Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll45. Sitzung, 25. Oktober 2018 / Seite 47

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die Welt bis 2050 komplett CO2-frei zu machen; 900 Milliarden Dollar im globalen Maßstab für Investitionen.

Das sind 0,6 Prozent des Reichtums und des Wohlstands auf dem ganzen Planeten. Das ist ein läppischer Betrag, um den es hier geht (Beifall bei der SPÖ), es ist aber ein Betrag, der den Unterschied macht, ob unsere Kinder eines Tages in einer Umwelt leben werden, die zu ihrem größten Feind wird. Ich habe mich oft gefragt – als Teil dieses Systems, des Mechanismus –: Warum kommen wir da nicht weiter? Ich habe immer wieder festgestellt, dass uns die Angst, im Kleinen Nachteile zu erleiden, im Großen alle gemeinsam zu Verlierern macht.

Dieselbe Frage, die mit Rationalität bewertet werden muss, ist jene: Wie können wir unseren Platz in der Welt behaupten? Wir wissen, dass Europa vor enormen Heraus­forderungen steht, vor einem völlig unberechenbaren amerikanischen Präsidenten, vor dem Aufstieg Chinas, der sorgsam geplant ist und der sein Ende noch längst nicht erreicht hat. Wir müssen uns die Frage stellen: Wie kann Europa stark sein, wie kann es souverän handeln, wie kann es weltpolitikfähig sein? Wenn wir uns diese Frage stellen, dann kommen wir auch rasch zu dem Schluss, dass das für die Nationen auch bedeutet, Kompetenzen im Großen abzugeben, um die Probleme unserer Zeit zu lösen. Ich halte das nicht für einen Verrat an Österreich, sondern für das Gegenteil, für einen Akt des Patriotismus, weil es ein starkes Österreich nur in einem starken Europa geben können wird. (Beifall bei SPÖ, NEOS und Liste Pilz.)

Ich sage das mit Überzeugung und mit dem Stolz, dass ich Österreich im Euro­päi­schen Rat unter den Regierungschefs vertreten durfte. Gerade dieses Erlebnis hat aber bei mir die Überzeugung genährt, dass es wichtig ist voranzugehen, dass der Still­stand keine Option ist, und dass wir mehr an Gemeinsamkeiten und nicht weniger brauchen, um denen, die mit der Abrissbirne gegen Europa arbeiten, Einhalt zu gebieten.

Meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe zweieinhalb Jahre meines Lebens in der Berufspolitik verbringen dürfen. Es war mir, als ich damit begonnen habe, klar und bewusst, dass die Zukunft eines Bundeskanzlers, die Zukunft eines Ministers, die Zukunft eines Abgeordneten darin besteht, dass er einmal ein Ex-Bundeskanzler, ein Ex-Minister und auch ein Ex-Abgeordneter sein wird. Ich denke, wenn man sich das vor Augen führt, fällt einem der Umgang mit den politischen Mechanismen doch um einiges leichter. Ich habe festgestellt, dass man zu einer Projektionsfläche wird, in die Menschen das Allerbeste, die größten Erwartungen hineingeheimnissen, und dass genau das Gegenteil auch passiert: Die schlechtesten Erfahrungen, alles wozu Menschen an Niedertracht fähig sind, auch das wird einem unterstellt.

Ich habe allerdings auch feststellen dürfen – und mit einer notwendigen Distanz –, dass das alles herzlich wenig mit der wirklichen Person zu tun hat. Es ist für mich immer wieder frappierend gewesen, in Zeitungen zu lesen, wie lustvoll man angeblich in der ersten Reihe der Politik steht – oder mit welcher Begeisterung oder welchen Wert das bedeutet. Ich kann Ihnen sagen, ich habe dieses Geschäft mit großer Freude gesehen, aber ich habe auch die Einsamkeit erlebt und vor allem habe ich den Wert eines Sonntagnachmittags zu Hause auf dem Sofa so richtig schätzen gelernt.

Es geht in der Politik definitiv irdischer zu als manche meinen, und das ist mög­licherweise auch gut so. Die Lektion, die ich gelernt habe, war eine, die man vielleicht mit einer Analogie verbinden kann. Sie wissen, am Schrein von Delphi war der Spruch „Nichts im Übermaß“ eingemeißelt. Die Politik – und das ist mein persönliches Re­sümee nach zweieinhalb Jahren – lehrt einen, im guten Sinn sein Urteil zu mäßigen. Ich halte das für eine ganz wichtige Eigenschaft, sich im Urteil zu mäßigen und sich über Menschliches – vielleicht allzu Menschliches – nicht zu sehr aufzuregen. Ich den-


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