Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 116

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dschungel binden Ressourcen, blockieren die Selbstorganisationskräfte des Systems Schule sowie individuelles Engagement und frustrieren Systemteilnehmer_innen, pri­mär die Schulleitungen und die Lehrer_innen, in weiterer Folge Schüler_innen und El­tern.

Die Bundesregierung ist offensichtlich nicht willens, die anstehenden Herausforderun­gen mit zukunftsorientierten und nachhaltigen Strategien anzugehen. Symptomatisch dafür ist auch, dass die Schüler_innen einem Leistungsbegriff untergeordnet werden sollen, von dem diese Regierung selbst nicht weiß, was er bedeutet, außer der guten alten Besitzstandswahrung. Mit diesen verkrusteten Glaubenssätzen werden wir die zukünftigen Generationen nicht auf die Welt von Morgen vorbereiten können. Vielmehr brauchen wir Leistungsträger_innen, die den Antrieb haben, sich mehr anzustrengen als unbedingt nötig. Es ist davon auszugehen, dass bereits für die nächsten Jahre siebzig Prozent der Jobs noch gar nicht erfunden sind, ist beispielsweise Gerd Leon­hard überzeugt. Die Arbeitnehmer_innen und Unternehmer_innen von morgen brau­chen also völlig neue Skills. Sie werden ihre Berufe teilweise sogar erst selbst erfinden müssen. Der Motor dafür ist die Neugier, das Handwerkszeug kritische Vernunft und Kreativität. Die Leistungsträger_innen von morgen sind mündige Menschen, die sich mutig und selbstbewusst den Herausforderungen der Zukunft stellen und keine abge­richteten, gehorsamen Systemerhalter.

Diese Regierung präsentiert aber leider immer wieder nur Einzelmaßnahmen und Scheinlösungen, die diametral einer innovativen und zukunftsorientierten Entwicklung entgegenstehen, von den Deutschklassen bis hin zu Verschärfungen beim Schul­schwänzen. Die zuletzt präsentierte Wiedereinführung von Noten und Sitzenbleiben in der Volksschule sowie den Rückbau der NMS zur Hauptschule als Pädagogikpaket zu verkaufen, treibt lediglich die Spaltung der Gesellschaft rasant weiter voran, sorgt aber für keinerlei innovative Impulse. Ganz im Gegenteil: Durch die daraus resultierenden sozialen Trennwände verantwortet diese Bundesregierung eine ganze „Generation von Abgehängten“. Von mehr Chancengerechtigkeit für unsere Kinder, von Innovation und einem modernen zukunftsorientierten Leistungsbegriff kann in Österreich aktuell nicht die Rede sein.

Dieses Szenario zeigt sich von der Elementarpädagogik bis zur Hochschule. Einige Problembereiche möchten wir exemplarisch herausstreichen:

Parteipolitik

Das erste und größte Problem ist sehr einfach auf den Punkt gebracht: Der Bildungs­minister macht den gleichen Fehler wie seine Vorgänger_innen. Was immer schon of­fensichtlich war und auch alle wussten, gibt Minister Faßmann sogar in einem Interview am 11. Oktober dieses Jahres zu. Die Offenheit mag erfrischend sein, ändert aber an der Tatsache nichts: Der Bildungsminister der Republik trifft politische und ideologische Entscheidungen, in deren Mittelpunkt eben nicht die Kinder oder Lehrer_innen stehen, sondern parteipolitisches Kalkül gemischt mit dem rückwärtsgewandten bildungspoliti­schen Minimalkompromiss dieser Koalition. Garniert mit blinder Pakttreue und befeuert von einer mächtigen PR-Maschine entsteht so ein verhängnisvoller Cocktail für unser Schulsystem, der die engagierten Lehrer_innen weiter verunsichert, in ihrer Profession beschneidet und hilflos zurücklässt.

Minister kommt aus dem Lateinischen, von ministrare, und bedeutet soviel wie dienen. Doch wem dient Heinz Faßmann? Den Kindern, besorgten Eltern, Lehrer_innen oder machtpolitischen Interessen? Ist er Bildungsdiener oder Regierungsdiener? Bedauerli­cherweise fühlt sich Heinz Faßmann offensichtlich veralteten und parteipolitischen Ideologien verpflichtet.

Jedenfalls ist klar: Bildungspolitik bleibt Machtpolitik. Was für die letzten Regierungen galt, bleibt auch für Schwarz-Blau gültig. Die bürokratische und parteipolitische Gänge-


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