Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 87

HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite

Ich glaube und bin zutiefst davon überzeugt, dass wir viel stärker auf die Pädagogin­nen und Pädagogen vor Ort vertrauen müssen. Die sind die Expertinnen und Experten vor Ort. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Denen müssen wir vertrauen, da bin ich bei Ih­nen. – Wir machen es aber nicht. Wir geben Ihnen nicht die pädagogischen Freiheiten. Wir geben Ihnen einen Stempel mit und sagen: Ihr müsst jetzt diese Noten  eins, zwei, drei, vier, fünf – verteilen und dann noch Standard und Standard AHS. Das ist das, was wir machen. (Abg. Hauser: ... richtig informieren! ... beides möglich! – Zwi­schenruf des Abg. Wöginger.) Wir geben Ihnen eben nicht die pädagogische Autono­mie, die sie dringend brauchen würden, und übrigens auch kein Vertrauen. Das Ver­trauen, das wir da in sie setzen, ist relativ gering.

Ich möchte nur noch kurz zum Expertenhearing kommen, wozu schon einiges gesagt wurde. Es sind ja nicht nur die Expertinnen und Experten, die bei uns im Ausschuss waren, die ihre Meinung gesagt haben, sondern auch andere haben in den Medien und anderswo breit publiziert. Ich habe nur zwei Zeitungsartikel aus den letzten zwei Tagen mit. Schulexperte Schratz hat am 10. Dezember, also vor zwei Tagen, gesagt, er sehe keine Fortschritte in der Bildungspolitik in Österreich. Ziffernnoten, Sitzenbleiben und Halbtagsschulen seien gestrig. – Das ist das, was ein weiterer Experte sagt. (Zwi­schenruf des Abg. Taschner.) Das ist ein weiterer Experte.

Noch eine Expertin, die heute im „Kurier“ geschrieben hat, ist Frau Spiel. Ich denke, dass Sie sie kennen. Der „Kurier“ ist kein böses linkes Medium, wie Sie jetzt wahr­scheinlich behaupten werden, sondern ist durchaus eher, sagen wir einmal, der Raiff­eisen-Hälfte des Landes zuzuordnen. Sie sagt, es sei kein einziger Bildungswissen­schaftler bekannt – und ich glaube, dass Frau Spiel durchaus gut vernetzt ist –, der die Gesetzesänderungen gutheiße. Sie frustriert das. – Das sind ihre Worte. Das steht heute im „Kurier“.

Dann kommt meine Lieblingsüberraschung zum Thema Evidenz heute hereingeflattert: Ich hätte nicht damit gerechnet, aber wir haben heute die Anfragebeantwortung zu un­seren Fragen, welche Evidenz dahintersteht, welche Meinungen vom Herrn Minister einbezogen wurden, bekommen. Zu Frage Nummer 1, ob es Gespräche mit ExpertIn­nen gegeben hat, wird Folgendes aufgezählt: „Expertinnen und Experten der Bildungs­direktionen“ – die Bildungsdirektionen, von denen wir alle wissen, dass sie politisch be­setzt wurden, weil die Landeshauptleute sich überall zu den Präsidenten gemacht ha­ben; das ist politische Entscheidung –, „Landesbildungsreferenten“ – die sind natürlich auch politisch besetzt; die Schulpartnerschaft und die Elternverbände möchte ich da explizit ausnehmen, allerdings wurde das Thema mit ihnen nur im Rahmen einer Sit­zung des Elternbeirats besprochen, das wurde halt so mitgenommen, nach dem Motto: Müssen wir halt die Eltern und die Schulpartner auch hineinnehmen –, und die „Ge­werkschaft Öffentlicher Dienst“. – Das ist alles Parteipolitik! (Zwischenruf des Abg. Taschner.) Es tut mir leid, das ist eine parteipolitische Reform. Es sind nur parteipoli­tische Institutionen beziehungsweise Personen eingeladen worden.

Zur Frage 2 (Abg. Taschner: Sie sind im falschen Tagesordnungspunkt!) – nein, ich bin nicht beim falschen Tagesordnungspunkt –, ob wissenschaftliche Studien zur Hand genommen wurden, ist im ganzen Text keine Studie erwähnt, sondern es steht ganz groß, dass das im Regierungsprogramm 2017 bis 2022 alles drinnen steht. (Heiterkeit bei NEOS, SPÖ und JETZT.) Wie weit sind Sie gekommen, dass Sie Ihr Regierungs­programm als wissenschaftliche Grundlage nehmen? (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.) Da würde es mir als Wissenschaftler den Magen umdrehen, das muss ich Ih­nen ehrlich sagen. Ich bin fassungslos gewesen. Auch sonst steht in dieser Anfra­gebeantwortung nicht wirklich etwas darüber, dass es einen fundierten inhaltlichen Background dieses ganzen Pakets gibt.

Ich finde es eigentlich beschämend, dass wir hier so über die Köpfe der jungen Men­schen hinwegschauen. Wir wissen alle, dass die jungen Menschen, unsere Schüle-


HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite