Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 49

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darauf zu reagieren. – Da brauchen Sie nicht wegzuschauen. Handeln Sie! Ich habe Sie seit Monaten dazu aufgefordert. (Abg. Rädler: Hellseher!)

Diese Anarchie, Frau Kollegin Steger, ist das Ergebnis von Aussagen rechtspopu­listischer Hetzer und Zündler, wie Nigel Farage oder Boris Johnson – und wenn der Brexit dann tatsächlich da ist, dann stehlen sich diese Herren aus der Verantwortung, sofern diese Herren – oder sagen wir besser: Falotten – überhaupt wissen, was Verantwortung ist. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Sie reißen nicht einmal die Genossen vom Hocker!)

Mit dem Brexit hat die europäische Idee gelitten, heißt es. Ja, das ist richtig, aber die europäische Idee hat schon lange vorher gelitten, nämlich durch eine neoliberale Ideologie, die der europäischen Idee schon viele Jahre zuvor enormen Schaden zuge­fügt hat. Die politischen Eliten Europas übernahmen diese Ideologie und forcierten diese skrupellos in ihrer Umsetzung. – Denken wir nur an das Beispiel Griechenland!

Zunächst stand im Zentrum dieser neoliberalen Politik der Binnenmarkt. Er hat der EU das Tor zur Globalisierung geöffnet; das ist nicht unbedingt schlecht, aber was dabei nicht berücksichtigt wurde, ist, dass es auch Globalisierungsverlierer in großer Zahl gegeben hat, und dagegen haben die politischen Eliten in Europa nichts unternommen, gar nichts. Ganz im Gegenteil, sie haben gesagt, das ist die Aufgabe der National­staaten. Den Nationalstaaten waren aber die Hände gebunden, weil eine Auste­ritäts­politik sie gezwungen hatte, in den öffentlichen Haushalten zu sparen.

Dadurch hat sich das Elend der Globalisierungsverlierer weiter verschärft, und dazu­gekommen ist, dass diese neoliberale Austeritätspolitik in eine jahrelange Phase der Stagnation geführt hat, wiederum zulasten dieser Globalisierungsverlierer. Es ist daher kein Wunder, dass Menschen, die von Jahr zu Jahr reale Einkommensverluste hinnehmen müssen und von Elend und Armut betroffen sind, diesen rechtsnationa­listischen und rechtspopulistischen Hetzern und Zündlern auf den Leim gingen und gehen.

Begleitet war diese Austeritätspolitik auch von den sogenannten Strukturreformen, und man kann das vielleicht so übersetzen: Liebe Arbeitnehmer, ihr müsst flexibel sein und ihr müsst glücklich sein, wenn eure Löhne sinken; ihr müsst glücklich sein, wenn ihr schneller entlassen werden könnt und wenn euer Arbeitslosengeld niedriger wird! – Betroffen von diesen Strukturreformen waren wiederum die Globalisierungsverlierer.

Meines Erachtens liegt die Ursache für die Euroskepsis nicht in der Finanzkrise des Jahres 2008, auch nicht in der Flüchtlingskrise, sondern darin, dass die EU-Eliten ein Versprechen nicht eingehalten haben, nämlich das Versprechen, gleichwertige Le­bens­verhältnisse zu schaffen – in der Europäischen Union, von West nach Ost, von Nord nach Süd.

Wenn wir das europäische Projekt retten wollen, dann müssen wir diese Globalisie­rungs­verlierer ins Zentrum der europäischen Politik rücken. Es braucht ein konkretes Projekt, es braucht den Willen zur Solidarität in der Europäischen Union. Mein Vor­schlag wäre daher: Warum starten wir nicht in Europa mit einem Projekt, das mit der Schaffung einer europäischen Arbeitslosenversicherung als einem ersten Schritt hin zu einer Sozialunion beginnt? Warum starten wir nicht mit einer nachhaltigen Politik, die den Klimaschutz in den Mittelpunkt der Politik rückt, und endlich mit einem ernsthaften Kampf gegen Steuerflucht von Großkonzernen und mit einer Finanztrans­ak­tionssteuer, um diese Politik zu finanzieren?

Wir müssen weg von der Politik der Verwässerung und Kompromisse. Es gilt, endlich eine glaubwürdige Politik zu schaffen, die von den Unionsbürgern und -bürgerinnen mitgetragen wird. Nur so kann das Projekt Europa stabilisiert werden, nur so kann das


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