Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 128

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nichts zu sehen. Es ist ein einziger Stillstand, und es ist sogar mehr als das: Es ist ein Rückschritt.

Mit diesen Sorgen bin ich nicht allein, Herr Bundesminister, das wissen Sie. Ich lese Ih­nen vor, was der Professor vom Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung der Universität Innsbruck, Michael Schratz, in einem Interview gesagt hat: „Wir haben Rückschritte in bestimmten Bereichen. Stichwort Ziffernnoten, an deren Alternativen die Volksschulen lange gearbeitet haben.“

Der Bildungsforscher Stefan Hopmann von der Universität Wien sagt zum Pädagogik­paket: „Die Rückkehr in die ‚gute alte Zeit‘ soll aktuelle Probleme lösen. [...] Es wird vorgetäuscht, dass Leistung objektiv messbar ist. Das ist empirischer Quatsch. Leis­tungsdruck führt nicht zu mehr Leistung. Die Forschung zeigt, dass Sitzenbleiben in den meisten Fällen der Anfang vom Scheitern von Schulkarrieren ist. Alle diese Maß­nahmen machen die Schwachen nur schwächer.“

Sie können das natürlich vom Tisch wischen und sagen – ich höre das ja oft und werde es wahrscheinlich wieder hören –: Das sind ja alles nur Linke, denen muss man nicht zuhören, wir wissen es besser! – Ich frage Sie ernsthaft: Glaubt irgendjemand in Ihren Reihen, dass die Frage von Ziffernnoten in der Volksschule tatsächlich ausschlagge­bend für die Frage einer Leistungsgerechtigkeit ist? (Abg. Wöginger: Na sicher!)

Ich habe eine Tochter in der vierten Klasse Volksschule, und ich kann mir nicht vorstel­len, dass eine Schularbeit in einem Semester tatsächlich Ausdruck dessen ist (Zwi­schenruf bei der FPÖ), dass man wirklich Leistungsgerechtigkeit herstellt. (Zwischenruf des Abg. Rädler. – Abg. Wöginger: Das ist ja nicht nur die Schularbeit!) Verzeihen Sie, aber das ist wirklich zu knapp gedacht. (Weitere Zwischenrufe der Abgeordneten Wöginger und Haider.) Das ist verkürzt gedacht und widerspricht allem, was Exper­tinnen und Experten in den letzten Jahren gesagt haben. (Beifall bei NEOS und JETZT. – Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Uns zu unterstellen – da sind wir als NEOS wirklich die Letzten –, dass wir keine Leis­tungsgerechtigkeit wollen, ist wirklich nur blödsinnig. (Abg. Wöginger: Dann unterstel­len Sie uns das auch nicht!) Glauben Sie wirklich, dass Sie mit diesen Vorschlägen – Ziffernnoten und Sitzenbleiben in der Volksschule – beispielsweise das Thema Begab­tenförderung nach vorne bringen (Zwischenruf bei der FPÖ), dass Sie wirklich Talente dort abholen, wo sie sind?

Ich bin ja sehr dafür, dass wir schauen, was die Leistungen von Schülerinnen und Schülern sind (Abg. Wöginger: Ja, dann haben wir lauter Deppen oder was?), aber dann machen Sie mutige Schritte nach vorne! Schauen wir, dass der Kindergarten Teil des Bildungssystems wird, dass wir nicht anhand eines konkreten Tages im ersten Semester der vierten Klasse Volksschule einen Messpunkt festsetzen und bei neun­jährigen Kindern sagen, dieser zählt! Verzeihen Sie bitte, aber das ist einfach blöd­sinnig. (Abg. Deimek: ... das ganze Jahr!) Wenn Sie über den Tellerrand hinaus in an­dere Länder Europas schauen, dann sehen Sie, dass diese Konzepte schon längst abgeschafft worden sind. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Das ist ideologisch, aber es ist nicht sinnvoll. (Beifall bei NEOS und JETZT.)

Vielleicht sollten Sie Ihre Scheuklappen ablegen und wirklich einmal mit Menschen re­den, die in dieser Hinsicht Verstand haben. (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Neubauer.) Es zeigt mir – das muss ich nämlich auch klar sagen (Abg. Wöginger: Oberg’scheit!) –, dass diese Bildungspolitik, wie sie heute hier auf den Tisch gelegt wurde, von parteipolitischem Machtkalkül getragen ist (Zwischenruf der Abg. Kirch­baumer), von der Frage, was der Partei in einer Diskussion von Ideologie vielleicht nutzt, aber sicherlich nicht von dem Ansatz, was evidenzbasiert die beste Lösung ist.

 


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