15.03

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wer in letzter Zeit aufmerksam durch Wien spaziert ist, wird bei der SPÖ-Zentrale – durchaus sympathisch und sehr, sehr groß – die neue Vorsitzende und seit Kurzem auch Genossin Rendi-Wagner pla­katiert gesehen haben. In großen Lettern wird dazugeschrieben: „Neue Kraft. Neuer Mut.“ Jetzt kann man über das Plakat denken, wie man will, aber Mut, Frau Rendi-Wagner, muss ich Ihnen wirklich attestieren. (Abg. Leichtfried: Was passt Ihnen nicht?) Mut ge­hört schon dazu, wenn die SPÖ, die in den letzten Jahren die verantwortlichen Ge­sundheitsminister gestellt hat, und Sie, geschätzte Kollegin Rendi-Wagner, als langjäh­rige Sektionschefin im Gesundheitsministerium und zuletzt auch verantwortliche Minis­terin in diesem Ressort, heute hier diese Dringliche Anfrage stellen. Offensichtlich han­delt es sich bei Ihrem Mut um den Mut der Verzweiflung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Dabei, meine Damen und Herren, ist schon der Titel falsch, denn wir haben keinen Ärztemangel. Wir haben einen durch die SPÖ verschuldeten, durch verantwortungslo­se SPÖ-Minister und -Verantwortliche herbeigeführten Kassenärztemangel. Das ist das Faktum. (Neuerlicher Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Diese Regierung hat das Problem erkannt, und bereits nach dem ersten Jahr der Re­gierungstätigkeit sind wichtige Maßnahmen beschlossen und umgesetzt worden. (Ruf bei der SPÖ: Sagt wer?) Die Möglichkeit, dass Ärzte Ärzte anstellen können, wird die Praxen stärken, die Öffnungszeiten flexibler machen und sie auch deutlich mehr in die Lage versetzen, auf die Wünsche und Lebensrealitäten der Patienten, aber auch der jungen Medizinerinnen und Mediziner einzugehen. Auch die Finanzierung der soge­nannten Lehrpraxen in ganz Österreich nach dem Vorarlberger Modell (Ruf bei der ÖVP: Bravo!) war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, nämlich eine flächende­ckende medizinische Versorgung unserer Bevölkerung zu gewährleisten. Ohne diese ärztliche – um es deutlich zu sagen, auch hausärztliche – Versorgung auch in ländli­chen Regionen werden wir andere wichtige Systeme nicht aufrechterhalten können.

Meine Damen und Herren, meine Eltern sind sehr betagt und sie brauchen beide Pfle­ge; meine Mutter braucht sie mit Pflegestufe 2 und mein Vater mit Pflegestufe 5. Wir haben das als Familie mit der Unterstützung einer 24-Stunden-Betreuerin zur Zufrie­denheit aller, vor allem der Zufriedenheit meiner Eltern, gut organisiert. (Abg. Duzdar: Und der kürzen Sie die Familienbeihilfe!) Das wäre ohne unseren Arzt, der auch bereit ist, Hausbesuche zu machen, nicht möglich. Ja, und ich stehe nicht an, für diese auf­wendige, aber so wichtige Tätigkeit unserer Hausärzte hier auch einmal ein herzliches Danke zu sagen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Nur zur Erinnerung, meine Damen und Herren: 80 Prozent der Pflege findet zu Hause statt. Schon alleine diese Zahl zeigt uns, wie unglaublich wichtig die flächendeckende ärztliche Versorgung im Allgemeinen und die Versorgung mit Kassenärzten im Spe­ziellen ist. Vieles ist bereits passiert, und im Antrag steht noch ein ganzes Bündel an wichtigen Maßnahmen, die wir gemeinsam umsetzen werden. Der Blick über unsere Grenzen nach Bayern und Baden-Württemberg zeigt uns, dass mit einem gemeinsa­men Bemühen vieles möglich ist und die ärztliche Versorgung flächendeckend gesi­chert werden kann. Diese Regierung hat das Problem erkannt und wird den durch SPÖ-Verantwortliche verschuldeten Kassenärztemangel beheben.

Abschließend möchte ich Ihnen, Frau Kollegin Rendi-Wagner, noch eine persönliche Einschätzung mit auf den Weg geben: Wenn Sie noch oft den Mut haben, zu verlan­gen, dass eine derartig selbstkasteiende Anfrage hier dringlich behandelt wird, dann wird Ihre innerparteiliche Kraft bald auf null sinken. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Leichtfried: Herr Kollege, das war keine Anfrage, sondern ein Antrag! – Abg. Rendi-Wagner: Danke für Ihre Sorge!)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch folgenden Entschließungsantrag einbrin­gen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stärkung der niedergelassenen Versorgung im Sinne der Patienten“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat bekennt sich zu einer qualitativ hochstehenden Versorgung mit Ge­sundheitsleistungen für alle Versicherten unabhängig von Alter, Einkommen oder Ge­sundheitszustand, die im extramuralen Bereich vorrangig von freiberuflich tätigen Ärzt/innen, Therapeut/innen, Apotheker/innen und Pflegepersonen erbracht werden.

Der Nationalrat ersucht daher die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbe­sondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz, gemeinsam mit der Sozialversicherung und den Bundesländern auf der Grund­lage des Gesundheitsreformumsetzungsgesetz 2017 und der dazu beschlossenen Feststellung des Gesundheitsausschusses im Ausschussbericht 1714 d.B./XXV.GP, des Regierungsprogramms der XXVI. GP 2017 bis 2022, der Ärztegesetz-Novel­le 2018, und des Sozialversicherungs-Organisationsgesetzes (SV-OG) im Rahmen der Zielsteuerung Gesundheit

• die Stärkung und den Ausbau der niedergelassenen Versorgung, insbesondere in der Allgemeinmedizin, im Sinne einer flächendeckenden wohnortnahen Versorgung der Patienten in der Versorgungsplanung zu forcieren,

• für die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen durch die Krankenversicherungs­träger, insbesondere die ÖGK, im neuen Gesamtvertrag zu sorgen,

• und die erforderlichen rechtlichen Änderungen betreffend Ärzte-Ausbildung und Be­rufsbild vorzubereiten.“

*****

Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.09

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Stärkung der niedergelassenen Versorgung im Sinne der Patienten

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag/zur Dringlichen Anfrage in der NR-Sitzung am 29. Jänner 2019

Bei der Beschlussfassung des Gesundheitsreformumsetzungsgesetz 2017 – (GRUG 2017), das wesentliche Grundlagen zur Etablierung einer Primärversorgung im Sinne der Pa­tienten geschaffen hat, beschloss der Gesundheitsausschuss am 21. Juni 2017 folgen­de Feststellung:

Der Gesundheitsausschuss geht davon aus, dass es neben neuen Rahmenbedingun­gen durch ein Primärversorgungsgesetz auch weiterer Maßnahmen bedarf, um die flä­chendeckende wohnortnahe hausärztliche Versorgung auch künftig zu sichern. Ein solches Paket soll Maßnahmen vom Studium bis zu den versorgungspolitischen Rah­menbedingungenumfassen und die Aufwertung der Allgemeinmedizin zum Ziel haben:

- Bessere Verankerung von Allgemeinmedizin im Studium der Humanmedizin, durch Einrichtung eines Lehrstuhls für Allgemeinmedizin an jeder Medizinischen Universität und durch bessere Integration der Allgemeinmedizin in die Studienpläne sowie ver­pflichtende Praktika in Hausarztordinationen im Klinisch Praktischen Jahr.

- Evaluierung der Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten, im Hinblick die nachhaltige Si­cherstellung der Attraktivität der Allgemeinmedizin. Das betrifft insbesondere

- Verschränkungen zwischen Klinisch Praktischem Jahr, Basisausbildung („Common Trunk“) sowie der weiteren Ausbildung zum/zur Allgemeinmediziner/Allgemeinmedizi­nerin

- die Inhalte sowie die Dauer der Ausbildung oder einzelner ihrer Bestandteile

- Monitoring der Ausbildungsplätze im Hinblick auf den künftig zu erwartenden Ärzte­bedarf. Durch Landesgesetze soll sichergestellt werden, dass Turnusplätze für Allge­meinmedizin an allen öffentlichen Krankenanstalten entsprechend dem zu erwartenden Ersatzbedarf an Allgemeinmedizinern und Allgemeinmedizinerinnen zur Verfügung ste­hen. Hiebei ist auch zu berücksichtigen, dass nur ein Teil der ausgebildeten Allgemein­medizinierInnen dem öffentlichen Gesundheitswesen zur Verfügung stehen wird.

- Sicherstellen der Finanzierung von Lehrpraxen und Prüfung der Möglichkeit, dass die Lehrpraxis auch parallel zu Spitals-Turnusausbildung absolviert werden kann, bis spä­testens Anfang des Jahres 2018

- Umsetzung einer wohnortnahen Planung von allgemeinmedizinischen Kassenplan­stellen und Primärversorgungsstrukturen mit dem Ziel, eine flächendeckende Versor­gung unter Berücksichtigung von Demographie und Erreichbarkeit auch in Zukunft zu sichern.

- Entlastung von Bürokratie

- effektive Unterstützung durch Informations- und Kommunikationstechnologien (Ein­satz von ELGA und eMedikation)

- Umsetzung von flexibleren Vertragsmodellen im Rahmen der Gesamtverträge (z.B. Übergangspraxen vor Pensionierung, Jobsharing-Praxen)

- Entwicklung von Honorierungsmodellen in der Allgemeinmedizin, die Ergebnis- und Servicequalität fördern und attraktive Rahmenbedingungen für besondere Betreuungs­bedarfe bieten (z.B. Disease Management Programme)

- Bedarfsgerechte Ordinations- und Öffnungszeiten, inklusive Tagesrandzeiten bzw. Wochenende (mindestens fünf Tage, 20 Stunden pro Woche).

Weiters geht der Gesundheitsausschuss davon aus, dass zusätzlich zu den mit dem GRUG 2017 beschlossenen Rahmenbedingungen weitere Maßnahmen gesetzt wer­den, um die betroffenen Berufsgruppen (AllgemeinmedizinerInnen und andere Ge­sundheitsberufe) beim Etablieren neuer Formen der Zusammenarbeit zu unterstützen. Dazu zählen insbesondere

- die Schaffung einer Gründerinitiative für Primärversorgungseinheiten

- die Ermöglichung von rechtlich abgesicherten multiprofessionellen Kooperationsfor­men der Gesundheitsberufe, unabhängig von der Organisations- oder Betriebsform

- die Prüfung der Möglichkeit der Anstellung von ÄrztInnen bei ÄrztInnen in Primärver­sorgungseinheiten einschließlich der dafür erforderlichen rechtlichen Rahmenbedin­gungen. (1714 d.B XXV GP)

Das Regierungsprogramm der Bundesregierung für die XXVI. Gesetzgebungsperio­de 2017-2022, Kapitel Gesundheit, hat unter anderem folgende Ziele zur Stärkung der Primärversorgung vorgegeben:

Stärkung des Hausarztes und der Gesundheitsversorgung vor Ort

-Attraktivierung der Gesundheitsberufe – von der Ausbildung bis hin zur Berufsaus­übung

-Etablierung der Primärversorgung und Entwicklung eines Ausrollplanes: Entlastung des spitalsambulanten Bereichs bei gleichzeitiger Anpassung der Finanzierungsströme (Geld folgt Leistung; ambulante und niedergelassene Finanzierung), Einbindung wei­terer Gesundheitsberufe (Apotheker, diplomierte Krankenpfleger etc.)

-Novelle des PHC-Gesetzes in Richtung Flexibilisierung für Ärzte

-Möglichkeit einer Anstellung von Ärzten bei Ärzten

-§-2-Kassenverträge sollen auch in Spitälern ermöglicht werden

- Mehr Kassenärzte durch Attraktivierung und flexible Vertragsstrukturen vor allem im ländlichen Raum

-Einführung von Landarzt-Stipendien

-Finanzierung von Lehrpraxen sicherstellen

-Rahmenbedingungen für Hausärzte attraktiver gestalten

-Prüfung der Einführung eines Facharztes für Allgemeinmedizin

-Schaffung von Hausärzteverbänden mit Unterstützung von geschultem Pflegepersonal

Die Finanzierung der Lehrpraxen wurde bereits im Frühjahr 2018 sichergestellt.

Durch die im Dezember 2018 beschlossene Novelle zum Ärztegesetz wurde unter an­derem die Möglichkeit der Anstellung von Ärzten bei Ärzten, wie im Regierungspro­gramm 2017-2022 zu Grunde gelegt, geschaffen:

§ 47a dient der Umsetzung der im Regierungsprogramm 2017 bis 2022 der Öster­reichischen Bundesregierung vorgesehenen Maßnahme „Möglichkeit einer Anstellung von Ärzten bei Ärzten“ (vgl. Kapitel Gesundheit, Maßnahme 2 „Kundenorientierung im Gesundheitssystem“, Seite 113).

Durch die Bereitstellung eines klaren berufsrechtlichen Rahmens für die ärztliche Leis­tungserbringung im Wege der Anstellung von Ärztinnen/Ärzten in einer Ordinations­stätte oder Gruppenpraxis soll diesem breiten gesundheitspolitischen Anliegen, das un­ter anderem auch von der Landesgesundheitsreferentlnnenkonferenz mitgetragen wird, entsprochen werden.

Diese Regelung lässt auch positive Synergieeffekte im Hinblick auf weitere Maßnah­men des Regierungsprogramm (vgl. Kapitel Gesundheit, Maßnahme 2 „Kundenorien­tierung im Gesundheitssystem“, Seite 113) erwarten:

Im Besonderen soll die geregelte Anstellungsmöglichkeit eine Attraktivierung der ärztli­chen Berufsausübung, auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bewirken. Durch die Einbindung von zusätzlichen Ärztinnen/Ärzten in Ordinationsstäten und Gruppenpraxen, einschließlich Primärversorgungseinheiten gemäß Primärversor­gungsgesetz (PrimVG), BGBl. I Nr. 131/2017, werden breitere Gestaltungsräume für die Leistungserbringung geschaffen, sodass jedenfalls indirekt die Rolle der Haus­ärztinnen/Hausärzte und die Gesundheitsversorgung vor Ort gestärkt werden. Dabei wird die geplante Flexibilisierung der Kassenvertragsstrukturen, vor allem im ländlichen Raum, von maßgeblicher Bedeutung sein. Gleichzeitig kann in der neuen Regelung auch ein Beitrag zur Etablierung der Primärversorgung durch Primärversorgungsein­heiten erblickt werden.

(385 d.B. XXVI. GP)

Durch das Sozialversicherungs-Organisationsgesetz (SV-OG) wird unter anderem die Einrichtung eines Innovations- und Zielsteuerungsfonds der Österreichischen Gesund­heitskasse umgesetzt. In den Landesstellen der ÖGK wird die Mobilisierung von an­gehäuften Rücklagen für Gesundheitsreformprojekte im Rahmen der Zielsteuerung-Ge­sundheit vorgesehen. Damit wird auf regionale Bedürfnisse im Bereich von e-Health, Gesundheitsreformprojekten im Bereich der Länder, der Errichtung von Landarztpra­xen und sonstigen innovativen versorgungspolitischen Projekten Bedacht genommen. (413 d.B XXVI. GP)

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Nationalrat bekennt sich zu einer qualitativ hochstehenden Versorgung mit Ge­sundheitsleistungen für alle Versicherten unabhängig von Alter, Einkommen oder Ge­sundheitszustand, die im extramuralen Bereich vorrangig von freiberuflich tätigen Ärzt/in­nen, Therapeut/innen, Apotheker/innen und Pflegepersonen erbracht werden.

Der Nationalrat ersucht daher die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbe­sondere die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz, gemeinsam mit der Sozialversicherung und den Bundesländern auf der Grund­lage des Gesundheitsreformumsetzungsgesetz 2017 und der dazu beschlossenen Feststellung des Gesundheitsausschusses im Ausschussbericht 1714 d.B./XXV.GP, des Regierungsprogramms der XXVI. GP 2017 bis 2022, der Ärztegesetz-Novel­le 2018, und des Sozialversicherungs-Organisationsgesetzes (SV-OG) im Rahmen der Zielsteuerung Gesundheit

•           die Stärkung und den Ausbau der niedergelassenen Versorgung, insbesondere in der Allgemeinmedizin, im Sinne einer flächendeckenden wohnortnahen Versorgung der Patienten in der Versorgungsplanung zu forcieren,

•           für die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen durch die Krankenversiche­rungsträger, insbesondere die ÖGK, im neuen Gesamtvertrag zu sorgen,

•           und die erforderlichen rechtlichen Änderungen betreffend Ärzte-Ausbildung und Berufsbild vorzubereiten.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kaniak. – Bitte, Herr Abgeord­neter.