Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll53. Sitzung, 11. Dezember 2018 / Seite 118

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leistbaren Wohnungen geht immer weiter auseinander. 37 Prozent sind es in der Zwischenzeit, die die Menschen in Österreich an Arbeitszeit und an Mitteln aus ihrem Einkommen verwenden müssen, um sich überhaupt Wohnen leisten zu können. Wenn der Klubobmann der ÖVP, Kollege Wöginger, heute – jetzt ist er gerade nicht hier – gesagt hat, wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein, dann kann ich nur darauf hinweisen: Wenn manche Menschen drei Viertel ihrer Arbeitszeit benötigen, um sich die Wohnungen leisten zu können, dann sind sie zwar nicht dumm, aber dann wurden sie von der Politik einfach im Stich gelassen. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich glaube, es ist Aufgabe jeder Regierung, sich um diesen Bereich intensiv zu kümmern. In diesem Sinne verstehe ich den Dringlichen Antrag der SPÖ: um jetzt auf die Dringlichkeit dieses Themas hinzuweisen. Ich glaube, dass die Abschaffung der Umsatzsteuer im Zusammenhang mit den Mietverträgen nicht unbedingt das optimale Mittel dafür ist. Es gibt ja auch Fachleute wie Werner Doralt, die darauf hinweisen, dass sich das nicht tatsächlich auf die Mietkosten umschlagen lässt. Bruno Rossmann wird das später auch noch einmal erläutern. Vielleicht ist auch das eine Möglichkeit – ganz ehrlich, ich kenne mich da zu wenig aus –, es gibt ja auch andere Möglichkeiten, es besteht aber auf jeden Fall Handlungsbedarf. Ich kann nicht erkennen, dass die Regierung irgendetwas im Schilde führt, irgendetwas unternehmen möchte, um diesen Vorgängen sozusagen ein Stopp als Signal zu setzen. (Beifall bei JETZT.)

Im kommenden Jahr ist da jedenfalls nichts auf der Agenda – im Gegenteil. Wir behandeln ja morgen einen Antrag, demzufolge die Wohnungen für Studenten in den Wohnheimen teurer werden sollen. Das versteht die ÖVP unter Entlastung der Be­völkerung. Ich glaube, dass die ÖVP in der Regierung nicht nur in der Vergangenheit immer wieder auf der Bremse gestanden ist, wenn es um Mietrechtsreformen gegan­gen ist, sondern auch jetzt nicht wirklich etwas in der Richtung vorhat. Dass sich die Partei des kleinen Mannes von den sozialen Agenden verabschiedet hat, seitdem sie in der Regierung ist, ist uns ohnehin schon aufgefallen. Sie unterstützen jetzt in der Re­gierungskoalition die Immobilienbranchepartei ÖVP. Wir wissen, dass jeder dritte Großspender im Wahlkampf der ÖVP aus der Immobilienbranche gekommen ist, und ich erwarte mir von dieser Fraktion und von dieser Regierung daher auf diesem Sektor leider Gottes nichts für die Mieter und Mieterinnen.

Schauen wir uns an, was die ÖVP sozusagen als Strategie vorschlägt: Eigentum ist die beste Vorsorge. Im Bautenausschuss haben einige Abgeordnete der ÖVP gemeint, es ist doch allemal gescheiter, sich eine Wohnung zu leisten, im Eigentum zu kaufen, als von Mieten abhängig zu sein. Das ist einfach nichts anderes als eine zynische Aussage, die uns alle an die ehemalige Königin von Frankreich vor der Französischen Revolution erinnert. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.) Das Zitat ist historisch nicht belegt, aber sie hat ja angeblich den Armen gesagt, sie sollen sich doch, wenn sie sich kein Brot leisten können, Kuchen leisten. (Zwischenruf des Abg. Lugar.) Ich würde das jetzt umlegen: Wenn sich die Österreicher und Österreicherin­nen die Miete nicht mehr leisten können, dann sollen sie sich – wäre die Aussage der ÖVP – doch die Wohnungen kaufen!

Wir wissen, dass sehr viele überhaupt keine Perspektive in dieser Richtung haben. Das mediane Bruttoeinkommen in Österreich liegt bei 2 200 Euro. Wenn man jetzt auf Netto umrechnet und wenn man sehr, sehr sparsame Menschen im Auge hat, die sich von diesem Geld vielleicht noch 10 Prozent absparen, was ja fast schon unmöglich ist, dann müssen die hundert Jahre warten, damit sie sich eine kleine Wohnung in Wien oder in Österreich leisten können. Da gibt es also überhaupt keine Perspektive, und nicht zuletzt deswegen ist die Hälfte aller Österreicher und Österreicherinnen in einem Mietvertrag, in einem Mietverhältnis; in Wien sind es sogar 80 Prozent.

 


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