz gehalten, wir aber nicht. Es sind die Grenzen rechtswidrig aufgemacht worden, trotzdem sind wir, Deutschland und Österreich, sozusagen die Guten gewesen. Es ist nicht wahr, es war gesetz- und rechtswidrig, und dieses Versagen war traumatisch. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Bundesregierung ist nun angetreten, die Folgen von August 2015 wieder zu redu­zieren – zu beseitigen, wird leider nicht so leicht gehen –, und vor allem, um solche


HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite