Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll55. Sitzung, 12. und 13. Dezember 2018 / Seite 158

HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite

können. Sie sagen immer, Deutschförderklassen würden den Startnachteil ausglei­chen, aber das tun sie nicht – sie verstärken den Nachteil. Ich möchte Ihnen erklären, warum sie den Nachteil verstärken, denn ich bin der festen Überzeugung, dass Kinder mit Wertschätzung aufwachsen müssen und dass Kinder, auch wenn sie die Sprache nicht sprechen, trotzdem Wertschätzung brauchen. In einer gesonderten Förderklasse bekommen sie diese nicht.

Ja, auch ich bin im Alter von 10 Jahren nach Österreich gekommen, und ja, ich habe damals auch kein Wort Deutsch gesprochen. Ich will Ihnen erzählen, wie ich mich damals gefühlt habe, denn vielleicht kann der Bericht über diese Lebensrealität bei Ih­nen etwas bewirken. Als meine Eltern damals mit mir bei der ersten Volksschulklasse angeklopft haben, hat mich die Volksschule gar nicht aufgenommen, weil gesagt wurde, das Kind spricht ja kein Deutsch. Die nächste Volksschule hat mich aufgenom­men, aber es war klar, dass das Kind die Klasse wiederholen wird und es daher weder einen Deutschförderunterricht noch irgendwelche Zuwendungen braucht, und auch sonst hat sich die Lehrerin nicht für mich interessiert.

Was glauben Sie, was das mit einem ehrgeizigen Kind macht? – Selbstverständlich habe ich mich weniger wert als andere gefühlt, selbstverständlich hatte ich nicht das Gefühl, Teil der Gesellschaft zu sein, selbstverständlich wurde ich als die abgestem­pelt, die nicht Deutsch spricht. Die mangelnde Wertschätzung, die ich dort erfahren ha­be, hat aber bei mir kein Unwohlsein hervorgerufen, und das aus einem einzigen Grund: weil ich Glück hatte. Ich habe die Schule gewechselt und ging dann im 15. Wie­ner Gemeindebezirk zur Schule. Diese Schule und diese Lehrerinnen und Lehrer ha­ben gewusst, wie man mit Kindern umgeht, die kein Deutsch sprechen.

Ich habe von Anfang an Deutschförderunterricht bekommen (Abg. Deimek: Jetzt ist es auf einmal schlecht, wenn wir ihn einführen!), von Anfang an war ich Teil der Klas­sengemeinschaft, von Anfang an war ich Teil der Gesellschaft. Diese Wertschätzung, die ich dort erfahren habe, und diese Chance, die ich dort bekommen habe, die möchte ich für alle Kinder. (Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS.)

Diese Aufmerksamkeit will ich für alle Kinder, egal welcher Herkunft, egal welche Mut­tersprache sie sprechen. Verlieren Sie nicht die Generation der Kinder, die heute kein Deutsch sprechen! Zeigen Sie diesen Kindern, dass sie ein Teil der Gesellschaft sind! Zeigen Sie ihnen, dass es egal ist, welche Sprache sie sprechen! Geben Sie ihnen die­se Chance! (Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS.)

Ich würde heute nicht vor Ihnen stehen und würde heute nicht zu Ihnen sprechen, wenn ich diese Chancen nicht bekommen hätte. Ich will, dass morgen wieder eine Alma oder eine Selma oder eine Nurten hier vorne steht und zu Ihnen spricht. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS.)

16.56


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schell­horn. – Bitte.


16.56.46

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Staatsse­kretär! (Abg. Wittmann: Wo ist der Minister?) – Der Minister ist leider nicht hier. (Ruf bei der SPÖ: Die ganze Rede schon!) Ich bin nicht Bildungssprecher der NEOS, aber ich bin Unternehmer, ich komme aus der Wirtschaft.

Es ist, wie Kollegin Hammerschmid gesagt hat: Bildung ist die beste Form von Selbst­bestimmung. Jetzt haben wir auf der einen Seite die Wirtschaftsministerin, die erst vor Kurzem in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ gesagt hat: „Die Gymnasien produ­zieren oft am Markt vorbei“. Über das Produzieren können wir streiten, aber sie hat die­ses Thema aufgegriffen, und uns muss bewusst sein, wohin es geht.

 


HomeGesamtes ProtokollVorherige SeiteNächste Seite