Plenarsitzung
des Nationalrates


Stenographisches Protokoll

 

60. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Mittwoch, 30. Jänner 2019

 

XXVI. Gesetzgebungsperiode

 

 

 

Großer Redoutensaal

 


Stenographisches Protokoll

60. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXVI. Gesetzgebungsperiode              Mittwoch, 30. Jänner 2019

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 30. Jänner 2019: 9.05 – 23.43 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (30. StVO-Novelle)

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (36. KFG-Novelle)

3. Punkt: Bericht über den Antrag 426/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zulassung von Quads mit einer Leistung von mehr als 15 kW

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrliniengesetz geändert wird

5. Punkt: Bericht über den Antrag 443/A(E) der Abgeordneten Carmen Schimanek, Mag. Josef Lettenbichler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nordzulauf des Jahr­hundertprojekts „Brenner-Basistunnel“

6. Punkt: Bericht über den Antrag 534/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Mag. Peter Weidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konsumentenschutzrecht „NEU“

7. Punkt: Bericht über den Antrag 505/A der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird

8. Punkt: Sammelbericht über die Petitionen Nr. 2, 4 und 10 sowie über die Bürger­initiativen Nr. 34, 44, 49 und 52

9. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Arbeitsmarktservice (AMS) – Reihe BUND 2017/60

10. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Förderung der 24-Stunden-Betreu­ung in Oberösterreich und Wien – Reihe BUND 2018/21

11. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Versorgung im Bereich der Zahn­medizin – Reihe BUND 2018/24

12. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Qualitätssicherung für niedergelas­sene Ärztinnen und Ärzte – Reihe BUND 2018/37


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 2

13. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Register im Hauptverband der öster­reichischen Sozialversicherungsträger; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2017/39

14. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Gewährung von Ausgleichszulagen in der Pensionsversicherung; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/26

15. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Wartezeiten auf ausgewählte Therapien und Eingriffe in Krankenanstalten – Reihe BUND 2018/58

16. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Öffentlicher Gesundheitsdienst in ausgewählten Bezirksverwaltungsbehörden in Oberösterreich und Salzburg – Reihe BUND 2018/59

17. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Fonds und Stiftungen des Bun­des – Reihe BUND 2017/14

18. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Finanzausgleich: Finanzzuweisun­gen lt. § 21 FAG – Reihe BUND 2017/38

19. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Qualitätssicherung der Gemeinde­haushaltsdaten – Reihe BUND 2018/31

20. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Kapitalertragsteuer-Erstattungen nach Dividendenausschüttungen – Reihe BUND 2018/35

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Transparenz von Begünstigungen im Einkommensteuerrecht; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/4

22. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Oesterreichische Nationalbank – Gold- und Pensionsreserven, Jubiläumsfonds sowie Sozialleistungen; Follow-up-Über­prüfung – Reihe BUND 2018/16

23. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Familienbeihilfe – Ziele und Zieler­reichung, Kosten und Kontrollsystem – Reihe BUND 2018/36

24. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Schutzwaldbewirtschaftung bei der Österreichischen Bundesforste AG – Reihe BUND 2017/29

25. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend ELER: Einrichtung und Betrieb von Clustern und Netzwerken – Reihe BUND 2018/52

26. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Umsetzung der Gleichstellung im Rahmen der Wirkungsorientierung im BKA, BMLFUW und BMVIT – Reihe BUND 2017/51

27. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Bundesamt für Wasserwirtschaft – Reihe BUND 2018/14

28. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Weinmarketing; Follow-up-Über­prü­fung – Reihe BUND 2018/62

29. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Umsetzung der Wasserrahmen­richt­linie im Bereich Grundwasser im Weinviertel; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/63

30. Punkt: Bericht des Rechnungshofes betreffend Finanzielle Berichtigungen im Agrarbereich; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/3


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31. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürger­schaftsgesetz 1985 geändert wird (Staatsbürgerschaftsrechtsänderungsgesetz 2018) (536/A)

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 17

Ordnungsruf ................................................................................................................. 168

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den An­trag 274/A der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutange­stelltengesetz, das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch, das Landarbeits­ge­setz 1984 und das Katastrophenfondsgesetz 1996 geändert werden“, gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 26. Februar 2019 zu setzen                  66

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 GOG auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG ....................................................................................................................................... 171

RednerInnen:

Mag. Jörg Leichtfried ............................................................................................. ... 171

Mag. Andreas Hanger ............................................................................................. ... 173

Mag. Andreas Schieder .......................................................................................... ... 175

Erwin Angerer ......................................................................................................... ... 176

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 177

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA .................................................................... ... 178

Ablehnung des Fristsetzungsantrages .......................................................................... 179

Antrag der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie zur Berichterstattung über den Antrag 565/A(E) der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zu TTIP egal in welcher Form“ gemäß § 43 Abs. 1 GOG eine Frist bis 26. Februar 2019 zu setzen – Ablehnung ..............................  66, 266

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 5 GOG                    67

Verlangen auf Durchführung einer namentlichen Abstimmung ................................. 168

Unterbrechung der Sitzung ........................................................................................ 169

Verlangen des Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl auf Erteilung eines Ordnungsrufes                  224

Aktuelle Stunde (15.)

Thema: „Entlastung für Österreich“ ......................................................................... 17


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RednerInnen:

August Wöginger .................................................................................................... ..... 17

Bundesminister Hartwig Löger ...........................................................................  20, 33

Karlheinz Kopf ........................................................................................................ ..... 22

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ..... 24

Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. ............................................................................ ..... 25

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ......................................................................... ..... 27

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ..... 29

Dr. Angelika Winzig ................................................................................................ ..... 30

Mag. Thomas Drozda ............................................................................................. ..... 31

Hermann Brückl, MA .............................................................................................. ..... 34

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ..... 35

Staatssekretär MMag. DDr. Hubert Fuchs ........................................................... ..... 37

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA .................................................................... ..... 38

Aktuelle Stunde – Aktuelle Europastunde (16.)

Thema: „Nach dem Brexit-Debakel: Jetzt ist die Chance, Europa neu zu gründen!“                         39

RednerInnen:

Claudia Gamon, MSc (WU) .......................................................................................... 39

Bundesminister Mag. Gernot Blümel, MBA ........................................................ ..... 42

Dr. Reinhold Lopatka ............................................................................................. ..... 44

Mag. Andreas Schieder .......................................................................................... ..... 45

Petra Steger ............................................................................................................. ..... 47

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ..... 48

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ......................................................................... ..... 50

MEP Dr. Othmar Karas, MBL-HSG ....................................................................... ..... 51

MEP Mag. Evelyn Regner ............................................................................................ 53

MEP Mag. Dr. Georg Mayer, MBL-HSG ..................................................................... 55

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 56

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ............................................................................... 58

Martina Kaufmann, MMSc BA ..................................................................................... 59

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................... 60

Mag. Roman Haider ...................................................................................................... 61

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ............................................................................ ..... 63

Ausschüsse

Zuweisungen .........................................................................................................  65, 266

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend „das Vertrauen des Nationalrates in die Bundesregierung“ (571/A)(E) ................................................................................. 121

Begründung: Dr. Alfred J. Noll ................................................................................... 122

Bundeskanzler Sebastian Kurz ................................................................................ 128

Debatte:

Dr. Peter Pilz ........................................................................................................... ... 129

Mag. Wolfgang Gerstl ............................................................................................. ... 133

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ............................................................................... 136

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ... 137

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES ......................................................................... ... 139


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Mag. Johanna Jachs ............................................................................................... ... 143

Dr. Peter Pilz (tatsächliche Berichtigung) ................................................................... 144

Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (tatsächliche Berichtigung) ................................... 144

Mag. Jörg Leichtfried ................................................................................................. 145

Dr. Walter Rosenkranz (tatsächliche Berichtigungen) .....................................  146, 164

Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. ............................................................................... 146

Dr. Irmgard Griss .................................................................................................... ... 148

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ................................................................... ... 151

Karl Mahrer, BA ...................................................................................................... ... 153

Mag. Muna Duzdar .................................................................................................. ... 155

Dr. Dagmar Belakowitsch ...................................................................................... ... 156

Dr. Nikolaus Scherak, MA ...................................................................................... ... 158

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ... 160

Petra Steger ............................................................................................................. ... 161

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ............................................................................ ... 162

Mag. Johanna Jachs (tatsächliche Berichtigung) ...................................................... 163

Karl Nehammer, MSc .............................................................................................. ... 164

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ... 166

Mag. Harald Stefan ................................................................................................. ... 167

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres“ – Ablehnung (namentliche Abstimmung)           132, 168

Verzeichnis des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ..................................... 169

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 571/A(E) ............................... 168

Verhandlungen

1. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (449 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (30. StVO-Novelle) (479 d.B.) ......... 67

RednerInnen:

Alois Stöger, diplômé ............................................................................................. ..... 67

Christian Hafenecker, MA ...................................................................................... ..... 68

Stephanie Cox, BA ................................................................................................. ..... 70

Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ..... 74

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .......................................................................... ..... 75

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ...................................................................... ..... 75

Mag. Günther Kumpitsch ....................................................................................... ..... 76

Johann Rädler ......................................................................................................... ..... 77

Franz Leonhard Eßl ................................................................................................ ..... 78

Entschließungsantrag der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „den Seitenabstand beim Überholen von einspurigen Fahr-zeugen“ – Ablehnung .........  73, 80

Annahme des Gesetzentwurfes in 479 d.B. ................................................................... 79

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (471 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (36. KFG-Novel­le) (480 d.B.) ........................ 80


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 6

3. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 426/A(E) der Abge­ordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zulassung von Quads mit einer Leistung von mehr als 15 kW (481 d.B.) ........................................................................................................................ 80

RednerInnen:

Dietmar Keck ........................................................................................................... ..... 80

Christian Hafenecker, MA ...................................................................................... ..... 82

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff .......................................................................... ..... 83

Andreas Ottenschläger .......................................................................................... ..... 84

Stephanie Cox, BA ................................................................................................. ..... 85

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ...................................................................... ..... 87

Sandra Wassermann .............................................................................................. ..... 88

Robert Laimer ......................................................................................................... ..... 89

Eva-Maria Himmelbauer, BSc ................................................................................ ..... 90

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 91

Ing. Christian Pewny .................................................................................................... 91

Annahme des Gesetzentwurfes in 480 d.B. ................................................................... 92

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 481 d.B. ........................................................ 92

4. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (448 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrliniengesetz geändert wird (482 d.B.) ........................................................ 93

RednerInnen:

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ..... 93

Philip Kucher ........................................................................................................... ..... 94

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ...................................................................... ..... 95

Tanja Graf ................................................................................................................ ..... 96

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................ ..... 97

Mario Lindner .......................................................................................................... ..... 97

Annahme des Gesetzentwurfes in 482 d.B. ................................................................... 98

5. Punkt: Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 443/A(E) der Abge­ordneten Carmen Schimanek, Mag. Josef Lettenbichler, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Nordzulauf des Jahrhundertprojekts „Brenner-Basistunnel“ (483 d.B.) .................................................. 98

RednerInnen:

Carmen Schimanek ................................................................................................ ..... 99

Christian Kovacevic ............................................................................................... ... 100

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................ ... 102

Bundesminister Ing. Norbert Hofer ...................................................................... ... 103

Mag. (FH) Maximilian Unterrainer ......................................................................... ... 104

Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller ................................................................ ... 105

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 483 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Nordzulauf des Jahrhundert-Projektes „Brenner-Basis­tun­nel“ (E 53) ......................... 106

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 534/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Mag. Peter Weidinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konsumentenschutzrecht „NEU“ (476 d.B.) ...................................................................................................................... 106

RednerInnen:

Ing. Markus Vogl ......................................................................................................... 107

Peter Wurm ........................................................................................................  108, 115

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ... 109


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 7

Mag. Peter Weidinger ............................................................................................. ... 111

Klaudia Friedl .......................................................................................................... ... 112

Johann Höfinger ..................................................................................................... ... 113

Petra Wimmer .......................................................................................................... ... 114

Bundesministerin Mag. Beate Hartinger-Klein ................................................... ... 114

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 476 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend Konsumentenschutzrecht „NEU“ (E 54) ...................................................................... 116

7. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 505/A der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (395 d.B.)                   116

RednerInnen:

Wolfgang Knes ........................................................................................................ ... 116

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................ ... 117

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ... 120

Walter Rauch ........................................................................................................... ... 179

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ... 182

Josef Schellhorn ..................................................................................................... ... 183

Bundesministerin Elisabeth Köstinger ................................................................ ... 184

Gabriel Obernosterer ............................................................................................. ... 186

Mag. Bruno Rossmann (tatsächliche Berichtigung) .................................................. 187

MMMag. Dr. Axel Kassegger ................................................................................. ... 187

Michael Bernhard .................................................................................................... ... 189

Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ... 189

Mag. Muna Duzdar .................................................................................................. ... 190

Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ............................................................................. ... 192

Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann ............................................................................ ... 193

Annahme des Gesetzentwurfes in 395 d.B. ................................................................. 195

8. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 2, 4 und 10 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 34, 44, 49 und 52 (477 d.B.) .................... 196

RednerInnen:

Ing. Manfred Hofinger ............................................................................................ ... 196

Wolfgang Knes ........................................................................................................ ... 197

Petra Wagner ........................................................................................................... ... 198

Michael Bernhard .................................................................................................... ... 199

Angelika Kuss-Bergner, BEd ................................................................................ ... 200

Konrad Antoni ......................................................................................................... ... 201

Edith Mühlberghuber ............................................................................................. ... 202

Christoph Stark ....................................................................................................... ... 203

Erwin Preiner .......................................................................................................... ... 204

Christian Lausch ..................................................................................................... ... 205

Dr. Gudrun Kugler .................................................................................................. ... 206

Alois Stöger, diplômé ................................................................................................ 207

Claudia Plakolm .......................................................................................................... 207

Robert Laimer ......................................................................................................... ... 208

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 477 d.B. hinsichtlich der Petitionen Nr. 2, 4 und 10 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 34, 44, 49 und 52.......................................................................... 209

Gemeinsame Beratung über


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 8

9. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Arbeitsmarktservice (AMS) – Reihe BUND 2017/60 (III-65/387 d.B.) ........................ 209

10. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Förderung der 24-Stunden-Betreuung in Oberösterreich und Wien – Reihe BUND 2018/21 (III-124/388 d.B.)   ............................................................................................................................. 209

RednerInnen:

Christian Lausch ..................................................................................................... ... 209

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 210

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 211

Dr. Irmgard Griss .................................................................................................... ... 212

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA .................................................................... ... 212

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 214

Irene Hochstetter-Lackner ..................................................................................... ... 216

Mag. Gerald Hauser (tatsächliche Berichtigung) ....................................................... 217

Dr. Gudrun Kugler .................................................................................................. ... 218

Alois Kainz .............................................................................................................. ... 219

Philip Kucher .....................................................................................................  219, 224

Dr. Dagmar Belakowitsch ......................................................................................... 220

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ......................................................... 221

Kenntnisnahme der beiden Berichte III-65 und III-124 d.B. ......................................... 225

Gemeinsame Beratung über

11. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Versorgung im Bereich der Zahnmedizin – Reihe BUND 2018/24 (III-133/389 d.B.)                        226

12. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Qualitätssicherung für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte – Reihe BUND 2018/37 (III-168/390 d.B.) ............................................................................................................................. 226

13. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Register im Hauptverband der österreichischen Sozialver­sicherungsträger; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2017/39 (III-39/391 d.B.) ................................................................................... 226

14. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Gewährung von Ausgleichszulagen in der Pensionsver­sicherung; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/26 (III-137/392 d.B.) ................................................................................. 226

15. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Wartezeiten auf ausgewählte Therapien und Eingriffe in Krankenanstalten – Reihe BUND 2018/58 (III-210/393 d.B.) ................................................................................................................ 226

16. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Öffentlicher Gesundheitsdienst in ausgewählten Bezirks­ver­waltungsbehörden in Oberösterreich und Salzburg – Reihe BUND 2018/59 (III-213/394 d.B.) .................................................... 226

RednerInnen:

Christian Lausch ..................................................................................................... ... 227

Andreas Kollross .................................................................................................... ... 227

Angela Fichtinger ................................................................................................... ... 228

Mag. Gerald Loacker .............................................................................................. ... 229


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 9

Peter Gerstner ......................................................................................................... ... 230

Erwin Preiner .......................................................................................................... ... 231

Kenntnisnahme der sechs Berichte III-133, III-168, III-39, III-137, III-210 und III-213 d.B.                             232

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungs­hofes betreffend Fonds und Stiftungen des Bundes – Reihe BUND 2017/14 (III-20/455 d.B.) ......................... 233

18. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Finanzausgleich: Finanzzuweisungen lt. § 21 FAG – Rei­he BUND 2017/38 (III-38/456 d.B.)                       233

19. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Qualitätssicherung der Gemeindehaushaltsdaten – Reihe BUND 2018/31 (III-149/457 d.B.)                       233

20. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Kapitalertragsteuer-Erstattungen nach Dividendenaus­schüttungen – Reihe BUND 2018/35 (III-165/458 d.B.)   ............................................................................................................................. 233

21. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Transparenz von Begünstigungen im Einkommensteuer­recht; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/4 (III-82/459 d.B.) ............................................................................................................. 233

22. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Oesterreichische Nationalbank – Gold- und Pensions­reserven, Jubiläumsfonds sowie Sozialleistungen; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/16 (III-114/460 d.B.) ............................. 233

23. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Familienbeihilfe – Ziele und Zielerreichung, Kosten und Kontrollsystem – Reihe BUND 2018/36 (III-166/461 d.B.) ................................................................................................................ 234

RednerInnen:

Rebecca Kirchbaumer ............................................................................................ ... 234

Mag. Karin Greiner ................................................................................................. ... 234

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 235

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ... 236

Mag. Bruno Rossmann .......................................................................................... ... 237

Johann Singer ......................................................................................................... ... 238

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 239

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 240

Mag. Jörg Leichtfried (tatsächliche Berichtigung) ..................................................... 242

Mag. Andreas Hanger ............................................................................................. ... 242

Andreas Kollross .................................................................................................... ... 243

Dr. Jessi Lintl .......................................................................................................... ... 244

Christian Lausch ..................................................................................................... ... 245

Kenntnisnahme der sieben Berichte III-20, III-38, III-149, III-165, III-82, III-114 und III-166 d.B.                 246

24. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Schutzwaldbewirtschaftung bei der Österreichischen Bun­desforste AG – Reihe BUND 2017/29 (III-29/484 d.B.) .................................................................................................................. 246


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 10

RednerInnen:

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 247

Erwin Preiner .......................................................................................................... ... 248

Dr. Jessi Lintl .......................................................................................................... ... 249

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 250

Wolfgang Knes ........................................................................................................ ... 251

Peter Schmiedlechner ............................................................................................ ... 252

Hannes Amesbauer, BA ......................................................................................... ... 252

Rechnungshofpräsidentin Dr. Margit Kraker ......................................................... 253

Kenntnisnahme des Berichtes III-29 d.B. ..................................................................... 254

25. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend ELER: Einrichtung und Betrieb von Clustern und Netzwerken – Reihe BUND 2018/52 (III-196/487 d.B.)           ............................................................................................................................. 254

RednerInnen:

Mag. Maria Smodics-Neumann ................................................................................. 254

Mag. Karin Greiner ................................................................................................. ... 255

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................ ... 256

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 257

Kenntnisnahme des Berichtes III-196 d.B. ................................................................... 258

Gemeinsame Beratung über

26. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Umsetzung der Gleichstellung im Rahmen der Wirkungs­orientierung im BKA, BMLFUW und BMVIT – Reihe BUND 2017/51 (III-51/485 d.B.) ................................................................................... 258

27. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Bundesamt für Wasserwirtschaft – Reihe BUND 2018/14 (III-112/486 d.B.) ............. 258

28. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Weinmarketing; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/62 (III-217/488 d.B.)                         258

29. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie im Bereich Grundwasser im Weinviertel; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/63 (III-220/489 d.B.) ...................................................................... 258

30. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rech­nungshofes betreffend Finanzielle Berichtigungen im Agrarbereich; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/3 (III-81/490 d.B.)    ............................................................................................................................. 258

RednerInnen:

Angela Fichtinger ................................................................................................... ... 259

Mag. Karin Greiner ................................................................................................. ... 259

Peter Gerstner ......................................................................................................... ... 260

Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer ................................................................................. ... 261

Norbert Sieber ......................................................................................................... ... 262

Rudolf Plessl ........................................................................................................... ... 263

Kenntnisnahme der fünf Berichte III-51, III-112, III-217, III-220 und III-81 d.B. ........... 264


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 11

31. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 geändert wird (Staatsbürgerschaftsrechtsände­rungs­gesetz 2018) (536/A) ....................................... 265

RednerInnen:

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 265

Nikolaus Prinz ......................................................................................................... ... 266

David Lasar .............................................................................................................. ... 266

Zuweisung des Antrages 536/A an den Ausschuss für innere Angelegenheiten ......... 266

Eingebracht wurden

Berichte ......................................................................................................................... 66

III-245: Bericht betreffend Jahresvorschau 2019 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG; BM f. Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

III-246: Bericht betreffend Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission und Vorhaben des Rates für das Jahr 2019; BM f. Landesverteidigung

III-247: Gemeinsamer Bericht betreffend EU Jahresvorschau 2019 gemäß Arti­kel 23f Absatz 2 B-VG; Bundeskanzler und BM f. EU, Kunst, Kultur und Medien

III-251: Bericht über das EU-Arbeitsprogramm 2019; BM f. Europa, Integration und Äußeres

Anträge der Abgeordneten

Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend das Vertrauen des Natio­nalrates in die Bundesregierung (571/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Personalbedarfserhebung für die Finanzverwaltung und Sicherstellung der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages durch ausreichend Personal (572/A)(E)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schikane beenden, VfGH-Urteil umsetzen, Ehe für Alle endlich ermöglichen!“ (573/A)(E)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Berufsausbildung von Lehrlingen (Berufsausbildungs­ge­setz – BAG) geändert wird (574/A)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz, das Feiertagsruhegesetz 1957, das Bäckerei­arbeiter/innen­ge­setz 1996 und das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz geändert werden (575/A)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Väter-Karenzgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geändert werden (576/A)

Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und das Landarbeitsgesetz 1984 geän­dert werden (577/A)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausweitung des Fachkräfte­stipendiums zur Behebung eines drohenden Fachkräftemangels in der Altenpflege und -Betreuung (578/A)(E)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 12

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterführung von Erasmus+ und des Europäischen Solidaritätskorps mit Großbritannien nach dem Brexit (579/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau opferschutz­orien­tierter Täterarbeit zur Verhinderung von Gewalt an Frauen und Kindern sowie häuslicher Gewalt (580/A)(E)

Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings bei Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (581/A)(E)

Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neuauflage der Hochrisiko­fall­konferenzen in ganz Österreich (582/A)(E)

Gabriele Heinisch-Hosek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Fortführung des Natio­nalen Aktionsplans zum Schutz von Frauen vor Gewalt (583/A)(E)

Norbert Sieber, Edith Mühlberghuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Kinderbetreuungs­geldgesetz sowie das Familienzeitbonusgesetz geändert werden (584/A)

Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres (585/A)(E)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Entschädigung österreichischer ArbeitnehmerInnen für die diskriminierende Karfrei­tags-Feiertagsregelung (586/A)(E)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend einen ver­besserten Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen anstatt ungewollter Arbeitsunfähigkeit (587/A)(E)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend eine ver­besserte aktive Beschäftigungsförderung von Menschen mit Behinderung auf Basis der Empfehlungen des Behindertenanwaltes Dr. Hansjörg Hofer (588/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Sicherheitsanforderungen und weitere Anforderungen an Lebensmittel, Gebrauchsgegenstände und kosmetische Mittel zum Schutz der Ver­braucherinnen und Verbraucher (Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutz­ge­setz – LMSVG) geändert wird (589/A)

Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung eines Aktionsplans zum Thema Desinformation unter Einbindung des Parlaments und der Zivilgesellschaft (590/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung von Primär­versorgungsnetzwerken mit Mitteln des Bundes (591/A)(E)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen betreffend Neuregelung des Verfahrens zur Überprüfung der Barabfindung von ausgeschlossenen Anteilsinhabern nach dem Gesellschafter-Ausschlussgesetz (592/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung der Digitalisie­rung im niedergelassenen Bereich mit Bundesmitteln (593/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zeitnahe Einbindung des Parlaments in die Entscheidung über die Zukunft der österreichischen Luftraumüberwachung (594/A)(E)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 13

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Tatsächliche Erarbeitung eines Bundesgesetzes über die Informationsfreiheit (595/A)(E)

Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Berufsverbot für Verfassungsrichter_innen (596/A)(E)

Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend Übermittlung des Berichts der Evaluierungskommission zur aktiven Luftraumüberwachung (597/A)(E)

Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Gerechtigkeit in der Arbeitslosenversicherung (598/A)(E)

Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungs­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (599/A)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterführung von Erasmus+ und des Europäischen Solidaritätskorps mit Großbritannien nach dem Brexit (600/A)(E)

Eva Maria Holzleitner, BSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ExpertInnen­gre­mium zur bundesweiten Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (601/A)(E)

Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage des ausstehenden Trinkwasserberichtes (602/A)(E)

Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsdruckereigesetz 1996 geändert wird (603/A)

Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 geändert wird (604/A)

Dr. Gudrun Kugler, Dr. Susanne Fürst, Kolleginnen und Kollegen betreffend ent­schlossene Bekämpfung von Schlepperei und Menschenhandel (605/A)(E)

Mag. Ernst Gödl, Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz, das Bäckereiarbeiter/in­nenge­setz 1996, das Feiertagsruhegesetz 1957, das Landarbeitsgesetz 1984, das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz, das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz und das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz geändert werden (606/A)

Werner Herbert, Mag. Friedrich Ofenauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Gehalts­gesetz 1956 und das Vertragsbedienstetengesetz 1948 geändert werden (Dienstrechts-Novelle 2019) (607/A)

Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien stoppen (608/A)(E)

Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend staatlich geführte Begut­achtungsplakettendatenbank (609/A)(E)

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Passivrauch (610/A)(E)

Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Datenerhebung zu Gewalt an Frauen (611/A)(E)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 14

Anfragen der Abgeordneten

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Wettbetrug und Spielmanipulation im österreichischen Sport (2712/J)

Doris Margreiter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport betreffend Wettbetrug und Spielmanipulation im österreichischen Sport (2713/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend Erhalt und Digitalisierung des Filmerbes (2714/J)

Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend Fortschritt bei den Impulsen in der musischen Bildung (2715/J)

Dietmar Keck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Verhalten der Finanzpolizei im Zusammenhang mit der Nicht-Erledigung von Verwaltungsstrafakten in einer Abteilung des Magistrats der Landeshauptstadt Linz (2716/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend Schulen, bei deren Besuch die SchülerInnen freifahrtberechtigt sind (2717/J)

Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend Schulen, bei deren Besuch die SchülerInnen freifahrtberechtigt sind (2718/J)

Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Zivile Flugsicherung Amtshaftungsklagen (2719/J)

Christian Kovacevic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Abfrageberechtigungen nach dem Meldegesetz im Jahre 2018 (2720/J)

Christian Kovacevic, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfas­sung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Gerichtsgebühren – Eintragungs­gebühren, etc. nach dem Gerichtsgebührengesetz (GGG) im Jahr 2018 (2721/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wissen­schaft und Forschung betreffend Kosten für Social Media im vierten Quartal 2018 (2722/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Kosten für Social Media im vierten Quartal 2018 (2723/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Kosten für Social Media im vierten Quartal 2018 (2724/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kosten für Social Media im vierten Quartal 2018 (2725/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend Kosten für Social Media im vierten Quartal 2018 (2726/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 15

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend Kosten für Social Media im vierten Quartal 2018 (2727/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Kosten für Social Media im vierten Quartal 2018 (2728/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend Kosten für Social Media im vierten Quartal 2018 (2729/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Kosten für Social Media im vierten Quartal 2018 (2730/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend Kosten für Social Media im vierten Quartal 2018 (2731/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Kosten für Social Media im vierten Quartal 2018 (2732/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport betreffend Kosten für Social Media im vierten Quartal 2018 (2733/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Kosten für Social Media im vierten Quartal 2018 (2734/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Kosten für Social Media im vierten Quartal 2018 (2735/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport betreffend Social Media Verwendung und digitale Kommunikation im vierten Quartal 2018 (2736/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Social Media Verwendung und digitale Kommunikation im vierten Quartal 2018 (2737/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend Social Media Verwendung und digitale Kommunikation im vierten Quartal 2018 (2738/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Social Media Verwendung und digitale Kommunikation im vierten Quartal 2018 (2739/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend betreffend Social Media Verwendung und digitale Kommunikation im vierten Quartal 2018 (2740/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Social Media Verwendung und digitale Kommunikation im vierten Quartal 2018 (2741/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Social Media Verwendung und digitale Kommunikation im vierten Quartal 2018 (2742/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Social Media Verwendung und digitale Kom­muni­kation im vierten Quartal 2018 (2743/J)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 16

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Social Media Verwendung und digitale Kommunikation im vierten Quartal 2018 (2744/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend Social Media Verwendung und digitale Kommunikation im vierten Quartal 2018 (2745/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres betreffend Social Media Verwendung und digitale Kommunikation im vierten Quartal 2018 (2746/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Social Media Verwendung und digitale Kommunikation im vierten Quartal 2018 (2747/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Bildung, Wis­senschaft und Forschung betreffend Social Media Verwendung und digitale Kommu­nikation im vierten Quartal 2018 (2748/J)

Petra Wimmer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Social Media Verwendung und digitale Kommunikation im vierten Quartal 2018 (2749/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen (2351/AB zu 2393/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen (2352/AB zu 2455/J)

der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort auf die Anfrage der Abgeordneten Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen (2353/AB zu 2374/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen (2354/AB zu 2368/J)

der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen (2355/AB zu 2372/J)

der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus auf die Anfrage der Abgeord­neten Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger, Kolleginnen und Kollegen (2356/AB zu 2371/J)

des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen (2357/AB zu 2373/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Claudia Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen (2358/AB zu 2375/J)

 

 

 


 


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 17

09.05.06Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsident Mag. Wolfgang Sobotka, Zweite Präsidentin Doris Bures, Dritte Präsidentin Anneliese Kitzmüller.

09.05.09*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die 60. Sitzung des Nationalrates eröffnen und begrüße Sie alle, sehr geehrte Abgeordnete zum Nationalrat, recht herzlich. Mein Gruß gilt auch den Besucherinnen und Besuchern auf der Galerie, vor allem den Schülerinnen und Schülern der HLW 23, herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Sehr geehrte Damen und Herren zu Hause vor den Fernsehgeräten – herzlich willkom­men!

Ich darf gleich zu Beginn die für die heutige Sitzung als verhindert gemeldeten Abge­ordneten bekannt geben: Das sind die Abgeordneten Werner Amon, MBA, Mag. Michael Hammer, Angela Lueger, Hans-Jörg Jenewein, MA, Dr. Stephanie Krisper, Dr. Alma Zadić, LL.M. und Efgani Dönmez, PMM.

*****

Wie immer darf ich bekannt geben, dass die Sitzung von ORF 2 bis 13 Uhr live über­tragen wird, im Anschluss von ORF III und ab 19.15 Uhr zeitversetzt.

Auch heute wird zu Dokumentationszwecken wieder ein Fotograf unterwegs sein.

09.06.18Aktuelle Stunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Entlastung für Österreich“

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wöginger. Ich darf ihm das Wort erteilen – er weiß, dass seine Redezeit 10 Minuten beträgt.


9.06.34

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem auch auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Wir als Volkspartei haben heute für diese Aktuelle Stunde das Thema „Entlastung für Österreich“ gewählt, weil wir aufzeigen wollen, welchen Schwerpunkt wir gerade auch im heurigen Jahr mit Entlastungs­maß­nahmen für die Österreicherinnen und Österreicher setzen wollen. Wir setzen damit den erfolgreichen Kurs dieser Bundesregierung fort. Wir entlasten die Menschen in Österreich in dieser Legislaturperiode mit einem Gesamtpaket von rund 6 Milliarden Euro. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben ja auch ein sehr erfolgreiches Jahr hinter uns gebracht; zahlreiche Maß­nahmen, auch Reformen, wurden gemeinsam beschlossen. Es war ein sehr intensives Jahr 2018, und in diesem Jahr wurden bereits erste Entlastungsschritte gesetzt. Wir haben die Arbeitslosenversicherungsbeiträge für die Niedrigverdiener gesenkt, wir haben


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 18

die Mehrwertsteuer im Tourismusbereich abgesenkt und wir haben mit dem Familien­bonus Plus einen Meilenstein in der Familienpolitik gesetzt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der Familienbonus Plus ist die größte steuerliche Entlastungsmaßnahme für Familien mit Kindern, und seit 1. Jänner spüren das die Familien in unserem Lande auch. Über 500 000 Menschen haben bereits jetzt beantragt, dass sie diesen Betrag monatlich ausbezahlt bekommen. Das sind 125 Euro bei einem Kind, 250 Euro bei zwei Kindern netto mehr auf der Hand. Das spüren unsere Familien und das ist eine gute Maß­nahme. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Nun setzen wir diesen Weg fort, und ich bedanke mich ganz herzlich beim Finanz­minister und beim Staatssekretär, die jetzt auch die weiteren Schritte einleiten werden. Das Ziel ist, dass wir die Abgabenquote, die in Österreich nach wie vor viel zu hoch ist, von über 42 Prozent auf 40 Prozent gegen Ende der Legislaturperiode absenken können.

Was man auch dazusagen muss: Wir senken nicht nur die Abgabenquote, wir senken auch die Schuldenquote, meine Damen und Herren. Wir haben zu Beginn dieser Perio­de eine Verschuldensquote von weit über 70 Prozent gehabt, und wir kommen bis zum Ende des Jahres 2022 in Richtung 60 Prozent. Meine Damen und Herren, das ist nachhaltige Finanzpolitik, die wir hier machen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Was sind jetzt diese weiteren Schritte, mit denen wir die Menschen in Österreich weiterhin entlasten werden? – Wir beginnen wiederum bei den Geringverdienern. Wir beginnen wiederum bei jenen, die arbeiten gehen, aber wenig verdienen, weil sie halt in diesen Branchen tätig sind. Wir werden ein Paket von rund 700 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Durch das Absenken der Krankenversicherungsbeiträge werden genau diese Geringverdiener profitieren. Das sind Menschen, die arbeiten gehen, aber eben weniger verdienen, sodass sie zum Teil gar nicht in die Steuerpflicht kommen. Da können wir nur entlasten, wenn wir die Sozialversicherungsabgaben senken, und unser Ziel ist es, die Krankenversicherungsbeiträge in diesem Bereich abzusenken.

Davon werden profitieren: 1,5 Millionen Arbeitnehmer, 1 Million Pensionistinnen und Pensionisten und 350 000 Selbstständige und Bäuerinnen und Bauern. Das ist unser Weg der Entlastung, und mit dem werden wir jetzt auch beginnen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Diese 700 Millionen Euro werden der Sozialversicherung natürlich ersetzt. Das ist im Ministerratsvortrag auch klar geregelt. Wir werden im Jahr 2020 auch Vereinfachungen durchführen. Das Werbungskostenpauschale im Bereich der Arbeitnehmer liegt derzeit bei 132 Euro. Es ist geplant, es auf 300 Euro anzuheben; damit ersparen sich 60 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überhaupt die Arbeitnehmerveranlagung. Es ist auch vorgesehen, die Grenze für Kleinunternehmer in diesem Bereich von 30 000 auf 35 000 Euro anzuheben.

Das sind Punkte, mit denen wir signalisieren, dass jene, die ein niedrigeres Einkom­men haben, auch von diesen Maßnahmen profitieren – letzten Endes, meine Damen und Herren, auch in der Verwaltung. Insgesamt ist das ein Paket von 1 Milliarde Euro.

Dann kommen die Jahre 2021 und 2022, und dann wird es eine weitere Tarifentlastung geben, eine Tarifentlastung, die wiederum rund 4,5 Millionen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zugutekommen wird. Wir entlasten die Steuerzahler in dieser Republik, meine Damen und Herren, indem wir die untersten drei Steuerstufen noch einmal klar absenken werden, weil es sich die Menschen auch verdient haben, dass sie mehr von der Abgabenlast befreit werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es ist auch geplant, den Wirtschaftsstandort zusätzlich abzusichern. Wir leben ja – Gott sei Dank – in einer guten Konjunktursituation. Wir haben ein gutes Wirtschafts-


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wachstum, nach wie vor, und das hilft natürlich auch – das sei dazugesagt – bei diesen Maßnahmen. Es ist aber notwendig, diese Entlastung letzten Endes auch fortzusetzen und auch in der Wirtschaft die notwendigen Schritte einzuleiten, sei es im Bereich der Körperschaftsteuer, sei es auch in anderen Bereichen, denn letzten Endes sind es unsere Betriebe, unsere Unternehmerinnen und Unternehmer, die die Arbeitsplätze in Österreich schaffen. Wir haben Hochkonjunktur, wir haben so viele Menschen wie noch nie zuvor in Beschäftigung, und daher auch ein Dank an unsere erfolgreichen Unternehmerinnen und Unternehmer, die tagtäglich ihren Einsatz zeigen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Weil auch immer die kalte Progression mitdiskutiert wird: Ja, wir werden uns der Abschaffung der kalten Progression gegen Ende der Legislaturperiode widmen. (Zwischenrufe bei den NEOS.) Wir werden dieses Thema auch ordentlich abarbeiten. Das ist keine Frage, das steht im Regierungsprogramm. (Zwischenrufe der Abgeord­neten Klaus Uwe Feichtinger und Loacker.) Das wurde auch vom Finanzminister immer angekündigt (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Warum nicht: Wir werden sie ab­schaffen?!), nur: Wenn Sie sich mit Ökonomen unterhalten, dann hören Sie, dass es wichtig ist, dass wir vorher noch einmal die Steuerstufen absenken, damit wir letzten Endes nicht diese hohen Stufen haben (Abg. Loacker: Leere Worte!), sondern eher einen gleitenden Tarif durch das Absenken der untersten Steuerstufen schaffen kön­nen. (Zwischenruf des Abg. Schellhorn.) In dem Sinne profitieren auch die Niedrig­verdiener mehr davon, als wenn wir das gleich zu Beginn machen würden. Daher stellen wir das Thema kalte Progression ans Ende des gesamten Steuerentlastungs­prozesses dieser Legislaturperiode, weil es zuerst notwendig ist, noch einmal die Tarifsenkung für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler durchzuführen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wie gesagt: Die Gesamtsumme der Entlastung, inklusive Familienbonus, wird sich auf rund 6 Milliarden Euro belaufen. Das ist nur möglich – und das möchte ich betonen –, weil wir uns, weil diese Bundesregierung es sich zum Ziel gesetzt hat, auch über die Ressorts Einsparungen zu treffen. Im Doppelbudget 2018/2019 war es eine ganz wichtige Maßnahme, in einigen Bereichen Einsparungen zu erzielen, was letzten Endes den Spielraum schafft, dass wir die Menschen in diesem Land entlasten kön­nen. Eine konsolidierte Budgetpolitik ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wir die Menschen zusätzlich entlasten können. Wir schreiben heuer erstmals nach über 60 Jahren wieder einen Überschuss, meine Damen und Herren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es hat mehr als sechs Jahrzehnte gedauert – egal, wer in diesen sechs Jahrzehnten regiert hat –, dass wir nicht mehr ausgeben als wir einnehmen. Das ist Politik mit Hausverstand, meine Damen und Herren. Die Menschen in Österreich leben nach diesen Prinzipien, und es ist unsere Verantwortung in der Politik, das auch zu tun: Nicht mehr auszugeben als man einnimmt, das ist nachhaltige Politik! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Natürlich unterstützt uns die Wirtschaftslage, ich habe das bereits angesprochen, aber es ist notwendig, diese Steuerentlastung in Schritten herbeizuführen, damit wir auch in den nächsten Jahren diesen Überschuss gewährleisten können. Wir wollen in diesem Haus kein Budget mehr vorlegen, das ein Defizit ausweist. Wir haben uns darauf verständigt, und ich danke auch den beiden Herren im Finanzressort, wir sind über­eingekommen, dass wir kein Budget mehr vorlegen wollen, das ein Defizit ausweist, sondern wir wollen jedes Jahr, diese gesamte Legislaturperiode und darüber hinaus, ein Budget vorlegen, das ein Plus aufweist, weil das für die nachkommenden Gene­rationen, für unsere Kinder und Enkelkinder notwendig ist. Wir dürfen ihnen nicht die


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Schuldenrucksäcke überlassen, wir müssen Spielräume schaffen. Das machen wir in dieser Bundesregierung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ja, meine Damen und Herren, wir haben neben der Steuerentlastung auch die großen Themengebiete Pflege und Digitalisierung, aber es ist jetzt wichtig, die Eckpunkte darzulegen, wie wir die Menschen in diesem Lande weiterhin entlasten wollen, wie wir den Standort absichern wollen und wie wir auch zusätzliche Arbeitsplätze durch diese Maßnahmen schaffen können. Ein herzliches Danke dem Bundesminister und dem Staatssekretär! Ich bitte alle und lade alle ein, an diesen großen Entlastungspaketen auch mitzuarbeiten! (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.17


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Löger. Auch seine Redezeit soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.


9.17.19

Bundesminister für Finanzen Hartwig Löger: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste auf der Galerie und Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Ich freue mich, dass wir im Rahmen unserer Regierungsklausur einen Be­schluss über die Eckpunkte eines Programms fassen konnten: Entlastung Österreich. Es ist ein Programm, das sicherstellen wird, dass alle Menschen in Österreich weniger Steuern und Abgaben zu leisten haben und jedes Monat mehr Netto in ihren eigenen Taschen haben werden, um ihr Leben freier und besser gestalten zu können. Das ist eine Grundlage für die nächsten Jahre, die wir gemeinsam geschaffen haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der wesentliche Ansatz dabei ist folgender: Es geht uns darum, dass wir einerseits sicherstellen, dass gerade die Menschen, die in einem Bereich arbeiten, auch Leistung bringen, wo es geringe Einkommen gibt, bei dieser Entlastung dabei sind. Das heißt, es geht uns darum, in erster Linie auch diesen Menschen Entlastung zu geben. Wir stellen sicher, dass diese Entlastung von über 6 Milliarden Euro über diese Regie­rungsperiode parallel dazu auch gewährleistet, dass es eine ehrliche Entlastung ist. Es wird keine neuen Steuern geben – nicht so wie in der Vergangenheit, wo alle Reformen immer wieder in der linken Tasche Entlastung versprochen und in der rechten Tasche neue Belastungen gebracht haben. Das tun wir nicht, wir bleiben ehrlich und lassen diese Entlastung in dem Bereich in voller Wirkung auf die Österreicher zukommen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Ich nehme gerne die Verantwortung dafür auf mich, dass wir uns entschieden haben, diese Entlastung in Form eines Programms zu machen, weil es für Österreich erforder­lich und wichtig ist, nicht wieder durch neue Schulden und Belastungen auch die nächsten und übernächsten Generationen zu belasten. Wir wissen, dass in den ver­gangenen Jahrzehnten – und es wurde angesprochen, unabhängig davon, in welcher Regierungskonstellation –, über viele Jahrzehnte jedes Jahr mehr Geld ausgegeben als eingenommen wurde. Das ist nicht verantwortungsvoll, wenn wir wissen, dass wir damit für Österreich über 290 Milliarden Euro an Schulden aufgebaut haben. Dieses Entlastungsprogramm wird auch sicherstellen, dass wir in dem Bereich trotzdem kontinuierlich die Schulden abbauen. 

Wir haben mit dem Ergebnis 2018 die Schuldenquote Österreichs bereits auf unter 75 Prozent senken können, und wir werden bis zum Ende der Legislaturperiode die 60 Prozent erreichen. Das ist ein Meilenstein in der Budgetpolitik Österreichs. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das Wichtige dabei ist, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen, nämlich die Menschen in Österreich auch mit entsprechend mehr Gehalt pro Monat für ihr Leben


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zu unterstützen und gleichzeitig die Verantwortung zu übernehmen, Überschüsse zu erzielen, Schulden abzubauen und damit Österreich, dieses schöne, erfolgreiche Land, auch in Zukunft nachhaltig positiv zu entwickeln. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Der erste Schritt dieser Etappe hat de facto begonnen. Das ist das, was, wie ich glaube, auch den Österreicherinnen und Österreichern wichtig ist, nämlich zu spüren und zu erkennen, dass es eine Regierung gibt, die nicht nur diskutiert und über Themen redet, über Steuerreformen diskutiert, sondern Maßnahmen setzt. Wir haben mit Jänner 2019 die größte Entlastung für Familien mit Kindern in Österreich umge­setzt. Es gibt seit Jänner bereits viele Familien in Österreich, die vom Familienbonus Plus profitieren und daher auch erkennen, dass wir in unserer Regierung die Dinge nicht nur bereden, sondern auch umsetzen und dass diese Unterstützung und Entlastung zum Vorteil der Österreicherinnen und Österreicher ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Der nächste Schritt ist: Wir werden mit 2020, mit nächstem Jahr, einen weiteren Schritt der Entlastung setzen, bei dem es darum geht, auch jenen Menschen, die ein derartig geringes Einkommen haben, dass sie derzeit keine Steuern in diesem Bereich leisten, eine Unterstützung zu geben. Wir werden rund 700 Millionen Euro einsetzen – als direkte Entlastung für jene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für alle Pen­sionis­tinnen und Pensionisten, die in diesem Bereich betroffen sind, aber genauso für die kleinen Selbstständigen, vor allem Land- und Forstwirte, die in diesem Bereich auch durch eine Senkung der Sozialversicherungsabgaben eine deutliche Entlastung spüren werden.

Gleich vorweg an alle, die das gerne wieder infrage stellen möchten oder Ängste schü­ren wollen: Wir haben gesetzlich verankert, dass das über das Budget finanziert wird, daher wird die Senkung in diesem Bereich bei der Leistung keine Einschränkung in irgendeiner Form bringen – ganz im Gegenteil: Die Menschen werden mehr Geld für ihr Leben zur Verfügung haben, und gerade die Geringverdiener werden als Erste von dieser Entlastung profitieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wir haben von Beginn an klargelegt: Es geht uns bei diesem Thema der Entlastung auch um Entlastung im Sinne der Bürokratie. Wir werden bereits im nächsten Jahr im Bereich der Kleinunternehmen Maßnahmen setzen, bei denen es darum geht, dass wir über eine Pauschalierungslösung die Möglichkeit geben, einfach, schnell und unbüro­kratisch, ohne Zusatzkosten im Sinne von aufwendiger Steuerberatung und dergleichen, einen Abschluss des Jahresergebnisses zu erzielen. Wir unterstützen damit rund 200 000 Kleinunternehmerinnen und -unternehmer in Österreich, die damit in diesem Bereich eine deutliche Entlastung spüren werden, auch im Aufwand für ihre Arbeit. Es ist auch eine Unterstützung und Motivation für viele andere in Österreich, die Selbstständigkeit möglicherweise als ihren Lebensansatz zu wählen.

Das ist ein Zeichen der Entlastung, genauso wie wir bei der Werbungskostenpauschale eine Erhöhung vornehmen und zusätzlich 60 000 administrative Aufwendungen in diesem Bereich hintanstellen. Das ist auch ein deutliches Zeichen, dass wir es mit bürokratischer Entlastung für dieses Land ernst meinen. Diese ist längst fällig und hat sich in den letzten Jahrzehnten überbordend aufgebaut. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir werden bereits im Jahr 2020 Maßnahmen setzen, mit denen wir auch ein deut­liches Signal in Richtung Ökologisierung geben. Wir werden die Klimastrategie, die von Ministerin Köstinger präsentiert wurde, mit Maßnahmen unterstützen, die dazu führen, dass wir im Bereich der Mobilität, dass wir gesamtheitlich im Bereich der Ener­gie­politik – von der Photovoltaik über Biogas bis zu anderen Elementen –steuernde Ele­mente haben werden, die dazu führen, die Ziele dieser Strategie erfolgreich um­setzen


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zu können. Auch das ist ein klares Signal dafür, dass wir nicht nur im sozialen Bereich, sondern auch im ökologischen Bereich in dieser Regierung neue Maßstäbe setzen und erfolgreich die Zukunft gestalten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Menschen in Österreich können aufgrund des Beweises, dass wir die ersten Entlastungsschritte schon in der Umsetzung haben, Vertrauen in diese Regierung setzen. Wir werden weitere Schritte nach 2020 folgen lassen. Wir werden eine Tarif­reform setzen, die gerade wieder bei den kleinen und mittleren Einkommen zu einer deutlich spürbaren Entlastung führen wird. Auch diese Menschen werden jeden Monat mehr Netto in der Tasche haben, und auch diese Menschen werden von dieser zielge­richteten und direkten Reform und Entlastung, die wir setzen, überproportional pro­fitieren.

Ich betone auch hier: Wir werden die kalte Progression – das einzige Argument, das ich im Sinne einer Kritik an diesen Etappen bisher höre – abschaffen, aber selbst unab­hängige Experten bekennen, dass es, bevor man dieses Element einer linearen Abschaffung der kalten Progression setzt, bei der in erster Linie die Mehrverdiener und Besserverdiener profitieren würden, notwendig ist, Maßnahmen zu setzen, wie wir es in dieser Regierung tun, um den Geringverdienerinnen, den Geringverdienern und jenen Menschen, die es noch mehr brauchen, eine deutlich höhere Entlastung zu geben. Daher ist diese Entscheidung, die wir treffen, die richtige, und danach werden wir die kalte Progression abschaffen. Das ist der richtige Weg für Österreich. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben auch beschlossen und werden es in diesem Jahr fixieren (Abg. Loacker: ... nicht alles auf einmal ...!): Wir werden gerade den kleinen und mittleren Unter­nehmen, dem Rückgrat der österreichischen Wirtschaft, durch Entlastung auch im Bereich der Unternehmensbesteuerung die Chance für mehr Freiraum geben – Frei­raum für Investitionen, Freiraum für die Sicherung, die Schaffung und den Ausbau neuer Arbeitsplätze. Das heißt, wir werden diesen Unternehmen mehr Möglichkeit geben, Entlastung geben, sowohl im Bereich der Steuern und Abgaben als auch durch Entfernung von Bürokratie.

Das ist der Weg, der uns in Summe die Chance gibt, dieses Land weiterzuentwickeln, den Menschen, den Unternehmen Freiraum zu geben und Österreich erfolgreich in die Zukunft zu führen – mit solider Politik, Budget- und Finanzpolitik, mit Entlastung, aber gleichzeitig auch mit Schuldenabbau für die Zukunft. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

9.27


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kopf. – Bitte.


9.27.39

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Finanzminister! Herr Staats­sekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Plenum! Geschätzte Be­sucherinnen und Besucher auf der Galerie! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehschirmen! Steuern und Abgaben sind notwendig, aber mit Sicherheit nicht in der Höhe, wie sie in Österreich der Fall sind. Letztlich dienen Steuern und Abgaben der Finanzierung unseres Gemeinwesens, zu dem wir uns alle bekennen, und das über alle Gebietskörperschaften hinweg – Gemeinden, Länder und auch Bund. (Zwi­schenruf der Abg. Erasim.)

Sie dienen letztlich auch der Finanzierung einer angemessenen Umverteilung bei den Einkommen – einer angemessenen Umverteilung! –, aber, meine Damen und Herren, Steuern und Abgaben müssen einerseits in ihrer Bemessung die Leistungsfähigkeit der


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Zahler berücksichtigen, sie dürfen andererseits die Leistungsbereitschaft der Zahler nicht beeinträchtigen – heißt auf Deutsch gesagt: Es darf bei der Bemessung der Steuer der Fleißige nicht der Dumme sein. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die Einnahmen, die wir durch Steuern und Abgaben generieren, müssen – und das ist unser aller Verantwortung – nach den Geboten der Sparsamkeit und der Zweckmäßig­keit verwendet werden, sonst findet das bei den Menschen in diesem Lande keine Akzeptanz. Der Finanzminister, der Herr Staatssekretär, wir alle miteinander haben dafür die Verantwortung, was sowohl die Ausgabengestaltung wie auch die Gestaltung der Einnahmen anbelangt. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.) 

Das verbleibende Einkommen nach Abzug von Steuern und Abgaben muss jedem Einzelnen, jeder Einzelnen genügend Freiraum für eine eigenverantwortliche, selbst­bestimmte Gestaltung des eigenen Lebensbereiches lassen, und es muss darüber hinaus, nach unseren Vorstellungen, idealerweise möglichst vielen Menschen die Bil­dung von Eigentum auf ganz breiter Basis ermöglichen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das heißt im umgekehrten Sinne, eine hohe Steuer- und Abgabenquote ist letzten Endes Ausdruck eines überbordenden Staatswesens sowie auch eines leistungsfeind­lichen Versorgungsstaates. Es ist daher, meine Damen und Herren, höchste Zeit, die Steuer- und Abgabenquote in diesem Land zu senken, und zwar in jene Richtung, die der Herr Finanzminister vorhin erwähnt hat, nämlich eines sehr respektablen Wertes von 40 Prozent – von leistungsfreundlichen 40 Prozent – und keines Prozentpunktes oder Zehntelprozentpunktes darüber. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Klubobmann Wöginger und auch Finanzminister Löger haben zuvor die Entlastungs­offensive schon im Detail präsentiert und dargestellt. Sie folgt einem zutiefst bürger­lichen, christdemokratischen Konzept, und sie bringt allen in diesem Lande etwas. Sie bringt Hilfe für die Menschen mit niedrigen Einkommen – 2018 ist, wie schon erwähnt, die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für die niedrigen Einkommen bereits erfolgt, 2020 kommt die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge mit über 700 Millionen Euro Entlastungsvolumen für die niedrigsten Einkommen, und zwar sowohl bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, bei Pensionistinnen und Pensionis­ten als auch bei Selbstständigen und bei Menschen in der Landwirtschaft. Alle werden also davon profitieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Es kommt eine großzügige Entlastung von Familien mit Kindern. Familien und Kinder sind die Zukunft dieses Landes, und es ist ein Gebot der Stunde, für diese Zielgruppe ganz gezielt einen ganz besonderen Entlastungsschritt zu setzen. Darüber hinaus kommt eine Entlastung der steuerzahlenden Leistungsträger quer durch, letzten Endes nach dem Motto: Allen soll mehr Netto vom Brutto bleiben. – Das ist eines unserer Credos für diese Reform.

Letzten Endes stärken wir auch den Wirtschaftsstandort und die Betriebe, indem wir die Senkung der USt bei Nächtigungen für den Tourismus bereits durchgeführt haben, eine deutliche Senkung der Körperschaftsteuer kommen wird und auch diverse Baga­tellsteuern gesenkt werden.

Diese Entlastungsoffensive der ÖVP-und-FPÖ-Koalition, meine Damen und Herren, gibt den Menschen das wieder zurück, was ihnen sozialdemokratisch geführte Regie­run­gen in der Vergangenheit (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger) in unver­tretbar hohem Ausmaß genommen haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. Abg. Krainer: Den Satz hat er vorlesen müssen, denn den hätte er sich gar nicht sagen getraut! 


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Abg. Klaus Uwe Feichtinger: 18 Jahre ÖVP-Finanzminister! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

9.33


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.


9.33.21

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier eine Aktuelle Stunde der ÖVP zur Frage der Steuerreform. Das ist total interessant, denn die Regierung weiß noch gar nicht genau, wie diese Steuerreform irgendwann, in zwei, drei, vier Jahren, aussehen wird. (Abg. Hauser: Hast nicht aufgepasst? – Abg. Winzig: Das nennt man Strategie!) Das ist wie der Fall, als irgendjemand einmal zu einer Vernissage von einem Künstler eingeladen war. Dieser hat eine leere Leinwand aufgehängt und gesagt: Ich weiß zwar noch nicht genau, was ich male, aber ich habe mir schon die Größe des Bildes überlegt und die Leinwand schon bespannt. – Das ist das, worüber wir reden: eine leere Leinwand! (Beifall bei der SPÖ.)

Im Wahlkampf haben Kurz und Strache gesagt: Wir werden das größte Bild malen, 12 mal 2 Meter!; der andere hat gesagt: 14 mal 2 Meter! – Was ist rausgekommen? – Ein kleines Miniaturbild kommt jetzt raus. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wissen aber noch nicht einmal, was drin ist. (Abg. Neubauer: Das ist eine Frage des Intellekts!) Das ist offensichtlich das, was die ÖVP unter aktuell versteht: eine leere Leinwand, und jeder kann sich jetzt überlegen, was für ein schönes Bild da drin sein könnte. Das ist eh nett, hat aber mit Politik nichts zu tun und hat auch mit aktuell nichts zu tun.

Reden wir über den Inhalt, denn ein bisschen etwas wissen wir ja darüber (Abg. Wöginger: Ah geh! Schon? Schon was in dem Bild?), wie Steuerreformen strukturell entstehen. Es ist relativ einfach. Es gibt die kalte Progression. Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass die, die arbeiten gehen, Arbeitnehmer, auch Pensionisten (Abg. Steinacker: Pensionisten gehen arbeiten?) und kleine Unternehmer durch die kalte Progression jedes Jahr ein bisschen mehr Steuern zahlen. Das ist Teil des Systems, da wird ein Gefäß mit Geld gefüllt, sage ich einmal, und das ist normalerweise das Volumen einer Steuerreform. In der Vergangenheit hat man das Volumen manchmal auch vergrößert, verkleinert hat man es nie. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Das, was die Regierung jetzt macht, ist: Sie nimmt dieses Gefäß und gibt ein bisschen etwas den Arbeitnehmern, ein bisschen etwas den Pensionisten, ein bisschen etwas den kleinen Unternehmern. Was macht sie dann noch? – Den Rest gibt sie den oberen Zehntausend und den Großkonzernen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Deimek: Ich habe gedacht, das wissen wir nicht?)

Das ist das, was diese Regierung machen wird: das Geld von den Arbeitnehmern, Pensionisten und kleinen Unternehmern nehmen und Großunternehmen geben – das ist Ihre Steuerreform! (Abg. Hauser: Du widersprichst dir ja selber! – Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.) Take from the poor and give to the rich – das ist die Politik, die Sie machen, meine Damen und Herren! Das ist Ihre Politik! (Beifall bei der SPÖ.)

Sie tun nichts dafür, dass jene, von denen wir alle wissen, dass sie ihre Steuern heute nicht ordentlich zahlen, nämlich die oberen Zehntausend (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch – Zwischenrufe bei der ÖVP), ihre Steuern in Zukunft ordentlicher zah­len. Sie unternehmen nichts dagegen (Zwischenruf des Abg. Hauser), dass inter­natio­nale Großkonzerne in Österreich nach wie vor keine Steuern zahlen, während jeder


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kleine Unternehmer und Arbeitnehmer seine Steuern pünktlich zahlt, und dass die, die ohnedies auf der Schokoladenseite sind, die Millionäre in diesem Land, keinen Beitrag leisten. Das ist Ihre Politik und dafür sollten Sie sich eigentlich schämen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir aber haben hier eine Aktuelle Stunde, und es gäbe ja einiges Aktuelles, über das man reden könnte. (Abg. Neubauer: Fang endlich an! – Abg. Winzig: Ärztemangel?) Sie wollen jedoch nur vom Aktuellen ablenken.

Was ist zum Beispiel sehr aktuell? – Wir alle wissen, dass zurzeit ein neues Direk­torium bei der Oesterreichischen Nationalbank bestellt wird. Vier Personen werden bestellt, und der Vizekanzler selbst hat vor wenigen Monaten noch gesagt: Das ist ein bisschen unangenehm, weil wir nur noch für drei Arbeit haben. – Ich stelle nun die Frage: Wer ist der vierte Mann? Wer ist der, der ein arbeitsloses Einkommen als Direktor der Oesterreichischen Nationalbank bekommt? – Das wäre interessant zu erfahren!

Kollege Gudenus, Sie werden gleich ans Rednerpult kommen: Sagen Sie uns, wer der vierte Mann ist, der dieses arbeitslose Einkommen von Ihnen bekommt! Ist das der nicht amtsführende Stadtrat Schock, der bisher auch arbeitslos war? Bekommt er jetzt ein anderes arbeitsloses Einkommen ohne jede Leistung? Wer ist der vierte Mann? Das ist eine aktuelle Frage! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Doppelbauer.)

Eine andere aktuelle Frage ist, wie man als Bundesregierung auf die Idee kommt (Abg. Hauser: Das ist unglaublich! Unglaublich! Ihr seid wirklich ...!), in die Geschäftsführung der Oesterreichischen Nationalbank, also eines Unternehmens mit über 1 000 Mit­arbeitern, ausschließlich Leute hineinzusetzen, die noch nie in ihrem Leben ein Unternehmen geleitet haben, die nicht einmal eine Abteilung mit mehr als 15 Personen geleitet haben. (Zwischenruf der Abg. Winzig.) Das könnten Sie vielleicht auch den Österreichern aktuell erklären und nicht über leere Leinwände, über leere Versprechen reden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Pilz und Zinggl. – Abg. Wöginger: Der hat das Sinowatz-Syndrom! – Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

9.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Gruppe der Gesundheits- und Kran­kenpflegeschule des Bundesheeres auf der Galerie recht herzlich begrüßen. (All­ge­meiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gudenus. – Bitte.


9.38.52

Abgeordneter Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. (FPÖ): Willkommen im Parlament! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde mit 5 Minuten Redezeit ist fast zu schade, um auf die Anwürfe des Herrn Kollegen Krainer einzusteigen (Ah-Rufe bei der SPÖ), vielleicht aber nur ein paar Bemerkungen dazu. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Erasim.)

Herr Kollege Krainer, Sie fantasieren da von Ihren nächtlichen Visionen, leeren Lein­wänden, ich weiß es nicht ganz genau. Ich kenne hier nur eine volle Leinwand, und die besteht aus jahrelangen SPÖ-Belastungen im Bund, in Wien und in ganz Österreich – eine volle Leinwand, und das finden die Menschen überhaupt nicht leinwand, Herr Krainer; keine Sorge, eine ganz volle Leinwand! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Immer diese alte Leier: Wir decken nur die Reichen, schützen die Reichen und belas­ten die Armen! – Herr Kollege Krainer, Sie stammen ja aus der SPÖ Wien. Die SPÖ Wien hat wahrscheinlich in ganz Europa die beste Expertise, wenn es darum geht,


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Gebühren für alle jährlich aufzustocken. Wen aber treffen eigentlich steigende Gebüh­ren? Sagen Sie es mir! Die Reichen oder die Armen: wen treffen die Gebühren? (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Wen treffen die Gebühren, wenn allein durch die stei­genden Betriebskosten – Wasser, Kanal, Müll – die Wohnkosten in Wien allein schon ein Drittel der gesamten Kosten betragen? (Zwischenrufe der Abgeordneten Knes, Krainer und Lindner.) Wen trifft denn das: die Reichen, die weniger Reichen oder die Armen? Sie belasten die Armen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ – die ganze Zeit! Das ist Ihre Politik. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Kommen Sie mir bitte nicht damit, dass die Regierung die Reichen deckt! (Abg. Knes: Wo warst du die letzten zwei Jahre?!) Was ist zum Beispiel hier mit Herrn Tojner bei dem Hochhaus in Wien Mitte passiert? – Da wird etwas genehmigt, obwohl schon alles dagegenspricht; ja, da bevorteilt die MA 50 Herrn Tojner immer wieder sehr und dergleichen. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.) – Das ist die SPÖ Wien, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie decken die Reichen und sonst niemand. (Abg. Krainer: ... ist im Unterstützungskomitee vom Kurz gewesen! Sie verwechseln hier Sachen!) Wir machen faire Politik für alle Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Kommen wir zurück zum eigentlichen Thema: Ich bin wirklich dankbar dafür, dass wir im vergangenen Jahr einen wirklich gelungenen Paarlauf zwischen FPÖ und ÖVP, zwischen Finanzminister Löger und unserem Staatssekretär Hubert Fuchs, einem Steuerexperten, gehabt haben und schon viel zustande gebracht haben. Wir haben nicht nur versprochen, wir setzen um.

Wir haben allein im letzten Jahr eben schon die kleineren Einkommen entlastet, das gilt seit 1. Juli, durch die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Seit 1. Jänner gilt auch der Familienbonus Plus, den wir ganz klar im Regierungsprogramm festgesetzt haben. Das ist genau die Politik, die wir verfolgen, nämlich nicht nur zu reden, wie vielleicht Sie, Herr Krainer, sondern umzusetzen, wenn es darum geht, die Menschen zu entlasten, die Österreicherinnen und Österreicher und vor allem die Familien zu entlasten. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie werden es schon gehört haben: Unser Programm ist eben kein Entlastungs­programm für tschetschenische Großfamilien, sondern ein Entlastungsprogramm für Leistungsträger und österreichische Familien – und dazu stehen wir, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist das Gegenteil von dem, was Sie in der SPÖ Wien machen, Herr Krainer. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es wird eben zu vielen weiteren Schritten kommen, auch das wurde schon angemerkt: die Tarifreform, die Abschaffung der kalten Progression. All das ist nicht nur im Regierungsprogramm vorgesehen, all das wird auch umgesetzt, weil wir unsere Schritte zielsicher und zukunftsgerecht umsetzen und auch für die Entlastung der Menschen sorgen.

Noch ein Punkt, Herr Krainer, weil Sie eben der Vertreter der SPÖ Wien sind: Man belastet jahrelang die Menschen in Wien und freut sich gleichzeitig über die Mercer-Studie, in deren Verlauf Großverdiener aus dem Ausland gefragt werden, wie die Lebensqualität in Wien ist. Sie sind stolz darauf, dass die Mercer-Studie die letzten Jahre immer der Gemeinde Wien den ersten Platz ausweist, gleichzeitig aber zeigt jede andere Studie – zum Beispiel jene der EU-Kommission, jene des „Economist“ oder andere Studien, egal ob national oder international –, dass Wien jedes Jahr zwei bis fünf Plätze zurückfällt, egal ob in der Bildungspolitik, egal ob in der Gesund­heitspolitik, egal ob bei Kaufkraft, Wirtschaft, Dynamik (Widerspruch bei der SPÖ), egal bei welchem Thema. Sie kritisieren dann aber in Wirklichkeit die Bundesregierung für die Maßnahmen, die sie setzt, um Österreich nach vorne zu bringen – und das ist,


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meine sehr geehrten Damen und Herren, gelinde gesagt eine Schande fürs Hohe Haus, eine echte Schande! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeord­neten Bayr und Krainer.)

Sie sollten in Wirklichkeit in Wien dafür sorgen, dass die Menschen auch entlastet werden, und dem Weg der Bundesregierung folgen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

9.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Tulln recht herzlich bei uns auf der Galerie begrüßen. – Herzlich willkom­men! (Allgemeiner Beifall.)

Wir kommen zur nächsten Rednerin. – Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger, bitte sehr.


9.44.04

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Minis­ter! Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich muss meinen Vorrednern schon auch recht geben – Herrn Gudenus nicht, Herrn Krainer schon (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch) –, dass die Aktualität sich mir nicht ganz erschließt.

Die Selbstverliebtheit dieser Regierung dürfte heute auf die Spitze getrieben worden sein, aber man könnte auch die Rede des Herrn Finanzministers so interpretieren, dass er eine Übungsvorlage für Schülerinnen und Schüler sein soll, die sich in Zukunft im Futursetzen oder vielleicht in Konditionalsätzen üben sollten – falls, dann –: Falls wir keinen Einbruch in der Konjunktur haben, falls wir das nötige Volumen haben, dann haben wir aber wirklich – diesmal wirklich! –, wirklich, wirklich vor, eine Entlastung durchzuführen. Jedenfalls ist es sehr, sehr mutig, sich hierherzustellen und eigentlich auf der Basis von nichts (Abg. Belakowitsch: Das ist so wie Ihre Reden! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ), von Absichtserklärungen eine Aktuelle Stunde zu machen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Es ist eine große Enttäuschung, dieses Nichts, das kann ich Ihnen auch verraten, denn das, was sozusagen an Punktation, an Absichtserklärungen, an Vorhaben hier schon auf den Tisch gelegt oder zumindest medial aufgeblasen wurde, ist sehr enttäuschend.

Herr Finanzminister, Sie haben erst vor ein paar Tagen eine Jubelmeldung ausge­geben, was sozusagen den Budgetpfad angeht. Sie haben auch heute wieder gesagt, dass die Einnahmen massiv steigen und die Ausgaben sinken. Jetzt bin ich die Letzte, die diesen Kurs an sich kritisiert. Wenn ich aber Unternehmerin wäre, dann wäre ich schon ganz schön angefressen, dass Sie sich nach solch einer Konjunktur, nach solch einer Wachstumsphase, in der so viele Unternehmerinnen und Unternehmer hervor­ragende Arbeit gemacht haben und dafür Sorge getragen haben, dass die Steuern sprudeln, nach knapp einem Jahr hinstellen und sagen: Das ist meine Leistung! – Verzeihen Sie also: Das finde ich schon ein wenig übertrieben. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Österreich hat ein Ausgabenproblem und kein Einnahmenproblem. – Das ist ein Satz, der schon so lange so dringend im Raum steht, an dem Sie aber auch nichts ändern – gar nichts ändern!

Kommen wir zum ersten Punkt: Wo ist denn zumindest ein Vorhaben einer echten Ausgabenbremse, also dass Sie sagen, dass Sie eine Schuldenbremse oder eine Ausgabenbremse in die Verfassung schreiben? – Es gibt nichts, keine Vorhaben, die zeigen: Wir gehen es jetzt wirklich an, entschlossen Reformen auf den Weg zu bringen und die Ausgaben für die Zukunft zu zügeln!


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Zweitens: Welche Art der Entlastung braucht es? – Da gebe ich meinem Vorredner, Herrn Krainer, in vielem, was er gesagt hat, nicht recht, da habe ich ganz andere Vorstellungen. Wenn es nach uns NEOS geht, geht es nicht darum, Vermögen weiter umzuverteilen, es geht aber auch nicht darum, Vermögen zu sichern, sondern es geht darum, die Menschen – insbesondere den Mittelstand – in die Lage zu versetzen, wieder Vermögen aufbauen zu können, sich zumindest wieder ein bescheidenes Ver­mögen erarbeiten zu können. Das, was mittlerweile ja so viele Menschen wirklich gran­tig macht, ist, dass sie sehen, dass sie mit ihrer Arbeit eigentlich nicht vorankommen.

Dazu braucht es aber eine radikale Entlastung insbesondere der mittleren Einkommen. Davon sehe ich nichts. Davon höre ich nichts. Dazu braucht es auch ein Bekenntnis zu einer Stärkung des Kapitalmarkts, zum Beispiel ein Vorhaben, das man wieder einmal darüber redet, die Abschaffung der Spekulationsfrist abzuschaffen. Davon sehe und höre ich nichts, das ist definitiv zu wenig.

Es geht auch um Generationenfairness, das ist uns ein besonderes Anliegen. Wenn wir heute wissen, dass das Medianeinkommen – und es sei wirklich allen vergönnt –, das mittlere Einkommen von Menschen über 65 deutlich höher ist als jenes von unter 40-Jährigen, dann können Sie sich vorstellen, wie schwierig es junge oder mittel­alterliche Menschen haben, die gerade in der Phase sind, eine Familie zu gründen, sich umzuschauen, ob es vielleicht noch irgendwo ein Eigenheim gibt, das sie erwer­ben können, sich etwas aufzubauen. (Abg. Wöginger: Was sind mittelalterliche Men­schen?) Daran ändert sich nichts. Haben Sie Mut und gehen Sie eine radikale Entlas­tung des Faktors Arbeit an! (Beifall bei den NEOS.)

Zum Thema kalte Progression: Entschuldigung, das ist nichts anderes als ein Ver­sprechen, das gebrochen wird. Sie als ÖVP und als FPÖ haben mehrfach gesagt, dass die kalte Progression abgeschafft wird. Heute hören wir nichts anderes als eine Absichtserklärung. Ich verstehe die Logik dahinter: Die Steuerzahler dürfen sich diese Steuerreform selber finanzieren. Aus der linken Tasche ziehen wir das Geld raus und in die rechte Tasche geben wir das dann gnädig wieder zurück. Das ist eine Chuzpe und nichts anderes! Die kalte Progression gehört sofort abgeschafft. (Beifall bei den NEOS.)

Ein Punkt noch zur Generationenfairness: Generationenfairness heißt auch, Lenkungs­maßnahmen auf den Weg zu bringen, die dringend notwendig sind – und das wissen Sie! Dazu zählt eine Ökologisierung des Steuersystems, das heißt eine aufkommens­neutrale CO2-Besteuerung. Wir müssen die CO2-Preise in ganz Europa höher machen. Das ist eine Frage der Generationenverantwortung – wie ich es gesagt habe –, nämlich auf der einen Seite Arbeit radikal zu entlasten, aber auf der anderen Seite den Ressourcenverbrauch sehr wohl zu besteuern. (Abg. Wöginger: Was ist das? Ist das eine Dieselsteuer? Was wollt ihr denn? – Ruf bei der FPÖ: Oder eine Eisenbahn­steuer? Weil die Eisenbahn ... so viel Feinstaub! – Zwischenruf der Abg. Winzig.) Dies­bezüglich sehe ich gar nichts. Es ist mutlos, es ist kraftlos und es ist der nächsten Ge­neration gegenüber nicht fair. (Abg. Belakowitsch: Sehr fair!)

Ein Letztes zur ausgabenseitigen Reform noch: Den größten Brocken gehen Sie nicht an, nämlich den eines generationenfairen Pensionssystems, den einer Reform des Pen­sionssystems dahin gehend, dass es allen Generationen gegenüber fair ist.

Sie haben hier nur Ankündigungen auf den Tisch gelegt. Sie haben sich im Wahlkampf damit überboten, wer mehr bietet: 14 Milliarden Euro Einsparungen, Ausgabenbremse.

Sie haben hier nichts auf den Tisch gelegt, und die nächste Generation schaut durch die Finger. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

9.50



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 29

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Rossmann ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


9.50.11

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Herr Präsident! Hohes Haus! Diese Bundesregierung bewirbt eine Steuerreform, die sie selbst noch gar nicht kennt, über die sie streitet. Bevor dieses sogenannte Entlastungsprogramm bei der Regierungs­klau­sur in Mauerbach präsentiert wurde – ich erinnere mich –, war die FPÖ für eine Abschaffung der Normverbrauchsabgabe. Dann musste das Finanzministerium aus­rücken und sagen: Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage. – Jetzt bewerben Sie aber diese sogenannte Steuerreform, von der wir alle nicht wissen, wie sie ausschauen wird (Abg. Wöginger: Sie haben ja gerade gesagt, dass sie präsentiert wurde!), in großflächigen Zeitungsinseraten. Darin steht (einen Zeitungsausschnitt in die Höhe haltend): „Das Entlastungsprogramm bis 2022 auf einen Blick“.

Nehmen wir das Beispiel einer teilzeitbeschäftigten Billa-Verkäuferin mit einem monat­lichen Einkommen von 900 Euro brutto! Herr Finanzminister, was sagen Sie denn dieser teilzeitbeschäftigten Billa-Verkäuferin? (Abg. Hafenecker: Das sind die, die Sie nicht wählen!) Wie hoch wird denn ihre Entlastung sein? Sagen Sie es! Sie wissen es nicht, wir wissen es alle nicht, weil Sie Ihre Maßnahmen nicht im Detail präsentiert haben.

Herr Finanzminister, da Sie auf das, was Sie schon beschlossen haben – auf den Fa­milienbonus und die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge –, Bezug genom­men haben und dann von einer ehrlichen Entlastung gesprochen haben: Wissen Sie, wie viel diese Billa-Verkäuferin profitiert, wenn sie alleinerziehende Mutter ist? Vom Familienbonus profitiert sie mit 250 Euro – nicht mit bis zu 1 500 Euro, da muss man schon mehr verdienen – und von der Senkung der Arbeitslosenver­sicherungs­beiträge profitiert sie gar nicht.

Sie bewerben also eine Steuerreform, die eigentlich nicht bekannt ist, und sprechen immer wieder davon, dass Sie im System sparen. Das, was Sie hier betreiben (den Zeitungsausschnitt in die Höhe haltend), Herr Minister, ist Steuerverschwendung pur. (Beifall bei JETZT.)

Wenn von dieser Reform eines bekannt ist, dann ist es mit Sicherheit das Folgende, worüber bisher noch niemand gesprochen hat: Die Entlastung in den beiden Etappen soll 4,5 Milliarden Euro ausmachen. Wenn ich mir den Budgetpfad bis 2022 ansehe – das Wifo hat die entsprechenden Prognosen vorgelegt –, dann sehe ich, dass sich eine Finanzierungslücke von 2,2 Milliarden Euro auftut; das heißt, die Hälfte dieser Steuer­reform ist gar nicht finanziert. Wir kennen sie nicht nur nicht – nein! –, wir wissen auch gar nicht, wie diese Regierung sie finanzieren wird.

Wenn die Regierung aber sagt, sie wolle keine neuen Schulden machen, wenn diese Regierung sagt, sie wolle die Steuern nicht erhöhen, dann bleibt zur Finanzierung dieser Lücke in der Höhe von 2,2 Milliarden Euro nur eines übrig: Kürzung von Aus­gaben! – Und was erwarte ich mir? – Kürzung von Ausgaben im Sozialbereich. Wenn Sie nun sagen, Sie wollen die niedrigen Einkommen durch die Senkung der Sozial­versicherungsbeiträge entlasten, so kann ich sagen: Das Prinzip ist richtig, aber die Gefahr ist hoch, dass sich Geringverdiener diese Steuerentlastung zum Teil oder sogar zur Gänze selbst zahlen müssen. – Das kann ich nicht befürworten! (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Sie sagen auch, Sie wollen dafür Sorge tragen, dass den Trägern fehlende Kranken­versicherungsbeiträge ersetzt werden sollen, aber wer gibt uns die Garantie? – Die Garantie können wir nur erhalten, wenn es dazu eine Bestimmung in der Verfassung


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gibt, die mit einer Zweidrittelmehrheit sicherstellt, dass nicht x-beliebig abgeändert werden kann, was abgeändert werden soll.

3,5 Milliarden Euro sind für die Entlastung der Lohn- und Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer reserviert. Immer wieder war die Rede davon, dass die Körper­schaftsteuer von 25 Prozent auf 20 Prozent gesenkt werden soll. Das allein kostet 2 Milliarden Euro. Es bleiben also 1,5 Milliarden Euro für die Entlastung der Lohn- und Einkommensteuer.

Herr Finanzminister, meine Damen und Herren von FPÖ und ÖVP, wir brauchen keine Entlastung der großen Konzerne, wir brauchen eine Entlastung für die arbeitenden Menschen im Lande! (Abg. Wöginger: Wo ist da der Konzern? – Abg. Stefan: So ein Blödsinn! – Weitere Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) 300 Unternehmen zahlen in Österreich 50 Prozent der Körperschaftsteuer – das wissen Sie –, und wenn Sie diese senken, entlasten Sie genau diese Konzerne. (Zwischenruf der Abg. Winzig.) Was ist aber mit jenen Menschen, den so genannten Vermögenden in Österreich? (Abg. Gudenus: Die SPÖ will es nicht mehr!) Wo bleibt da die Steuergerechtigkeit, wo bleiben die Steuern auf Vermögen, wo bleibt eine Erbschaftssteuer? Was ist da mit der Leistungsgerechtigkeit? Auf der anderen Seite frage ich mich: Wo bleibt die Verant­wortung der Regierung durch eine Ökologisierung des Steuersystems? – Davon haben Sie kein Wort erwähnt, Herr Wöginger. – Danke sehr. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Leichtfried. – Abg. Wöginger: Das war jetzt sehr verwirrend! Der Rossmann war jetzt sehr verwirrend! – Abg. Gudenus: Verwirrt oder verwirrend?)

9.55


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schüler des BORG Lessinggasse recht herzlich auf unserer Galerie begrüßen. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Bei­fall.)

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Winzig. – Bitte.


9.55.52

Abgeordnete Dr. Angelika Winzig (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Herr Staatsekretär! Kolleginnen und Kollegen! Wir von der ÖVP haben in der Wahlbewegung 2017 den Österreicherinnen und Österreichern ver­sprochen, nicht nur Reformen, sondern auch eine umfassende Steuer- und Abgaben­senkung durchzuführen. Das machen wir jetzt konsequent, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner. – Ein herzliches Dankeschön an die FPÖ! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Mir steckt die Steuerreform mit der SPÖ von 2015 noch in den Knochen. (Widerspruch bei der SPÖ.) Bundeskanzler Faymann wollte sie zu dem ungünstigsten Zeitpunkt durch­führen, und wir hatten die Wahl: Neuwahl oder mitgehen. Die Finanzierung erfolgte durch die Schröpfung des Mittelstands und der Leistungsträger (Abg. Meinl-Reisinger: Die arme ÖVP! Arme, arme ÖVP! – Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger) sowie durch neue Schulden.

Für mich war am allerschlimmsten – das können Sie auch nachlesen, vor allem die neuen Kolleginnen und Kollegen –, dass alle Unternehmerinnen und Unternehmer unter Generalverdacht des Sozialbetrugs und des Steuerbetrugs gestellt wurden. Was war die Folge? – Demotivierte Unternehmer, Investitionsrückgang beziehungsweise Inves­titionen im Ausland und eine sehr hohe Arbeitslosenquote. (Abg. Meinl-Reisinger: Welche Unternehmer entlasten Sie?)

Gott sei Dank: neuer Stil, neue Zeit und eine Koalition auf Augenhöhe! – Die ersten Entlastungsmaßnahmen haben wir bereits 2018 gestartet: die Erleichterungen für Einkommen bis 1 948 Euro, die Senkung der Umsatzsteuer für Beherbergungsbetriebe


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und natürlich unser Familienbonus Plus, der auch in der Bevölkerung sehr gut an­kommt. Jetzt folgt ein umfassendes, etappenweises Entlastungsprogramm von 2020 bis 2022 in der Höhe von 4,5 Milliarden Euro – der Ministerratsvortrag liegt vor. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.) Es ist auch eine gute Zeit, denn wir hatten 2017 noch ein Budgetdefizit von 6,7 Milliarden – oder 6,9 Milliarden – Euro (Ruf bei der SPÖ: Wie viele Milliarden ...?) und werden 2018 mit einem Defizit von 1,1 Milliarden Euro abschließen sowie die Schuldenquote von 78 auf 74 Prozent reduzieren. Wir arbeiten bereits daran, für dieses Jahr einen Budgetüberschuss zu erzielen und die Schuldenquote auf 70 Prozent zu reduzieren (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ), denn für die Regierungskoalition gehen Entlastung und Budgetüberschuss Hand in Hand.

Wir haben eine Entlastung von 1 Milliarde Euro vorgesehen. Unser Klubobmann hat es bereits erwähnt: 1,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden davon profitieren. Herr Kollege Rossmann, Ihre Billa-Verkäuferin ist mit ein paar Hundert Euro pro Jahr dabei. (Zwischenruf des Abg. Rossmann.) Ich hoffe daher auch, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich auch bei der Arbeiterkammerwahl daran denken, wer sie wirklich entlastet. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Steinacker: Das ist richtig!)

Wir werden PensionistInnen, aber auch kleine Selbstständige aus Landwirtschaft und Wirtschaft entlasten sowie wichtige Entbürokratisierungsschritte setzen. Auch das Thema Ökologisierung – Herr Kollege Rossmann, das haben Sie vielleicht nicht ge­hört – hat unser Herr Finanzminister bereits angeschnitten.

Weitere Entlastungsmaßnahmen wie die Tarifsenkung folgen. Besonders wichtige Maß­nahmen sind natürlich jene zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Unter­nehmen sowie die strukturelle Vereinfachung in unserem Steuerrecht. Ich möchte noch anmerken: Es sieht gut für unser Handelsabkommen Ceta aus, der EuGH-Rat hat bereits gesagt (Abg. Leichtfried: Der Generalanwalt, der Generalanwalt!), dass Ceta mit EU-Recht vereinbar sei, und in den meisten Fällen wird einer solchen Empfehlung nachgekommen.

Herr Bundesminister, Sie haben sich vor und während der Ratspräsidentschaft vor allem auch für die digitale Konzernsteuer eingesetzt. Wir alle haben das bei unseren Weihnachtseinkäufen miterlebt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unter­nehmerinnen und Unternehmer im Handel haben uns darauf angesprochen, es ist eine sehr wichtige Angelegenheit für sie, und ich glaube, da müssen wir weiterhin ganz massiv dranbleiben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Abschließend: Als Budgetsprecherin weiß ich, dass sowohl Sie, Herr Bundesminister, als auch Sie, Herr Staatssekretär, Garant dafür sind, dass das Entlastungsvolumen durch Ausgabendisziplin und Einsparungen im Förderwesen erreicht werden wird. Die Österreicherinnen und Österreicher haben es nämlich satt, von der SPÖ – wie es früher war – einen Schuldenrucksack umgehängt zu bekommen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Hauptverantwortung ÖVP!)

10.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schülern der Bafep Patrizigasse 2 herzlich begrüßen. – Herzlich willkommen!

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Drozda. – Bitte sehr.


10.01.06

Abgeordneter Mag. Thomas Drozda (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Liebe Schülerinnen und liebe Schüler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eigentlich ein Redemanuskript vorbereitet, aber ich muss sagen,


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mich haben die drei Vorredner von der ÖVP so abgelenkt, dass ich doch das eine oder andere dazu sagen möchte. (Abg. Sieber: Gut so!)

Ich beginne mit meiner unmittelbaren Vorrednerin, die die Steuerreform, die die rot-schwarze Regierung gemacht hat, kritisiert hat. Das ist eine gute Gelegenheit, einmal Gerechtigkeit für Werner Faymann einzumahnen, der in einer Phase schwieriger Kon­junkturbedingungen gegen massive Widerstände der ÖVP – die wurden ja heute deutlich ausgeschildert – eine Steuerreform durchgesetzt hat, die ein Entlastungs­volu­men von 5 Milliarden Euro bewerkstelligt hat. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kassegger: Bei gleichzeitiger Belastung von 4 Milliarden!) – Eine Steuerreform, die gegenfinanziert war, ganz richtig. (Abg. Kassegger: Ja, was heißt da Gegenfinanzierung?)

Zweitens zu dir, lieber Herr Klubobmann Wöginger: Du stellst dich da heraus und sagst, wir werden dieses, wir werden jenes machen, wir werden, wir würden. Ich muss sagen, es geht nicht darum, dass ihr euch im Konjunktiv bewegt, sondern es geht darum, dass ihr in einer Phase, in der sich die Konjunktur abschwächt – das wisst ihr genauso gut wie wir –, und in der sich die Situation am Arbeitsmarkt im zweiten Halbjahr deutlich verschlechtern wird, Impulse setzt – Impulse für die Wirtschaft, die de facto die Konjunktur stabilisieren. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Ehrlich gesagt geht es nicht darum, irgendwelche Absichtserklärungen zu formulieren, sondern es geht um konkretes, praktisches Handeln vonseiten der Regierungsbank. Und diesbezüglich, muss ich sagen, war die Regierungsklausur und das, was ihr da an Ankündigungen gemacht habt, ein Witz. (Abg. Wöginger: Eigentlich war die gestrige Sondersitzung ein Witz, wenn man es genau nimmt!) Ich muss sagen, dass das ganze Land gewartet hat, dass da jetzt ein Vorschlag betreffend eine Entlastung kommt. Was ihr vorgeschlagen habt, ist eine Entlastung, die nicht einmal die kalte Progression abdeckt. Es ist zu wenig, es ist zu spät und es geht an die Falschen. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Die kalte Progression beträgt in Summe 6,3 Milliarden Euro bis zum Jahr - - (Abg. Wöginger: 6 Milliarden Euro!) – Ja, das rechnen die Damen und Herren im Finanzministerium aus. (Abg. Wöginger: Wer rechnet das aus? Der Herr Schneider?)

Ich komme jetzt zu einem Zitat - - Ah ja, Abgeordneten Kopf habe ich vergessen – das ist ja herrlich. Ich habe jetzt noch einmal kurz nachgeschaut: Seit wann bist du eigentlich Finanzsprecher und seit wann bist du im Parlament? (Abg. Kopf: Finanz­sprecher seit einem Jahr!) Meine Damen und Herren, es ist interessant, Herr Kopf ist seit 7.11.1994 im Parlament (Beifall bei der ÖVP – Abg. Wöginger: Bravo!), hat 25 Budgets mitbeschlossen und stellt sich jetzt hin und erklärt, wie problematisch diese Budgets und die Steuer- und die Wirtschaftspolitik waren. (Abg. Wöginger: Wir haben die Nachhaltigkeit auch im Klub, im Gegensatz zu euch!) Das bedarf einer guten Diagnose. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Nein, ernsthaft: Es gibt einen sehr schönen Satz von Abraham Lincoln, den ich gerne zitieren würde. (Abg. Winzig: Wow, jetzt wird es philosophisch!) Den sollten Sie von der ÖVP sich genauso aufschreiben wie Sie von der FPÖ. Der Satz lautet: „You can fool all the people some of the time, and some of the people all the time, but you cannot fool all the people all the time.“ – Das ist der Punkt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gudenus: Genau die Erfahrung haben Sie bei der Wahl 2017 gemacht! Sie sprechen aus Erfahrung, Herr Drozda! Ein gebranntes Kind! – Abg. Kassegger: Selbsterkennt­nis ist der erste Schritt zur Besserung! – Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Was Sie vorschlagen ist klar, der Vorschlag ist klar: nach fünf Jahren, am Ende der Legislaturperiode das zu machen, was Sie eigentlich im Wahlprogramm versprochen haben. Das betrifft die kalte Progression, die wird angeblich am Ende der Legislatur­periode mit dem besonders dreisten Argument: Wir werden danach eh wieder in der


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Regierung sein und wir werden das dann auch umsetzen!, abgeschafft. Das lasse ich einmal dahingestellt, das ist, muss ich sagen, einigermaßen frech, so etwas zu be­haup­ten, aber sei’s drum.

Sie sind mit 12 bis 14 Milliarden Euro angetreten, und der Herr Klubobmann hat gerade bestätigt, dass es am Ende 6 Milliarden Euro werden. Wenn ich mich nicht ganz ver­rechnet habe, fehlen da 6 Milliarden Euro. Es gibt eine einzige Sache, die festzustehen scheint, und das ist die Frage, wie das mit der KÖSt zu passieren hat. Da gibt es Versprechen, die im Wahlkampf abgegeben wurden – das scheint das einzige fixe Datum zu sein, das Sie sich vorgenommen haben –: Die KÖSt soll von 25 auf 20 oder, noch besser, 19 Prozent gesenkt werden.

De facto schafft das keinen einzigen Arbeitsplatz, löst keine einzige Investition aus, ist ein lupenreines Steuergeschenk. Dazu gibt es Studien des IHS, die das im Detail belegen. (Abg. Wöginger: Mit den Geringverdienern fangen wir an!) Wir haben dem­gegenüber vorgeschlagen, die investierende Wirtschaft zu unterstützen, diejenigen zu unterstützen, die tatsächlich Arbeitsplätze schaffen, und Varianten eines Investitions­frei­betrags, eine vorzeitige AfA oder Ähnliches zu machen, wo vollkommen klar ist, dass jeder eingesetzte Steuereuro mehrfach zurückkommt. Was Sie machen, ist nichts anderes als Ankündigungspolitik, und Sie machen das in einer Phase – und das wiederhole ich an dieser Stelle noch einmal –, in der sich die Konjunktur abschwächt. Das ist an sich unverantwortlich, aber in einer konjunkturellen Phase wie dieser ist es besonders unverantwortlich. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Na was jetzt?)

10.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet: Sehr geehrter Herr Bundesminister Löger, bitte.


10.06.23

Bundesminister für Finanzen Hartwig Löger: Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Gäste! Ich werde an sich als sanftmütig bezeichnet und kann mich ganz gut zurück­halten, nur ist es nach dem, was ich jetzt von Abgeordnetem Drozda gehört habe, glaube ich, wichtig, eine Klarstellung abzugeben.

Herr Drozda, Sie spüren in diesem Bereich möglicherweise persönlich das Problem einer seit Jahrzehnten nicht funktionierenden SPÖ-Bildungspolitik: Rechnen sollte man richtig! Wenn Sie die Steuerreform der letzten SPÖ-geführten Regierung mit einer Dimension von über 5 Milliarden Euro deklarieren (Abg. Drozda: Gegenfinanzierung!) und Sie zusätzlich aus der SPÖ heraus Belastungen von 4 Milliarden Euro beschlos­sen haben, sodass nicht einmal 1 Milliarde Euro an Entlastung übergeblieben ist, dann, glaube ich, ist es mehr als notwendig, das klarzustellen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Rendi-Wagner: Keine Gegenfinanzierung, Herr Minister!)

Ich erlaube mir, noch einmal zu betonen, dass gerade darin der Unterschied besteht, was diese Regierung an Entlastungsprogrammen vorlegt. Wir werden, so wie wir es bereits jetzt tun und auch in den nächsten Etappen tun werden, ehrliche Entlastung geben, keine neuen Belastungen, keine neuen Steuern einführen und auch keine neuen Schulden machen – das sind Belastungen der Zukunft –, die gerade während der letzten SPÖ-geführten Regierungen immer höher wurden. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Lassen wir die Kirche im Dorf, gestehen wir es uns doch ein – das betrifft gerade Sie, der Sie damit so gerne herumwedeln –: Die kalte Progression ist das einzige Element, das ich von der Opposition wahrnehme, mit dem das ganze Thema infrage gestellt wird. (Abg. Wittmann: So schlecht war der Schelling auch nicht!)


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Ich lade Sie gerne ein, machen wir die Rechnung gemeinsam, ich kann es Ihnen vorgeben: Das Thema ist, diese Entlastung wird in den Jahren 2018 bis 2022, inklusive der Einrechnung der Progression, zusätzlich 4 Milliarden Euro an Entlastung bringen. Das ist die Rechnung, die stimmt. Das ist die Grundlage. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Versuchen Sie nicht weiter, die Österreicherinnen und Österreicher zu verunsichern! Wir werden ihnen diese Entlastung geben, das spüren die Menschen. Darauf vertrauen sie und das ist auch richtig so. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Krainer: ... schämen Sie sich! Die 4 Milliarden rechnen Sie einmal vor! Viel Glück! – Abg. Rädler: Rechnen Sie selber! – Abg. Wöginger: Das hat sogar der Rossmann gecheckt!)

10.08


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Brückl ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


t10.08.44

Abgeordneter Hermann Brückl, MA (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Herr Kollege Krainer, jetzt fange ich gleich mit Ihnen an. Das wollte ich eigentlich nicht, aber Sie haben uns ein paar Dinge vorgeworfen, die ich so nicht stehen lassen kann. Sie haben davon gesprochen, dass wir ein Gefäß haben, in dem die Steuerreform drinnen ist, und wir das über die Großkonzerne hinweg ausschütten. Herr Kollege Krainer, dazu fällt mir jetzt nur Astrid Lindgren mit Pippi Langstrumpf ein: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Wittmann: Aber das stimmt! Das sagt sie wirklich!)

Klubobmann Wöginger hat es heute bereits gesagt: Im Vorjahr wurde der Familien­bonus Plus beschlossen, 500 000 Anträge sind bereits eingelangt – Formular E30 –, damit die Arbeitgeber den Familienbonus Plus direkt an die Betroffenen auszahlen können. Da Sie von Bildern gesprochen und in Bildern gesprochen haben, Herr Kollege Krainer, würde ich Ihnen empfehlen, einmal mit Kollegen Drozda zu reden, der dürfte sich bei Fragen zu Bildern ganz gut auskennen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Im Übrigen hat Kollege Drozda davon gesprochen beziehungsweise hat er uns vorgeworfen, dass diese Regierung Impulse setzt. – Jessas na, diese Regierung setzt Impulse! Na ist das nicht notwendig? – Das ist ja wichtig! Es ist die Aufgabe dieser Regierung, Impulse zu setzen, die Wirtschaft voranzutreiben, den Menschen mehr Geld in der Tasche zu lassen. Da Kollege Drozda Herrn Bundeskanzler Werner Faymann so verteidigt hat – mein Mitleid hält sich zwar in Grenzen, das möchte ich schon sagen –: Wer war es denn, der ein paar Hundert Meter weiter am Rathausplatz Herrn Bundeskanzler Faymann aus dem Amt gepfiffen hat? – Es waren die Sozial­demokraten, die ihn aus seinem Amt mehr oder weniger vertrieben haben! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger, auch Sie haben dieser Bundesregierung alles Mög­liche vorgeworfen, ich halte es aber für besonders dreist, dass gerade Sie es sind, die sich hier herstellt, uns Vorwürfe macht, gleichzeitig aber eine Europasteuer einfordert und damit die Handlungsfähigkeit unseres Landes aus der Hand geben will. Das halte ich für besonders dreist! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Noch kurz zu Ihnen, Herr Professor Rossmann (Abg. Höbart: Professor, das wäre er gerne!): Es tut mir leid, ich muss Ihnen das so sagen, offensichtlich haben Sie noch immer nicht verstanden, was wir wollen. Diese Regierung, ÖVP, FPÖ, diese Koalition will die Leistungsträger in diesem Land – das sind jene, die Steuern, die Einkommen-


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und Lohnsteuern zahlen – entlasten, und diese Bundesregierung, Herr Abgeordneter Rossmann, will auch die Geringverdiener unterstützen, indem wir bereits im Vorjahr die Arbeitslosenversicherungsbeiträge gesenkt haben und indem wir als nächsten Schritt die Krankenversicherungsbeiträge ebenfalls senken. (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Teilzeitbeschäftigte ...!) Das ist das Ziel dieser Bundesregierung, so ist es auch im Regierungsprogramm vereinbart.

„Entlastung für Österreich“ ist ja das Thema der Aktuellen Stunde, „Entlastung für Österreich“ ist auch der rote Faden in diesem Regierungsprogramm, das ÖVP und FPÖ ausverhandelt haben. Wir haben mit dem Familienbonus Plus den ersten großen Schritt gesetzt: 1,5 Milliarden Euro, 1,6 Millionen betroffene Kinder, 900 000 Familien, die davon mit bis zu 1 500 Euro im Jahr profitieren werden. Wir haben auch kleine Schritte gesetzt: Die Senkung der Umsatzsteuer bei den Beherbergungsbetrieben von 13 auf 10 Prozent, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge habe ich bereits ange­sprochen. (Abg. Plessl: Haben Sie nicht!) Das führt schlussendlich dazu – und das ist ja auch das, was wir wollen, das, was diese Regierung will –, dass die Menschen am Ende des Tages wieder mehr Geld in der Tasche haben, mehr Möglichkeiten haben, selbst zu entscheiden, wie sie ihr Geld einsetzen wollen, und auch vermehrt die Möglichkeit haben, sich wieder mehr Eigentum zu schaffen. Eigentum bedeutet Sicherheit, Eigentum bedeutet auch Sicherheit im Alter; das sollte uns immer bewusst sein. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir werden diese Steuerreform also in mehreren Schritten umsetzen. Zuerst die Ge­ringverdiener – das habe ich bereits angesprochen, auch meine Vorredner haben es erwähnt –: 700 Millionen Euro werden da eingesetzt, die auch aus dem Budget finanziert werden. In der Folge werden Lohn- und Einkommensteuerzahler entlastet. Wir werden dadurch, dass weniger Abgabenerklärungen notwendig sind, und dadurch, dass weniger Steuererklärungen notwendig sind, auch in der Verwaltung viel einsparen können.

Es wird auch in der Ökologisierung des Steuersystems, im Bereich der Mobilität, der Photovoltaik, bei Biogas und Wasserstoff Maßnahmen geben. Da wird es steuerliche Begünstigungen, steuerliche Anpassungen geben. In Summe werden 4,5 Millionen Steuerzahler in Österreich davon profitieren. Insgesamt wird diese Bundesregierung, werden die Freiheitlichen und die Volkspartei 6 Milliarden Euro einsetzen, um den Menschen wieder mehr Freiheit und mehr Selbstverantwortung zurückzugeben – und das ist gut so, meine Damen und Herren!


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz, bitte!


Abgeordneter Hermann Brückl, MA (fortsetzend): Damit wird diese Regierung auch weiterhin Politik machen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.14


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Schellhorn ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


10.14.13

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Herr Staatssekretär! Gestern hatten wir hier die SPÖ mit einem Bekenntnis zu zehn Jahren Reformunfähigkeit betreffend den Gesundheitsbereich während ihrer Regie­rungs­verantwortung. Heute kommt die ÖVP daher und sagt: „Entlastung für Österreich“. Das Aktuellste an der ganzen Geschichte ist das, was der Herr Minister gesagt hat – ich glaube, es ist fast untergegangen –: Wir meinen es ehrlich.

Wenn das aktuell ist, dann haben sieben Minister gelogen, denn die haben auch gesagt: Wir meinen es ehrlich. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)


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Wenn Sie es ehrlich meinen, bestätigen Sie hiermit, dass Kollege August Wöginger, der seit 2002 auf der Abgeordnetenbank sitzt, offensichtlich seit 2002 gelogen hat. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.

Das ist das Thema, nämlich dass Sie aufgrund der letzten sieben Finanzminister dafür verantwortlich sind. Grasser, Molterer, Pröll, Fekter, Spindelegger und zum Schluss Herr Schelling haben gesagt: Die kalte Progression fällt, wir wollen die Bürger entlas­ten, wir wollen alle entlasten. (Abg. Jarolim: So ist es! Genau so ist es!) Das haben sie versprochen. Der Herr Minister meint es jetzt ehrlich, und ich weiß nicht, ob ich ihm glauben kann. (Beifall bei den NEOS.)

Das Einzige, was diese Minister – sieben ÖVP-Minister – in der ganzen Zeit getan haben, ist, mehr Steuern zu verlangen, mehr Steuern einzunehmen und auch mehr Steuergeld auszugeben. Alle Minister waren schwarz. Ich verstehe schon, jetzt heißt es türkis, aber so ganz glauben kann ich Ihnen nicht.

Kommen wir zu den Fakten, wenn Sie es ehrlich meinen. Da haben wir bei den Ehr­lichkeitspunkten jene Bereiche, die Kurz mit 14 Milliarden und Strache mit 12 Milliarden Euro angekündigt hat. Was kommt dabei heraus? Die kalte Progression bringt dem Finanzminister genau das, was Sie jetzt an Steuerreform versprechen. (Beifall bei den NEOS.)

Der springende Punkt ist nämlich folgender: Strache und Kurz haben in die KV-Ver­handlungen eingegriffen und haben damals gesagt, sie wollen, dass es einen kräftigen Abschluss gibt. Das ist eh klar, weil sie mehr Steuergeld brauchen, das sie ausgeben können. Von diesen 261 Millionen Euro, die die Erhöhung im Zuge der KV-Verhand­lungen die Unternehmen gekostet hat, bleiben nur 114 Millionen Euro bei den Mitar­beitern. Das ist eine schöne Rechnung. Der Großteil landet beim Herrn Finanzminister (Abg. Wöginger: Und in der Sozialversicherung!) – und in der Sozialversicherung. (Abg. Wöginger: Das muss man schon dazusagen!) Aber im Grunde genommen heißt es: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht. So ist es, so war es in der Vergangenheit.

Was brauchen wir? Was brauchen wir in diesem Land? – Wir brauchen klare Refor­men, wir brauchen die Abschaffung der kalten Progression – ein ganz wichtiger Punkt –, wir brauchen eine Ausgabenbremse – von dieser Ausgabenbremse ist über­haupt keine Rede mehr –, wir brauchen klare Reformen, auch was die Pensionen betrifft, und wir brauchen vor allem die Transparenzdatenbank. Die Chinesen landen auf der Rückseite des Mondes, die Kärntner bringen nicht einmal eine Transpa­renzdatenbank zustande, weil es technisch nicht lösbar ist. (Abg. Rossmann: Dafür haben sie den Villacher Fasching! – Ruf bei der FPÖ: Bruno, woher kommst du eigentlich?)

Das sind die Punkte, die wir angehen müssen: den Föderalismus, den Spendierföde­ralismus, den Sie auch mitfinanzieren, weiter einzudämmen. Das tun Sie nicht, diese Reformen gehen Sie nicht an. Das Einzige, das Sie angehen, ist, dass Sie etwas ankündigen, von dem Sie nicht einmal wissen, wo es hingeht. (Abg. Wöginger: Freilich wissen wir es!) – Nein, das wisst ihr nicht. (Abg. Wöginger: Freilich!) – Dann prä­sentiert es und macht nicht eine Marketingveranstaltung! Gags, Gags, Gags gehören in eine Fernsehsendung, aber nicht hierher. Hier müssen wir seriös darüber sprechen, wie ihr euch eine Steuerreform vorstellt. (Beifall bei den NEOS.)

Dann haben wir noch die Allzweckwaffe Harald Mahrer, der von Reformen überhaupt nichts mehr wissen will. Er ist der Gottseibeiuns des Stillstands. Er ist jener, der einmal vom Liberalismus gesprochen hat, er ist jener, der einmal von der Freiheit des Unter­nehmertums gesprochen hat. Nichts davon ist mehr aktuell. Er ist faktisch der Staats-


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kommissär der Bundesregierung in der Wirtschaftskammer; etwas anderes ist er nicht mehr.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusswort, bitte!


Abgeordneter Josef Schellhorn (fortsetzend): Dann will ich hören, welche Reformen angesetzt werden. Ich erwähne nur die Gewerbeordnungsreform, ich erwähne nur unseren Punkt, dass die Mitarbeiter mehr verdienen müssen und weniger kosten.


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusswort!


Abgeordneter Josef Schellhorn (fortsetzend): Ja, Herr Präsident.

Der große Faktor der Lohnnebenkostensenkung, der Entlastung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, der wird nicht angegriffen. Fakt ist, die Mitarbeiter kosten zu viel und verdienen zu wenig, und Sie tun mit dieser Steuerreform gar nichts dagegen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wöginger: Das stimmt einfach nicht! Du redest dir da etwas ein, das nicht stimmt!)

10.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Fuchs. – Bitte.


10.20.00

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen MMag. DDr. Hubert Fuchs: Herr Präsident! Diese Steuerreform, Herr Abgeordneter Schellhorn, ist eine ehrliche Steuerreform, und ich sage Ihnen auch, warum. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie wird nicht durch neue Steuern gegenfinanziert, sie wird auch nicht durch neue Schulden gegenfinanziert, und sie wird auch nicht durch fantasievolle Maßnahmen – Stichwort Registrierkassenpflicht – gegenfinanziert. (Zwischenruf des Abg. Keck.)

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Herr Abgeordneter Krainer hier eine leere Leinwand sieht, weil Herr Abgeordnete Krainer offenbar das typische SPÖ-Gen in sich trägt: dass man eine Steuerreform nur durch neue Schulden oder durch neue Steuern machen kann. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich darf an die letzte Steuerreform unter SPÖ-Führung erinnern: 2 Prozent des Ent­lastungsvolumens sind den Familien zugutegekommen, 18 Cent pro Tag. Bei uns gibt es 1 500 Euro pro Kind und Jahr! Das ist der wesentliche Unterschied! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Frau Abgeordnete Meinl-Reisinger, wenn Sie die Abschaffung der Spekulationsfrist bei den Einkünften aus Kapitalvermögen fordern, dann darf ich Sie beruhigen: Die gibt es seit dem 1. April 2012 schon nicht mehr! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Oh-Rufe bei der ÖVP. – Abg. Rädler: Aufpassen!)

Herr Abgeordneter Rossmann, wenn Sie der Meinung sind, wir streiten, dann frage ich Sie: Schauen wir so aus, als ob wir streiten? (Zwischenruf des Abg. Rossmann.) Ich kann Sie beruhigen: Wir arbeiten sehr konstruktiv zusammen. Außerdem darf ich Sie auch dahin gehend beruhigen, Herr Abgeordneter Rossmann: Wenn Sie davon aus­gehen, dass Sie etwas nicht wissen, dann dürfen Sie nicht automatisch davon aus­gehen, dass auch der Herr Finanzminister und ich etwas nicht wissen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Sie sollten sich nicht über Zeitungsinserate informieren, sondern es gibt ein Regie­rungsprogramm, es gibt einen Ministerratsvortrag vom 11. Jänner. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Ich stehe in sämtlichen Ausschüssen auch bereitwilligst für Fragen zur Verfügung. Das heißt: Wir sind auskunftsfreudig und auch -bereit.


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Zu Ihrem Beispiel der Teilzeitverkäuferin: Wir haben hier durch die Reduktion der Arbeitslosenversicherungsbeiträge eine durchschnittliche Entlastung von 311 Euro pro Jahr. Wir haben durch den Kindermehrbetrag eine Entlastung von 250 Euro pro Jahr. (Abg. Krainer: Nein! Null!) Wir haben durch die Reduktion der KV-Beiträge eine Ent­lastung von durchschnittlich 250 Euro pro Jahr. (Abg. Rossmann: Aber nein! Null!) Das heißt, ich bin jetzt bei Ihrer Billa-Verkäuferin schon bei 811 Euro im Jahr! Und weitere Entlastungen werden folgen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Abschließend noch zum Abgeordneten Schellhorn: Sie fordern eine Ausgabenbremse. Der Finanzminister und ich sind die Ausgabenbremse! – Vielen Dank. (Heiterkeit und Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

10.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.23.44

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Herr Präsident! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Die Bundes­regierung spricht von Entlastung oder, besser gesagt, von Erleichterung. (Abg. Höbart: Absolut richtig!)

Wissen Sie, wen diese Regierung am meisten erleichtert? (Abg. Höbart: Familien, Alleinverdiener! Unternehmer! Alle!) Die Mütter in unserem Land, nämlich um minus 51 Prozent! Das nämlich ist der durchschnittliche Einkommensverlust, den eine Frau und Mutter bei der Geburt ihres ersten Kindes und in den darauffolgenden Jahren erleidet. Das geschieht in Österreich, und das ist der Einkommensverlust, mit dem diese Frau zu rechnen hat.

Österreich steht damit international ja nicht alleine da, Frauen haben es überall etwas schwerer, aber im Gegensatz zu skandinavischen Ländern, wo der relative Einkom­mensverlust nur halb so groß ist wie in Österreich, bilden wir gemeinsam mit Deutsch­land das – unrühmliche! – Schlusslicht. Das sagt eine aktuell erschienene internatio­nale Studie.

Im Gegensatz zu all den Frauen in den Fraktionen der aktuellen Bundesregierung bin ich nicht bereit, hinzunehmen, dass es diese festgeschriebene Ungleichheit und dass es diese Geschlechterungerechtigkeit weiterhin geben wird. Was könnte man schon dagegen tun?, fragen Sie sich jetzt. – Wir hier könnten das ändern! Was könnte man aber tatsächlich konkret dagegen tun, um diese Ungerechtigkeit den Österreicherinnen gegenüber zu beseitigen? Man könnte sich beispielsweise – das ist jetzt wirklich ein unorthodoxer Vorschlag meinerseits! – an die eigenen Beschlüsse des Parlaments halten, an die Beschlüsse, die wir hier gemeinsam getroffen haben. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Ich möchte Ihnen einen kurz vorlesen, zum Nachhaken für alle interessierten BürgerIn­nen draußen und natürlich auch für die Journalistinnen und Journalisten, nämlich den Antrag 345/A(E), eingebracht von Klubobmann August Wöginger, der jetzt leider nicht mehr da ist – (Abg. Lopatka: Wöginger ist hier!) Herr Wöginger, bitte hören Sie zu! (Abg. Wöginger: Ja!) – und vom Klubobmann der FPÖ Walter Rosenkranz, am 24. Oktober letzten Jahres mehrheitlich hier im Parlament beschlossen: Sie wollten in der Herbstlohnrunde 2018 bis zu 24 Monate Anrechnung von Karenzzeiten in allen Kollektivverträgen und Berufen erreichen. – Ich zitiere wörtlich: „Sollte die Anrechnung der Karenzzeiten über die Kollektivvertragsverhandlungen nicht funktionieren, wird die Bundesregierung eine gesetzliche Neuregelung bis Ende des Jahres 2018 vorlegen.“


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Das ist eine wunderbare Sache, die auch mit meiner Stimme und mit den Stimmen unserer Fraktion beschlossen wurde. Was aber ist passiert? – Nichts ist passiert! (Abg. Wöginger: Jeder Kollektivvertrag rechnet an!) Frauen haben weiterhin Einkommens­nachteile nach der Geburt ihres Kindes und durch die Karenz. Frauen fehlt weiterhin die volle Anrechnung ihrer Vordienstzeiten. Es kommt dadurch zu späteren Gehalts­vorrückungen, Karenzzeiten wirken sich weiterhin negativ auf Urlaubsansprüche, Entgeltfortzahlungen, Ansprüche im Zusammenhang mit Krankenstand und letzten Endes – quasi als finaler Dank, Herr Wöginger – dann auch auf die Pension aus, und all das nur deshalb, weil Sie nicht bereit sind, eine Anrechnung der Karenzzeiten für all die Bereiche, die ich gerade aufgezählt habe, bis zu 24 Monate vorzunehmen! (Abg. Wöginger: Das stimmt ja nicht!)

Was aber geschieht? – Es geschieht nix! Wir wissen aktuell, dass eine halbe Million Frauen, fast 500 000 Frauen in Österreich, genau diese Anrechnung bis zu 24 Monate nicht erhalten haben. Es bräuchte dringend diese gesetzliche Regelung. Aber wo bleibt sie? (Beifall bei JETZT.)

Was tut Herr Klubobmann Wöginger, oberster Arbeitnehmervertreter, jetzt? Er meldet sich Gott sei Dank zu Wort und wird auch hier Stellung beziehen! Ich freue mich darüber! Ich freue mich darüber, dass die gesetzliche Anrechnung somit bald kommen wird. Danke, Herr Wöginger! Was aber macht er medial? – Er erklärt, man werde sich die Situation weiter ansehen. (Abg. Wöginger: Na was denn?)

Lieber August, nicht schauen, sondern den eigenen Antrag lesen und dann ganz einfach beschließen! Dann wäre eine echte Entlastung für alle Frauen in Österreich auch dementsprechend gesichert. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT. – Abg. Wöginger: Jeder Kollektivvertrag rechnet an! Jeder! Das, was Sie gesagt haben, ist die Unwahr­heit! Das ist schäbig! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

10.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Darf ich um Aufmerksamkeit bitten?

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

10.28.40Aktuelle Europastunde


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen jetzt zur Aktuellen Europastunde mit dem Thema:

„Nach dem Brexit-Debakel: Jetzt ist die Chance, Europa neu zu gründen!“

Folgende Mitglieder des Europäischen Parlaments wurden für die Teilnahme an der Aktuellen Europastunde nominiert: Herr Abgeordneter Karas, Frau Abgeordnete Regner und Herr Abgeordneter Mayer. Ich darf die Abgeordneten zum Europäischen Parla­ment recht herzlich in unserer Mitte begrüßen! (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße auch den Europaminister, Herrn Minister Blümel, herzlich.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gamon. – Bitte.


10.29.28

Abgeordnete Claudia Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Das Europa meiner Generation soll ein souveränes, starkes Europa sein, eine nachhaltige und in-


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no­vative europäische Heimat. Dieses Europa soll handlungsfähig, überlebensfähig und auch verteidigungsfähig sein.

Bis dahin ist es ein weiter Weg, jedenfalls haben wir aber schon genug von dieser More-of-the-same-Politik, im Rahmen derer man sagt: Der Status quo ist eh ganz gemütlich, bleiben wir dabei! – Das haben in Europa schon viel zu viele auf dem Programm, deshalb sagen wir ganz klar, dass unser Weg derjenige der Vereinigten Staaten von Europa sein sollte.

Die Nationalisten, Populisten und Opportunisten in Europa – viele sitzen hier direkt vor mir – haben eine andere klare Vision: Sie wollen Europa zurückbauen, sie wollen Europa ausräumen. Sie wollen bei europäischen Förderungen abcashen, wenn es dann aber darum geht, dass man auch europäische Werte liefert und bei den Grund­werten klare Kante zeigt, dann ist man bei Europa lieber nicht mehr dabei. (Beifall bei den NEOS.)

Man will zurück zur Kleinstaaterei, zur Verzwergung des Kontinents, und damit sind natürlich auch viele Freunde der FPÖ gemeint. (Abg. Zanger: Ja!) – Ja eh! Ich nenne zum Beispiel Orbán, den finden Sie eigentlich auch ganz cool, der bevorzugt in einer illiberalen Demokratie herrschen würde. Er hat sich mit 2 Millionen Euro an euro­päischen Fördergeldern quasi eine glorifizierte Liliputbahn in seinen Heimatort stellen lassen, wobei es geheißen hat, es würden mehrere Tausend Menschen damit fahren. Es sind dann allerdings nur 25 Personen pro Tag geworden, und das wird jetzt natürlich von den europäischen Betrugsbekämpfern untersucht. – Das sind Beispiele dafür, wie die Nationalisten Europa ausräumen möchten und im Zusammenhang mit europäischen Werten nichts liefern. Das sind Ihre Freunde, auch von der ÖVP natürlich! (Beifall bei den NEOS.)

Wir sagen klar, wohin wir wollen: zu den Vereinigten Staaten von Europa. Ich habe es, ehrlich gesagt, satt, dass meiner Generation erklärt wird: Das werdet ihr nicht mehr erleben!, Wartet einmal!, und so weiter. – Nein! Ich möchte selber noch in diesen Vereinigten Staaten von Europa leben. Ich habe keine Lust, dass mir jemand erklärt: Das wird schon irgendwann kommen, vielleicht irgendwann einmal! – Das ist im Übrigen auch der Grund dafür, dass ich für diese Wahl kandidieren möchte: Ich möchte es selber noch erleben, meine Generation möchte es noch erleben. Der Gedanke daran, in Vereinigten Staaten von Europa leben zu können, macht einem richtig Freude auf die Zukunft! (Beifall bei den NEOS.)

In den letzten Jahren ist Europa jedoch stehen geblieben, unter anderem auch des­wegen, weil gewisse Politikerinnen und Politiker sich mit dem Status quo gerne zufrie­dengeben und eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners anstatt der größten gemeinsamen Vision verfolgen. (Zwischenruf des Abg. Zanger.)

Drei konkrete Schritte sind notwendig: Der erste Schritt ist, dass Europa überlebens­fähig ist. Was ist damit gemeint? – Damit ist Umweltpolitik gemeint, damit ist das Klima gemeint, denn ohne saubere Umwelt, sauberes Trinkwasser, saubere Luft, die unser Überleben und auch das der nächsten Generation garantieren, können wir hier eigentlich alles bleiben lassen. Es geht nämlich um den Boden, auf dem wir stehen, es geht um den Boden, auf dem wir unser gemeinsames Europa bauen, und wenn Klima und Umwelt nicht die topeuropäischen Themen werden, dann können wir den Rest eigentlich gleich vergessen. Europa muss beim Thema Klimawandel und bei der Um­weltpolitik ein Vorkämpfer werden. (Beifall bei den NEOS.) Das kann man zum Beispiel durch eine europaweite Ökologisierung des Steuersystems erreichen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Zweitens muss die Union auch handlungsfähiger sein, und deshalb müssen wir vom Einstimmigkeitsprinzip bei der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wegkom-


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men; stattdessen sollte mit einer qualifizierten Mehrheit entschieden werden. Das ist etwas ganz Wesentliches, damit Europa in der Welt mit einer starken Stimme sprechen kann. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Gudenus.) Die Weltlage ändert sich ja relativ zügig, und damit man auch mit Ihren Freunden, Herr Gudenus, zum Beispiel mit Herrn Putin, umgehen kann, müssen wir die Einstimmigkeit bei der Außen­politik abschaffen.

Drittens muss die Europäische Union in der Lage sein, ihre Werte, ihr Weltbild und ihre Interessen nach innen und auch nach außen zu verteidigen, und dafür brauchen wir eine gemeinsame Verteidigungspolitik, die diesen Namen auch verdient. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Wir brauchen zum Beispiel eine europäische Freiwilligenarmee, die in der Lage ist, unseren Frieden, unsere Sicherheit und unsere Heimat zu beschützen. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Wenn es jetzt im FPÖ-Sektor schon laut wird, dann sage ich Ihnen: Wenn Sie sich das nicht von einer 30-Jährigen erklären lassen wollen, dann seien Ihnen die Aussagen Wolfgang Schüssels aus dem Jahr 2001 ans Herz gelegt. Er war damals schon viel weiter als seine Kollegen von der ÖVP jetzt (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), er hat nämlich gesagt: „Die alten Schablonen – Lipizzaner, Mozartkugeln oder Neu­tralität – greifen in der komplexen Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts nicht mehr.“ – Seit 2001 ist die Welt ein bisschen komplexer geworden, würde ich sagen, und die ÖVP hat es geschafft, betreffend zwei dieser drei alten Schablonen, nämlich Lipizzaner und Neutralität, im Moment akute Glaubwürdigkeitsprobleme zu bekommen. Wie ist das nur passiert? (Beifall bei den NEOS.)

Werte FPÖ, werte ÖVP, Sie haben es nicht einmal geschafft, im Rahmen der Rats­präsidentschaft im Zusammenhang mit Ihrem einzigen aufrichtigen Ziel, nämlich dem Schutz der Außengrenzen, etwas zu liefern, denn da hat man sich betreffend Ausbau von Frontex dann gesagt: Uh, vielleicht war es doch nicht so dringend, machen wir es ein anderes Mal! – Das wurde verschoben, war offensichtlich nicht so wichtig.

Übrigens: Jeder Mensch, der heute noch behauptet, die Neutralität würde uns vor etwas schützen, streut der Bevölkerung Sand in die Augen. Einem Terroristen ist es nämlich vollkommen egal, ob Österreich neutral ist oder nicht, und einem Akteur, der mit Cyberangriffen Europa manipulieren und unsere Demokratie lahmlegen will, ist das auch ziemlich blunzen! (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Wenn man glaubt, dass irgendetwas an unserer Grenze haltmacht – und das ist im Übrigen das, wovon, wie ich gedacht hatte, die FPÖ überzeugt ist –, dann ist das wirklich nichts anderes, als der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen. Und wenn es jetzt jemanden wie mich braucht, der so etwas ausspricht, dann – sagen wir es so – sagt das mehr über Sie aus als über mich. (Beifall bei den NEOS.)

Meine Vision ist ein zukunftsfähiges, handlungsfähiges, entschlossenes und nach­haltiges Europa. All das sind Punkte, hinsichtlich welcher Sie noch nichts vorgelegt haben! Ich glaube, es ist an der Zeit, dass Sie klar aussprechen, wie Sie es denn so halten mit der Zukunft Europas: Wie stehen Sie zu den Vereinigten Staaten von Europa? Wie stehen Sie zu einer europäischen Freiwilligenarmee? – Das sind Fragen, auf die die Menschen Antworten haben wollen, denn man will wissen, welche Vision ein Politiker oder eine Politikerin hat, wohin es mit Europa gehen soll, wo man in 20 Jahren sein sollte.

Der Brexit hat gezeigt, dass wir die Gunst der Stunde, dass es einen Umbruch in Europa gibt, nutzen müssen, um zu etwas Positivem umzukehren. Ich kann Ihnen garantieren, dass die Herren und Damen von der FPÖ eine ganz klare Vorstellung haben, wohin es mit Europa gehen sollte. Deshalb ist es ganz wichtig, dass die Gegner der Nationalisten, jene, die sich denen entgegenstellen, die Europa zerstückeln wollen


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und dieses Europa der Vaterländer – was auch immer das sein sollte – haben wollen, klar aussprechen, wohin die Reise gehen soll, nämlich zu den Vereinigten Staaten von Europa! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Haider: Den Begriff Europa der Vaterländer hat Charles de Gaulle geprägt!)

10.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Damen und Herren des Senioren­bundes Piringsdorf herzlich begrüßen, die auf Einladung des Abgeordneten Niki Berlakovich bei uns im Hohen Haus sind. (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt nun der Herr Bundesminister. – Bitte.


10.37.13

Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt Mag. Gernot Blümel, MBA: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Galerie! Die Aktuelle Europastunde trägt den Titel „Nach dem Brexit-Debakel: Jetzt ist die Chance, Europa neu zu gründen!“

Nun, ich kann der Idee viel abgewinnen, den Brexit auch als Chance zu begreifen, denn das ist zweifellos eine positive und optimistische Herangehensweise an eine ohnehin nicht sehr positive Situation. Wir in der Bundesregierung beschäftigen uns seit Beginn an, seitdem wir angetreten sind, mit der Zukunft der Union und haben unsere Ratspräsidentschaft auch diesbezüglich vorbereitet.

Die Auswirkungen des Brexits sind enorm, das haben mittlerweile alle mitbekommen, vor allem die Britinnen und Briten. Es geht jetzt auch um die Fragen, wie es weitergeht, wie das Verhältnis zwischen Europa und Großbritannien künftig sein wird, wenn die Briten die Union verlassen, und wie es gelingt, den Schaden für die verbleibenden 27 so gering wie möglich zu halten.

Der Brexit war zweifellos eine Zäsur, die vor allem für die jüngere Generation ein Schock war. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der es ständig mehr europäische Integration gegeben hat, in der ein Land nach dem anderen einen Beitrittsantrag gestellt hat. Doch plötzlich ist diese lineare Entwicklung von einem sich immer weiter integrierenden Europa durch die Abstimmung am 24. Juni 2016 gestört und zerstört worden. Die Briten haben sich dafür entschieden, zu gehen.

Damals haben viele Kommentatoren geschrieben, dass das der Beginn vom Ende der gemeinsamen Union sein wird, weil die Briten jetzt mit einer Stimme sprechen und sich die Rosinen aus dem Kuchen herauspicken werden und die anderen 27 der Union sich zerstreiten und keine gemeinsame Linie finden werden. – Gut, dass es nicht so ge­kommen ist!

Eine der zentralen Herausforderungen während des österreichischen Ratsvorsitzes war es auch, diese Einheit der EU-27 zu wahren. Wir hatten über fünf Brexit-Formate im Rat, wir haben jede Woche mit Michel Barnier intensiven Kontakt gehalten, um zu beraten, was wir tun können, damit die Einheit gewahrt bleibt, und ich bin froh, sagen zu können, dass das während unserer Präsidentschaft auch gut gelungen ist. Was passieren kann, hat man beim ersten Rat unter der rumänischen Ratspräsidentschaft gesehen, bei dem schon erste Stimmen jener laut geworden sind, die sich ein wenig von diesem gemeinsamen Kurs verabschiedet haben. Daher ist es wichtig, weiterhin daran zu arbeiten, dass die Einheit der 27 erhalten bleibt.

Wie ist nun der Status quo? – Wir haben gestern den ganzen Tag über verfolgen dürfen, wie die Abstimmungen im britischen Parlament vonstattengehen. Nach wie vor herrscht keine endgültige Klarheit darüber, was Großbritannien möchte. Es ist


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mittlerweile ein wenig klarer, was die Briten nicht wollen: Sie wollen keinen harten Brexit, sie wollen aber auch diesen Deal, der ausverhandelt worden ist, nicht. Wir wissen also, was sie nicht wollen, wir wissen nicht viel mehr darüber, was sie wirklich wollen, daher liegt der Ball weiterhin bei Großbritannien.

Ich warne nur davor, seitens der Union den Eindruck zu erwecken, dass wir diesen Vertrag jetzt wieder aufschnüren wollen. Das werden wir sicherlich nicht tun: Er ist lange, gut verhandelt worden, das ist ein Kompromiss von beiden Seiten, und der Brexit ist ohnehin eine Lose-lose-Situation, die nur mit diesem Vertrag ein wenig abgemildert werden kann.

Wir in Österreich bereiten uns auch intensiv auf einen möglichen harten Brexit vor. Wir haben heute im Ministerrat ein Brexit-Preparedness-Gesetz beschlossen – ein Sam­melgesetz, in das circa 15 Gesetze aus acht verschiedenen Ressorts eingebracht worden sind, um Dinge zu regeln und zu lösen, die passieren können, wenn es einen harten Brexit gibt. Da geht es beispielsweise um die Frage, was mit den britischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern ab Anfang April passiert: Dürfen sie noch hierbleiben und arbeiten oder nicht? – Wir sagen Ja, das sollen sie weiterhin dürfen, analog zu einer Regelung, die auch für 25 000 Österreicherinnen und Österreicher in Großbritannien gilt.

Den Brexit als Chance zu begreifen halte ich für sehr schlau; man sollte sich aber auch überlegen, warum der Brexit zustande gekommen ist. Ein wesentlicher Aspekt war beispielsweise die Angst vor Migration. Das war einer der Hauptgründe, warum die Britinnen und Briten gesagt haben, sie wollen ihre Souveränität, ihre Kontrolle zurück. Wenn wir aus dem Brexit etwas lernen wollen, dann müssen wir unmittelbar daran­gehen, die Migrationsproblematik in Europa in den Griff zu bekommen, denn sonst lernen wir aus dem Brexit gar nichts. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Genau deswegen haben wir auch während der Ratspräsidentschaft alles darangesetzt, die Herausforderung der Migration ein Stück weit in die richtige Richtung zu bewegen – um damit auch dem Rechnung zu tragen, was uns der Brexit gezeigt hat, nämlich dass viele Menschen Angst vor einer ungeregelten Migration haben.

Es braucht auch viele weitere Bausteine, wie beispielsweise die Heranführung der Westbalkanstaaten an die Europäische Union. Das ist ein ganz zentrales Thema. Warum? – Diese Region liegt unmittelbar vor den Toren Europas und ist gerade für Österreich historisch, aber auch wirtschaftlich relevant, und wir können uns ent­scheiden, ob wir entweder Stabilität in diese Region exportieren, indem wir eine klare Beitrittsperspektive aufzeigen, oder ob wir Instabilität importieren, wenn wir die Tür zuschlagen. Das wollen wir nicht, und deswegen haben wir uns während der Rats­prä­sidentschaft intensiv dafür eingesetzt, dass die Annäherung stattfindet, und wir werden das auch weiterhin tun. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Belakowitsch, Stefan und Zanger.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es braucht ein Europa, das die Probleme im Großen löst, und nicht mehr Zentralismus. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeord­neten Belakowitsch, Stefan und Zanger.) Es braucht einen Realismus, eine Herangehensweise, die eine handfeste Politik ist, bei der wir genau dort hinschauen, wo die Menschen Nöte, Sorgen und Ängste haben, und diese Probleme lösen. Europa ist kein Traum mehr – zum Glück! –, Europa ist Realität. Wer hier weiterhin träumt, wird diese Realität wieder verlieren. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Belakowitsch, Stefan und Zanger.)

10.43


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lopatka. Nunmehr beträgt die Redezeit, wie Sie wissen, 5 Minuten. – Bitte.



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10.43.49

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Europaminister! Herr Finanzminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Danke dem Euro­paminister für diese umfassende Information und vor allem ein Danke für das, was diese Bundesregierung in der Präsidentschaft geleistet hat. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Danke!)

Die NEOS reden gerne von Visionen und neuer Sachlichkeit. (Ruf bei der ÖVP: Reden!) – Sie reden davon! Ich habe mir die Mühe gemacht, das EU-Programm der NEOS anzusehen: Es strotzt von Angstmache und maßloser Übertreibung. Ich darf aus Ihrem Leitantrag nur zwei Sätze zitieren: Der Kontinent soll „in nationale Ketten“ gelegt werden (Heiterkeit des Abg. Wöginger); Heinz-Christian Strache ist einer derjenigen, die den Kontinent in Ketten legen möchten. – Während der Präsidentschaft war das Gegenteil der Fall: konstruktive, aktive Mitarbeit seitens der Regierungs­mitglieder der FPÖ, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Heiterkeit bei der SPÖ.) – Ja, Sie nehmen das nicht zur Kenntnis, Präsident Juncker hat das aber so beurteilt. (Zwischenruf des Abg. Scherak.)

Aber es geht ja noch weiter: Die EU „sitzt im Gefängnis“. Wissen Sie das? Die EU „sitzt im Gefängnis der starren Ansprüche nationaler Politikerinnen und Politiker“. – Wir (reihum auf die Sitzreihen weisend) halten die EU im Gefängnis? Ja, wo leben die NEOS eigentlich?! Die EU ist kein Gefängnis, das Gegenteil ist der Fall! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Grund- und Freiheitsrechte und das, was die Nationalstaaten hier in Europa gemeinsam aufgebaut haben, sind weltweit ein Vorbild. Das sage ich Ihnen schon zu Beginn. Wenn Sie hier sagen, wir müssen die EU neu gründen, sage ich: Nein, wir müssen sie sicherlich nicht neu gründen, wir müssen sie weiterentwickeln! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Würden wir jetzt darangehen, ernsthaft darüber zu diskutieren, die EU neu zu gründen, würden wir das Gegenteil von dem erreichen, was Sie bezwecken. Wir hätten dann jenes Chaos, das jetzt Großbritannien hat, denn die Herausforderungen sind zurzeit so groß, die Probleme innerhalb der Europäischen Union sind so groß, dass wir nicht darangehen dürfen, solche Debatten zu führen, wie Sie sie führen wollen, wie Kollegin Gamon das jetzt erwähnt hat: Vereinigte Staaten von Europa, Europa neu gründen. – Das bringt uns in der jetzigen Situation nicht weiter. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Damen und Herren, wir müssen hier alles tun – genau so, wie es Minister Blümel gesagt hat –, um nach dem Brexit, der für alle ein Schaden ist – für Groß­britannien, aber auch für die restlichen 27 Mitgliedstaaten –, bestmöglich mit Großbri­tan­nien zusammenzuarbeiten. Es war Ihr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff, der das vor zwei Tagen im Europaausschuss eingefordert hat, als wir über Erasmus ge­sprochen haben. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Genau das macht die Bundesregierung, wie Sie jetzt gehört haben. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich sage Ihnen – weil Sie mit dem Finger wieder Richtung FPÖ und auch in unsere Richtung gezeigt haben –, auch Sie haben Hausaufgaben zu erfüllen! In Ihrem Programm lese ich, dass Sie eine wichtige Rolle innerhalb der ALDE spielen. Reden Sie mit Ihrem Parteikollegen, Ministerpräsident Andrej Babiš in Tschechien, bringen Sie ihn auf einen proeuropäischen Kurs! Das wäre Ihre Aufgabe, und nicht, von Ver­einigten Staaten zu philosophieren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Scherak.) – Ja, das ist Ihr Parteikollege – das hören Sie nicht gern –, der Populist und große, sehr große Fördernehmer von EU-Geldern. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Scherak.) – Ja, Ihr Parteifreund! Strengen Sie sich an, vielleicht bringen Sie etwas weiter!


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Unsere Leitlinie ist klar, und das, was in dieser Koalition gemacht wird, hat eine Grund­lage: Das ist unser Regierungsprogramm, in dem wir ganz klar festgelegt haben, dass – und ich zitiere aus dem Regierungsprogramm – „die Zukunft Österreichs fest mit dem europäischen Friedens- und Einigungsprojekt verknüpft“ ist. (Abg. Meinl-Reisinger: ... etwas Gegenteiliges gesagt?) „Unser Heimatland ist integraler Teil der Europäischen Union und der gemeinsamen Währung Euro“, heißt es hier, und: „Wir werden als aktiver und zuverlässiger Partner an der Weiterentwicklung der EU mit­wirken“. (Abg. Meinl-Reisinger: Wo ist der Widerspruch?)

Das für uns Entscheidende ist aber, dass wir das Prinzip der Subsidiarität in den Mittel­punkt stellen, und das unterscheidet uns von den NEOS ganz massiv. Wir wollen im Sinne der Subsidiarität darauf hinwirken, dass die Europäische Union bei den großen Fragen gestärkt wird, aber wir wollen nicht, dass sich die Europäische Union in alle Kleinigkeiten einmischt. Das ist unser Ansatz, und es ist ein durchaus proeuropäischer Ansatz, meine Damen und Herren, dass diese Europäische Union weniger macht, aber dass sie das, was sie macht, effizienter macht (Beifall bei ÖVP und FPÖ), denn nur so kann Europa bestehen.

Diese Europäische Union ist integriert wie nie zuvor – wie nie zuvor!, da hat es inner­halb kürzester Zeit eine große Weiterentwicklung gegeben –, aber man muss diese Vielfalt in Europa sehen. Wir haben nach wie vor 24 Amtssprachen, wir haben elf Wäh­rungen in der Europäischen Union (Ruf bei der SPÖ: Redezeit!), daher kann es nur darum gehen, das mithilfe der nationalstaatlichen Parlamente und auch mithilfe der regionalen Mandatare in den Landtagen weiterzuentwickeln. Das ist unser Konzept der Europäischen Union: eine Union der Regionen, eine Union, in der Nationalstaaten aktiv mitarbeiten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

10.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Schieder ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


10.49.27

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach meiner Vorrednerin und meinem Vorredner fort­setzend: Ich glaube, Europa und das europäische Einigungsprojekt ist in Gefahr, nämlich in der Gefahr, dass die Nationalisten in allen Mitgliedstaaten versuchen, es zu zerstören. Der Brexit ist ja genau ein solcher Moment, in dem es gelungen ist, mit Falschinformationen, mit einer unheiligen Allianz von Konservativen und Rechts­populisten Großbritanniens Zukunftsperspektive in Europa zu zerstören.

Wir sehen, was sie angerichtet haben: Die britische Regierung weiß nicht, wie sie weitertut, das britische Parlament fasst Beschlüsse, die aber, wenn man sich alle anschaut, nicht einmal zusammenpassen. Das ist das Chaos, das Rechtspopulisten, wenn sie gemeinsam mit Konservativen Hand anlegen, anrichten – und das müssen wir verhindern, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Aber ist es nur in England so? – Nein, bei uns in Österreich sitzen sie ja auch in der Regierung und bei uns in Österreich schicken sie ja auch Leute wie Herrn Vilimsky nach Europa, der genau das Gleiche will, nämlich einen Austritt Österreichs aus der Europäischen Union – und das geht nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steger: ... populistische Angstmacherei, sonst nichts!) Das müssen wir für unser Land verhindern. Nein zum Öxit, den die FPÖ immer wieder fordert! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Steger: ... Populismus!)


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Es gibt aber auch eine zweite Gefahr für die Europäischen Union, und das ist die Faulheit, Herr Minister! Ich habe mir das genau angeschaut: Kaum war die öster­reichische Präsidentschaft vorbei, waren Sie nicht mehr in Brüssel. Am 8. Jänner war ein europäischer Rat, da ist es um den Finanzrahmen gegangen – die österreichische Regierung ist nicht hingefahren, hat nur einen kleinen Beamten hingeschickt. (Abg. Gudenus: Unglaublich! ... Beamtenbashing! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: ... aber ein kleiner Klubobmann!)

Am 21. und am 22. Jänner war der Afrikagipfel. Die Ministerin war nicht dort, sondern man hat sich wiederum nur auf Beamtenebene vertreten lassen. Am 22. Jänner hätte eigentlich Finanzminister Löger zum europäischen Finanzministertreffen fahren und endlich etwas für seine Digitalsteuer und vielleicht endlich einmal etwas gegen die Steuerhinterziehung der Großkonzerne machen sollen. Was hat er gemacht? – Er hat einen Beamten aus seinem Haus hingeschickt, weil man selber ja keine Zeit gefunden hat, denn da mussten sich alle drei Ministerinnen und Minister noch von den Strapazen des Weihnachtsurlaubs erholen und konnten nicht europäische Politik machen.

Europa ist keine Angelegenheit für Ihre Faulheit, das muss man ganz, ganz offen sa­gen. Europa gehört gestaltet, Herr Minister! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Hallo! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Worin liegt die Herausforderung? – Die Herausforderung sind die eigenen Natio­nalis­ten und die Herausforderung liegt auch in der Weltlage, in der Nationalisten, ob sie Trump, Putin oder wie immer heißen (Zwischenruf des Abg. Neubauer), auch global keine Zusammenarbeit mehr zulassen. (Abg. Höbart: Schlafen Sie eigentlich schlecht?)

Die Antwort darauf, das muss ich auch ganz ehrlich sagen, Frau Gamon, ist jedoch nicht, eine europäische Armee zu schaffen und ein europäisches Aufrüsten. Militaris­mus ist nicht die Antwort auf globale Bedrohungen, die Antwort auf globale Bedro­hungen ist, mehr für die Menschlichkeit zu tun. Schauen Sie sich nur die Zahlen an: 1,4 Billionen Euro werden weltweit für Rüstung ausgegeben – und nur 75 Milliarden Euro für Entwicklungshilfe. – Da sollten wir mehr tun, mehr für Entwicklungshilfe, mehr für Zukunftschancen und nicht leere Phrasen dreschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine moderne Neutralitätspolitik hilft auch, um Europa genau da weiterzuentwickeln. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Ich kann weder mit der Phrase des Reinhold Lopatka – ein Europa der Regionen und der Subsidiarität – noch mit der Phrase Vereinigte Staaten von Europa etwas anfangen. Es geht um die Inhalte. Es geht darum, wie wir unsere Gesellschaft gestalten wollen. Wir sagen, wir brauchen mehr sozialen Zusammenhalt, wir brauchen weniger Privilegien für die Großen (Abg. Haider: Mehr Zuwanderer, mehr ...! Sag es! Sag es doch!), wir brauchen einen Kampf gegen die Steuerhinterziehung, wir brauchen sozial verträgliche Antworten auf den Klima­wandel, sodass sich niemand mehr vor der Zukunft fürchten muss. – Das sind die Ant­worten!

Wir brauchen Antworten auf die globalen Krisen, die sich allerorts auftun, und die Antwort auf die globalen Krisen ist nicht Militarisierung, die Antwort ist aus öster­reichischer Sicht eine moderne Neutralitätspolitik, eine moderne Außenpolitik Europas, die den humanitären Schwierigkeiten, die es in Europa gibt, begegnet und auch die wirtschaftlichen Stärken, die wir haben, positiv ausspielt. Eines müssen wir nämlich auch ganz ehrlich sagen: Wenn wir unseren Kontinent sozial weiterentwickeln wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass nicht ein ungezügelter Freihandel die sozialen Systeme zerstört (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf des Abg. Deimek), sondern dass unsere sozialen Systeme Teil des Freihandels werden und soziale Sicherheit auf allen


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Erdteilen zur Selbstverständlichkeit wird – das heißt: die Standards hinauf und nicht bei uns hinunter! (Beifall bei der SPÖ.)

10.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Steger ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


10.54.22

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Schieder, ich finde es wirklich erstaunlich, dass Sie dieser Regierung Faulheit auf europäischer Ebene vorwerfen! Soll ich Ihnen einmal sagen, was Faulheit wirklich ist? – Faulheit ist das, was Bundeskanzler Faymann oder Bundeskanzler Kern, das, was Sie in den vergangenen Jahren gemacht haben. Sie sind nach Brüssel gefahren und haben einfach blind die Meinung der Europäischen Union, von Merkel, Juncker und Co übernommen (Abg. Schieder: Sie fahren nicht einmal hin!), ohne sich ein einziges Mal selber Gedanken zu machen oder für etwas einzustehen. Sie haben das vielleicht aus Tourismusgründen gemacht, aber mit Sicherheit nicht zum Arbeiten! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Aber zurück zum eigentlichen Thema dieser Aktuellen Europastunde, das die NEOS gewählt haben: Ich muss zugeben, sehr geehrte Kollegen der NEOS, Ihr Antrag hat mich ein bissl zum Schmunzeln gebracht, weil Sie mir damit auch eine Steilvorlage geliefert haben; eine Steilvorlage deswegen, weil ich in das, was Sie geschrieben haben, jetzt auch einmal das Übelste hineininterpretieren kann, wie Sie das die ganze Zeit bei unserem Innenminister Herbert Kickl tun (Oh-Rufe bei den NEOS – Abg. Meinl-Reisinger: Der Arme!) – und bei Ihnen wäre das sogar rechtlich gerechtfertigt!

Ich zitiere den Titel: „Nach dem Brexit-Debakel: Jetzt ist die Chance, Europa neu zu gründen!“ – Einerseits ist Ihnen anscheinend nicht einmal klar, dass es einen Unterschied zwischen der Europäischen Union und dem Kontinent Europa gibt, und andererseits verlangen Sie tatsächlich die Neugründung der Europäischen Union. Und was geht einer Neugründung rechtlich voraus, wissen Sie das? (Ruf: Die Auflösung!) – Genau, die Auflösung und Abschaffung der Europäischen Union, so wie sie jetzt besteht. (Ah-Rufe bei der FPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Unglaublich!)

Das heißt, kurz zusammengefasst, die Europaliebhaberpartei NEOS stellt sich hierher und fordert tatsächlich die Auflösung der Europäischen Union, so wie sie existiert. (Heiterkeit bei den NEOS. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Na, das bringt auch einen ganz neuen Aspekt in diesen Wahlkampf! Wo ist eigentlich der Bundes­präsident, wenn man ihn einmal zum Verurteilen braucht? Das wäre angebracht! (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

Doch ich will einmal nicht so unanständig sein wie Sie und interpretiere nicht das Übelste hinein – das war wohl ein Versehen oder nicht ganz bedacht, anders kann ich mir das nicht vorstellen. Was Sie allerdings schockierenderweise tatsächlich ernst meinen, ist eine Forderung Ihrer Spitzenkandidatin Gamon, die sie nicht nur in der „ZIB 2“ geäußert, sondern auch heute wiederholt hat, nämlich nach der Abschaffung der österreichischen Neutralität (Rufe bei der FPÖ: Unglaublich!) – eh nur eine Staatszielbestimmung und eines der wichtigsten Identitätsmerkmale für 73 Prozent der Österreicher in diesem Land.

Sie machen aber nicht bei der Abschaffung der Neutralität halt, Sie wollen darüber hinaus noch eine eigene EU-Armee, einen europäischen Pass, eine eigene EU-Re­gierung, die Steuerhoheit soll an die EU abgegeben werden – kurz gesagt, Sie wollen anscheinend einen Staat Europa mit einem einfachen Bundesland Österreich haben. – Die Auflösung der Europäischen Union war anscheinend ein Versehen, dafür fordern


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Sie gleich die Auflösung der Republik Österreich. Sehr geehrte Damen und Herren, ich kann Ihnen versprechen: Diese Forderungen werden nur dazu führen, dass Sie bei der nächsten Nationalratswahl aufgelöst werden! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn ich solche Zukunftsvisionen für Europa und für Österreich höre, bin ich wirklich froh, dass es nicht nur die FPÖ gibt, sondern dass es auch den demokratischen Schutzzaun einer zwingenden Volksabstimmung gemäß Art. 44 Abs. 3 B-VG gibt, der solche Visionen für die Zukunft verhindern wird, denn die EU ist kein Staat, und sie soll auch kein Staat werden. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ sowie Beifall bei der ÖVP.)

Auch die SPÖ hat aber anscheinend immer noch nichts aus dem Brexit und den Fehlern der Vergangenheit gelernt und will immer mehr Kompetenzen nach Brüssel abschieben. Sie verharrt in ihrer populistischen Anti-FPÖ-Angstmacherei-Dauerschleife, ohne sich irgendetwas inhaltlich Konstruktives einfallen zu lassen. Anstatt herzugehen und ständig, wie Sie es heute wieder einmal gemacht haben, den bösen, bösen Rechtspopulisten die Schuld am Brexit zu geben, sollten Sie vielleicht einmal darüber nachdenken, ob nicht gerade Ihre europäische Politik des Zentralismus, des Drüber­fahrens über nationale Interessen und des Stillschweigens für solche Zustände, wie wir sie jetzt haben, verantwortlich ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Nicht diejenigen, die die EU kritisieren und Fehlentwicklungen aufzeigen, nicht wir sorgen für eine gespaltene EU, nein, Ihre Politik, jede kritische Auseinandersetzung zu unterbinden, indem alle als EU-Feinde, als Populisten et cetera bezeichnet werden, sorgt für immer mehr Streitereien, Unruhen und Konflikte zwischen den Mitglied­staaten. Das ist das eigentliche, wahre Problem der europäischen Politik der Vergan­genheit.

Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sollten den Brexit als Warnsignal sehen, dass es eben mit der EU so nicht weitergehen kann. Da bringt es überhaupt nichts, ständig darüber zu philosophieren oder sich Gedanken darüber zu machen, dass die Bevöl­kerung immer wieder neu abstimmen sollte, sondern wir sollten lieber die Konsequen­zen aus dieser verfehlten Politik der Vergangenheit ziehen.

Wir wollen ein Europa, das sich auf die großen Fragen konzentriert und sich gleich­zeitig bei den Themen, die besser auf nationaler Ebene geregelt werden können, zurücknimmt. Wir wollen ein starkes, bürgernahes Europa mit einem starken, neutralen Österreich und keinen zentralistischen Superstaat à la SPÖ oder NEOS! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.00


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Besucher von der Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik recht herzlich bei uns auf der Galerie begrüßen und als nächstem Redner Herrn Abgeordnetem Rossmann das Wort erteilen.


11.00.21

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Herr Präsident! Hohes Haus! Der konservative „Economist“ hat unmittelbar nach dem Brexitreferendum getitelt: „Anarchy in the UK“. Er schrieb damals: Führerlos und gespalten erlebt Großbritannien einen ersten Vorgeschmack auf das Leben, nachdem es von Europa abgelegt hat. – Und nach den gestrigen Abstimmungen und einer Reihe von anderen Entwicklungen in Großbritannien erlaube ich mir, zu sagen: Heute ist das Königreich tiefer gespalten denn je zuvor. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Sie, Herr Minister Blümel, beginnen endlich zu begreifen, dass wir einem No-Deal-Brexit von Tag zu Tag näher kommen (Abg. Rädler: Jessas!), und beginnen endlich,


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darauf zu reagieren. – Da brauchen Sie nicht wegzuschauen. Handeln Sie! Ich habe Sie seit Monaten dazu aufgefordert. (Abg. Rädler: Hellseher!)

Diese Anarchie, Frau Kollegin Steger, ist das Ergebnis von Aussagen rechtspopu­listischer Hetzer und Zündler, wie Nigel Farage oder Boris Johnson – und wenn der Brexit dann tatsächlich da ist, dann stehlen sich diese Herren aus der Verantwortung, sofern diese Herren – oder sagen wir besser: Falotten – überhaupt wissen, was Verantwortung ist. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Hafenecker: Sie reißen nicht einmal die Genossen vom Hocker!)

Mit dem Brexit hat die europäische Idee gelitten, heißt es. Ja, das ist richtig, aber die europäische Idee hat schon lange vorher gelitten, nämlich durch eine neoliberale Ideologie, die der europäischen Idee schon viele Jahre zuvor enormen Schaden zuge­fügt hat. Die politischen Eliten Europas übernahmen diese Ideologie und forcierten diese skrupellos in ihrer Umsetzung. – Denken wir nur an das Beispiel Griechenland!

Zunächst stand im Zentrum dieser neoliberalen Politik der Binnenmarkt. Er hat der EU das Tor zur Globalisierung geöffnet; das ist nicht unbedingt schlecht, aber was dabei nicht berücksichtigt wurde, ist, dass es auch Globalisierungsverlierer in großer Zahl gegeben hat, und dagegen haben die politischen Eliten in Europa nichts unternommen, gar nichts. Ganz im Gegenteil, sie haben gesagt, das ist die Aufgabe der National­staaten. Den Nationalstaaten waren aber die Hände gebunden, weil eine Auste­ritäts­politik sie gezwungen hatte, in den öffentlichen Haushalten zu sparen.

Dadurch hat sich das Elend der Globalisierungsverlierer weiter verschärft, und dazu­gekommen ist, dass diese neoliberale Austeritätspolitik in eine jahrelange Phase der Stagnation geführt hat, wiederum zulasten dieser Globalisierungsverlierer. Es ist daher kein Wunder, dass Menschen, die von Jahr zu Jahr reale Einkommensverluste hinnehmen müssen und von Elend und Armut betroffen sind, diesen rechtsnationa­listischen und rechtspopulistischen Hetzern und Zündlern auf den Leim gingen und gehen.

Begleitet war diese Austeritätspolitik auch von den sogenannten Strukturreformen, und man kann das vielleicht so übersetzen: Liebe Arbeitnehmer, ihr müsst flexibel sein und ihr müsst glücklich sein, wenn eure Löhne sinken; ihr müsst glücklich sein, wenn ihr schneller entlassen werden könnt und wenn euer Arbeitslosengeld niedriger wird! – Betroffen von diesen Strukturreformen waren wiederum die Globalisierungsverlierer.

Meines Erachtens liegt die Ursache für die Euroskepsis nicht in der Finanzkrise des Jahres 2008, auch nicht in der Flüchtlingskrise, sondern darin, dass die EU-Eliten ein Versprechen nicht eingehalten haben, nämlich das Versprechen, gleichwertige Le­bens­verhältnisse zu schaffen – in der Europäischen Union, von West nach Ost, von Nord nach Süd.

Wenn wir das europäische Projekt retten wollen, dann müssen wir diese Globalisie­rungs­verlierer ins Zentrum der europäischen Politik rücken. Es braucht ein konkretes Projekt, es braucht den Willen zur Solidarität in der Europäischen Union. Mein Vor­schlag wäre daher: Warum starten wir nicht in Europa mit einem Projekt, das mit der Schaffung einer europäischen Arbeitslosenversicherung als einem ersten Schritt hin zu einer Sozialunion beginnt? Warum starten wir nicht mit einer nachhaltigen Politik, die den Klimaschutz in den Mittelpunkt der Politik rückt, und endlich mit einem ernsthaften Kampf gegen Steuerflucht von Großkonzernen und mit einer Finanztrans­ak­tionssteuer, um diese Politik zu finanzieren?

Wir müssen weg von der Politik der Verwässerung und Kompromisse. Es gilt, endlich eine glaubwürdige Politik zu schaffen, die von den Unionsbürgern und -bürgerinnen mitgetragen wird. Nur so kann das Projekt Europa stabilisiert werden, nur so kann das


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Elend der Globalisierungsverlierer überwunden werden. Wagen wir einen neuen Auf­bruch für ein Europa, für ein solidarisches Europa, jetzt! – Danke sehr. (Beifall bei JETZT sowie der Abgeordneten Leichtfried und Schieder.)

11.05


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Mag.a Beate Meinl-Reisinger. – Bitte.


11.05.52

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Rädler: Richtigstellen! Wäre notwendig!) – Werter Herr Kollege Rädler, warum sollten Richtigstellungen not­wendig sein? Ich glaube, ganz das Gegenteil ist der Fall: Was notwendig ist, ist, end­lich einmal eine kraftvolle Vision auf den Tisch zu legen (Abg. Deimek: Was heißt „kraftvolle Vision“? Beim Kickl gibt’s einen Misstrauensantrag, und ...!), eine ehrliche Vision, wohin wir eigentlich mit Europa wollen. Das ist genau das Thema, das wir heute ansprechen (Abg. Haider: Die Abschaffung Österreichs, das ist eure Vision! – Abg. Deimek: Das ist ja fast schon staatsfeindlich! Das ist die Ordnung der selbsternannten Liberalen!), denn die Wahl, die im Mai bevorsteht, ist eine Schicksalswahl! Und ich danke, denn ich weiß jetzt wieder, wofür die ÖVP steht: nicht für eine kraftvolle Vision. (Beifall bei den NEOS.)

Ich muss eines sagen: Als Kollegin Gamon hier am Rednerpult gestanden ist und die Herrschaften von der FPÖ – wie auch jetzt immer – keifend dagesessen sind, bin ich schon sehr irritiert gewesen, was Sie da an Bemerkungen gerufen haben – ich nehme an, der Präsident hat es nicht gehört, denn sonst hätte er, glaube ich, schon einen Ordnungsruf erteilt. Sie aber zu fragen, ob sie etwas geraucht habe, oder ihr auszurichten, sie müsse halt schon noch ein bisserl etwas lernen, sagt sehr viel über Ihre Haltung aus, wenn hier Personen sprechen, die eine ganz andere Meinung haben als Sie, wenn es um Europa geht. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Es ist eine Schicksalswahl, um die es geht. Es ist nicht nur eine Schicksalswahl entlang der Frage, welche Fraktionen in welcher Stärke im Europäischen Parlament vertreten sein werden. Eine ebenso große Schicksalsfrage ist die Frage, wie viele euro­päische Regierungen wir noch erleben werden, in denen Populisten, Rechts­populisten, wie Sie es sind, sitzen und nichts anderes wollen, als dieses gemeinsame Projekt Europa zu zerschießen. Das ist eine ganz entscheidende Frage. (Abg. Deimek: ... linkspopulistisch! Sind sie rechtspopulistisch, sind sie böse! – Sie sind peinlich!)

Angesichts des Brexitdesasters – wir erinnern uns, es waren Ihre Freunde, Farage, Boris Johnson, die gesagt haben: endlich, we take back control!; und jetzt erleben wir ein Land in der Staatskrise, wo von Kontrolle wirklich keine Rede mehr sein kann, wo nach Lügenkampagnen, in denen den Menschen versprochen wurde, Milch und Honig werden fließen, auf einmal klar ist, wohin ihre Politik führt – haben Sie jetzt Kreide gefressen und sagen: Wir sind eh für Europa, wir sind ja eh für ein Europa, aber für keinen Zentralstaat! – Das ist nicht glaubwürdig! Ihre ganzen Austrittsbegehren, Ihre ganzen Jubelmeldungen, was für eine historische Leistung dieses Brexitvotum wäre – ein Votum für Freiheit und so weiter, was Sie alles gesagt haben (Abg. Hafenecker: Das ist liberal, dass jeder machen kann, was er will!) –, sind legendär. (Abg. Deimek: Aber Sie sind ja nicht mehr liberal! Sie sind ja schon linksdiktatorisch! ... sind nur mehr eine linksdiktatorische Organisation!) Verstecken Sie sich nicht! Haben Sie wenigstens den Mut, zu sagen, was Sie wollen: dieses gemeinsame, dieses vereinte Europa zer­stören!


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Ich bin der Meinung, dass der Brexit ein historischer Weckruf ist. Umso stärker müssen wir uns mit der Frage beschäftigen: Wie soll Europa ausschauen? – Ich weiß, ich bin großzügig mit meinem Alter, wenn ich sage, ich bin Generation Gamon, aber in den letzten Jahrzehnten erleben wir schon etwas, angesichts dessen wir sagen müssen, sowohl der Europäischen Volkspartei als auch der europäischen Sozialdemokratie ist die Vision abhandengekommen. Der Apparat und der Bürokratismus, das Sich-Verlieren im Klein-Klein, wie ich es heute wieder gehört habe, Herr Kollege Schieder oder Herr Kollege Lopatka – nur ein bissi verändern und ein bissi besser machen –, das ist alles viel größer geworden als die Vision.

Angesichts des Stillstands und der Bürokratie verstehe ich, dass viele Menschen sagen: Was haben wir eigentlich davon? Sie wollen große Lösungen für große Heraus­forderungen: Klimawandel, Migration, Steuergerechtigkeit, natürlich auch Sicherheit und Verteidigung.

Meine Herrschaften, in welcher Welt leben Sie? Ich lebe in einer Welt, in der sich Bedrohungsszenarien verändert haben, in der wir uns auf die transatlantische Partnerschaft angesichts eines erratischen Donald Trump nicht mehr verlassen können. Auf der anderen Seite stehen Wladimir Putin in Russland und China, die sich um ihre Stellung in der Welt rangeln. Cyberattacken sind – wenn auch Gott sei Dank noch nicht so sehr – jedenfalls ein Bedrohungsszenario, das sehr aktuell ist, vor dem gewarnt wird. – Und da stellen Sie sich hin und sagen, es sei nicht in Ordnung, von einem europäischen Heer zu sprechen, von einem handlungsfähigen Europa auch in dieser Frage?! (Abg. Schieder: Was machen wir mit so einem Heer?) Werden Sie dann Beistandspflicht googeln, wenn das österreichische Bundesheer konfrontiert wird, oder wie schaut eigentlich Ihre Sicherheits- und Verteidigungsvision Europas aus? Das ist doch einfach lächerlich! (Beifall bei den NEOS.)

Ein handlungsfähiges Europa, das ist das, was die Menschen brauchen (Abg. Schieder: Keine Panzer!), und für Handlungsfähigkeit reicht es nicht mehr, sich im Klein-Klein und im ständigen kleinsten gemeinsamen Nenner zu verlieren. Für Handlungsfähigkeit muss man den Mut haben, zu sagen, europäisch denken heißt auch europäisch handeln (Abg. Gudenus: Schön gesagt!  Abg. Deimek: Das definieren Sie?!), und natürlich in wesentlichen Fragen vom Einstimmigkeitsprinzip zum Mehrstimmigkeits­prinzip zu kommen. (Abg. Deimek: Eine diktatorische Maßnahme!) Das bedeutet selbstverständlich auch, weil es eine Wettbewerbsfrage ist  und die Frage der Wett­bewerbsfähigkeit und damit des Wohlstands der nächsten Generationen ist essen­ziell –, dass wir auch auf europäischer Ebene über eine Ökologisierung des Steuer­systems nachdenken müssen.

Und ja: Wir haben eine kraftvolle und mutige Vision, die legen wir auf den Tisch. Was ist denn Ihre ehrliche? – Danke. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Deimek: Also die Letzten, die von kraftvoll und mutig geredet haben, ... belastet! Passen Sie auf, was Sie sagen!)

11.11


Präsidentin Doris Bures: Die nächsten drei Rednerinnen und Redner sind Mitglieder des Europäischen Parlaments.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Othmar Karas. – Bitte. (Ruf bei der FPÖ: Der Karas ist sicher auch für die Aufhebung der Neutralität!)


11.11.28

Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Othmar Karas, MBL-HSG (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich teile die Auffassung von Klubobfrau Meinl-Reisinger, dass die kommende Euro­pa-


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parlamentswahl eine Richtungswahl ist. (Beifall bei den NEOS.) Sie ist eine Richtungs­wahl zwischen Nationalismus und Europäischer Union, sie ist eine Richtungswahl zwischen Blockade und Handlungsfähigkeit, aber sie ist sicherlich keine Richtungswahl zwischen Brexit und Vereinigten Staaten von Europa. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie ist keine Richtungswahl zwischen Brexit und Neugründung der Europäischen Union. Ich verstehe nicht, warum Sie den Bürgerinnen und Bürgern so wenig an Erneu­erungskraft und Durchsetzung der Europäischen Union zutrauen. Ich plädiere für mehr europäisches Selbstwertgefühl, mehr Selbstbewusstsein und mehr Ehrlichkeit im Umgang mit der Europäischen Union.

Ich war über den Titel der heutigen Aktuellen Europastunde sehr verwundert, denn kein Mensch glaubt, dass die Ursache des Brexits zu 100 Prozent die Europäische Union ist, und kein Mensch glaubt, dass die Antwort auf den Brexit die Vereinigten Staaten von Europa sind. (Abg. Scherak: Das „kein Mensch“ kann nicht stimmen, weil ich ein Mensch bin!) Ich will keine amerikanischen Verhältnisse in Europa, daher halte ich die Forderung nach Vereinigten Staaten von Europa für in die Irre führend und bestenfalls für eine Themenverfehlung. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich will trotz aller Schwächen, Probleme, Fehlentwicklungen, Herausforderungen, Sor­gen innerhalb der Europäischen Union die Europäische Union nicht weglegen, able­gen, stilllegen, zerstören oder neu gründen. Wir wollen die Europäische Union weiter­entwickeln, besser machen, zu einem Global Player machen, handlungsfähiger, demokratischer, effizienter und bürgernäher, und das mit möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Herr Bundespräsident hat in seiner Neujahrsansprache sehr deutlich gesagt, „das vereinte Europa“ – und er meinte damit die Zusammenarbeit innerhalb der Euro­päischen Union – „ist die beste Idee, die wir je hatten.“ – Wenn es die beste Idee ist, die wir je hatten, und wenn wir uns einig sind, dass die Europäische Union nicht fertig ist, dann sollten wir sie aber gleichzeitig nicht neu gründen wollen, weil wir nicht vergessen dürfen, dass das Friedensprojekt Europäische Union erfolgreich ist. Wir haben die längste Friedensperiode in und zwischen den Mitgliedstaaten der Euro­päischen Union, und das hat einen hohen Wert. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Idee Europa Rücksichtnahme aufeinander be­deutet, Verständnis füreinander, miteinander reden, handeln, entscheiden, statt aufei­nander zu schießen, dass sie unsere Antwort auf Krieg, Holocaust, Nationalismus, Ausländerfeindlichkeit, Hass und Zwietracht ist. Diese Idee muss nicht neu gegründet, diese Idee muss von uns allen gelebt werden, wenn wir die Europäische Union weiterbringen wollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir sollten auch nicht vergessen, dass die vier Freiheiten, die Grundrechtecharta, der Binnenmarkt das Ziel haben, aus allen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern gleich­berechtigte Bürgerinnen und Bürger Europas mit gemeinsamen Rechten und Pflichten zu machen.

Meine Damen und Herren! Vergessen wir nicht, dass der Fall des Eisernen Vorhangs und der Berliner Mauer die EU zum politischen Projekt der Überwindung der gewalt­samen Teilung Europas gemacht hat! Vergessen wir nicht, dass alle großen Fragen, die wir heute diskutieren, nur im Miteinander grenzüberschreitend und nicht durch eine Neugründung gelöst werden können!

Ich sage zum Schluss: Glaubt jemand hier herinnen angesichts der Salvinis, der Rechtsverletzungen in mehreren Mitgliedstaaten, der Entwicklung des Nationalismus in Europa, dass wir heute eine Mehrheit für das hätten, was unsere Gründerväter einst


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auf den Weg gebracht haben, was wir in der Europäischen Union derzeit an Grund­rechten, an Rechtsstaatlichkeit, an Binnenmarkt haben, und für die vier Freiheiten?

Neugründung heißt Rückschritt. Wir wollen eine Weiterentwicklung der Europäischen Union. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.  Zwischenruf des Abg. Martin Graf.)

Ich komme zu meinem letzten Satz, meine Damen und Herren. Wir haben es doch in den letzten Tagen deutlich gesehen: Der Brexit hat Ursachen primär im National­egoismus, im Populismus, in der persönlichen Eitelkeit, in den parteipolitischen Macht­spielen, im unverantwortlichen Umgang mit der Europäischen Union und mit den Unwahrheiten gegenüber der Europäischen Union. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen den Schlusssatz formu­lie­ren.


Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Othmar Karas, MBL-HSG (fortsetzend): Das sind die Ursachen des Brexits, und nicht die Europäische Union. Daher: Ent­wickeln wir sie mutig weiter! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Martin Graf: Was kann der Salvini dafür?)

11.17


Präsidentin Doris Bures: Als nächstes Mitglied des Europäischen Parlaments spricht Mag.a Evelyn Regner. – Bitte.


11.17.04

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Evelyn Regner (SPÖ): Frau Präsi­dentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich bin nicht nur europäische Abgeordnete, ich bin auch Gewerkschafterin (Abg. Neubauer: Und was sind Sie lieber?), und deshalb kann ich mich noch sehr gut daran erinnern, wie froh meine britischen Kolleginnen und Kollegen über die europäischen Regeln für bessere Arbeitsbedingungen waren, denn aufgrund europäischer Gesetze sind insbe­son­dere berufstätige Frauen in Großbritannien besser geschützt: gleiche Bezah­lung für die gleiche Arbeit (Abg. Martin Graf: So wie in Österreich!), mehr Rechte für Schwan­gere und Mütter am Arbeitsplatz, fairere Regelungen in der Teilzeit, bei atypischen Arbeitsverhältnissen; das heißt: eine stärkere Stimme der Beschäftigten. Das sind große Errungenschaften, die die Briten nur durch die Europäische Union haben, und das wird ihnen jetzt weggenommen.

Die großen Verlierer und Verliererinnen des Brexits sind also nicht die Konzerne, Anwälte, Wirtschaftsprüfer und so weiter, denn die werden es sich schon richten können; die machen London zum noch größeren Steuersumpf und schöpfen ihre Milliarden an Gewinnen ab. Die größten Verliererinnen und Verlierer sind Frauen, die in Teilzeit arbeiten, sind einfache Beschäftigte, sind Pensionistinnen und Pensionisten und sind vor allem junge Menschen, die der europäischen Idee absolut verhaftet sind, die Europa im Alltag wahrnehmen und denen jetzt die Chancen für die Zukunft genommen werden. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf: Märchenstunde!)

Nach einer beispiellosen Lügenkampagne hat eine Mehrheit der Britinnen und Briten für den Brexit gestimmt, und jetzt erst – jetzt erst, nach all dieser Zeit – wird für viele deutlich, welche dramatischen Folgen das hat, welche dramatischen Nachteile das mit sich bringt. Mit dem Brexit ist Großbritannien in eine Sackgasse hineingeraten. Es gibt keinen sinnvollen Ausweg. Das Gescheiteste wäre es, zurückzugehen, umzukehren, zurückzukommen. Wir als europäische Abgeordnete, fraktionsübergreifend, sehr viele an der Zahl, haben eine eindeutige Botschaft geschickt: We want you to stay!, weil es eine Lose-lose-Situation ist.


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Spätestens jetzt muss es allen vollkommen klar sein: All das, was wir in Europa haben, ist keine Selbstverständlichkeit, das ist hart erkämpft, das ist errungen. Wir müssen tagtäglich erstreiten, uns dafür einsetzen, dass wir das, was wir erreicht haben, weiter­entwickeln, aber wir müssen auch den Finger in die Wunde legen, weil noch lange nichts perfekt ist. Es gibt unendlich viel zu tun. Nicht alle Menschen in Europa haben vom Wohlstandsversprechen etwas gehabt. Da ist vieles auf der Strecke geblieben, und auch bei den Briten und bei den Britinnen ist das passiert.

Unsere Vision, unsere sozialdemokratische Vision ist deshalb eine, die beim Alltag ansetzt, bei handfesten Dingen. Es geht nicht darum, zu träumen – ich meine, ich träume sehr gerne, aber ich will ja keine Märchen erzählen, was in hunderttausend Jahren einmal möglich sein wird –, sondern es geht darum, handfeste Dinge, die den Alltag der Menschen in Europa betreffen, auf den Tisch zu legen, einzufordern und da etwas voranzubringen, die Menschen also mitzunehmen.

Wir fordern soziale Mindeststandards, klare Regeln und Kontrollen, damit die Pflegerin oder der Lkw-Fahrer aus Osteuropa nicht mehr Beschäftigte zweiter Klasse sind, son­dern Kollegen, echte Kollegen. Wir wollen, dass in Jugend investiert wird, gute Jobs für junge Köpfe, dass man sich den Skikurs leisten kann – nicht als Eliten­programm –, ein beheiztes Kinderzimmer als absolute Selbstverständlichkeit, und wir fordern eine echte Garantie in Bezug auf Kinder, nicht dass den Ärmsten aufgrund der Indexierung der Familienbeihilfe noch mehr weggenommen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Apple, Google und Co sollen auch ihren fairen Anteil an Steuern zahlen und nicht nur das berühmte Kaffeehaus, der Würstelstand ums Eck oder die Physiotherapeutin. Einstimmigkeit ist in diesem Zusammenhang nicht hilfreich, es ist nicht hilfreich, wenn es im Rat der Einstimmigkeit bedarf. Wir brauchen ein demokratischeres System, das heißt, das Einstimmigkeitserfordernis muss weg, denn sonst kommen wir da gar nicht mehr vom Fleck, wenn es um Steuern geht, und das sind Dinge, die wirklich den Alltag der Menschen betreffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir kämpfen so lange, bis Frauen endlich gleichberechtigt sind, bis die Wohnkosten nicht mehr als ein Viertel des Einkommens ausmachen. Ich zähle da schon viele Dinge auf, die den Alltag der Menschen betreffen. Auch die Rechtsstaatlichkeit ist eine absolut unabdingbare Voraussetzung. Diese handfesten, echten Verbesserungen, die den Menschen in Europa wirklich etwas bringen, sind mit dem Kurz’schen Schmal­spureuropa, das in erster Linie auf Subsidiarität pocht, nicht möglich. (Abg. Neubauer: Was haben denn Sie zustande gebracht?) Diese Verbesserungen sind nicht möglich, wenn man in erster Linie darauf schaut, was das für die Konzerne und für die Groß­spender bedeutet. Es geht darum, auf den kleinen Mann, auf uns alle, auf den Alltag der Menschen zu schauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass die FPÖ die Wörter Europa und Vision gleichzeitig in den Mund nimmt, ist ja wohl ein schlechter Scherz. Wir erinnern uns alle an die Öxitfantasien von Herrn Vilimsky (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen), und von den Europazerstörern im Europäischen Parlament mag ich gar nicht reden. (Abg. Höbart: Europazerstörer!)

Unsere sozialdemokratische Vision ist klar: Europa wird sozial sein, oder es wird nicht sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Martin Graf: Bei Ihnen werden wir uns nicht einmal den Namen merken! – Zwischenruf der Abg. Winzig.)

11.22


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Georg Mayer. – Bitte.



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11.22.46

Mitglied des Europäischen Parlaments Mag. Dr. Georg Mayer, MBL-HSG (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Zuhörer im Haus und außerhalb des Hauses! Mir läuft es immer ein bissl kalt den Rücken hinunter, wenn ich höre: Europa zerstören; aber das ist natürlich eine hermeneutische Deutung von euch, weil euch einfach auch ein bissl das Wissen fehlt, denke ich (Abg. Meinl-Reisinger: Oh! Erklären Sie es mir, bitte! – Zwischenruf bei der SPÖ), da tiefer in die Sache zu gehen. Deswegen wirft man vor, dass Europa zerstört wird. Aber was heißt denn das? – Ich meine, niemand ist so dämlich, zu sagen: Wir fordern, Europa zu zerstören! Eines ist aber auch klar: Europa ist nicht die Europäische Union, und die Europäische Union ist nicht Europa; das ist ein bissl mehr. (Beifall bei der FPÖ.)

Diese Silberstein-Methoden sind wir von den Sozialisten aber gewohnt. Kollege Schieder hat gerade vorhin gesagt, Vilimsky will aus der Europäischen Union austreten – so verschafft man sich natürlich Gehör. (Abg. Schieder: Aber stimmt’s oder stimmt’s nicht?) Das machen aber auch die NEOS mit dem Titel, den sie heute gewählt haben: Brexit als Chance für eine Neugründung Europas. (Abg. Schieder: Hallo!) – Hören Sie zu, Herr Kollege Schieder, da lernen Sie vielleicht noch etwas! (Abg. Schieder: Na, aber warum ...? – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Aus dem Blickwinkel von NEOS verstehe ich natürlich, dass man sich ein bissl Aufmerksamkeit verschaffen muss, allerdings wissen wir seit Montag, was das auf NEOS-Seite bedeutet: Das bedeutet nämlich die Vereinigten Staaten von Europa, das bedeutet die Abschaffung der Neutralität, das bedeutet ein EU-Heer, das auf der einen Seite die Amerikaner als Feind sieht (Ruf bei der ÖVP: ... Wahlprogramm!) und auf der anderen die Russen. – Na gratuliere, also das nenne ich nicht gerade eine frieden­stiftende Maßnahme! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist bedauerlich, und da stimmen wir mit ein, dass die Briten diese Union verlassen, weil die Briten immer auch ein bisschen ein Korrektiv waren, wenn es darum ging, nicht jeden Unsinn mitzumachen, der vonseiten der Union kam. Dieser Volksentscheid ist aber zu respektieren, geschätzte Kollegen, und die Frage ist immer: Was passiert denn, wenn eine zweite Abstimmung stattfindet? Was passiert denn, wenn die Briten wieder Nein sagen? – Dann sind wir so gescheit wie jetzt.

Dies ist auf jeden Fall zu akzeptieren, und ich kann Ihnen ein Geheimnis verraten: Die Insel wird nicht untergehen. Das war nämlich im Europaparlament auch eine Zeit lang Thema: Um Gottes willen, die verlassen die Union, jetzt wird diese Insel wahrscheinlich untergehen! – Sie wird es nicht tun, da bin ich mir ziemlich sicher, aber es ist not­wendig, einen geordneten Austritt der Briten zu organisieren. Ich denke, da sind wir uns einig, denn es kann für keinen von Vorteil sein – das ist wie bei einer Scheidung –, dass es einen ungeordneten Austritt gibt. Davor warnen wir, das hat Nachteile für beide Seiten.

Ich habe heute aber wieder neue Aspekte gehört, ich habe das zunächst gar nicht geglaubt, wir haben das in einer Gruppe besprochen, da wurde behauptet, die Popu­listen – und in diesem Fall nehme ich an, Sie meinen uns damit –, die bösen Populis­ten sind daran schuld, dass die Briten austreten. – Also das ist mir bitte ganz neu! Da bedarf es schon einer sehr naiven politischen Fantasie, dass man jetzt also den bösen Populisten die Schuld am Austritt Großbritanniens gibt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Mir ist das aber ein bissl zu wenig, was die Sozialisten hier bieten, nämlich einen Austausch von Schuldzuweisungen. Der Austritt der Briten ist tatsächlich eine Chance, da haben die NEOS in einer Sache recht, und diese Chance sollte man nutzen. Das Votum der Briten, das ist auch klar, war ein eindeutiges Misstrauensvotum der ältesten


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Demokratie in Europa, der zweitgrößten Volkswirtschaft in der Union gegenüber dieser Europäischen Union, und das müssen wir zur Kenntnis nehmen.

Jetzt gibt es die Chance, Dinge zu verändern, in der Union in einer neuen Qualität zu diskutieren, wie es weitergehen soll, und nicht eine – wie wir es ja auch von vielen Seiten hören – ever closer union voranzutreiben, denn das kann am Ende nicht die Lösung sein, das kann für uns auf jeden Fall nicht die Lösung sein.

Was passiert denn jetzt wieder im Europaparlament? – Wir verhandeln gerade das neue Budget. Was hören wir dort wieder? – Es soll wieder eine Budgetauffettung erfolgen. Was heißt das? – 27 Mitgliedstaaten – einer hat die Union verlassen – brauchen jetzt also mehr Budget, als 28 gebraucht haben?! Liebe Kollegen, das wird es mit uns nicht geben, und das ist freiheitliche Politik! (Beifall bei der FPÖ.)

Kontraproduktiv ist auch das Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn und gegen Polen. Das halte ich für kontraproduktiv; Kollege Karas hat da mitgestimmt. Ist das ein Weg, wie wir mit all den Mitgliedstaaten in einen neuen Dialog eintreten können? – Ich sage Nein.

Ziel muss es sein – und das ist unser Ziel, das ist aber auch das Ziel dieser öster­reichischen Bundesregierung –, eine schlanke Union zu schaffen. Die Lösung liegt auf dem Tisch, da muss man nicht besonders lange suchen; es ist nicht die NEOS-Lösung, Gott sei Dank, sondern es ist das Szenario 4, das lautet: „Weniger, aber“ dort, wo man zusammenarbeitet, „effizienter“. Das ist die Lösung und so soll es gehen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.27


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Peter Pilz. – Bitte. (Abg. Martin Graf: ... auch schon EU-Abgeordneter? – Ruf bei der FPÖ: In Brüssel gibt es keine Gemeindebauwohnung!)


11.27.54

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Danke schön, Frau Präsidentin! Ich bin, da schließe ich bei der Rede von Kollegin Meinl-Reisinger an, auch völlig unverdächtig, der Generation Gamon anzugehören (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), ich erwarte mir nur eines: dass der Vorschlag einer Abgeordneten unabhängig von Alter oder Fraktionszugehörigkeit in diesem Haus ernsthaft diskutiert wird. Ich bedaure, dass der Vorschlag, eine europäische Armee einzurichten, hier nur mit Polemiken und Unterstellungen, aber nicht mit Argumenten beantwortet worden ist.

Ich möchte versuchen, es kurz ernsthaft zu besprechen: Frau Kollegin Meinl-Reisinger, Sie haben gesagt, das Wichtigste ist, dass die Europäische Union jetzt auch sicher­heitspolitisch und militärisch handlungsfähig wird. Ich halte das für einen vollkommen falschen Zugang. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wenn das Kriterium der Handlungs­fähigkeit entscheidend dafür ist, ob etwas gut oder schlecht ist, dann haben wir derzeit eine ganz ausgezeichnete Bundesregierung, denn man kann ihr viel unterstellen, aber nicht, dass sie nicht handlungsfähig ist. Diese Bundesregierung ist handlungsfähig, und ich bedaure das, weil sie dadurch Tag für Tag unglaublich großen Schaden anrichtet. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Genau dasselbe kann bei der europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik passieren, wenn man das Falsche entwickelt.

Frau Kollegin Gamon, ich habe seinerzeit selbst in einer etwas anderen Debatte gesagt, wir müssen früher oder später über eine gemeinsame europäische Verteidi­gung – nicht Militärpolitik, Verteidigung – und auch über eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik bis hin zu einem Budget und einer gemeinsamen Armee reden. Es bleibt uns ja gar nichts anderes übrig.


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Ich habe aber auch einen Vorschlag gemacht, und mein Vorschlag hat gelautet: Es gibt drei Kernelemente der österreichischen Neutralität. Das erste Kernelement lautet: keine Teilnahme an Kriegen. Das zweite Kernelement lautet: kein Beitritt zu militäri­schen Bündnissen. Das dritte Kernelement lautet: keine Stationierung fremder Trup­pen. Und ich habe gesagt, wenn wir im Rahmen einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik die österreichische Neutralität aufgeben, dann nur zugunsten einer europäischen Verfassungs- und Militärneutralität, die genau diese Kernelemente in eine Verfassung hineinschreibt.

Wenn sich ganz Europa nicht an Kriegen beteiligt, wenn sich ganz Europa nicht an militärischen Bündnissen beteiligt und wenn ganz Europa selbst Verantwortung über­nimmt und keine Stationierung fremder Truppen zulässt, dann ist das ein Fortschritt im Rahmen einer rein defensiven Sicherheitspolitik.

Deshalb habe ich gestern auch ganz konkrete Fragen an Sie, Frau Kollegin Gamon, gestellt: Wie stellen Sie sich das vor? Wie soll das ausschauen? Soll als Vorleistung das österreichische Bundesheer aufgelöst werden? Wie hoch soll der Beitrag zu einem europäischen Militärbudget sein? (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ist die Voraussetzung, dass alle Nato-Mitgliedstaaten aus der Nato austreten? Vor allem aber: Bekennen Sie sich mit uns zu dem Grundsatz: Die österreichische Neutralität wird erst aufgegeben, wenn sich diese Grundsätze unserer Neutralität in der europäischen Verfassung wiederfinden? Das ist der entscheidende Punkt.

Das Zweite ist die Frage, ob das nicht nur ein guter Vorschlag ist, sondern ob es sinnvoll ist. Frau Kollegin Gamon, haben Sie, wenn Sie durch die Straßen Europas, Österreichs, Wiens gehen, irgendjemanden getroffen, der oder die sagt: Wir brauchen jetzt eine europäische Armee!? Ich treffe ständig Leute, die sagen: Wir brauchen eine europäische Sozialunion! Wir brauchen mehr Gerechtigkeit! Wir brauchen eine euro­päische Klimapolitik! Wir brauchen eine europäische Einwanderungspolitik! Wir brauchen ein demokratisches, transparentes Europa! Wir brauchen ein Bürgereuropa anstatt eines Konzerneuropas! Niemand sagt uns aber derzeit: Wir brauchen eine europäische Armee!

Das steht nicht auf der Tagesordnung, und ich verstehe nicht, meine Kolleginnen und Kollegen, nicht nur von den NEOS, warum Sie sich hier nicht um die Lebensfragen der Menschen in Europa kümmern (Zwischenruf bei der ÖVP), sondern ein Thema, das zu Recht derzeit nicht auf der Tagesordnung steht, ins Zentrum Ihres Wahlkampfs stellen. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.) Ich verstehe es nicht. (Beifall bei JETZT. – Ruf bei den NEOS: Dann überlegen Sie sich, warum Sie es nicht verstehen!)

Letzter Satz, weil ich auch den Auftritt des geschätzten Kollegen Karas würdigen will: Es tut mir persönlich wirklich leid, Othmar Karas - -


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen jetzt den Schlusssatz for­mulieren.


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Frau Präsidentin, das ist der Schlusssatz, in jeder Hinsicht: Mir tut es persönlich wirklich leid, dass ein unabhängiger, sehr selbstständiger, europaverpflichteter Abgeordneter erstmals in seiner langen und großen politischen Karriere seine Ziele und seine Politik der Disziplin einer antieuropäischen Regierung unterordnet. Ich bedaure das zutiefst. (Beifall bei JETZT. – Ruf bei der ÖVP: Meine Güte!)

11.33


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.



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11.33.59

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Galerie! Ich möchte ganz kurz auf die Ausführungen des Kollegen Karas eingehen, der leider ein bisschen versteckt ist, deswegen ist es schwierig, Blickkontakt mit ihm aufzunehmen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Vielleicht schaffen wir es ja, die Mitglieder des Europäischen Parlaments im neuen Hohen Haus – beziehungsweise im alten, wenn wir umsiedeln – besser zu positionieren. (Zwischenruf des Abg. Mölzer.)

Herr Kollege Karas, Sie haben davon gesprochen, dass die Vereinigten Staaten von Europa eine Themenverfehlung sind. Wissen Sie, was als Erstes kommt, wenn man Karas und Vereinigte Staaten von Europa googelt? – Ein Artikel aus der „Presse“ vom 15.1.2012, dessen Überschrift lautet: „Karas für ‚Vereinigte Staaten von Europa‘“. (Beifall bei den NEOS.) Sie sprechen davon, dass das aus unserer Perspektive ein Rückschritt ist. – Der einzigen Rückschritt, den ich heute hier erlebt habe, ist Ihr Posi­tionsrückschritt, dass Sie sich von Ihrer Position zurückziehen, nämlich anscheinend nur – und da hat Kollege Pilz recht –, weil Sie der neuen türkis-blauen, schwarz-blauen – wie auch immer – Regierung gefallen wollen. Das finde ich – ganz ehrlich – nicht sehr ehrlich, und das ist auch kein gutes Vorzeichen für die Europawahl, wenn das die Versprechen sind, die Sie dann halten.

Kommen wir zum Thema zurück; ich möchte ein bisschen über das Thema euro­päische Verteidigung sprechen: Wir haben eine globale Lage, und das ist schon von vielen Vorrednern angesprochen worden, in der sich in den letzten Monaten und Jahren vieles verändert hat. Es gibt auf der einen Seite mit Donald Trump einen Präsidenten, der unberechenbar ist und Europa die ganze Zeit mittels Tweets vor sich hertreibt, und auf der anderen Seite mit Russland und China zwei ebenso unberechen­bare Akteure, die auch beide ständig aufrüsten.

Da muss es als Europa natürlich in unserem Sinne sein, in eine gemeinsame Ver­teidigung zu investieren, um langfristig Sicherheit zu gewährleisten. Die Basis für diese gemeinsame Verteidigung muss natürlich immer die Solidarität innerhalb Europas sein, die Friedenssicherung, weil Europa von Anfang an ja ein großes Friedensprojekt war und nach wie vor ist; und ein ganz wichtiges Thema ist natürlich auch immer die Achtung der Menschenrechte. Das müssen die Pfeiler sein, die wir hinsichtlich einer europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik einschlagen.

Wenn man dann behauptet, wir seien neutral und die Neutralität sichere uns, dann muss ich leider sagen, das ist nicht mehr so. Es ist nicht so, dass Cyberattacken, wenn wir an der Grenze ein Schild mit der Aufschrift Neutralität aufstellen, dann plötzlich haltmachen, nach dem Motto: Ich gehe jetzt lieber nicht über diese Grenze drüber, denn das ist ein neutrales Land! – Die Neutralität alleine ist kein Garant für Sicherheit (Abg. Schieder: Aber eine Armee auch nicht!), und dementsprechend müssen wir da – wir sind sogar in der Pflicht – weitere Schritte setzen, weiterdenken und eine lang­fristige Perspektive hinsichtlich einer gemeinsamen europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik mit – natürlich, Herr Kollege Schieder – einer europäischen Armee entwickeln (Abg. Schieder: Ist auch kein Garant!), denn nur so werden wir langfristig Sicherheit gewährleisten können.

Fakt ist, es gibt in Europa, in den Nachbarstaaten, auch wenn es nicht direkt unsere Grenzen betrifft, ganz viele Konflikte, und es wäre eine Lüge, zu sagen, die betreffen uns nicht, das ist nicht an unserer Grenze, wir sind von all dem, was da passiert, unberührt. Natürlich hat das Auswirkungen auf uns, und wir alle wissen, dass wir die Folgen der Flüchtlingskrise hier nach wie vor regelmäßig diskutieren. Natürlich haben diese Konflikte einen Einfluss auf uns, und dementsprechend müssen wir hier ge-


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meinsam agieren, müssen wir das große Ganze sehen und müssen als Europa stärker zusammenhalten. Wenn ein Konflikt nicht direkt unsere Grenzen betrifft, heißt das nicht, dass er nicht unsere Sicherheit, unseren Wohlstand und unseren Frieden gefähr­den kann, daher müssen wir da Schritte setzen.

Eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik hat aber auch noch viele andere Vorteile, beispielsweise auch einen finanziellen. Die EU-28 – noch 28 – geben insgesamt 227 Milliarden Euro jährlich für Verteidigungspolitik aus. Die Europäische Kommission sagt, man kann da ordentlich sparen. Laut Berechnungen sind es zwi­schen 25 und 100 Milliarden Euro, die man da sparen kann; die gemeinsame Luftraum­überwachung ist beispielsweise immer wieder ein Thema gewesen.

Die Nachrichtendienste sind ein ganz wichtiger Bereich, in dem wir nach wie vor Probleme haben, denn sie alle achten viel zu stark auf ihre Nation und arbeiten viel zu wenig zusammen, kooperieren zu wenig. Es gibt regelmäßig Terroranschläge, und wir wissen, dass bei den letzten 23 Terroranschlägen in Europa mindestens ein Attentäter in irgendeinem europäischen Land bereits amtsbekannt und den Verfassungs­schüt­zern vor Ort bekannt war. Weil wir nicht gut genug zusammenarbeiten, haben wir diese Dinge nicht verhindern können. Gerade, wenn uns Sicherheit wichtig ist, müssen wir da die europäische Perspektive sehen und an dieser europäischen Perspektive arbeiten.

Alles in allem, glaube ich, ist es wichtig, dass wir jetzt mutig nach vorne gehen. Wir sind – leider – anscheinend die Einzigen, die mutig nach vorne gehen und sagen: Wir wollen die nächsten Schritte setzen, wir wollen, dass dieses Europa langfristig ein Ort des Friedens ist, und dementsprechend in eine gemeinsame Sicherheits- und Ver­teidigungspolitik investieren! Nur ein starkes Europa kann auch handlungsfähig blei­ben, und das ist uns ganz besonders wichtig. (Beifall bei den NEOS.)

11.39


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mar­tina Kaufmann. – Bitte.


11.39.28

Abgeordnete Martina Kaufmann, MMSc BA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin, herzlichen Dank fürs Wort! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Heute möchte ich besonders die Schülerinnen und Schüler der siebten Klasse des BG und BRG Körösi und ihren Lehrer aus meinem Wahlkreis hier begrüßen. (Zwischenruf des Abg. Schieder.) Schön, dass Sie diese Diskussion, gerade zu einem wichtigen Thema wie Europa, mitverfolgen können! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Als ich gelesen habe, dass wir heute über Europa diskutieren, habe ich mich sehr gefreut, denn ich bin wie Kollegin Gamon (Zwischenruf der Abg. Gamon) die meiste Zeit meines Lebens innerhalb der Europäischen Union aufgewachsen. Allerdings war ich, muss ich sagen, als ich den Ausführungen der Kollegin Gamon gefolgt bin, sehr, sehr enttäuscht, wie zentralistisch die Vorstellungen auf der einen Seite sind, aber auch darüber, dass sie vergisst, was die ÖVP dazu beigetragen hat, und vieles kritisiert. Dabei waren es gerade wir, die ÖVP, die eine klar proeuropäische Aus­richtung der jetzigen Bundesregierung klargestellt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir waren es als Bundesregierung, die Österreich im Rahmen des Ratsvorsitzes auch innerhalb der Europäischen Union klar für den gemeinsamen Weg der Europäischen Union positioniert haben.

Zentralistisch? – Nein, dafür stehen wir als Volkspartei garantiert nicht! Es ist die Aufgabe jeder Gebietskörperschaft – es ist wurscht, ob das die europäische Ebene ist, ob das Österreich ist, ob das die Länder oder die Gemeinden sind –, jeder Ebene, die


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Probleme zu lösen, die von dieser am besten gelöst werden können, und es ist unsere Aufgabe, uns auch weiterhin dafür einzusetzen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Gerade für uns junge Menschen, Frau Kollegin, ist es besonders wichtig, die Vorteile der Europäischen Union hervorzukehren und weiter daran zu arbeiten.

Welche Vorteile gibt es? – Jährlich nutzen über 8 000 Studierende aus Österreich Erasmus. Über 4 000 Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, im Ausland wichtige Erfahrungen zu sammeln, und – und das ist mir als Bereichssprecherin für die duale Berufsausbildung, also die Lehre, besonders wichtig – über 600 Lehrlinge haben die Möglichkeit, praktische Erfahrungen in einem Betrieb im Ausland zu sammeln. Da müssen wir ansetzen, sodass es auch in Zukunft vielen Menschen, die sich in einer dualen Berufsausbildung befinden, möglich ist, solche Erfahrungen zu sammeln.

Ich selbst hatte die Gelegenheit, in Frankreich, in einem Vorort von Paris, in Saint-Germain-en-Laye, diese praktischen Erfahrungen zu sammeln. Nicht nur das, was ich dort vonseiten des Berufs kennengelernt habe, sondern auch das, was ich die Eigenverantwortung betreffend gelernt habe, war wichtig – etwa dabei, sich selbst­ständig in einem fremden Land um eine Unterkunft zu kümmern –, sondern auch die Erfahrungen, die ich dahin gehend sammeln konnte, wie es ist, sich mit Menschen aus anderen Kulturen zu verständigen, das Miteinander zu erleben. Genau das ist das, was für uns, für junge Menschen wichtig ist. Es ist wichtig, dass wir unseren jungen Men­schen innerhalb der Europäischen Union das Gemeinsame, Frau Kollegin Gamon – Sie haben meine Aussprache Ihres Namens vorhin gerade ausgebessert –, vermitteln. Es ist wichtig, dass wir das weitergeben.

Mit dem im letzten Jahr eingeführten europaweiten Interrailticket, das auch verlost wurde, hatten über 300 Jugendliche aus Österreich die Chance, Europa kennen­zulernen. Auch heuer wird es das wieder geben. Es ist ganz wichtig, auch zu wissen, dass unsere jungen Europäerinnen und Europäer die Chance haben, Europa so ken­nenzulernen. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass uns das in Zukunft weiter­hin gelingt.

Wir, die Volkspartei, haben in der Vergangenheit oftmals die Vorreiterrolle in der Euro­päischen Union und im Zusammenhang mit dem Einfordern dieses Miteinanders, dieses subsidiären Miteinanders innerhalb der Europäischen Union eingenommen und daran gearbeitet. Das werden wir mit Othmar Karas, Karo Edtstadler, Angelika Winzig, Simone Schmidbauer und dem gesamten Team für die Europawahl im heurigen Jahr auch weiterhin tun, mit einer starken proeuropäischen Bundesregierung und einer starken, klaren österreichischen Haltung für ein faires Europa. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)

11.44


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried ist der nächste Redner. – Bitte.


11.44.23

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn meiner Ausführungen Abgeordnetem Karas recht geben. Er hat in seiner Rede gesagt, die Europäische Union war die beste Idee, die dieser Kontinent je gehabt hat. So lange Zeit in Frieden, Sicherheit, Demokratie hat es in der gesamten europäischen Geschichte wahrscheinlich noch nie gegeben. – Dann ist der Brexit gekommen, und dieser Brexit hat uns meines Erachtens zwei Dinge gelehrt. Erstens: Dieser Prozess ist nicht unumkehrbar; er kann geändert werden, er kann sich umkehren. Und zweitens: Eine Politik der Spaltung, der Unwahrheiten, der


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Lügen führt ins Desaster und verursacht riesigen Schaden, geschätzte Damen und Herren.

Wir sehen heute in Großbritannien, wie weit opportunistische Konservative, die das Tor aufgemacht haben, Rechtspopulisten und Privatschulsnobs ein Land treiben können. Diese Menschen sind verantwortlich für dieses Chaos, geschätzte Damen und Herren; da wurde gezündelt. (Beifall bei der SPÖ.)

Dort wurde die Gesellschaft mit falschen Informationen bewusst gespaltet, was zu einer riesigen Krise geführt hat. Es ist klar, Großbritannien muss aus diesem Chaos selbst herausfinden, aber wir müssen uns darum kümmern, dass es nicht zu einem unkon­trollierten Brexit kommt, denn ein solcher brächte für alle sehr großen Schaden. Daher ist es jetzt wichtig, den Briten die Hand zu reichen, im Dialog zu bleiben und – auch wichtig – flexibel zu bleiben. Es ist wahrscheinlich notwendig, die Frist zu verlängern, und es ist wahrscheinlich auch notwendig – und das sehe ich anders als Sie, Herr Blümel –, nachzuverhandeln. Es ist absolut verständlich, dass Opposition und Gewerk­schaften in Großbritannien einem Deal, den May ausgehandelt hat, der ausschließlich den Wirtschaftsinteressen dient, nicht zustimmen können, wenn die Rechte der ArbeitnehmerInnen, wenn all die sozialen Rechte durch diesen Austritt wieder weg­fallen. Geschätzte Damen und Herren, das versteht doch jeder. (Beifall bei der SPÖ.)

Niemand, der halbwegs ernst zu nehmen ist, kann Interesse an einem harten Brexit haben. Geschätzte Damen und Herren! Für den Fall, dass sich die Briten zu einem zweiten Referendum entschließen – das ist natürlich ihre Angelegenheit und nicht unsere; und zwar ohne Fake News, russische Einflussnahme und Lügen –, haben wir es zu akzeptieren, sollte sich Großbritannien dafür entscheiden, in der Europäischen Union zu bleiben.

Wir haben Glück, dass Österreich heute nicht in derselben Situation ist. Ich war ganz verwundert über die Ausführungen des EU-Abgeordneten Mayer und auch der Frau Abgeordneten Steger, die jetzt so tun, als wäre nichts gewesen, als wäre die FPÖ nie für einen Austritt gewesen (Abg. Mölzer: Wir waren die Ersten, die ...!), als wäre die FPÖ nicht für eine Abstimmung in Österreich gewesen, geschätzte Damen und Herren. (Abg. Mölzer: ... SPÖ der Sechziger-, Siebzigerjahre! Verdrehen Sie nicht die Tat­sachen! Lernen Sie einmal Geschichte!)

Vor drei Jahren hat Klubobmann Strache beantragt – ich habe den Antrag mit –, dass eine Volksabstimmung über einen EU-Austritt in Österreich abgehalten wird. Davon können Sie sich jetzt nicht lossagen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höbart: Ein alter Hut!) Wäre man diesen Plänen nachgekommen (Abg. Steger: Es wird nicht wahrer, je öfter Sie es sagen! – Abg. Höbart: Wen interessiert das?), hätten wir dasselbe Deba­kel gehabt. Und das führt mich zu der berechtigten Frage: FPÖ, was ist mit euch? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Haider: Das wirst du gleich hören, was mit uns ist!)

Ich bin froh, dass uns das erspart geblieben ist, und ich frage Sie jetzt noch einmal: Herr Klubobmann Gudenus, Herr Strache, sind Sie noch immer dafür, dass wir austreten, oder bekennen Sie sich endgültig zu unserer Mitgliedschaft in der Euro­päischen Union und zur Weiterentwicklung dieser Mitgliedschaft? Das frage ich Sie! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

11.48


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Roman Haider ist der nächste Redner. – Bitte. (Abg. Höbart – in Richtung SPÖ –: Gut zuhören!)


11.49.01

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Lieber Kollege Leichtfried, Gratulation zu deinen Kenntnis-


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sen und Fähigkeiten als Laienschauspieler. Das, was du hier jetzt zum Besten gegeben hast, ist wirklich das beste Beispiel, die beste Erklärung dafür, warum die SPÖ jede Wahl, eine nach der anderen, in der letzten Zeit verloren hat. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Leichtfried: Was ist mit dem Antrag? Sag, was mit dem Antrag ist!)

Ihr erkennt nicht das Problem und vor allem zieht ihr auch die völlig falschen Schlüsse daraus. Weißt du warum? – Weil ihr in der Analyse beim Faktencheck schon völlig falsch seid.

Jetzt sage ich dir einmal, was wirklich der Grund für den Brexit ist – damit sollten wir uns auch einmal auseinandersetzen, wenn es hier schon um das Thema „Jetzt ist die Chance, Europa neu zu gründen!“ geht. Schauen wir uns doch, bevor wir die EU neu ordnen, an, warum denn der Brexit überhaupt stattgefunden hat! – Das kann ich dir ganz genau sagen: Es war der Moment des totalen Kontrollverlusts, der totalen Plan- und Hilflosigkeit im Jahr 2015, als unter einem SPÖ-Bundeskanzler Faymann die Grenzen in Österreich aufgemacht wurden und Horden von Migranten unser Land überschwemmt haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir wissen nicht einmal, wie viele Millionen es waren, ob es eine Million, ob es zwei Millionen waren. Keine Ahnung! Niemand weiß, wie viele ihr durchgelassen habt und wie viele dann euer Kurzzeitkanzler, der sich in dieser Zeit als ÖBB-Chef quasi als oberster Schlepper der Nation betätigt hat, gratis durch unser Land durchgeschleppt hat. Wir wissen gar nichts. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Jetzt kann ich es dir sagen: Als diese Bilder von unseren Grenzen im britischen Fern­sehen zu sehen waren, hat sich entschieden, wie die Briten bei ihrer Volksabstimmung stimmen werden. Damals hat es sich entschieden. Als die Briten diese Bilder von unseren Grenzen gesehen haben, haben sie gesagt: Nein, das wollen wir in Groß­britannien nicht! Das geht bei uns auf gar keinen Fall! Da machen wir zu, da spielen wir nicht mehr mit! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das ist euer ganz persönlicher sozialistischer Beitrag zur Spaltung Europas, das dürft ihr euch auf eure Fahnen heften. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ihr seid die wahren Spalter. Wenn euch der Wähler im Herbst 2017 nicht aufgehalten hätte, dann würdet ihr in Österreich bei der Spaltung und Zerstörung jeglicher euro­päischer Zusammenarbeit noch munter genauso weitermachen. Eine solche Spaltung wollen wir nicht! Wir wollen eine gedeihliche Zusammenarbeit der Staaten und Völker Europas. Wir wollen keine Spaltung.

Ein ehemaliger bayerischer Ministerpräsident hat einmal folgenden Satz gesagt, der mir sehr gut gefällt: „Europa ist wichtig für unsere Zukunft, aber es kann das Vaterland nicht ersetzen.“ – Genau das ist der Knackpunkt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) „Europa [...] kann das Vaterland nicht ersetzen.“ – Wir wollen nicht, dass ein europäischer Superstaat, die Vereinigten Staaten von Europa, unser Vaterland Österreich ersetzt. (Zwischenruf des Abg. Schieder.) Das wollen wir nicht, das wollen die Briten nicht. Und fragen Sie einmal die Menschen in den osteuropäischen Staaten, die 60 Jahre UdSSR und dergleichen hinter sich gebracht haben: Die wollen auf gar keinen Fall wieder in einer EUdSSR aufwachen! Das kann ich Ihnen sagen, auch mit denen wird es das nicht spielen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schieder: Die DDR ist 40 Jahre geworden, nicht 60!)

Ich wollte Herrn Karas heute nicht ansprechen, aber nun doch zu Herrn Karas: Herr Trauttmansdorff hat Ihnen heute schon eines Ihrer Zitate um die Ohren geworfen, jetzt kommt das nächste, Herr Karas, ich kann es Ihnen nicht ersparen. Sie haben zu den NEOS gesagt, die Forderung nach den Vereinigten Staaten von Europa sei eine Irreführung. – Das finde ich zwar auch, das ist richtig, aber ich erinnere Sie an das,


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was Sie 2012 öffentlich gesagt haben – ich zitiere jetzt wörtlich –: „Der Euro steht nur auf einem Bein. Wenn wir nicht die EU als Vereinigte Staaten von Europa denken, haben wir nicht die ausreichende Lehre aus der Krise gezogen.“ – Herr Karas, stellen Sie sich also bitte hierher und distanzieren Sie sich, aber versuchen Sie bitte nicht, von Ihren alten Ansichten abzulenken! (Beifall bei der FPÖ.)

Wer sagt, er will mehr EU, der sagt gleichzeitig, er will weniger Österreich – mehr EU bedeutet auch immer weniger Österreich –; und wer einen europäischen Zentralstaat will, der will Österreich abschaffen. Auch die Kollegen von den NEOS werden mir hier zustimmen (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen): Wer einen europäischen Superstaat will, will Österreich auslöschen, will Österreich zerstören (Ruf bei der SPÖ: „auslöschen“! – Abg. Meinl-Reisinger: „auslöschen“!) und ist bei den Schieders, den Karas’, den NEOS gut aufgehoben. Wer aber Österreich im Herzen hat, der wird sich bei dieser Wahl für die FPÖ entscheiden.


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen nun zum Schlusssatz kommen.


Abgeordneter Mag. Roman Haider (fortsetzend): Mein Schlusssatz: Wir Freiheit­lichen sind die Einzigen, wo nicht nur Österreich draufsteht, sondern wo auch Öster­reich drinnen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

11.54


Präsidentin Doris Bures: Ich wurde ersucht, die Gruppe aus der Gemeinde Sigharting, die sich auf der Galerie befindet, zu begrüßen. Herzlich willkommen im Parlament! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dipl.-Ing.in Martha Bißmann. – Bitte, Frau Abgeord­nete.


11.55.05

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Geschätzte Bundesminister Blümel und Hofer! Meine Damen und Herren im Saal! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! (Die Rednerin stellt ein Foto, das den Schriftsteller Stefan Zweig zeigt, auf das Rednerpult.) Es gab einmal einen Mann, der hatte einen Traum – und dieser Traum ist auch mein Traum, es ist auch unser gemeinsamer Traum, es ist der Traum Europas. Stefan Zweig hat in dunklen Zeiten gesehen, dass wir ein vereintes Europa brauchen, ein Europa der verschiedenen Kulturen und Sprachen, einen Kontinent der Vielfalt, in dem Zusammenhalt herrscht (Zwischenruf der Abg. Povysil), dass die Anerkennung der unterschiedlichen Eigen­arten einen Wert hat und dass daraus eine Kraft entsteht. (Abg. Hafenecker: Das ist ein guter Autor!)

Heute, im Jahr 2019, sind in Brasilien die Rechtspopulisten an der Macht und forcieren unter anderem die Zerstörung des Regenwalds, der grünen Lunge des Amazonas. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Im Jahr 1940, vor 79 Jahren, lebten in Brasilien Stefan Zweig und seine Frau. Sie sind dorthin ins Exil geflüchtet, vor den Schrecken des Zweiten Weltkriegs und vor dem sicheren Tod in einem Konzentrationslager. Zweig, einer der bedeutendsten Schriftsteller und Visionäre, die Österreich jemals hervor­gebracht hat, hatte die Vision eines friedlichen Europas. Der überzeugte Pazifist bezeichnete den Nationalismus als Erzpest.

Zur gleichen Zeit in Europa hatte ein Österreicher namens Adolf Hitler in Deutschland die Macht ergriffen und überfiel ein Land nach dem anderen. Hitler hatte auch die Vision eines geeinten Europas – allerdings eines faschistischen unter deutschnatio­naler Herrschaft.


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Heute herrscht in Europa Frieden, wir sehen jedoch den Schatten des Rechtspopu­lismus – ein Schatten, der Rassismus, Selbstsucht, Gier und Umweltzerstörung mit sich bringt. Auch heute werden in Europa Menschen, ob Roma oder Juden und in besonderem Maße auch Muslime, aufgrund ihrer Herkunft und Religion dämonisiert und unter Generalverdacht gestellt.

Rechtspopulismus beschreibt eine Politik, die die guten Menschen als die Schwachen und Dummen darstellt. Es ist eine Politik, in der das Recht des Stärkeren und vor allem des Reicheren zählt, eine Politik, die in Kauf nimmt, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken (Abg. Hafenecker: Das ist ein Oberstufenreferat, das Sie halten!), eine Politik, die versucht, uns zu spalten, die uns Zäune und Mauern verkauft und die versucht, Europa wieder in die Vergangenheit zu katapultieren.

Ich denke, Stefan Zweig würde das genauso sehen wie ich, wenn ich jetzt sage: Wir, die verdammten Gutmenschen, wir sind nicht schlechter, wenn wir versuchen, gut zu sein. Nein, wir werden dadurch besser. Und wir sind nicht schwach, wir sind stark, weil wir andere Kulturen, Religionen respektieren, weil wir das Leben und weil wir unsere Umwelt respektieren.

„United in diversity“, vereint in Vielfalt – ich bin überzeugt, Stefan Zweig hätte das Motto der Europäischen Union geliebt. In anderen Worten klang das damals nämlich so: „Europäer zu sein bedeutet, anzuerkennen, dass wir ein vielfältiges Erbe haben, dass wir die anderen brauchen, um uns selbst zu verstehen. Wir sind aus den anderen erwachsen.“

Die geistigen Väter und Mütter der Europäischen Union sahen in dieser Gemeinschaft kein rein pragmatisches Wirtschaftszweckbündnis. Sie sahen darin vor allem eine kulturelle Wertegemeinschaft, welche Europa dauerhaft Frieden und Wohlstand brin­gen wird. Dieser Traum wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Stück für Stück Wirklichkeit. Und da bin ich jetzt bei Kollegen Lopatka: Es braucht keine Neugründung Europas, es braucht nur die Rückbesinnung auf den Grundgedanken. Es braucht selbstverständlich eine Weiterentwicklung, und es braucht vor allem eine Bewahrung der Menschenrechte.

Die Europäische Menschenrechtskonvention war die Antwort auf zwei Weltkriege und den Holocaust. Seit 60 Jahren steht sie in Österreich in Verfassungsrang.

Wir haben das nationalistische, das faschistische Europa überwunden. Wir lassen uns diesen Traum nicht mehr nehmen. Niemand rüttelt an den Menschenrechten! Die Feinde der Freiheit haben keine Chance. Wir lassen uns den Frieden, wir lassen uns die Freiheit in Europa nicht nehmen. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.) Dieses Europa ist schon so stark, es hat sich schon so an den Frieden gewöhnt, es liebt den Frieden. – Es lebe der Friede, es lebe die Freiheit, es leben die europäischen Menschenrechte, es lebe die Politik, die sich dem Recht unterordnet!


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen nun den Schlusssatz formulieren, Frau Abge­ordnete.


Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (fortsetzend): Es lebe die Zukunft Europas, es leben seine Menschen, denn sie sind die Chance Europas! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf: Amen!)


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12.00


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

12.00.50Einlauf und Zuweisungen


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 2712/J bis 2749/J

2. Anfragebeantwortungen: 2351/AB bis 2358/AB

B. Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 562/A(E) der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Valorisierung von Transferleistungen

Antrag 563/A der Abgeordneten Mag. Bruno Rossmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundespflegegeldgesetz geändert wird

Gesundheitsausschuss:

Antrag 566/A(E) der Abgeordneten Ing. Maurice Androsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Kontrollen von Lebendtiertransporten am Transportweg zur Verhin­derung unnötigen Tierleids

Kulturausschuss:

Antrag 570/A(E) der Abgeordneten Mag. Thomas Drozda, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einsetzung von interministeriellen Arbeitsgruppen zur sozialen Lage von KünstlerInnen

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 567/A(E) der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Für den Erhalt von sauberem Trinkwasser in ausreichender Menge auch für zukünftige Generationen

Rechnungshofausschuss:

Antrag 561/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Dr. Brigitte Povysil, Kolleginnen und Kollegen gemäß § 99 Abs. 1 GOG auf Beauftragung des Rechnungshofes mit der Durchführung eines besonderen Aktes der Gebarungsprüfung hinsichtlich Ressortfüh­rung des Gesundheitsministeriums in der XXIV. und XXV. Gesetzgebungsperiode in den Jahren 2009 bis 2017 durch SPÖ-Gesundheitsminister

Umweltausschuss:

Antrag 568/A(E) der Abgeordneten Ing. Markus Vogl, Kolleginnen und Kollegen betref­fend mögliche Gesundheitsgefährdung durch Tätowierfarben

Verkehrsausschuss:

Antrag 564/A(E) der Abgeordneten Mag. (FH) Maximilian Unterrainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Korridor-Maut auf der Brennerstrecke

Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie:

Bundesgesetz über Ziviltechniker (Ziviltechnikergesetz 2019 – ZTG 2019) (478 d.B.)


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Antrag 565/A(E) der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend Nein zu TTIP egal in welcher Form

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Bericht der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend Jahresvorschau 2019 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-245 d.B.)

Außenpolitischer Ausschuss:

Bericht der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres über das EU-Arbeits­programm 2019 (III-251 d.B.)

Landesverteidigungsausschuss:

Bericht des Bundesministers für Landesverteidigung betreffend Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission und Vorhaben des Rates für das Jahr 2019 (III-246 d.B.)

Verfassungsausschuss:

Gemeinsamer Bericht des Bundeskanzlers und des Bundesministers für EU, Kunst, Kultur und Medien betreffend EU Jahresvorschau 2019 gemäß Artikel 23f Absatz 2 B-VG (III-247 d.B.)

*****

Ankündigung eines Dringlichen Antrages


Präsidentin Doris Bures: Der Klub JETZT hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäfts­ordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 571/A(E) der Abgeordneten Dr. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend „das Vertrauen des Nationalrates in die Bundes­regierung“ dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr, in 3 Stunden, in Verhandlung genommen.

Fristsetzungsanträge


Präsidentin Doris Bures: Weiters teile ich mit, dass Herr Abgeordneter Mag. Leichtfried beantragt hat, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 274/A der Abgeordneten Mag. Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz und andere Gesetze geändert werden, eine Frist bis zum 26. Februar 2019 zu setzen.

Ferner liegt das Verlangen von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Ge­schäftsord­nung vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzuführen.

Da für die heutige Sitzung die Behandlung eines Dringlichen Antrages verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an die Behandlung des Dringlichen Antrages erfolgen.

Schließlich teile ich noch mit, dass Herr Abgeordneter Mag. Leichtfried beantragt hat, dem Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie zur Berichterstattung über den Antrag 565/A(E) der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen


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betreffend „Nein zu TTIP egal in welcher Form“ eine Frist bis zum 26. Februar 2019 zu setzen.

Der gegenständliche Antrag wird gemäß der Geschäftsordnung nach Beendigung der Verhandlungen in dieser Sitzung zur Abstimmung gebracht werden.

Behandlung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 2 und 3, 9 und 10, 11 bis 16, 17 bis 23 sowie 26 bis 30 der Tagesordnung jeweils zusam­menzufassen.

Ich frage, ob es dagegen einen Einwand gibt. – Das ist nicht der Fall.

Redezeitbeschränkung


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der heutigen Debatte erzielt. Demgemäß wurde eine Tages­blockzeit von 7 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: ÖVP 130, SPÖ und FPÖ je 116 sowie NEOS und JETZT je 39 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit jener Abgeordneten, die keinem Klub angehören, für die gesamte Tagesordnung je 20 Minuten, darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die soeben dargelegten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hierfür aussprechen, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

12.04.171. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (449 d.B.): Bun­des­gesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (30. StVO-Novelle) (479 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Ich begrüße Herrn Bundesminister Hofer in unserer Mitte.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Alois Stöger. – Bitte, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.


12.05.00

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Verkehrsminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Besuchergalerie und zu Hause! Meine sehr verehrten Abgeordneten! Verkehrssicherheit muss Vorrang haben – das ist genau das gewesen, was sozialdemokratische Verkehrspolitik immer ausgemacht hat.


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Wir haben viel dazu beigetragen – nicht nur wir, sondern auch die Technik, die Men­schen, die sich mit dem Verkehr auseinandersetzen –, dass der Verkehr in Österreich sicherer geworden ist. Das zeigt die Statistik. Im Jahr 2018 gab es in Österreich 400 Verkehrstote, das ist ein absoluter Tiefststand – aber jede und jeder Verkehrstote ist eine, ist einer zu viel. Es ist wichtig, dass wir, wenn wir Verkehrsregeln ändern, damit sehr, sehr sensibel umgehen und dass gerade im Straßenverkehr immer auf die Verkehrssicherheit Bedacht genommen wird.

Worum geht es beim heutigen Vorschlag? – Die Regierungsparteien wollen popu­lis­tisch ein paar Themen diskutieren wie zum Beispiel Abbiegen bei Rot. (Abg. Deimek: Nicht diskutieren, beschließen!) – Klingt recht gut, aber wie geht es behinderten Menschen damit, wenn man bei Rot auf einmal die Verkehrssicherheit infrage stellt, wenn man bei Rot rechts abbiegen kann? Da gibt es Personengruppen, die dabei verlieren. (Abg. Deimek: Wie ist das in den anderen Ländern?) Wie geht es Kindern damit, wenn die Klarheit, wie die Verkehrsregeln sind, verloren geht? (Abg. Deimek: In Deutschland sterben die Kinder ...!)

Wir haben im Ausschuss die Frage massiv diskutiert, was die Verkehrsregeln betrifft, welche Zusatztafeln es gibt, wo diese aufgestellt werden, woran der Straßenver­kehrs­teilnehmer erkennt, an welcher Kreuzung man bei Rot auch rechts abbiegen kann. Wir haben den Minister gefragt, wie die Versuchsanordnung bei den Versuchskreuzungen ist. Sie sind in Linz, ich kenne diese Kreuzungen auch – nicht alle kennen Linz so gut wie ich. (Abg. Deimek: Aber ich kenne es auch! 20 Jahre dort gearbeitet! Danke! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Da wird man nicht erkennen, wie man damit umgeht. Wie sieht der gesamte Versuch aus, wer evaluiert den Versuch? – Es sind Fragen offengeblieben, daher lehnen wir diese Änderungen in der Straßenverkehrs­ordnung ab, weil es uns darum geht, Verkehrssicherheit in den Vordergrund zu stellen und weniger Populismus zu betreiben. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrter Herr Bundesminister, Herr Verkehrsminister, ich bitte Sie, sich verstärkt mit dem Thema Verkehrspolitik auseinanderzusetzen. Ich habe eine Mappe mit (diese zeigend), da haben sehr viele Menschen einen Beitrag dazu geleistet, dass die Ver­kehrssicherheit größer wird. (Abg. Belakowitsch: Das ist aber eine dünne Mappe!) Wie geht das? – Indem wir ein klares Bekenntnis dazu abgeben, dass der öffentliche Verkehr, der sicherer ist, auch ausgebaut wird.

Menschen aus dem Gebiet rund um die Gutensteinerbahn in Niederösterreich haben sich zusammengesetzt und gesagt: Wir wollen mehr, wir wollen bessere Verkehrs­politik machen! Das ist das, was den Menschen wirklich am Herzen liegt. Ich übergebe Ihnen jetzt diese Unterschriften und lade Sie ein, dazu beizutragen, dass wir mehr Mittel für den öffentlichen Verkehr bekommen, dass wir mehr Mittel für den klima­freundlichen öffentlichen Verkehr bekommen, zum Beispiel auch für die Elektrifizierung der Gutensteinerbahn. Das hilft den Menschen in der Region, das hilft den Pendle­rinnen und Pendlern, und das trägt auch dazu bei, dass wir in Österreich einen um­weltfreundlichen Verkehr haben. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abge­ord­neter Stöger reicht Bundesminister Hofer die Hand und überreicht ihm die zuvor erwähnte Mappe.)

12.08


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Christian Hafenecker. – Bitte.


12.09.08

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minis­ter! Herr Kollege Stöger, Sie haben stark angefangen und die Verkehrspolitik so


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präsentiert, wie sie eigentlich sein sollte: ideologiefrei. Leider Gottes haben Sie schwach aufgehört, denn wenn Sie da jetzt Mappen austeilen, dann muss man sagen, das ist wahrscheinlich eine Mappe, die zu bearbeiten Sie beim Umzug aus Ihrem Büro als Minister vergessen haben, die Sie jetzt an unseren Minister weitergeben – aber bitte. Ich habe zum Beispiel damals, als die Triestingtalbahn eingestellt worden ist, den großen Einspruch der SPÖ vermisst; da hat man keinen Ton von der SPÖ gehört – nur so viel dazu.

Ich gebe Ihnen in einer Sache recht: Es ist natürlich unser aller Anliegen, die Ver­kehrssicherheit entsprechend zu steigern und auch sicherzustellen, dass es immer weniger Unfälle gibt; auch die 30. StVO-Novelle enthält daher eine Reihe von Maß­nahmen. Sie haben sich leider Gottes nur auf das Rechtsabbiegen bei Rot beschränkt; es ist ja, wie Sie wissen, in der letzten Ausschusssitzung ein bisschen mehr be­sprochen worden.

Wir haben uns auf eine Reihe von Maßnahmen konzentriert, die die Sicherheit und vor allem auch den Verkehrsfluss entsprechend verbessern sollen. Ein Bereich betrifft zum Beispiel die Radfahrer. Wir wissen, dass es – auch noch ein Erbe aus Ihrer Regie­rungszeit – einer einheitlichen Klärung bedurft hat, was die Situation an den Radfah­rerüberfahrten betrifft. Da sind wir entsprechend tätig geworden. Es wird jetzt, wenn ein Radweg zu Ende ist, ein Reißverschlusssystem geben, das sicherstellt, dass der Fahrradverkehr entsprechend in den normalen Straßenverkehr eingebunden wird. Auch die Vorrangsituation bei Kreuzungen, wo die Fahrradwege unterbrochen sind, ist jetzt entsprechend einheitlich geklärt. – Herr Minister Stöger, schade, dass Sie das damals in Ihrer Regierungszeit nicht geschafft haben!

Ein weiterer Punkt sind die Änderungen bei den Modalitäten für den Radfahrausweis; auch da wollen wir praxisbezogener arbeiten. Die Situation ist momentan so, dass Kinder in der 4. Klasse Volksschule den Fahrradführerschein machen können. Es gibt folgendes Problem: Wenn sie das entsprechende Alter noch nicht erreicht haben, können sie zwar mit ihren Kollegen gemeinsam den Kurs machen, aber den Fahrrad­ausweis nicht entgegennehmen. Wir sind der Meinung, dass es absolut zumutbar ist, dass ein Kind, das die 4. Klasse Volksschule besucht, dort den Kurs macht und die Prüfung ablegt – und es soll natürlich sofort fahren können. Das wird entsprechend im Gesetz umgesetzt, der Ausweis wird sofort erhältlich sein.

Es kommt weiters noch zu einer Benützungsregelung betreffend Kleinfahrzeuge und spielzeugähnliche Fahrzeuge auf Gehwegen; wir haben da sichergestellt, dass die Schrittgeschwindigkeit nicht überschritten werden darf. Das ist definitiv ein Beitrag zur Verkehrssicherheit, um sicherzustellen, dass es auf Fußgängerwegen keine ent­sprechen­den Unfälle geben kann. Ich möchte nur eines explizit dazusagen: Der E-Scooter ist davon definitiv nicht mit umfasst, da wird es demnächst eine eigene Regelung geben.

Nun zum Lieblingsthema oder zum einzigen Thema des Kollegen Stöger: Rechts­ab­biegen bei Rot. Kollege Stöger, ich kann mir nicht vorstellen – und es gibt auch keine entsprechenden Zahlen aus den Ländern, in denen das praktiziert wird, zum Beispiel in den Vereinigten Staaten und in Kanada seit 1970 –, dass es da Unfallhäufungen gege­ben hätte. Es ist auch nicht bekannt, dass in den neuen Bundesländern in Deutschland entsprechende Unfälle passiert wären, und es ist auch nicht bekannt, dass so etwas Ähnliches in Frankreich der Fall wäre.

Ich verrate Ihnen jetzt ein Geheimnis, Herr Kollege Stöger: Ich beschäftige mich seit 2012 mit dem Thema. Ich habe bereits damals im Niederösterreichischen Landtag einen Antrag eingebracht, der interessanterweise auch von der SPÖ befürwortet wurde. Sie haben es zur ideologischen Frage erhoben, aber ich sage Ihnen eines: Was ist denn eine grüne Zusatzampel bei einer normalen Straßenkreuzung? – Eine grüne


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Zusatzampel ist nichts anderes als Rechtsabbiegen bei Rot, und nichts anderes wird es auch in Zukunft geben. Ich bin völlig überzeugt davon, dass wir den richtigen Schritt machen, dass wir einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass der Verkehrsfluss entsprechend erhöht wird und dass auf der anderen Seite CO2 eingespart wird.

Was wird heute passieren? – Wir beschließen heute lediglich die Einführung des neuen Verkehrszeichens – das ist die Zusatztafel, der grüne Pfeil, der Rechtsabbiegen bei Rot jetzt in erster Linie bei den Pilotversuchen von Bundesminister Hofer in Linz entsprechend erlauben kann. Ich bin überzeugt davon, dass das eine gute Maßnahme ist. Ich danke dem Herrn Bundesminister für seine Beharrlichkeit in dieser Frage. (Bei­fall bei FPÖ und ÖVP.)

12.13


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Stephanie Cox zu Wort. – Bitte.


12.13.33

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Heute, 30. Jänner 2019: „Alle drei Stun­den verunglückt ein Kind auf Österreichs Straßen, alle zwei Tage stirbt dabei ein Kind oder wird schwerst verletzt.“

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Werte KollegInnen! Ich glaube, das zeigt sehr wohl, dass es sich da nicht um eine ideologische, sondern um eine sicherheitspolitische Diskussion handelt. Es geht nicht nur um die Sicherheit von Kindern, gerade auch, wenn wir vom Abbiegen bei Rot für AutofahrerInnen sprechen, sondern es geht auch um die Sicherheit von Menschen mit Einschränkungen, zum Beispiel einer Sehbehinderung, und es geht auch um RadfahrerInnen und FußgängerInnen.

Herr Kollege Hafenecker, dazu gibt es eine 400-seitige Studie der TU Dresden, die sehr wohl besagt, dass es in Deutschland zum Beispiel Unfälle auf Zebrastreifen gibt. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Das kann man nicht ignorieren, weil es in Deutsch­land auch so ist, dass man deswegen zurückgefahren ist und es immer weniger Kreuzungen gibt, an denen man als AutofahrerIn bei Rot abbiegen darf. Das kann man nicht ignorieren, das muss man in Betracht ziehen, wenn man eine Änderung vornehmen möchte, denn AutofahrerInnen haben einen toten Winkel. Es ist eine geschlossene Karosserie – ich bin selbst Autofahrerin –, und es ist so, dass das für FußgängerInnen gefährlich ist.

Mein Kollege von der SPÖ hat es schon gesagt, gerade für Menschen mit Seh­behin­derungen ist es besonders gefährlich – und auch, wie eingangs schon gesagt, für Kinder. Das dürfen wir nicht ignorieren, und deswegen werden wir nicht zustimmen, wenn es darum geht, dass AutofahrerInnen bei einer roten Ampel abbiegen können sollen.

Wer aber unserer Meinung nach sehr wohl abbiegen können sollte, sind Radfah­rerIn­nen, weil es da auch genug Beispiele und Studien gibt, dass diese keinen toten Winkel in dieser Form haben. (Abg. Deimek: Und die führen keine Fußgänger zusammen?! Die fliegen dann drüber?!) Da gibt es Beispiele aus Belgien, Dänemark, den Nie­derlanden, Frankreich und der Schweiz, dort funktioniert es sehr wohl. Und es ist auch eine Grundsatzentscheidung, ob man Anreize für RadfahrerInnen und dafür schafft, dass mehr Menschen aufs Rad steigen. (Abg. Deimek: Wieder bei der Ideologie! Danke!) Deswegen bringen wir auch folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 71

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzentwurf wird wie folgt geändert:

a) Ziffer 7 lautet:

7. In § 38 wird nach Abs. 5 folgender Abs. 5a eingefügt:

(5a) RadfahrerInnen dürfen abweichend von Abs. 5 an Kreuzungen trotz rotem Licht rechts abbiegen, wenn

1. eine Behinderung oder Gefährdung anderer VerkehrsteilnehmerInnen, insbesondere des FußgängerInnen- und Fahrzeugverkehrs der freigegebenen Fahrtrichtung, ausge­schlossen ist,

2. das Abbiegen im Schritttempo ausgeführt wird und

3. das Rechtsabbiegen bei rotem Licht an der betreffenden Kreuzung nicht durch eine entsprechende Zusatztafel neben dem roten Lichtzeichen verboten wurde.

b) Ziffer 8 entfällt.

*****

Was bedeutet das? – Um es noch einmal zu betonen: Wir sind sehr wohl dafür, dass RadfahrerInnen abbiegen dürfen, weil bewiesen ist, dass da diese Gefahr nicht besteht, was bei AutofahrerInnen sehr wohl der Fall ist – denn wir sind für Sicherheit, vor allem wenn es um Kinder geht, um Menschen mit Behinderungen und alle, die davon betroffen sind. (Abg. Deimek: Fahrräder bleiben auf null stehen! Autos haben einen unendlichen Bremsweg! Ich habe gedacht, Sie ...!)

Beim zweiten Antrag, den wir heute einbringen, weil uns das Thema Sicherheit sehr wichtig ist, geht es um den Sicherheitsabstand. Viele von Ihnen, nicht nur Radfah­rerInnen und Menschen, die einspurige Fahrzeuge benutzen, sondern auch Autofah­rerInnen, kennen das: Wenn der Sicherheitsabstand nicht eingehalten wird, kommt es zu Unfällen, gerade wenn man überholt. All diejenigen, die einen Führerschein besit­zen, wissen es, man hört es in der Schule, vor allem in der Fahrschule, da wird es bereits unterrichtet: Es muss einen Mindestabstand geben. Da fehlt uns aber noch die Klarstellung durch den Gesetzgeber, und deswegen wollen wir Folgendes:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Kolleginnen und Kollegen

betreffend „den Seitenabstand beim Überholen von einspurigen Fahrzeugen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, bei der Vollziehung des § 15 Abs. 4 StVO folgende Interpretation zugrunde zu legen: Beim Überholen von einspurigen Fahrzeugen müssen LenkerInnen von Kraftfahrzeugen mit einer Eigengeschwindigkeit von über 30 km/h jedenfalls einen seitlichen Abstand von mindestens einem Meter zuzüglich eines Zentimeters pro km/h ihrer Geschwindigkeit einhalten.“

*****

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir hören es, in der Lehrpraxis wird es gelehrt, Sachverständige orientieren sich daran, aber es wird in der Praxis noch immer anders


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gelebt. Da müssen wir ein klares Bekenntnis, da müssen Sie ein klares Bekenntnis abgeben, weil es nicht ausreicht, dass es einen Mindestabstand geben muss, sondern der muss auch dementsprechend erläutert werden, damit sich jeder auskennt – denn da geht es um Sicherheitspolitik, da geht es darum, dass wir für die maximale Sicherheit auf der Straße sorgen. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Bernhard.)

12.18

Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

§ 53 Abs 3 GOG-NR

der Abgeordneten Stephanie Cox, Freundinnen und Freunde

zur Regierungsvorlage (449 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Straßenver­kehrsord­nung 1960 geändert wird (30. StVO-Novelle) (TO-Punkt 1)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesentwurf wird wie folgt geändert:

a)          Ziffer 7 lautet:

7. In § 38 wird nach Abs. 5 folgender Abs. 5a eingefügt:

„(5a) Radfahrer dürfen abweichend von Abs. 5 an Kreuzungen trotz rotem Licht rechts abbiegen, wenn

1.          eine Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs der freigegebenen Fahrtrichtung, ausgeschlos­sen ist,

2.          das Abbiegen im Schritttempo ausgeführt wird und

3.          das Rechtsabbiegen bei rotem Licht an der betreffenden Kreuzung nicht durch eine entsprechende Zusatztafel neben dem roten Lichtzeichen verboten wurde.“

b)          Ziffer 8 entfällt.

Begründung

Eine im Auftrag der Unfallforschung der Versicherer durchgeführte umfassende Unter­suchung1 aus Deutschland, wo eine Form des „Rechtsabbiegens bei Rot“ bereits seit den frühen 90ern existiert, zeigt, dass mit dieser Regelung insbesondere die nicht­motorisierten Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Vor allem das wichtige „Anhalten vor dem Abbiegen“ wird kaum praktiziert. Sehr oft wird in Deutschland eine Blockade der Fuß- und Radverkehrswege durch Kraftfahrzeuge beobachtet. Und außerdem wurde ein genereller Vorteil für den Verkehrsablauf nicht abgeleitet. Darüber hinaus tun sich laut Studie offenbar auch die Verkehrsbehörden schwer bei der Abwägung, wo die Rechtsabbiegeregelung angewendet werden kann und wo nicht. Es ist davon auszugehen, dass in Summe ähnliche Ergebnisse auch in Österreich zu erwarten sein werden. Es würde sich als nicht besonders umsichtig erweisen, wenn negative Erfah­rungen aus dem Ausland, die wissenschaftlich umfassend belegt sind, wider besseres Wissen im Inland vom Gesetzgeber implementiert werden. Sehr wohl eignet sich eine


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Regelung des Rechtsabbiegens bei Rot allerdings für Radfahrer. Entsprechende Rege­lungen gibt es bereits in Belgien, Dänemark, den Niederlanden und Frankreich. Eine solche Regelung dient dem Ziel der Stärkung des Radverkehrs. Mit diesem Abände­rungsantrag wird das Rechtsabbiegen bei roten Ampeln für Radfahrer ermöglicht.

1 Maier R./Hantschel S./Ortlepp J./Butterwegge P., Sicherheit von Grünpfeilen (2015).

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Stephanie Cox, Freundinnen und Freunde

betreffend den Seitenabstand beim Überholen von einspurigen Fahrzeugen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1: Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (449 d.B.): Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (30. StVO-Novelle) (479 d.B.)

Begründung

Die gegenseitige Rücksichtnahme aller VerkehrsteilnehmerInnen ist für ein unfallfreies Miteinander unerlässlich. Die Zahl der Autounfälle mit Beteiligung von einspurigen Fahrzeugen steigt allerdings stetig an. Besonders gefährdet sind Rad- und Moped­fahrer, die naturgemäß regelmäßig von PKW und LKW überholt werden. Ein zu gerin­ger seitlicher Sicherheitsabstand beim Überholvorgang ist dabei einer der größten Risiko- und Konfliktfaktoren. Bereits seit langem ist fester Bestandteil der Lehre in der Fahrschulpraxis, dass beim Überholen eines einspurigen Fahrzeugs entsprechend der Geschwindigkeit des überholenden Fahrzeugs ein seitlicher Mindestabstand von einem Meter zuzüglich einem Zentimeter pro km/h einzuhalten ist. Dieser Abstand ist auch im Fahrprüferhandbuch des BMVIT genannt. Er bedeutet, dass zB beim Überholen mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h ein Mindestanstand von 1,5 Metern zu einspurigen Fahrzeugen einzuhalten ist.

In der Praxis wird dieser notwendige Mindestabstand zu einspurigen Fahrzeugen aller­dings in sehr vielen Fällen nicht eingehalten, weshalb zum Schutz dieser besonders gefährdeten Gruppe von VerkehrsteilnehmerInnen – zumindest beim Zusammentreffen mit schnell fahrenden Kraftfahrzeugen – eine der bisherigen Lehrpraxis in Fahrschulen entsprechende Interpretation des vom Gesetz geforderten Abstandes sicherzustellen ist.

Im Beschluss über diesen Antrag bringt der Nationalrat seinen Wunsch hinsichtlich der Vollziehung des § 15 Abs 4 StVO zum Ausdruck, soweit die zur Anwendung dieser Bestimmung berufenen Behörden den Mindestabstand beim Überholen einspuriger Fahrzeuge zu beurteilen haben.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, bei der Vollziehung des § 15 Abs. 4 StVO folgende Interpretation zugrunde zu legen: Beim Überholen von einspurigen Fahrzeugen müs­sen LenkerInnen von Kraftfahrzeugen mit einer Eigengeschwindigkeit von über 30


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km/h jedenfalls einen seitlichen Abstand von mindestens einem Meter zuzüglich eines Zentimeters pro km/h ihrer Geschwindigkeit einhalten.“

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag und der Abänderungsantrag sind ordnungsgemäß eingebracht und stehen daher mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager. – Bitte.


12.18.47

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Ökologisierung des Ver­kehrssystems und die Sicherheit im österreichischen Verkehr sind, glaube ich, die zwei Hauptziele, die der Bundesminister und die Bundesregierung verfolgen.

Wir werden aber im gesamten Verkehrssystem Ordnung und dadurch Sicherheit schaffen. Wir müssen aber auch Beschränkungen wegnehmen, wo sie einfach nicht mehr zeitgemäß und notwendig sind. So haben wir mit dieser Novelle vor allem im Bereich Fahrradverkehr ermöglicht, dass es bei Übergängen aus den Fahrradwegen heraus eine bessere Einbindung mit dem Reißverschlusssystem gibt.

Wir haben die Möglichkeit, die Jugend – und das ist das Wichtigste – im Rahmen der Verkehrssicherheitserziehung, aber auch betreffend den Gebrauch des Fahrrades mit dem Fahrradführerschein in der Volksschule zu unterstützen. Wir bauen da einen Bürokratismus ab, der die Leute eigentlich permanent beschränkt. Wir sagen, es ist wesentlich für die Befähigung für den Fahrradführerschein, dass die 4. Klasse Volks­schule besucht wird, aber es ist nicht mehr notwendig, das 10. Lebensjahr vollendet zu haben. Das war für viele Eltern oftmals wirklich ein Hindernis und eine unnötige Schikane: Die Kinder machen in der Klasse die Kurse, dürfen aber dann die Prüfung nicht ablegen. Ich glaube, das ist nicht notwendig. Wenn wir wollen, dass mehr Leute mit dem Rad fahren, dann müssen wir bei der Jugend anfangen.

Ebenso auch die Maßnahme betreffend die Scooter: Es ist ein Thema der Verkehrs­sicherheit, dass wir gesagt haben, bei jenen, die mit Muskelkraft betrieben werden, setzen wir das Mindestalter auf acht Jahre und es muss nicht mehr ein mindestens 16-Jähriger als Begleitperson dabei sein, aber bei den E-Scootern müssen noch weitere Regelungen folgen.

Eines möchte ich schon sagen – da sehen Sie, wie diese Regierung arbeitet, dafür ist diese Gesetzesnovelle ein hervorragendes Beispiel –: Wir setzen das um, was die Leute beschäftigt, auch wenn es oft nur im Kleinen ist.

Auch das Rechtsabbiegen bei Rechts ist ein Thema, das schon lange irgendwo - - (Abg. Leichtfried: Bei Rot!) – Das Abbiegen, das Rechtsabbiegen bei Rot. Ja, ja, die Seite ist rechts, das liegt Ihnen nicht so, aber das ist trotzdem Rechtsabbiegen bei Rot. – Ich möchte nur darauf hinweisen, das ist ein Thema, das schon lange behandelt wurde. Es war der vorausschauende Grazer Abgeordnete Mag. Bernd Schönegger, ÖVP-Abgeordneter (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP), der bereits 2011 eine Anfrage betreffend Rechtsabbiegen bei Rot gestellt hat, als mögliche Maßnahme vor allem auch zur Feinstaubbekämpfung im städtischen Gebiet. Ich sage Ihnen, es wird Ver­suchskreuzungen geben, an denen das getestet wird, sodass auch die Sicherheit ent­sprechend gewährleistet ist.


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Das war mit den roten Verkehrsministern seit 2011 nicht möglich, aber die neue Regierung macht es möglich – danke schön. Ich kann Ihnen nur eines versprechen: Sicherheit hat für diese Regierung immer Vorrang. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.21


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


12.22.04

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Ja, das eine Thema, das schon angesprochen wurde, ist das Thema Rechtsabbiegen. Wir werden diesem Antrag hier zustimmen, finden, dass das durchaus zu evaluieren ist und dass man da einmal einen ersten Schritt machen kann. Wir sehen aber schon das Problem, dass nach wie vor Details unausgegoren sind. Beispielsweise hat der ÖAMTC in seiner Stellungnahme angemerkt, dass nicht ganz klar ist, wie viele Kreuzungen mittelfristig betroffen sein werden. Im ersten Versuch sind es jetzt einmal vier in Linz, aber wie viele es dann darüber hinaus sein werden und welche überhaupt dafür geeignet sind, ist nicht klar. Das ist nämlich die große Frage, um eben auch den Sicherheitsaspekt miteinzubeziehen.

Die zweite Thematik ist: Was bringt das eigentlich? – Es gibt Studien aus Deutschland, die zeigen, dass das nicht sehr viel an Zeitersparnis bringt. Auch das wird man nach dieser ersten Testphase evaluieren und schauen müssen, wo da wirklich der Benefit ist.

Am Ende des Tages glauben wir aber, dass das funktionieren kann. Es gibt – das wurde auch schon angesprochen – einige Länder, in denen das schon gang und gäbe ist – die USA, Australien, und so weiter –, und wir sehen auch, dass es durchaus umsetzbar ist und funktionieren kann. Was uns aber ganz besonders wichtig ist – und das ist auch die Prämisse, unter der wir heute hier zustimmen –, ist, dass es wirklich ordentlich evaluiert wird und dass man erst dann weitere Schritte plant.

Ein Thema, das wir im Verkehrsausschuss auch kurz besprochen haben, das, glaube ich, auch ein sehr wesentliches ist, ist das Thema E-Scooter und weitere neue elektronische Fortbewegungsmittel, mit denen gefahren wird. Wie gehen wir damit um? Das ist auch ein Stück weit ein Arbeitsauftrag, den ich dem Herrn Minister hier mitge­ben möchte, nämlich da noch einmal weitere Schritte zu setzen, weil sich eben auf­grund der technologischen Entwicklung Dinge im Verkehrsbereich so schnell ändern, dass wir als Gesetzgeber teilweise einfach gar nicht mehr mitkommen und zu spät dran sind, um Regelungen zu machen. Wir haben jetzt in Wien, aber auch in anderen Großstädten das Thema E-Scooter, wir wissen aber nicht, was möglicherweise in drei, vier Monaten sein wird. Es wird alles wesentlich schneller, auch in der Verkehrspolitik. Wir müssen die Probleme frühzeitig erkennen und dann auch entsprechende Maß­nahmen treffen. (Beifall bei den NEOS.)

12.24


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Hofer zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Minister.


12.24.23

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Galerie! Diese Novelle beschäftigt sich nicht nur mit Rechtsabbiegen bei Rot – das ist schon erwähnt worden –, sondern es stellt sich auch die Frage: Was können wir für die Sicherheit von Radfahrerinnen und Radfahrern tun? Betreffend Radfahrerüberfahrten


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werden wir das Sankt-Pöltner-Modell umsetzen; das hat jetzt nichts damit zu tun, dass jeder Radfahrer ÖVP-Mitglied werden muss. Es geht darum, dass Fußgänger und Radfahrer gemeinsam sicher die Straße überqueren können.

Wir werden betreffend Radfahrausweis Änderungen durchführen, weil ein Kind, das gemeinsam mit Klassenkameradinnen und -kameraden den Kurs macht, aber dann den Ausweis nicht bekommt, weil es vielleicht ein paar Wochen zu jung ist, sonst aus dieser Gemeinschaft ausgeschlossen ist. Da schaffen wir die Möglichkeit, dass man, wenn man sich im Klassenverband befindet, auch unter zehn Jahren die Prüfungen ablegen darf.

Das Reißverschlusssystem am Ende eines Radfahrstreifens wird fixiert.

Und dann kommen wir zum fahrzeugähnlichen Kinderspielzeug: Man darf dann auch als Kind mit acht Jahren mit diesen mit Muskelkraft betriebenen Kleinfahrzeugen den Gehsteig unbegleitet benützen.

Angesprochen worden ist die Frage der E-Scooter. Ich habe heute schon wieder sehr viele E-Scooter in Wien gesehen. Es wird ein bisschen wärmer, und es ist davon auszugehen, dass im heurigen Jahr noch mehr E-Scooter in Wien, aber auch in anderen Städten unterwegs sein werden. Deswegen brauchen wir auch klare Regeln für diese Fahrzeuge. Es gab zuerst die Idee, auch die E-Scooter von der Straße auf den Gehsteig zu verbannen, wenn dann dort nur mit Schrittgeschwindigkeit gefahren werden darf. Ich glaube, dass wir das so nicht umsetzen können. Ich habe die Befürch­tung, dass dann eben nicht mit Schrittgeschwindigkeit gefahren wird und eine Gefahr für Fußgänger und Fußgängerinnen besteht. Das heißt, wir werden das wahrscheinlich so umsetzen, dass wir E-Scooter ohne Kennzeichentafel bis 25 km/h Geschwindigkeit so behandeln wie Fahrräder. Das wird wohl der am leichtesten umzusetzende Weg sein.

Kommen wir nun zum Rechtsabbiegen bei Rot! Ich glaube, es sind einige Mappen verteilt worden – werden jetzt verteilt –, damit man sieht, wie sich die Situation an den Kreuzungen in Linz darstellt. Tatsache ist: Es gibt viele Länder, in denen das sehr gut funktioniert: USA, Kanada, Australien, Tschechien, Polen, Frankreich, Teile Deutsch­lands. Auch dort stellt sich natürlich die Frage der Sicherheit. Da Sorge geäußert wurde, was behinderte Menschen anbelangt: In jener Straße, in die eingebogen wird, steht die Ampel für Fußgänger ohnehin auf Rot. Also dort besteht diese Gefahr tatsächlich nicht, man muss sich da wirklich keine Sorgen machen.

Es gibt in den neun Landeshauptstädten 2 230 Ampeln. Sie haben recht: Ich kann heute noch nicht sagen, wie viele Ampeln und wie viele Kreuzungen geeignet sein werden, um dort das Rechtsabbiegen bei Rot zu ermöglichen. Wir arbeiten mit der TU Wien zusammen. Es wurden elf Ausschlusskriterien definiert, elf Kriterien, die es nicht möglich machen, dass man bei Rot abbiegt. Wir werden, wenn dieser Test­versuch beendet ist, schauen, bei welchen Ampelanlagen, an welchen Kreuzungen in Österreich wir Rechtsabbiegen bei Rot umsetzen können.

Ich bin fest davon überzeugt, dass es bei uns genauso funktionieren wird, wie es in den USA, in Kanada, in Australien funktioniert, und dass wir damit einen Beitrag zur flüssigen Gestaltung des Verkehrs leisten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.28


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch. – Bitte.


12.28.37

Abgeordneter Mag. Günther Kumpitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Zuhörer auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Hohes Haus!


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Kollege Stöger! Der SPÖ ist die Verkehrssicherheit ein Anliegen, der Bundesregierung und dem Herrn Verkehrsminister offenbar nicht, denn er handle ja populistisch; das sei Populismus, was wir heute hier machen.

Jetzt frage ich Sie: Ist es populistisch, wenn wir dem Radfahrer am Ende eines Rad­fahrstreifens das sichere Wechseln auf den Fahrstreifen ermöglichen, indem wir das Reißverschlusssystem einführen, sodass der Radfahrer gleichberechtigter Partner gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern wird? Ist das populistisch? Oder ist es populistisch, wenn wir dafür sorgen, dass die Überquerung von Radfahrerüberfahrten nach einem Modell ermöglicht wird, das sich in der Vergangenheit bewährt hat, nach dem Sankt-Pöltner-Modell? Oder ist es populistisch, wenn wir dafür sorgen, dass in Zukunft noch mehr Radfahrer die Straßen benützen werden, wenn wir sagen, Kinder, die zwar noch nicht zehn Jahre alt sind, aber neun Jahre, dürfen mit den Schulkame­radinnen und -kameraden die Radfahrprüfung machen, sodass wir sie dadurch früher an den Verkehr heranführen? Ist das alles populistisch? – Ich glaube nicht. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Genauso wenig ist es populistisch, wenn wir nun eine Testphase für das Abbiegen bei Rot einführen wollen, denn darum geht es. Was in anderen Staaten – der Herr Ver­kehrsminister hat es angesprochen –, etwa den USA, Kanada, Frankreich, Polen und in Teilen von Deutschland, gang und gäbe ist, soll bei uns unter wissenschaftlicher Aufsicht getestet werden.

Wir reden viel darüber, wann das möglich sein soll. In der StVO wird Folgendes stehen:  Fahrzeuglenker dürfen nur dann bei Rot abbiegen, wenn sie zuvor angehalten haben, wenn eine Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, insbe­son­dere des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs der freigegebenen Fahrtrichtung, ausgeschlossen ist – wohlgemerkt: ausgeschlossen ist – und eben dieses Abbiegen durch eine Zusatztafel angezeigt wird. Wir wollen auch verhindern, dass Schwerfahr­zeuge diese Möglichkeit nützen, indem wir Lastkraftfahrzeuge und Busse über 7,5 Ton­nen davon ausschließen.

Seien Sie sich eines gewiss: Wir gehen auf die Bedenken, die vorgebracht werden, ein, sie werden auch Grundlage für diesen Test sein. Damit dieser Test aber vorge­nommen werden darf, braucht der Herr Minister eine Verordnung, um die entsprechen­den Kreuzungen zu bestimmen, und um diese Zustimmung bitten wir Sie in dieser Novelle. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.31


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Johann Rädler zu Wort gemeldet. – Bitte.


12.32.08

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Wenn wir heute die Änderung der Straßenverkehrsordnung diskutieren und auch Beschlüsse fassen, dann ist es schon sehr verwunderlich, dass sich der ehemalige Verkehrs­minister hierherstellt und sagt, das – konkret: das Rechtsabbiegen bei Rot – sei eine populistische Maßnahme. Das ist anscheinend ein Post-Kern-Problem der SPÖ: rechts abbiegen von Rot. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Das hat die SPÖ bei ihren Wählern bei den letzten Wahlen erlebt, aber das ist das Politische. (Zwischenruf der Abg. Erasim.)

Der ehemalige Verkehrsminister scheint auch an einem politischen Gedächtnis­schwund zu leiden, denn sonst könnte es ihm nicht entgangen sein, dass der Linzer Gemeinde­rat, die SPÖ im Jahr 2014 eine Resolution beschlossen hat. Ich glaube, Sie (in Rich­tung Abg. Stöger) waren damals Verkehrsminister. Sie sind in Linz zu Hause, Sie sollten das wissen. (Abg. Rosenkranz: Ich habe geglaubt, er war Gesundheits­minis-


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ter!) – Das war er auch, er war vieles, aber im Konkreten, bei der Umsetzung war er wenig. (Abg. Rosenkranz: Was war der noch alles? Wahnsinn, was der alles war!)

Also: Damals wurde im Linzer Gemeinderat von SPÖ, FPÖ und ÖVP in Form einer Resolution beschlossen, dass an die Bundesregierung herangetragen werden soll, man möge Rechtsabbiegen bei Rot umsetzen. Der Herr Verkehrsminister hat das aber nicht getan.

Es wurde heute schon sehr breit erläutert, welche Vorteile dieses Rechtsabbiegen hätte, nämlich eine Verkehrsertüchtigung, und das führt natürlich zu Diskussionen. Das haben wir bei jener Initiative erlebt, die der Herr Bundesminister gleich zu Beginn seiner Amtszeit gesetzt hat. Es waren mehrere Initiativen, die zur Ertüchtigung der Verkehrsströme geführt haben, ich denke nur an die Freigabe des Pannenstreifens auf der Flughafen-Autobahn, wenn es dort zu Staus kommt, oder an verschiedenste andere Maßnahmen, natürlich auch die 140-km/h-Versuchsstrecke auf der West Auto­bahn.

So wird es auch jetzt mit der Versuchsmaßnahme sein, man schaut sich ein Jahr lang an drei Kreuzungen an, ob das umsetzbar und erfolgreich ist. Man kann das nur be­grüßen. Das unterscheidet uns auch von Ihren Amtsvorgängern und Ihnen im Beson­deren, Herr ehemaliger Verkehrsminister, nämlich dass wir Maßnahmen setzen und nicht verschleppen, von 2014 bis heute verhindern. Das hätten Sie erwähnen können, anstatt populistische Dinge in den Raum zu stellen, die dieser Regierung unter­geschoben werden sollen. Das sind in Wahrheit Versäumnisse aus Ihrer Amtszeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Sehr gut!)

12.35


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Franz Eßl. – Bitte.


12.35.18

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Wir diskutieren heute ein Bundesgesetz, mit dem die Straßenverkehrsordnung geändert wird. Es beinhaltet im Wesentlichen zwei Ziele, nämlich die Vereinfachung der Regelungen für den Radfahrverkehr und die Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für Versuche bezüglich Rechtsabbiegen bei Rot.

Im Einzelnen geht es darum, dass zum Beispiel in den Begriffsbestimmungen die Rad­fahrerüberfahrt genauer definiert wird, die Kennzeichnung streng geregelt ist. Es ist wichtig, dass es dort, wo Fußgänger und Radfahrer gemeinsam Flächen benützen, wirklich eine gute Kennzeichnung gibt. Ich rufe auch zur Rücksichtnahme auf, denn ab und zu ist es gerade bei Radfahrern so, dass sie die Verkehrsflächen ohne Rücksicht benützen und Fußgänger unter Umständen gefährden. Es ist also wichtig, dass beide gleichberechtigt sind und Rücksicht aufeinander nehmen.

Wir haben von den Vorrednern schon gehört, dass das Reißverschlusssystem auch dann gelten soll, wenn ein Radfahrweg davon betroffen ist, wenn die Verkehrsflüsse ineinanderfließen, wenn ein Fahrstreifen endet. Was den Vorrang betrifft, wird auch klargestellt, wenn sich zwei in dieselbe Richtung bewegen und einer rechts abbiegt, dann behält derjenige, der geradeaus fährt, den Vorrang.

Letztendlich darf ich noch auf das Rechtsabbiegen bei Rot eingehen. Im Gegensatz zu den Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ bin ich der Meinung, es ist überhaupt kein Nachteil damit verbunden, sondern ich sehe da nur Vorteile. Mein Zugang wäre, dass man das sogar flächendeckend machen sollte. Darum bin ich der Meinung, dass der Herr Bundesminister mit seiner Initiative, dass er testweise per Verordnung einige


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Kreuzungen freigeben wird, auf dem richtigen Weg ist. Es ist auch schon erwähnt worden, dass das in einigen Ländern – USA, Kanada und ähnliche – klaglos funktio­niert. Ich bin der Meinung, wir sind auf dem richtigen Weg.

Da hier behauptet wird, einige Gruppen wären dadurch besonders gefährdet, ein Beispiel: Ich fahre auf eine Kreuzung zu, habe Grün und biege rechts ab. Dabei hat natürlich auch der Fußgänger derzeit schon Grün und geht über die Straße, wenn die gesamte Ampel auf Grün geschaltet ist. Da muss ich selbstverständlich auch stehen bleiben und den Fußgänger über den Zebrastreifen gehen lassen. Nicht anders wird es auch in Zukunft sein. Das wird den Verkehrsfluss positiv beeinflussen, das wird der Sicherheit keinen Abbruch tun – ganz im Gegenteil, ich glaube, dass es zur Sicherheit beitragen wird.

Herr Minister, Sie sind auf einem guten Weg. Dieses Gesetz werden wir mit gutem Gewissen beschließen können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.38

12.38.38


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zu den Abstimmungen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 449 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Cox, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungs­antrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Cox vor.

Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag und vom Ver­langen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die rest­lichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Cox, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffern 7 und 8 eingebracht.

Wer sich hiefür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, ab­ge­lehnt. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Wir sind im Abstimmungsverfahren, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir kommen sogleich zur getrennten Abstimmung über diese Teile des Gesetzent­wurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die diesem Teil in der Fassung der Regierungs­vorlage zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit so ange­nommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungs­vorlage.

Wer sich hiefür ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit so angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer in dritter Lesung dem vorliegenden Gesetzentwurf die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung mit Mehrheit ange­nommen.


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Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Cox, Kolleginnen und Kollegen betreffend „den Seitenabstand beim Überholen von einspurigen Fahrzeugen“.

Wer sich für diesen Entschließungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.

12.41.002. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (471 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (36. KFG-Novelle) (480 d.B.)

3. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 426/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zulassung von Quads mit einer Leistung von mehr als 15 kW (481 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zu den Punkten 2 und 3 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet: Herr Abgeordneter Dietmar Keck. – Bitte.


12.41.48

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Grundsätzlich könnte man ja diesem Kraftfahrgesetz zustimmen (Abg. Rosenkranz: Wenn wir in der Regierung wären!), wären da nicht zwei Punkte in diesem Gesetzentwurf, die aus unserer Sicht nicht stimmig sind. Wir haben das im Ausschuss auch schon besprochen.

Der erste Punkt wäre § 57c Abs. 10 in der Fassung der Regierungsvorlage. Dieser ermächtigt die Betreiber der Begutachtungsplakettendatenbank, „eine Abfragemöglich­keit vorzusehen, bei der jede interessierte Person online über die Suchkriterien Erst­zulassungsdatum und entweder Kennzeichen oder Fahrzeugidentifizierungsnummer (VIN) des Fahrzeuges [...] in der Datenbank  [...] Inhalte der Gutachten des jeweiligen Fahrzeuges einsehen und abrufen kann“. – Auf die Problematik dahinter wird dann mein Kollege Laimer eingehen.

Das Zweite betrifft die Fahrschulen in Bezug auf § 111 in der Fassung dieser Re­gierungsvorlage. Auch dazu habe ich schon im Ausschuss erwähnt: Der Aufhebung der Beschränkung auf eine Fahrschule pro Person können wir zustimmen. Wir haben kein Problem damit, wenn das Ganze gemacht wird. Die Problematik, die es aber gibt, ist, dass gleichzeitig mit dieser Aufhebung auch die Bestimmung über die Abhaltung von Kursen außerhalb der Standorte der Fahrschulen gestrichen wird. Das heißt, die Fahrschulen dürfen das nicht mehr machen.

Wir haben gesehen, dass das zu Problemen führt, zu Problemen gerade für die Fahr­schulen im ländlichen Bereich. Im Ausschuss hat Kollege Hafenecker gesagt, für ihn hat es kein Problem gegeben, denn er wurde von der Fahrschule von zu Hause abgeholt und zur Fahrschule gebracht. – Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich habe mir gedacht, wenn die Fahrschulen das machen, dann hätten wir kein Problem damit. Ich habe in etwa 100 Fahrschulen in Österreich quer durch die Bank nachge­fragt und alle Fahrschulen im Bezirk Lilienfeld abgefragt – und keine einzige Fahr-


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schule holt den Fahrschüler zum Theorieunterricht ab und bringt ihn auch wieder zurück. Ausnahmsweise holen sie einen Fahrschüler für die Fahrstunde von zu Hause ab und bringen ihn wieder zurück, aber die Zeit dafür wird auf die Fahrstunde angerechnet. Anderes konnte ich nicht in Erfahrung bringen.

Es waren wie gesagt circa 100 Fahrschulen, bei denen ich auch abgefragt habe, was sie von dieser Vorlage halten, ob sie damit einverstanden sind, dass sie keine Außen­kurse mehr machen dürfen. Das Ergebnis ist 50 : 50 ausgegangen; also in etwa 50 Prozent haben gesagt, sie haben kein Problem damit, 50 Prozent haben gesagt, sie würden diese Außenkurse gerne abhalten und erwarten sich Probleme, wenn das gestrichen wird. Es wären also beide Varianten in diesem Gesetz möglich, Herr Bundesminister, denn das eine schließt ja das andere nicht aus. Man kann ja beides vorsehen, und niemand hätte einen Nachteil.

Aufgrund dessen bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungs­vorlage (471 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrgesetz 1967 geändert wird (36. KFG-Novelle) (480 d.B.)

„Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

Die eingangs erwähnte Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. Z 31 entfällt.

2. Z 52 § 111 Abs. 1, 1. Satz lautet:

,(1) Für jeden Fahrschulstandort mit Ausnahme der in § 114 Abs. 5 geregelten Fahr­schulkurse außerhalb des Standortes ist eine Fahrschulbewilligung (§ 110) erforder­lich.‘

3. Z 59 entfällt.

4. Z 62 entfällt.“

*****

Ich hätte wirklich die Bitte – und das haben mir diese 100 Fahrschulen bestätigt: mach­bar ist beides, niemand hat einen Nachteil, von dem her gibt es nur Vorteile –, dass man diesem Abänderungsantrag zustimmt, dann werden wir auch dieser Gesetzes­vorlage zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

12.45

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger, Dietmar Keck, Genossinnen und Genossen zur Regie­rungs­vorlage (471 d.B.) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahr­ge­setz 1967 geändert wird (36. KFG-Novelle) (480 d.B.)

„Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

Die eingangs erwähnte Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

1. Z 31 entfällt.


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2. Z 52 § 111 Abs. 1, 1. Satz lautet:

,(1) Für jeden Fahrschulstandort mit Ausnahme der in § 114 Abs. 5 geregelten Fahr­schulkurse außerhalb des Standortes ist eine Fahrschulbewilligung (§ 110) erfor­derlich.‘

3. Z 59 entfällt.

4. Z 62 entfällt.“

Begründung

§ 57c Abs. 10 in der Fassung der Regierungsvorlage ermächtigt die Betreiber der Begutachtungsplaketten-Datenbank, eine Abfragemöglichkeit vorzusehen, bei der jede interessierte Person online über die Suchkriterien Erstzulassungsdatum und entweder Kennzeichen oder Fahrzeugidentifizierungsnummer (VIN) des Fahrzeuges in der Datenbank enthaltene pseudonymisierte Inhalte der Gutachten des jeweiligen Fahr­zeugs einsehen und abrufen kann. Speziell bei der Einsichtnahme mittels Kennzeichen ist dem Einsichtnehmenden der Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges bekannt und es ist ihm daher möglich, Fahrzeugdaten, die letztlich auf ein Verhalten des Zulas­sungs­besitzers zurückzuführen sind, zu erhalten. Diese Daten sind geeignet, von Versiche­rungsunternehmen zur Berechnung des Risikos verwendet zu werden, unabhängig von der Prüfung ihrer tatsächlichen Richtigkeit. Diese Weitergabe von gespeicherten Daten dienen nicht der Verkehrssicherheit, sondern ausschließlich geschäftlichen Interessen der ermächtigten Plakettenhersteller (§ 57a Abs. 7), die eine zentrale Begutachtungs­plaketten-Datenbank einzurichten und zu führen haben. Daher wird diese gesetzliche Regelung abgelehnt.

Das Abhalten eines Fahrschulkurses außerhalb des Standortes der Fahrschule gemäß § 111 KFG soll weiterhin mit Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde zulässig sein. Speziell im ländlichen Bereich ermöglicht dies ein Anbieten von Fahrschulkursen in örtlicher Nähe zu den Konsumentinnen und Konsumenten, die zumeist über eine geringe individuelle Mobilität verfügen.

Wie im geltenden Recht darf die Bewilligung eines Fahrschulkurses von bestimmter Dauer nur dann außerhalb des Standortes der Fahrschule bewilligt werden, wenn der Fahrschulkurs im selben Bundesland abgehalten werden soll, die sachlichen Vor­aussetzungen für den Fahrschulbetrieb auch für den abzuhaltenden Fahrschulkurs gegeben sind und die unmittelbare persönliche Leitung des Fahrschulkurses durch den Fahrschulbesitzer oder Fahrschulleiter zu erwarten ist.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Hafenecker gelangt zu Wort. – Bitte.


12.45.19

Abgeordneter Christian Hafenecker, MA (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minis­ter! Liebe SPÖ, es steht Ihnen ja frei, die vielen positiven Dinge, die offenbar un­bestritten sind – wenn man Ihren Ausführungen folgt –, in einer getrennten Abstim­mung trotzdem zu befürworten, aber offenbar wollen Sie nur destruktiv sein. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Zarits.)


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Vielleicht noch ganz kurz – ich wollte jetzt gar nicht über die Fahrschulen sprechen –, lieber Herr Kollege Keck: Wie der Schelm denkt, so ist er. Wenn Sie die Fahrschulen im Bezirk Lilienfeld abfragen, so darf ich Ihnen sagen, es ist schön, dass Sie sich in Ihrer Freizeit damit beschäftigen, ich möchte mich aber von dieser Stelle aus noch einmal ganz herzlich bei der Fahrschule Leitgeb im Bezirk Sankt Pölten, in Neu­lengbach, bedanken, die mich tatsächlich zum Fahrschulunterricht abgeholt hat.

Es geht heute um das Kraftfahrgesetz 1967. Es gibt zwei Maßnahmen, mit denen ich mich jetzt hier befassen möchte. Das eine ist eine notwendig gewordene Geset­zes­anpassung im Bereich der Verkehrskontrollplätze. Es ist so, dass früher die Verwie­gungen nur bei stehenden Lkw, also bei stehenden Fahrzeugen durchgeführt werden konnten. Mittlerweile verfügt man aber über die entsprechenden Technologien, das auch bei in Bewegung befindlichen Fahrzeugen zu machen. Das berücksichtigen wir nun im Gesetzestext und passen diese Gesetzesstelle entsprechend an.

Ein zweiter Punkt, und auch der wurde vom Kollegen Keck bereits angesprochen, betrifft eigentlich eine aus unserer Sicht – Verbrechensprävention im Bereich von Betrugs­fällen, die es zum Beispiel bei Autobelehnungen gegeben hat. Es war immer wieder der Fall, dass Duplikate von Zulassungsscheinen angefordert und auch ausge­hän­digt wurden. Das hat dazu geführt, dass es zum Beispiel zu Doppel- und Mehr­fachbelehnungen von Fahrzeugen gekommen ist oder dass sonst in jeder Art und Weise Schindluder getrieben wurde. Dazu sagen wir ganz klar: Es muss auf die Datenbank nach § 57a, auf die klassische Pickerldatenbank sozusagen, zurückgegrif­fen werden können, um entsprechend abklären zu können, wie der Status des Fahr­zeugs ist, ob es eine Belehnung gibt und so weiter und so fort. Das muss man ent­sprechend vergleichen können.

Wir sehen das datenschutzrechtlich überhaupt nicht problematisch, wir sehen uns da in guter Gesellschaft mit dem Datenschutzrat, der das ebenso sieht – einfach deswegen, weil ja keine persönlichen Daten herausgegeben werden, sondern lediglich Daten, die fahrzeugspezifisch sind.

Wir sind der vollen Überzeugung, dass wir am Ende des Tages einen guten Beitrag für den Konsumenten leisten: Es kann zu keinen Kilometermanipulationen mehr kommen, man kennt den Status des Fahrzeugs, und auch sonstige Tricksereien werden dadurch hintangestellt. Deswegen möchte ich mich bei Bundesminister Hofer für diese Initiative im Sinne der Konsumenten bedanken.

Ich ersuche um Zustimmung und richte auch noch einmal ein Angebot an die SPÖ: Wenn Sie nicht alles mittragen können, dann stellen Sie zumindest einen Antrag auf getrennte Abstimmung, dann können heute vielleicht auch Sie noch konstruktiv mitwirken. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

12.48


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hoyos-Trauttmansdorff. – Bitte.


12.48.08

Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Minister! In dieser Novelle des KFG ist das Thema gläsernes Pickerl, wie man das kurz zusammenfassen könnte, enthalten. Wir sind ja der Meinung, wir brauchen wenn, dann einen gläsernen Staat und keinen gläsernen Bürger, und am Ende des Tages ist dieses gläserne Pickerl ein gläserner Bürger, weil da eben ganz viele Dinge dahin gehend, wie das mit der Datenverarbeitung vor sich gehen soll, nicht klar sind.

Ich muss vielleicht auch mit einer Unwahrheit aufräumen, die zumindest in den Medien kursiert ist, nämlich über eine OTS von Kollegen Ottenschläger und von Kollegen


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Hafenecker, die behauptet haben, dass der Datenschutzrat da keine Bedenken an­gemeldet habe. – Das ist schlicht und einfach nicht wahr, was Sie da sagen, denn der Datenschutzrat hat sehr wohl kritisiert, dass nicht geregelt ist, wie die erlaubte Speicherdauer sein soll, also wie lange diese Daten gespeichert werden können, und auch nicht, ob oder wie Datenminimierung – also dass wir möglichst wenig Daten speichern – stattfindet. Dementsprechend ist schon allein diese Tatsache für uns sehr schwierig.

Auch die NGO Epicenter.works, die ja bekannt für ihr Know-how rund um den Bereich Datenschutz ist, hat ganz massiv Kritik daran geübt, weil, wie sie sagt, diese Daten natürlich sehr leicht missbraucht werden können. Es ist nämlich so, dass es sich dabei zwar um pseudonymisierte, aber nicht um anonymisierte Daten handelt, und das ist ein ganz wichtiger Unterschied. In diesem Fall ist es so, dass zwar kein Klarname gespeichert wird, aber sehr wohl Kfz-Kennzeichen oder diverse Fahrgestellnummern et cetera gespeichert werden können und über diese Nummern ganz einfach heraus­findbar ist, wem welches Fahrzeug gehört und in welchem Zustand sich dieses Fahr­zeug befindet.

Wozu kann das führen? – Erstens könnte ich jetzt hier auf dem Parlamentsparkplatz schauen, in welches Auto Sie einsteigen, und mir dann einen ganz genauen Zustands­bericht über Ihr Auto anfertigen lassen. – Ich halte das für eine nicht unbedingt sehr angenehme Situation.

Zweitens ist es natürlich gerade für Versicherungen durchaus sehr spannend, abzu­fragen, wie oder was genau der Zustand eines Fahrzeugs ist. Dann kann natürlich ein individueller Preis festgesetzt und der Kunde dadurch massiv benachteiligt werden. Was ist mit dem Argument Konsumentenschutz, das Sie immer bringen? – Das ist genau das Gegenteil von Konsumentenschutz, was Sie da machen, weil Sie eben die Versicherungen auf den längeren Ast setzen.

Ähnliche Themen haben wir auch bei der automationsunterstützten Überwachung, die Sie insbesondere für Lkws fordern. Auch dazu gibt es klare Kritik: dass nicht klar ist, wie mit den Daten umgegangen werden wird, welche Daten gespeichert werden, ob nur die Daten von Fahrzeugen, die rechtswidrig unterwegs sind, gespeichert werden oder die Daten von allen. Das ist nicht eindeutig geklärt.

Also es gibt ganz, ganz viele Mängel aus dem Datenschutzbereich, und deswegen können wir diesem Gesetzentwurf, dieser KFG-Novelle nicht zustimmen. Ich würde Sie generell bitten, einfach ein bisschen mehr auf die Datenschutzrechte zu pochen, weil das, glaube ich, für die Bürgerinnen und Bürger etwas ganz Essenzielles ist, dass man da seine Rechte hat und dass die auch eingehalten werden. (Beifall bei NEOS und JETZT.)

12.51


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Andreas Ottenschläger. – Bitte.


12.51.35

Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Vielleicht gleich eine kurze Replik: Datenschutz ist natürlich wichtig, und in dem Fall, glaube ich, gehen wir sehr sorgsam damit um. Es ist für die Bürgerinnen und Bürger sehr wohl ein guter Weg, weil Transparenz geschaffen wird, weil Konsu­menten geschützt werden, weil sie mehr Informationen über ein Auto, über den Zustand eines Autos erhalten können, insbesondere dann, wenn sie ein gebrauchtes


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Auto kaufen wollen. Ich glaube, da gehen wir einen richtigen Weg im Sinne der Konsu­mentinnen und Konsumenten. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Im Wesentlichen gibt es drei Punkte in dieser Novelle: das Thema Sicherheit – wir ermöglichen zum Beispiel das Blaulicht für Bergrettung, Höhlenrettung und Wasserret­tung, und auch Fachärzten für Frauenheilkunde und Geburtshilfe ist es nun erlaubt, bei Einsatzfahrten zu Hausgeburten das Blaulicht zu verwenden; mehr dazu wird meine Kollegin Eva-Maria Himmelbauer, die das auch mitinitiiert hat, berichten (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP) –, das Thema Umwelt – es wurde schon erwähnt, ich möchte diese Punkte nicht alle wiederholen – und auch das Thema Entbürokratisierung.

Wichtig ist – Kollege Schmuckenschlager hat das in seiner Rede zur Verkehrspolitik heute schon allgemein gesagt –: Es geht einerseits um die Sicherheit, und es geht um ein modernes System, das vor allem ökologisch nachhaltig wirkt.

Herr Kollege Stöger, Sie sagen hier heute, wir müssen mehr in den öffentlichen Ver­kehr investieren. – Hier ist der Rahmenplan der ÖBB 2018–2023 (eine Kopie in die Höhe haltend) – das ist jetzt keine Neuerfindung dieser Bundesregierung, Sie wissen das, er wird jährlich fortgeschrieben –, und es wurde noch nie so viel in den Schienen­ausbau investiert wie jetzt. Das muss man auch einmal sagen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich glaube, es ist für die Zuseherinnen und Zuseher auch sehr wichtig, zu wissen: Diese Regierung bekennt sich dazu, dass das Wichtigste der Ausbau des öffentlichen Verkehrs ist, und wir tun das; ich glaube, dieses Programm dokumentiert das ganz eindeutig. Es gibt ein ganz eindeutiges Bekenntnis dazu im Regierungsprogramm, das ist der größte Schwerpunkt zum Thema Verkehr, und ich bitte, das auch so zur Kenntnis zu nehmen. Für Sie (in Richtung Galerie) ist es zur Information ganz wichtig, und der Herr Bundesminister betont es auch immer wieder: Der Ausbau in diesem Be­reich steht ganz, ganz oben auf unserer Liste. Es werden jährlich Milliardenbeträge in den Ausbau und den Betrieb des öffentlichen Verkehrs investiert. Dazu bekennen wir uns, und diesen Weg werden wir auch weiter fortsetzen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

12.54


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Stephanie Cox. – Bitte.


12.54.53

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Werte Damen und Herren vor den Bildschirmen! Werter David, werte Eva! Die Wahrscheinlichkeit, dass ich jetzt jemanden angesprochen habe, einen David oder eine Eva, ist sehr hoch. Warum? – Weil unsere Vornamen allein in den meisten Fällen nicht einzigartig sind. Wir sind dadurch nicht zuordenbar und nicht angreifbar. Also die Vornamen machen uns nicht zuordenbar und nicht angreifbar, aber was ist, wenn David in der Haselnussstraße 12 in Fürstenfeld wohnt, bisexuell ist und rechts­politisch wählt, oder Eva Katholikin ist, bereits drei Mal ihr Konto überzogen hat und mit ihrem Auto sorglos umgeht? – Das sind alles Daten und Informationen, die ich nicht haben sollte, weil sie sehr persönlich sind (Abg. Rosenkranz: Und mich interessieren sie auch nicht!) und weil diese Informationen David und Eva einzigartig, zuordenbar und vor allem angreifbar machen! Es handelt sich da jetzt um ein fiktives Beispiel, aber das Problem ist sehr real.

Daten sind das Gold unserer Zeit. Daten ermöglichen unter anderem, dass Werbung exakt auf mich zugeschnitten wird. Was ermöglichen Daten noch? – Wenn ich einen Kredit oder eine Hypothek aufnehmen möchte, dann wird das in Zukunft nicht mehr so


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einfach sein, denn es gibt im Hintergrund höchstwahrscheinlich ein Risikoprofil von mir. Die meisten sagen mir, wenn ich über das Thema Datenschutz spreche: Okay, ich habe ja eh nichts zu verbergen, die wissen eh schon alles über mich!

Mir ist klar, dass Technologie immer smarter und automatisierter wird, gesetzliche Rah­men in vielerlei Hinsicht noch nicht abgesteckt sind. Oft wissen wir gar nicht, welche Organisationen wirklich welche Art von Information von uns haben. Das heißt, es ist einfach sehr komplex.

Was mich auch sehr traurig macht, ist, dass es im Moment erst Skandale braucht, damit wir uns überhaupt mit diesem Thema beschäftigen. Stichwort Post: Die öster­reichi­sche Post hat Adressen, Telefonnummern und Parteiaffinitäten von über 2,2 Mil­lionen Österreicherinnen und Österreichern verkauft. – Es braucht erst 2,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher, die betroffen sind, damit wir uns überhaupt mit diesem Thema auseinandersetzen.

Wenn ich mir jetzt das, was mir heute als Grundlage vorliegt, also das, was uns hier vorliegt, ansehe, dann muss ich sagen, das hat wenig mit Datenschutz zu tun, Herr Minister! Es geht darum, dass zwei private Unternehmen mit den Daten, die wir, wenn wir das Pickerl – das bekannte Pickerl – machen lassen, in der Werkstatt abgeben, Geschäfte machen. Diese Daten werden verkauft.

Was bedeutet das? – Sie, Herr Minister, haben geschrieben, alle Personendaten seien pseudonymisiert. – Ich weiß nicht, ob vielleicht ich oder meine Mitarbeiter Ihnen einmal einen Kurs in Big Data anbieten oder Ihnen klarmachen sollten, was pseudonymisiert bedeutet. Es geht darum: Man kann Daten in verschiedenen Silos haben, man kann verschiedene Daten haben – aber wenn man sie zusammenzieht, kann man sehr wohl ein Profil einer Person zusammenstellen und herausfinden, wer diese Person ist. Das heißt, die Daten sind nicht in der Art verschlüsselt, wie sie verschlüsselt sein sollten.

Sie verheimlichen uns noch etwas, Herr Minister, wenn Sie sagen, in Großbritannien und den Niederlanden gibt es ähnliche Gesetzesnovellen: Ja, aber da liegen die Daten in staatlicher Hand, und das ist ein Unterschied. Bei uns verdienen Privatunternehmen am Verkauf der Daten – das passiert hier in Österreich!

Was Sie uns auch noch verschwiegen haben: Versicherungen und Leasingbanken haben nun ein leichtes Spiel, FahrerInnenprofile zu erstellen, und das sollte nicht der Fall sein, denn, sehr geehrte Damen und Herren, die Sie vor den Bildschirmen sitzen, Ihre Versicherungsprämie kann somit in die Höhe schnellen, kann in die Höhe gehen, weil die Versicherungen jetzt Daten haben, die sie nicht haben sollten!

Frage an Sie, Herr Minister: Wie können Sie garantieren, dass sich diese Unterneh­men, diese Privatunternehmen, nicht einfach Datenflatrates mit Unternehmen aus­machen und sagen: Gut, hier haben Sie die Summe X, dann kriegen wir die gesamten Daten!? Solche Geschäfte können auf Basis dessen, was wir hier vor uns liegen haben, erfolgen. Sie, Herr Minister, tragen die Verantwortung dafür, dass nicht Unternehmen mit unseren Daten Geld machen! Sie haben die Verantwortung.

Es hat ja gerade ein Kollege von der ÖVP gesagt: Datenschutz ist uns wichtig, wir gehen sorgsam damit um! – Was ich hier vor mir liegen habe, hat nichts mit Sorg­samkeit zu tun. Da geht es darum, dass mit Daten Geld gemacht wird und nicht kritisch hinterfragt wird, wie wir dem Datenschutz höchste Priorität einräumen können, denn das muss der Fall sein. Ihre Pflicht ist es, dafür zu sorgen, dass diese Unternehmen nicht rein um des Profits willen Services verrichten. An dieser Stelle ist es auch wichtig, zu sagen, dass der Schutz des Individuums, der Schutz der Daten an erster Stelle stehen muss.


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Gerade, wenn es um Versicherungen geht, gerade, wenn es in Zukunft um Gesundheit geht, wenn es um Bildung geht, gibt es ganz, ganz viele Daten. Wenn wir jetzt nicht die richtigen Rahmenbedingungen dafür schaffen und da nicht richtig informiert sind, was zum Beispiel Pseudonymisierung wirklich bedeutet, dann macht mich das echt traurig.

Abschließend möchte ich sagen: Sie haben im Ausschuss gesagt, Sie sind der Letzte, der nicht ein Gesetz, der nicht etwas repariert, was nicht richtig ist. – Ich würde einmal vorschlagen: Machen Sie sich an die Arbeit und fangen Sie an zu reparieren! (Beifall bei JETZT.)

13.00


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich der Herr Bundesminister zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.


13.00.27

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zuerst mit einigen anderen Punkten beginnen, die von dieser Novelle betroffen sind. Das ist zum einen eine Verwaltungsvereinfachung. Sie alle kennen den Aufkleber Dienstkraftwagen und haben sich vielleicht schon oft gefragt, warum so ein Aufkleber notwendig ist. Aus unserer Sicht ist es nicht mehr notwendig, dass auf Dienstfahrzeugen dieser Aufkleber angebracht werden muss, das wird es also nicht mehr geben. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Es wird in Zukunft die Umsetzung von Weigh in Motion möglich sein. Das heißt, das Achslastengesamtgewicht von Fahrzeugen wird beim fahrenden Fahrzeug festgestellt, man muss dazu nicht mehr stehen bleiben. Es wird mittels Bildverarbeitung auch darauf geachtet, ob die Abmessungen des Fahrzeugs in Ordnung sind und den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.

Was Fahrzeugänderungen anbelangt: Ein Tuning, das eine Verschlechterung des Emissionsverhaltens bewirkt, ist in Zukunft verboten. Auch das Inverkehrbringen von technischen Bauteilen zur Abgasmanipulation wird verboten, und auch das Bewerben von verbotenen Fahrzeugänderungen wird nicht mehr möglich sein.

Es gibt aber auch – das möchte ich betonen, weil ich erst vor wenigen Wochen ein Unternehmen besucht habe, das Tuning betreibt – Tuningmaßnahmen, die den Ver­brauch und die Emissionen von Fahrzeugen deutlich verringern. Wenn man also zum Beispiel Oldtimer auf einen technisch besseren Stand bringt – Einspritzanlage und so weiter –, dann wird der Verbrauch deutlich reduziert. Diese Unternehmen haben oft das Problem, dass sie bei den Prüfstellen völlig unterschiedlich behandelt werden, oft in andere Bundesländer fahren, um das Fahrzeug dort testen zu lassen. Auch das möchte ich mir jetzt für die nächste Novelle anschauen, weil es da politischen Hand­lungs­bedarf gibt.

Die Blaulichtführung ist bereits erwähnt worden: für Wasserrettung, Bergrettung, Höh­lenrettung, bestimmte Fachärzte ex lege – also auch ein geringerer Verwaltungsauf­wand.

Nun komme ich zur Datenabfrage. Ich habe es mir angesehen: Es sind keine per­sonenbezogenen Daten. Es betrifft die Prüfplakette, das sogenannte Pickerl – das heißt, man kann sehen, ob das Fahrzeug verkehrstauglich ist oder nicht –, und es betrifft den Kilometerstand. Daher ist es auch nicht möglich, die Versicherungsprämie darauf abzustimmen, weil die im Vorhinein festgelegt wird und nicht danach. Zweitens: Für jede Person, die ein gebrauchtes Fahrzeug kauft, ist sichergestellt, dass es keine Tachomanipulation geben kann. Das ist auch ein wichtiger Beitrag für den Konsumen-


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tenschutz. Ich bin daher der Meinung, dass man dieser Novelle mit gutem Gewissen zustimmen kann. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.03


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Danke schön, Herr Minister.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Wassermann. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.03.37

Abgeordnete Sandra Wassermann (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn eine Falschmeldung klarstellen, nämlich von Herrn Kollegen Hoyos-Trauttmansdorff, der eigentlich wissen sollte, dass es bereits eine Pickerl-Datenbank gibt und diese nicht neu eingeführt wird. Wir führen nur ein, dass der Konsument beim Kauf eines gebrauchten Wagens nachschauen kann, ob für diesen schon Daten gespeichert sind oder nicht. So kann beim Kauf die Kilo­meter­anzahl auf dem Tacho leichter kontrolliert und überprüft werden. Das ist eine Verbes­serung und ein Vorteil für den Konsumenten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

In der Debatte zur 36. Kraftfahrgesetz-Novelle spanne ich heute den Bogen vom Ver­kehr hin zum Lebenskreislauf und möchte drei Punkte positiv hervorheben, beginnend dort, wo eben Leben beginnt.

In den letzten Jahren gab es in Österreich einen Anstieg der Zahl der Hausgeburten, wo Babys in den eigenen vier Wänden geboren werden. Wir liegen da bei einem Anteil von 1,5 Prozent. In diesem Zusammenhang ist die Blaulichtbewilligung für Frauenärzte zum rascheren Erreichen des Orts der Hausgeburt ein wichtiges Signal. Sie werden nunmehr den Hebammen gleichgestellt.

Sind die Kinder schon etwas größer, können sie die Fahrradprüfung absolvieren. Diesbezüglich wurde das Gesetz dahin gehend geändert, dass man diese bereits mit dem vollendeten neunten Lebensjahr oder in der vierten Schulstufe ablegen kann. Die Fahrradlenkerbewilligung ist somit auch leichter zu erlangen.

Die Sicherheit der Kinder im Straßenverkehr ist uns ein ganz wichtiges Anliegen – nicht nur per se als Verkehrsteilnehmer, sondern auch als Insassen im Auto. Dazu soll auch die Änderung bei der Kindersitzpflicht beitragen. Neben einem passenden Kinder­rückhaltesystem soll der Sicherheitsgurt ab einer Körpergröße von 135 Zentimetern verwendet werden können.

Nun komme ich auch schon zum dritten Punkt: Die jungen Erwachsenen absolvieren die Führerscheinprüfung positiv und interessieren sich vielleicht auch schon beim Wörtherseetreffen für die Chiptunings. Neben dem wichtigen Wirtschaftszweig der Automobilindustrie hat sich der Ausschuss vor allem mit dem Deaktivieren und Mani­pulieren von Abgassystemen beschäftigt. Fahrzeugänderungen, die eine Verschlechte­rung des Emissionsverhaltens von Fahrzeugen zur Folge haben, werden jetzt aus­drücklich für unzulässig erklärt.

Ich darf hier ein sehr wichtiges Thema ansprechen, das auch temporär in der Kärntner Bevölkerung Wichtigkeit erlangt, nämlich auch, wenn es um das Wörtherseetreffen geht, und möchte eine Brücke zum Tourismus bauen: Ich möchte Sie zum Familien­motorsportevent am Wörthersee am 29. Mai herzlich einladen.

Der Lebenskreislauf schließt sich aber auch, denken wir an die Unfälle im Straßen­verkehr: Auch da hat unser Innenminister Herbert Kickl Maßnahmen gegen soge­nannte Gaffer, die durch Filmen und Fotografieren an den Unfallstellen die Einsatz-


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kräfte und Blaulichtorganisationen behindern, gesetzt, nämlich in dem Sinn, dass er sie zur Verantwortung zieht.

Gerade an diesen aktuellen Beispielen sieht man auch, wie gut die einzelnen Minis­terien zusammenarbeiten, um kompetenzübergreifende Lösungen ganz im Sinne unserer Mitbürger zu erarbeiten. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.06


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Laimer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.07.06

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die SPÖ unterstützt die kritische Stellungnahme der Wirtschaftskammer in Bezug auf die Begutachtungsplakettendatenbank, die im Gegensatz zu beispielsweise Holland, wo diese staatlich geführt wird, bei uns in privaten Händen liegt, genauso wie die Kritik der Verkehrsklubs, des Datenschutzrates sowie des BKA-Verfassungsdienstes. Mit Daten spielt man nicht, meine Damen und Herren!

Die Skepsis dieser Institutionen und Vereine ist begründet und für uns auch nach­vollziehbar. So können Versicherer das Kfz regelmäßig prüfen, den Zustand des Fahrzeugs neu bewerten und somit auch die Versicherungsprämien anpassen. Die Autofahrer werden sich bedanken. Genauso wären allfällige Garantieleistungen des Fahrzeugherstellers über Abruf des Gutachtens neu zu definieren. Die Autofahrer werden sich dafür bedanken.

Geschätzte Damen und Herren, gestatten Sie mir kurz eine Stellungnahme zur gestri­gen zweimaligen Geschichtsverklärung des Herrn Nehammer: Zum Ersten wurde von ihm die österreichische Sozialdemokratie gegen besseres Wissen in die Nähe des und in Sympathie zum Kommunismus gestellt. (Abg. Hafenecker: KFG-Novelle!) Diese Behauptung ist falsch und geschichtlich widerlegt. 1889 gegründet und bis zum Verbot durch Dollfuß 1934 war es die Sozialdemokratische Arbeiterpartei. Die Zeit der Sozialistischen Partei, die Kreisky-Ära, war die beste Zeit für Österreich: die Moder­nisierungs- und Aufbruchsära. (Ruf bei der ÖVP: Lang, lang ist’s her! – Abg. Hafenecker: Wir diskutieren die KFG-Novelle, Herr Kollege!) Sozialistische Partei unter Bruno Kreisky: War das eine kommunistische Phase Österreichs?

Zum Zweiten – und das ist neu an Türkis – bekennt sich Nehammer als Parteisekretär nicht wie seine Vorgänger zu Dollfuß, der ja bis dato als Säulenheiliger in der ÖVP galt und für den sogar Messen gelesen wurden und noch immer gelesen werden; da war die ÖVP schon türkis, ich verweise auf Juli 2018: „Gedenken, Frömmigkeit und Heldentum am Hietzinger Friedhof“. (Der Redner hält die Kopie eines Zeitungsartikels in die Höhe.)

Ebenso hing das Dollfuß-Porträt noch bis vor Kurzem im ÖVP-Klub und wurde mit Renovierungsbeginn des Parlaments nach St. Pölten ins Landesmuseum abgescho­ben – die einzige Route, die Kurz geschlossen hat, nämlich die zum eigenen ÖVP-Klub.

Meine Damen und Herren, die künstliche Aufregung in Bezug auf eine Gegenüber­stellung von Dollfuß und Kurz – keinesfalls als Vergleich; das weise ich entschieden zurück, dieser wäre absurd, das wird aber von Ihnen jetzt so interpretiert – ist unzuläs­sig, zumal dieses Bild einen leider aktuellen politischen Anlass hat. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)


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Wenn ein Innenminister de facto erklärt: Das Gesetz bin ich!, und ein Bundeskanzler dazu lediglich ein lapidares Telefonat führt, ohne die Öffentlichkeit über den Inhalt aufzuklären, dann schrillen die Alarmglocken bei jedem aufrechten Demokraten und jeder aufrechten Demokratin in Österreich. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neubauer: Zum Thema! Zum Thema! – Abg. Rosenkranz: Sie haben ja noch gar nicht gewusst, wer der Dollfuß war, bis jetzt! Meine Güte! – Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.)

Eine Partei wie die SPÖ hat stets für Demokratie gekämpft, dafür, wofür unsere Vorfahren gestorben sind, gefoltert wurden – Stichwort Anhaltelager Wöllersdorf, von Dollfuß errichtet. Eine Partei wie die Sozialdemokratie, die von den Christlich-Sozialen verboten wurde, muss und darf sensibilisiert sein, wenn es um Menschenrechte und Rechtsstaat geht. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Stefan: Deshalb stellt ihr den Bundeskanzler daneben! Hat das etwas mit dem Bundeskanzler zu tun? Ist das nicht geschmacklos? Das ist geschmacklos! – Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.)

Die Geschichte, meine Damen und Herren, hat uns als Sozialdemokratie schon einmal recht gegeben. Ich hoffe inständig und aufrichtig, dass sich die Geschichte auch nur im Ansatz nie wieder wiederholt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gudenus: Keine Sorge! Wir hatten schon genug Sozialismus jahrzehntelang! – Abg. Rosenkranz: Der war für viele Wahlkämpfe der SPÖ in Niederösterreich verantwortlich! Darum weiß man das Ergebnis!)

13.11


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Frau Abgeordnete Himmelbauer, Sie sind als Nächste zu Wort gemeldet. – Bitte schön.


13.11.36

Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer, BSc (ÖVP): Das Geschichtsverständnis der SPÖ-Kollegen ist schon sehr eigensinnig. (Abg. Rosenkranz: Das ist nur das selbst geschriebene Geschichtsverständnis!) Diese Bundesregierung arbeitet seit Tag 1 an wichtigen Reformen, und wenn Sie schon selbst Kreisky erwähnen, dann würde ich mir doch wünschen, dass die SPÖ sich an die Kreisky-Ära erinnert und genau diesen Reformwillen auch an den Tag legt und gemeinsam für dieses Land arbeitet. Aber wo sind Sie? (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Uns geht es aber um die Sache, und ich glaube, das ist wichtig. Einige Kollegen haben es heute schon angesprochen: Wir behandeln und diskutieren jetzt die KFG-Novelle, die sich mit einigen wichtigen Änderungen auseinandersetzt. Ich möchte eine kleine Änderung hervorheben, die aber eine sehr große Wirkung entfalten wird. Es betrifft nämlich die werdenden Mütter. Meine Kollegin, Frau Wassermann, hat es zuvor auch angesprochen: Das KFG regelt die Zuteilung von Blaulicht, Folgetonhorn et cetera. Derzeit ist es so geregelt, dass nur die Hebammen, die für Hausgeburten zuständig sind, ein Blaulicht führen dürfen. Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe sind davon ausgeschlossen. Das führt natürlich auch in der Praxis zu Problemen, wenn es zu Komplikationen kommt, wenn eine medizinische Nachbetreuung vielleicht notwen­dig ist oder aus gewissen anderen Gründen ein Facharzt hinzugezogen werden soll, denn Hebammen sind unter gewissen Umständen auch dazu verpflichtet, einen Fach­arzt hinzuzuziehen.

Was passiert in der Praxis? – Der Facharzt ist als normaler Autofahrer unterwegs und verliert am Weg dorthin, an Ampeln oder Kreuzungen, wichtige Zeit, weil vielleicht gerade viel Verkehr ist. Hausgeburten sind sicherlich nicht die Norm in Österreich, aber es wird zunehmend von den Frauen gewünscht, in den eigenen vier Wänden, in einer vertrauten Umgebung, auch mit einem persönlichen, vertrauensvollen Bezug zur Heb­amme oder zum Arzt eine Hausgeburt durchzuführen. Wir wollen in diesem Rahmen


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die größtmögliche Sicherheit für die Mutter und das Kind gewährleisten. Daher ist es, glaube ich, sehr zielführend, dass es zu einer Gleichstellung von Hebammen und Fachärzten kommt und dass die Ärzte in Zukunft auch dieses Blaulicht führen dürfen.

Diese Maßnahme ist auf einen engagierten Gynäkologen aus meinem Wahlkreis zurückzuführen, der sich bereits 2017 an dieses Hohe Haus gewendet hat und mit dieser Angelegenheit bereits bis zum Verfassungsgerichtshof gegangen ist.

Wieso es unter der vergangenen Regierung, unter dem vorherigen Verkehrsminister in der letzten Legislaturperiode nicht dazu gekommen ist, dass wir das umsetzen konnten, ist vielleicht müßig zu fragen, aber umso erfreulicher ist es, dass ich mit diesem meinem Anliegen bei Ihnen, Herr Minister, aber auch bei den Verkehrs­sprechern Ottenschläger und Hafenecker ein offenes Ohr gefunden habe und dass wir diese sinnvolle Maßnahme mit diesem Gesetz umsetzen können. – Danke schön dafür. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir haben gestern sehr viel über die ärztliche Versorgung, insbesondere am Land, gesprochen. Letzten Endes muss es uns um das Wohlergehen der Bürgerinnen und Bürger gehen, und mit dieser Änderung schaffen wir Sicherheit für Mutter und Kind. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.15


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Loacker. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.15.16

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich komme zu einem bisher übergangenen Antrag, in dem es um die Zulassung von Quads und ATVs – All Terrain Vehicles – geht, die mehr als 15 Kilowatt Leistung haben. Das sind vierrädrige Kraftfahrzeuge, die von der Bau­weise eigentlich eher einem Kraftrad gleichen und sich bekanntermaßen zunehmender Beliebtheit erfreuen. Während die Quads eher Freizeitgeräte sind, kommen die All Terrain Vehicles vor allem in der Landwirtschaft zum Einsatz, 40 000 solcher Geräte kurven in Österreich herum. Man kann sie aber nur bis zu einer Leistung von 15 Kilo­watt zulassen, darüber nicht. Nur: Kein Hersteller bietet das Ding mit einer Leistung bis zu 15 Kilowatt an, die haben alle mehr, also kurven diese 40 000 Geräte nicht zuge­lassen herum, und das wird auch nicht kontrolliert.

Was heißt denn das, wenn Sie von so einem Ding zusammengefahren werden? Hat es keine Zulassung und auch keine angemessene Haftpflichtversicherung, dann können Sie schauen, wie Sie bei einem Personenschaden zu Ihrem Recht kommen.

Gefahren werden dürfen sie schon mit einem Führerschein der Gruppe B, aber zuge­las­sen können sie nicht werden. Diese Frage ist nationale Kompetenz und nicht EU-Kom­petenz, wie bereits abgeklärt ist. Das könnte man alles ganz, ganz leicht sanieren, aber die Mehrheit von ÖVP und FPÖ hat diesen Antrag im Ausschuss schon unkom­mentiert abgelehnt und wird ihn wohl jetzt wieder unkommentiert ablehnen, und damit 40 000 solcher Fahrzeuge weiter in der Illegalität herumkurven lassen. (Beifall bei den NEOS.)

13.17


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Pewny. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.17.10

Abgeordneter Ing. Christian Pewny (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die 36. KFG-Novelle sieht unter anderem


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 92

vor, dass die bisherige Bewilligung von nur einem Fahrschulstandort pro Fahr­schul­inhaber auf zwei Fahrschulstandorte erhöht wird. Die Bundesregierung reagiert auf den ausdrücklichen Wunsch des Fachverbands der Fahrschulen und der Behörden. Vor allem in Wien zeigt sich aber, dass die bisherige Gesetzeslage leider nicht so gelebt wurde, wie sie eigentlich vom Gesetzgeber vorgesehen war.

Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Keck! Ich muss mich schon fragen, wie das eigentlich sein kann, dass es in Wien 56 Fahrschulstandorte gibt und über 90 Außenkursbewilligungen ausgestellt wurden. Die Bundeshauptstadt verfügt über ein hervorragendes öffentliches Netz, das von den Bundesländern mehr als großartig mitfinanziert wird. Da könnte man doch meinen, dass ein Fahrschüler die Kurse am gewünschten Fahrschulstandort ohne Probleme wahrnehmen kann. Es muss aber leider davon ausgegangen werden, dass Außenkursbewilligungen bewusst dafür ge­nutzt wurden, einen weiteren De-facto-Standort zu erzeugen, der bisher gesetzlich untersagt war.

Mit der neuen gesetzlichen Regelung schaffen wir es endlich, wieder Ordnung herzu­stellen. So sind in Zukunft mehrere Fahrschulbewilligungen pro Fahrschulinhaber möglich, dafür entfallen diese unsäglichen Außenkursbewilligungen. Das führt dazu, dass ein Fahrschulinhaber zukünftig zwei Fahrschulstandorte selbst leiten kann, darüber hinaus kann er für weitere Standorte einen Fahrschulleiter bestellen, wobei der Abstand zwischen den Standorten maximal 50 Kilometer Luftlinie betragen darf. Die bisher gültige Bundesländerbeschränkung, wie sie bei den Außenkursen in Geltung war, fällt endlich weg.

Das gibt den Fahrschulen zukünftig die notwendige Flexibilität, um dort zu wirken, wo auch wirklich Bedarf besteht. Vor allem ländliche Regionen sollen von dieser wichtigen Novelle profitieren. Es ist bereits jetzt so, dass viele Fahrschulen im ländlichen Raum einen Abholservice anbieten. – Herr Kollege Keck, bei meinem Betrieb haben Sie anscheinend nicht angerufen.

Jetzt wird durch die neuen Standorte eine zusätzliche Infrastruktur geschaffen, die gerade im ländlichen Raum, der oft von Abwanderung betroffen ist, extrem wichtig ist. Vor allem für junge Leute am Land ist der Führerschein die Eintrittskarte in die Unab­hängigkeit.

Durch den Verzicht auf die bisher zwingend erforderliche Fahrpraxis zugunsten der Absolvierung eines Lehrplanseminars wurde ein weiterer toller Beitrag zur Entbüro­kratisierung geleistet. Durch die Ergänzung, dass Lenkpraxis der Fahrzeugklasse D auch für die Fahrzeugklasse C gelten soll, fällt eine weitere bürokratische Hürde weg.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dieser KFG-Novelle wird dem Missbrauch und der Bürokratie endlich ein Riegel vorgeschoben. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.20

13.20.36


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter noch ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 2: Entwurf betref­fend 36. KFG-Novelle in 471 der Beilagen.

Dazu haben die Abgeordneten Stöger, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungs­antrag eingebracht.


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Ich werde daher zunächst über die vom erwähnten Abänderungsantrag betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetz­entwurfes abstimmen lassen.

Die Abgeordneten Stöger, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffern 31, 52, 59 und 62 eingebracht.

Wer hierfür stimmt, den bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Min­derheit und somit nicht angenommen.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über diese Teile des Gesetzentwurfes in der Fassung der Regierungsvorlage.

Ich bitte jene Mitglieder des Hohen Hauses, die sich hierfür aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich komme ich zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungs­vorlage.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung erteilen, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung hierfür ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Der Gesetzentwurf ist hiermit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 3, das ist der Antrag des Verkehrsausschusses, seinen Bericht 481 d.B. zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung erteilen, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

13.22.534. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über die Regierungsvorlage (448 d.B.): Bun­des­gesetz, mit dem das Kraftfahrliniengesetz geändert wird (482 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir kommen nun zum 4. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Deimek. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.23.19

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minis­ter! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Diese Novelle des Kraftfahrlinien­gesetzes zeigt im Großen und Ganzen die Prämisse von Minister Hofer im Verkehrs­ministerium: entbürokratisieren, beschleunigen, den Bürgerwillen nachvollziehen und das alles sinnvoll in Gesetze gießen.

Es gibt beim Kraftfahrliniengesetz drei Änderungen. Die Erste betrifft einen Wunsch der Verkehrslandesräte und der Behörden, dass nämlich Konzessionsurkunden im innerstaatlichen Bereich nicht mehr ausgestellt werden und einfach entfallen – eine Entbürokratisierung im reinsten Sinn des Wortes.

Es kommen auch Erleichterungen bei den Haltestellenverfahren, da gab es den viel­fachen Wunsch nach Änderung vonseiten der Gemeinden: Immer dann, wenn ein neuer Kraftfahrdienst übernahm, beispielsweise nach Ausschreibungen, mussten die


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Haltestellen neu besichtigt und begangen werden – ein an und für sich sinnloser Pro­zess, der jetzt durch diese Gesetzesänderung bereinigt wird. Dass man es den Unter­nehmen manchmal doch nicht ganz leicht machen sollte, zeigt die Erfahrung vor allem bei den ersten Fahrten von Bussen neu ausgeschriebener Linien und bei neuen Unter­nehmen. Das ist aber etwas, was man zusätzlich machen kann. Die Pflicht für die Verhandlung der Haltestellen entfällt jedenfalls, und das ist sinnvoll.

Dass die Änderung bei den Rufbussen nur im innerstaatlichen Bereich kommt, ist eigentlich eine logische Konsequenz: Wir wollen diese im nationalen Bereich, aber aus Finanzierungsgründen und so weiter nicht im staatsübergreifenden Bereich.

An diesem Punkt muss ich erstens einmal sagen: Danke, Minister Hofer, dass das mit den Beamten relativ rasch durchgezogen wurde. Zweitens zeigt das wieder: Wenn ein Minister bürgernah agiert, wenn ein Minister die entsprechenden Beamten und Stellen des Landes bedient, dann kommt das, wofür Minister Kickl verbal attackiert wurde, nämlich: Das Recht folgt der Politik, wenn sie gut ist. Sie sollte gut sein, und in diesem Fall ist sie es – nicht nur ausnahmsweise –, und sie ist vor allem richtig. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Rainer Wimmer.)

13.26


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Kucher. – Bitte.


13.26.14

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Rosenkranz: Aber jetzt bitte bei der Wahrheit bleiben, nicht so wie gestern!) – Immer gerne!

Ich möchte gleich auf die Ausführungen des Kollegen Deimek eingehen. (Abg. Rosenkranz – in Richtung Bundesminister Hofer –: Kannst du bitte wieder fluchtartig ...!) Wenn es im Bereich der Verwaltungsvereinfachungen möglich ist, das Kraftfahrliniengesetz zu verbessern, sind wir gerne mit dabei; diese Vorhaben und Initiativen unterstützen wir gerne. Etwas schwerer tue ich mir mit deinen Lobpreisungen von Minister Hofer im Bereich der Bürgernähe: Das mit der Bürgernähe werden die 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AUA in den Bundesländern ganz anders sehen. Die AUA hat uns vor zwei Wochen ausgerichtet, dass die Flugbasen in Klagenfurt, in Graz, in Linz, in Salzburg und in Innsbruck geschlossen werden. (Ruf bei der FPÖ: Die gehören nicht ...!)

Die Landeshauptleute vor Ort – Landeshauptmann Kaiser in Kärnten, Landes­haupt­mann Platter in Tirol –, die Betriebsräte und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort haben gesagt: Das können wir so nicht zulassen. – Man hat sie da einfach vor die Wahl gestellt: Entweder ihr steht auf der Straße oder ihr könnt eure Koffer packen und nach Wien übersiedeln. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Dabei hat man nicht bedacht, dass diese Menschen vor Ort Familien haben, dass sie Angehörige haben, dass sie vielleicht Kinder im Kindergarten haben, dass sie Freunde haben, dass es Omas und Opas gibt, die in der Nähe leben. Ihnen hat man gesagt: Packt die Koffer und geht nach Wien! (Abg. Kassegger: Wem gehört die AUA?!)

Wisst ihr, was dann Herr Verkehrsminister Hofer gesagt hat? – Man müsse diese Entscheidung respektieren und das wäre irgendetwas mit einer Chance. – Ist das zynisch? Ist das zynisch, dass man 200 Menschen, die vor die Wahl gestellt werden, die Koffer zu packen und nach Wien zu gehen, als Verkehrsminister sagt, das wäre eine Chance? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Deimek: Wer hat sie verkauft?!)


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Jetzt kann man darüber diskutieren, wie leicht oder schwer möglich es ist, mit einem Konzern wie der Lufthansa zu verhandeln. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek.) Der Unterschied ist: Landeshauptmann Platter hat gesagt, das Ganze sei eine Farce. Sie, Herr Verkehrsminister, haben gesagt, das wäre eine Chance! Sagen Sie das diesen 200 Menschen, die nicht wissen, wie es mit ihrer Zukunft weitergeht! Sie haben nicht diesen 200 Menschen den Rücken gestärkt, sie haben der Lufthansa und dem Konzern den Rücken gestärkt. Sie haben es nicht einmal versucht. Sie haben nicht einmal dafür gekämpft, gemeinsam eine Lösung zu finden, und haben diese 200 Men­schen und ihre Familien im Stich gelassen. Das ist nicht die Aufgabe eines Verkehrs­ministers! (Abg. Deimek: Wenn Siemens etwas schließt, wer macht das dann?)

Wir wissen alle, dass es schwer sein kann, gegen internationale Konzerne anzu­kämp­fen. Wir wissen alle, dass der Lufthansa-Konzern nicht in österreichischem Staats­besitz ist. Wir wissen aber auch, dass es Spielregeln für Konzerne gibt und dass ein Verkehrsminister anstatt zu sagen: Ich schreibe Pressemeldungen für den Lufthansa-Konzern!, den Job hätte, zu sagen: Ich kämpfe gemeinsam für Lösungen, für soziale Lösungen für 200 Menschen in den Bundesländern! (Beifall bei der SPÖ.)

Da geht es um die regionale Wirtschaft vor Ort, und es geht um menschliche Schicksale – das hat der Verkehrsminister leider nicht zustande gebracht, das ist leider fehlende Bürgernähe. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Deimek: Was hat Frau Ederer bei Siemens bei den Schließungen gemacht?)

13.28


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet hat sich nun der Herr Bun­desminister. – Bitte schön, Herr Minister.


13.29.05

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war heute schon einmal die Rede von Populismus – das war leider Populismus. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Kucher: Fakten!) Herr Abgeordneter Kucher! Glauben Sie wirklich, dass Sie dem Lufthansa-Konzern vorschreiben können, wo welche Flugzeuge starten? (Abg. Kucher: Sie haben es nicht einmal versucht! Sie haben nichts getan – nichts getan!)

Ich mache mit Ihnen eine kleine Wette. Herr Landeshauptmann Kaiser, den ich sehr schätze, hat angekündigt, er werde alles tun, damit das verändert wird – größten Respekt davor, aber es wird nichts ändern. (Abg. Kucher: Weil Sie ihm in den Rücken gefallen sind!) – Nein, weil die AUA verkauft worden ist! Die heißen Austrian Airlines, und diese Airline ist keine staatliche Airline. Sie wurde verkauft, und die Politik hat keinen unmittelbaren Einfluss auf das Tagesgeschäft, auf die Planung der AUA. Das können wir nicht. (Ruf bei der ÖVP: Lernen Sie Geschichte!)

Ich kann etwas anderes tun: Ich kann mich bemühen – und das habe ich bereits eingeleitet –, mich bei anderen Airlines, die in Österreich fliegen, dafür einzusetzen und dafür zu werben, dass diese Flughäfen angeflogen werden. Ich komme aus dieser Branche. Ich habe den Beruf des Flugtechnikers erlernt, ich weiß, wie schwer es ist, bei einer anderen Airline wieder einen Job zu finden, ohne zu übersiedeln, weil es so ein Spezialgebiet ist. Ich weiß, wie schwer das ist. Ich kann Ihnen aber auch sagen, dass der Neueigentümer des Flughafens Klagenfurt bereits gesagt hat, er habe eine Lösung für das Problem.

Bitte tun Sie nicht so, als würden mich die Schicksale jener Menschen, die ihren Job ver­lieren, nicht interessieren! Das ist wirklich nicht wahr! (Abg. Kucher: ... Presse­aus­sendung!) – Ja, ich habe die Wahrheit gesagt! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kucher.) Es muss ja wohl erlaubt sein, die Wahrheit zu sagen. Ich habe gesagt, ich


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kann keinen Einfluss nehmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Ich habe dann auch gesagt, ich werde Kontakt mit anderen Airlines aufnehmen und ersuchen, zu prüfen, ob man diese Lücke füllen kann – und das Füllen einer Lücke ist natürlich eine Chance für andere Airlines!

Ich hoffe, dass es gelingt. Es ist mir nicht egal, ich komme aus der Branche. Ich habe ein Jahr meines Lebens mit Menschen verbracht, denen es nicht sehr gut geht, im Krankenhaus und auf Reha. Ich weiß, was es bedeutet, ein Schicksal zu tragen, und mir ist das Schicksal der 200 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirklich nicht egal. Bitte glauben Sie mir das! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schieder. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

13.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Graf. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.31.45

Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen! Ich würde sagen, wir kehren wieder zum eigentlichen Thema zurück. Mit der hier vorliegenden Novelle des Kraftfahrliniengesetzes möchten wir die schon länger geforderten Anliegen der Konzessionsbehörde und der Länder beziehungsweise Ge­meinden erfüllen und einen Beitrag zur Vereinfachung leisten.

Mit der ersten zu beschließenden Maßnahme tragen wir erneut zu einer Vereinfachung und Erleichterung bei. Konkret streichen wir eine Regelung, die sich als unnötig erwiesen hat: Wir lassen die Ausstellung von Konzessionsurkunden im innerstaatlichen Bereich entfallen. Bis jetzt war es nämlich notwendig, diese Urkunde verpflichtend für nationale Kraftfahrlinienverkehre auszustellen; diese Konzessionsurkunde beinhaltet aber keine wesentlichen Punkte, welche nicht schon im Bescheid vermerkt sind, und es gibt auch keine Verpflichtung, diese mitzuführen. Eine Ausstellung dieser Urkunde ist für die Behörden zeitaufwendig und kontraproduktiv, daher kann darauf verzichtet werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Mit dem zweiten Punkt tragen wir auch wieder zur Vereinfachung bei, und zwar geht es da um das Haltestellenverfahren, das erleichtert werden soll. Österreich wird nämlich immer mehr zum Land für Öffifahrer: Schon mehr als vier Millionen Menschen nutzen neben der Bahn auch den Bus. Besonders wichtig dabei sind natürlich die Bushal­testellen, ihre Anordnung und Gestaltung beeinflusst nämlich die Attraktivität des öffent­lichen Personennahverkehrs ganz wesentlich. Haltestellen sollen nämlich erstens den Bedürfnissen der Fahrgäste gerecht werden, zweitens den Erfordernissen der Verkehrssicherheit entsprechen und drittens mit angemessenem Platzbedarf in das Straßen- und Stadtbild passen. Auch ein wesentlicher Punkt: Sie dürfen den Indivi­dualverkehr nicht zu sehr einschränken.

Dem Genehmigungs- und Zulassungsverfahren kommt da selbstverständlich eine große Bedeutung zu, denn die Sicherheit ist auch da oberstes Gebot. Die Festsetzung von Haltestellen obliegt deshalb den Landeshauptmännern beziehungsweise Landes­hauptfrauen. Bisher musste nach jedem Wechsel des Betreibers einer Kraftfahrlinie ein erneutes Genehmigungsverfahren durchgeführt werden. Mit der Änderung, die unser Minister jetzt eingeleitet hat, kann nun der Landeshauptmann beziehungsweise die Landeshauptfrau auf ein Ermittlungsverfahren verzichten, wenn die Haltestelle bereits vorher für den Kraftfahrlinienbetrieb eines Personenkraftverkehrsunternehmens geneh­migt war. Wir ersparen mit dieser Änderung unseren Gemeinden Zeit und sehr viel Geld, und wir vereinfachen den Behörden ihre Arbeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


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Vereinfachung ist das Motto dieser Änderung, die wir hier treffen. Ich danke für die Einstimmigkeit im Ausschuss und bitte um Zustimmung auch im Plenum. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.34


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Frau Abgeordnete Kirchbaumer ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


13.35.05

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zu­seher oben auf der Galerie und auch zu Hause vor den Bildschirmen! Beim Kraft­fahr­liniengesetz – ein unmögliches, langes Wort, mit dem viele gar nichts anfangen können – kommt es zu einer Novelle, die von den Busunternehmern und von den Personentransportunternehmern in unserem Land schon sehr, sehr lange gefordert wird. Diese sorgen tagtäglich dafür, dass unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Schülerinnen und Schüler, ältere Personen, die zum Arzt müssen, im öffentlichen Ver­kehr transportiert werden.

Die vorliegende Änderung wird in drei Punkten erörtert, das Wichtige daran ist: Es wird entbürokratisiert.

Punkt eins betrifft die Busunternehmer, die Betreiber von Kraftfahrlinien: Wenn eine Haltestelle vorhanden ist, muss nicht mehr erneut genehmigt werden. Für die Zuse­herinnen und Zuseher: Die Bushaltestellen sind nicht mehr vom Straßenerhalter zu begehen, zu besehen, das machen nun die Busunternehmen selber vor Ort.

Punkt zwei: Es geht um die Konzessionsurkunden, die nicht mitgeführt werden müs­sen, wie Frau Abgeordnete Graf schon erläutert hat, und die keine über den Geneh­migungsbescheid hinausgehenden Angaben enthalten.

Punkt drei betrifft die Rufbusse: Ein Verkehrsunternehmen hat früher um eine Geneh­migung dafür ansuchen müssen, einen zusätzlichen Bus auf kürzestem Weg anzu­bieten beziehungsweise auf Kundenwunsch in den Fahrplan mitaufnehmen zu dürfen. Das wird in Zukunft nicht mehr so bürokratisch abgewickelt. Es ist in der Vergangenheit unglaublich schwer gewesen, diese Rufbusse im internationalen Bereich zu kontrol­lieren, und es ist auch rechtlich recht zweifelhaft gewesen.

Abschließend möchte ich mich bei Ihnen, Herr Bundesminister, im Namen der Bus­unternehmer recht herzlich bedanken. Diese haben mir einige E-Mails geschrieben und gesagt, sie seien froh, dass das jetzt nicht mehr so ist – vielen herzlichen Dank. Diese Bundesregierung hat das Wort Entbürokratisierung nicht nur im Regierungsprogramm stehen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

13.37


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ordneter Lindner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.37.40

Abgeordneter Mario Lindner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So wie bei fast jedem Gesetz in Österreich geht es natürlich auch beim Kraftfahrliniengesetz um Arbeitsplätze, und Herr Bundesminister Hofer, es ist nicht Populismus, wenn man sich für 210 Jobs in diesem Land einsetzt. (Beifall bei der SPÖ.) Herr Bundesminister, es ist nicht Populismus, wenn man sich für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land einsetzt – es ist richtig und


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es ist menschlich! (Beifall bei der SPÖ.) Ich weiß, es ist nie leicht, aber man kann es zumindest versuchen. (Abg. Rosenkranz: Dann tu das mal!)

Wenn man sich aber diese Bundesregierung ansieht, dann zieht sich eines wie ein schwarz-blauer Faden durch: Dieser Regierung sind Arbeitsplätze egal. (Abg. Deimek: Wer hat die AUA verkauft?) Dieser Regierung sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer egal. Dieser Regierung sind die arbeitslosen Menschen in diesem Land egal. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abg. Gudenus, Rosenkranz und Winzig.)

Das sieht man bei der Aktion 20 000 und das sieht man jetzt bei den 210 Mitarbei­terinnen und Mitarbeitern und deren Familien. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Winzig.) Man sieht es bei jenen MitarbeiterInnen, die an den Bundesländerflughäfen Klagenfurt, Salzburg, Linz, Innsbruck und Graz arbeiten und dort mit ihren Familien zu Hause sind, die jetzt ihre Koffer packen und nach Wien übersiedeln sollen. (Abg. Deimek: Wer hat denn die AUA verkauft? – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister! Was haben Sie getan, um diese 210 Jobs zu sichern, um diesen 210 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und deren Familien zu helfen? (Zwischenruf bei der ÖVP.) Was haben Sie für die Existenz dieser Familien und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer getan? (Zwischenruf des Abg. Gudenus.) Was haben Sie für die Kinder, für die Jugendlichen, die Kindergärten und Schulen besuchen, getan? – Es ist nicht einfach, zusammenzupacken und nach Wien zu übersiedeln. (Ruf: Das stimmt! – Abg. Hafenecker: Was haben Sie für die Bawag gemacht?)

Herr Bundesminister, es ist Ihr Verantwortungsbereich. Herr Bundesminister, es ist Ihre Verantwortung, dafür zu sorgen, dass 210 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Familien ihre Jobs in den Bundesländern behalten können. (Abg. Rosenkranz: Sie können nur Energetikerringe ...!) Herr Bundesminister, tun Sie etwas! Uns Sozialdemo­kratinnen und Sozialdemokraten, uns Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern sind die 210 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Familien nicht egal. Herr Bun­desminister, es liegt an Ihnen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gudenus: Dumpfbacken­populimus!)


13.40.00Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet, somit schließe ich die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 448 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hierfür ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig. (Zwischenruf der Abg. Winzig.)

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist wiederum einstimmig. Somit ist der Ge­setzentwurf auch in dritter Lesung angenommen.

13.40.385. Punkt

Bericht des Verkehrsausschusses über den Antrag 443/A(E) der Abgeordneten Carmen Schimanek, Mag. Josef Lettenbichler, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Nordzulauf des Jahrhundertprojekts „Brenner-Basistunnel“ (483 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir kommen nun zum 5. Tagesordnungspunkt.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 99

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schimanek. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


13.41.04

Abgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minis­ter! Werte Kollegen, Zuschauer auf der Galerie und zu Hause! An dieser Stelle muss ich Ossi Rofner noch herzlich begrüßen, der jetzt ganz interessiert zuschaut.

Die Verlagerung des Schwerverkehrs von der Straße auf die Schiene ist der Bun­desregierung ein wichtiges Anliegen. Im Güterbereich werden rund 40 Prozent des Transit­aufkommens des zentralen Alpenbogens über die Brennerachse abgewickelt. Deshalb ist der Bau des Brennerbasistunnels für uns absolut unabdingbar. Das zeigen auch die Zahlen der Asfinag vom November 2018: 10 938 Schwerfahrzeuge fahren jeden Tag bei der Zählstelle Kufstein vorbei, die Tendenz ist steigend. Das ist ein Anstieg um 2 100 Fahrzeuge Schwerverkehr pro Tag innerhalb von fünf Jahren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Planung des Brennerbasistunnels wurde davon gesprochen, dass dieser bereits im Jahre 2025 fertiggestellt und 2026 in Betrieb genommen werden soll. Davon sind wir jetzt schon Jahre entfernt. Obwohl bei uns in Tirol und in Österreich die Planung und auch der Bau zügig und mit Elan fertig­gestellt wird – wir sind jetzt in Tirol bereits bei Kundl fertig –, hapert es bei den Zulaufstrecken in Italien und in Deutschland.

Kollege Leichtfried sitzt auch hier: Ich kann mich erinnern, in meiner Rede im Novem­ber 2016 habe ich Sie schon gebeten, sich einzusetzen und ein bisschen etwas zu tun. Leider ist dann nicht wirklich etwas weitergegangen. Wir stehen immer noch gleich da. Ich bin immer noch bei den regionalen Planungstreffen dabei, und es hat sich seit 2015 nicht wirklich etwas geändert. Da hätte ich mir auch damals von Ihnen als Verkehrs­minister ein bisschen mehr gewünscht.

Jetzt haben wir diesen Antrag eingebracht, weil vor den Landtagswahlen in Bayern Töne laut geworden sind, die Zulaufstrecken in Bayern nicht weiter auszubauen und das Budget zurückzunehmen. Es waren damals die Landtagsabgeordnete Daniela Ludwig, die jetzt Bundestagsabgeordnete ist, aber auch Ministerpräsident Markus Söder, die davon gesprochen haben. Das war für uns ein Alarmsignal, deswegen haben Kollege Lettenbichler und ich diesen Antrag eingebracht. Wir hätten ja auch den Namen des Kollegen Kovacevic mit auf den Antrag geschrieben, er war aber nicht hier und dann war von der SPÖ niemand bereit, mitzugehen.

Nichtdestotrotz bedanke ich mich, dass dieser Antrag jetzt einstimmig angenommen wird, weil es für die verkehrsgeplagte Bevölkerung im Tiroler Unterinntal, gerade um Kufstein, wichtig ist, dass wir hier massiv miteinander, Herr Minister, an einem Strang ziehen. Deswegen werden wir auch euren Abänderungsantrag mittragen – aber Christian, bei aller Liebe: dass ich diesen Antrag so kurz vor der Debatte bekomme und nicht schon gestern, das geht so nicht! Natürlich werde ich bei dem Antrag mitstimmen, ich glaube, auch die ÖVP mit Kollegen Lettenbichler wird das tun. Die Vorgehensweise ist aber nicht elegant, zu sagen: Ja, der Bundesminister soll auch noch mit dem deutschen Verkehrsminister ein Gespräch führen – was er ja wahrscheinlich jedes Mal tut, wenn er im Europarat ist. Ich weiß, dass der Herr Bundesminister gerade mit dem Bundesminister für Verkehr aus Deutschland in regem Austausch steht, um eine Lösung dieses Problems voranzutreiben.

Wir stehen dazu, wir brauchen diese Zulaufstrecken. Wir wollen die Verlagerung des Lkw-Verkehrs auf die Schiene und deshalb brauchen wir den Brennerbasistunnel. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.45



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 100

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kovacevic. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


13.45.12

Abgeordneter Christian Kovacevic (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier und zu Hause vor den Fernseh­geräten! Ich kann gleich bei den Ausführungen und Erläuterungen der Kollegin Schimanek anknüpfen: Es ist in der Tat die Region in und um Kufstein eine sehr belastete – nicht erst seit gestern, sondern schon seit sehr langer Zeit. Die Belastung nimmt auch stetig zu. Deshalb glaube ich, ist es ein sehr wichtiges Thema.

Es haben sich mittlerweile bereits einige Bürgerinitiativen formiert, die vehement Widerstand gegen den immer stärker zunehmenden Verkehr leisten. Gerade auch deshalb, weil so viel Bewegung in der Bevölkerung ist und weil wir wirklich auch unterstützend eingreifen sollten, war es mir wichtig, gemeinsam mit den Kollegen Abgeordneten aus dem Bezirk Kufstein tätig zu werden und parteiübergreifend die besten Ergebnisse für die Region und für die Bevölkerung in dem Gebiet zu erreichen.

Es braucht eine Vielzahl an Maßnahmen, sowohl auf Bundes-, Landes- als auch auf Gemeindeebene, damit wir die Situation dort etwas entschärfen können. Eine Maß­nahme ist aber unbestritten und längst beschlossen, das ist eben dieser ange­sprochene Brennerbasistunnel, bei dem es jetzt hakt. Es sind vor allem zwei Punkte, die Probleme bereiten. Es ist einerseits die Trassenführung im Tiroler Unterland, die bei den ersten Planungen großteils oberirdisch hätte verlaufen sollen. Da waren natürlich dann die Anrainer aufgeschreckt und haben befürchtet, dass das zu massiven Beeinträchtigungen der Lebensqualität führen wird. Andererseits waren es Berichte aus dem Ausland, die uns etwas beunruhigt haben, zum Beispiel aus Deutschland oder auch aus Italien, wo der Brennerbasistunnel oder die Notwendigkeit für den Tunnel grundsätzlich infrage gestellt wurde. Ich denke, das war Grund genug für uns aus dieser Region, schleunigst tätig zu werden und auch in diese Richtung alles zu unternehmen, damit wir Verbesserungen erzielen können.

Was die Trassenführung betrifft, so bitte ich Sie alle – und besonders Sie, Herr Minis­ter – um Unterstützung. Ich weiß nicht, ob Sie diese Resolution der Stadt Kufstein (ein Schriftstück in die Höhe haltend) persönlich gelesen haben. Darin wird gefordert, dass eben die Streckenführung in der Stadt Kufstein nicht oberirdisch erfolgen soll. Ich bitte Sie jetzt stellvertretend hier auch noch einmal um Ihre vollste Unterstützung, damit wir der Bevölkerung entgegenkommen können.

An dieser Stelle darf man sich auch bei den Mitarbeitern und Projektverantwortlichen sowohl von ÖBB als auch der Deutschen Bahn bedanken, die wirklich sehr bemüht waren, die Kritik und die Empfehlungen aus der Bevölkerung aufzugreifen und mitein­zu­arbeiten. Da wird auch sehr konstruktiv gearbeitet.

Was nun den Brennerbasistunnel betrifft, so haben wir im in Verhandlung stehenden Antrag stehen, dass Sie bitte Gespräche mit dem bayerischen Ministerpräsidenten führen mögen, was wir bereits im Verkehrsausschuss besprochen haben. Sollte das weitergehen, müssen natürlich auch Gespräche auf Bundesebene mit dem deutschen Bundesverkehrsminister geführt werden. Deshalb stellen wir auch den Abänderungs­antrag, den ich nun verlesen darf:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Christian Kovacevic, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nord­zulauf des Jahrhundert-Projektes ‚Brenner-Basistunnel‘ (483 d.B.)“


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Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der gesamte Entschließungstext wird wie folgt geändert:

„Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird ersucht, mit dem bayrischen Ministerpräsidenten, dem deutschen Bundesminister für Verkehr und digi­tale Infrastruktur sowie Vertreterinnen und Vertretern des Deutschen Bundestages in konstruktive Gespräche zu treten, damit der Bau des Nordzulaufs für das europäische Jahrhundertprojekt ‚Brenner-Basistunnel‘ sichergestellt wird.“

*****

Ich denke, in dieser Sache ziehen wir alle an einem Strang. Ich möchte mich auch bei der Kollegin Schimanek und beim Kollegen Lettenbichler für die Zusammenarbeit be­danken. Ich hoffe, dass wir in dieser Sache ein Stück weiterkommen und die Bevöl­kerung im Bezirk Kufstein dementsprechend entlasten können. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

13.49

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

gem. § 53 Abs. 3 GOG-NR

der Abgeordneten Christian Kovacevic, Mag. Max Unterrainer, Kolleginnen und Kolle­gen

zum Antrag 443/A(E) der Abgeordneten Carmen Schimanek, Mag. Josef Lettenbichler, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Nordzulauf des Jahrhundert-Projektes „Brenner-Basistunnel“ (483 d.B.)

Der Nationalrat wolle in Zweiter Lesung beschließen:

Der gesamte Entschließungstext wird wie folgt geändert:

„Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird ersucht, mit dem bayrischen Ministerpräsidenten, dem deutschen Bundesminister für Verkehr und digi­tale Infrastruktur sowie Vertreterinnen und Vertretern des Deutschen Bundestages in konstruktive Gespräche zu treten, damit der Bau des Nordzulaufs für das euro­päische Jahrhundertprojekt „Brenner-Basistunnel“ sichergestellt wird.“

Begründung

Aufgrund der Kompetenzen des Bundes für die Trassenwahl und die Einhaltung euro­päischer Verträge ist es notwendig, dass der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie auch Gespräche mit dem deutschen Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie Vertreterinnen und Vertretern des Deutschen Bundestages hinsichtlich dieser für Österreich wesentlichen verkehrspolitischen Entscheidung führt.

*****


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Lettenbichler ist zu Wort ge­mel­det. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



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13.49.12

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kovacevic, ich darf Ihnen zuerst gratulieren, dass Sie es zustande gebracht haben, zum aktuellen Tages­ordnungspunkt zu sprechen. Bei zwei Vorrednern aus der Fraktion der SPÖ war das nicht der Fall. Gratulation dazu! (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Es haben meine Vorrednerin und mein Vorredner schon gesagt, dass dieses Thema des Transitverkehrs unsere Bevölkerung in Tirol wie kaum ein zweites interessiert und betrifft. Ich bin nicht jemand, der den Verkehr per se als schlecht bezeichnet, aber wir haben in Tirol einfach das Limit erreicht. Es gibt schon seit Jahren und Jahrzehnten Vor­bereitungen, dass es zu einer Verlagerung von der Straße auf die Schiene kommen soll, aber dazu brauchen wir eine hocheffiziente, eine hochmoderne Eisenbahn­infra­struktur.

Wir sind ja schon mitten in den Bauarbeiten für einen Brennerbasistunnel, der auf Südtiroler Seite und auf Tiroler Seite große Fortschritte macht. Wir haben auch schon im Unterinntal eine Zulaufstrecke gebaut – Kollegin Schimanek hat es gesagt –, bis Kundl/Radfeld gibt es diese Bahnstrecke, die auch sehr, sehr wichtig ist, nicht nur für den Güterverkehr, sondern auch für den Personennah- und -fernverkehr. Die Fahrzeit von Innsbruck nach Wörgl beträgt mittlerweile nur mehr 24 Minuten. Auch dafür brauchen wir diese Verlagerung, damit wir diese Bestandsstrecken freibekommen. Es ist dieses Projekt des Brennerbasistunnels natürlich eines der größten Infrastrukturprojekte auf europäischer Ebene, deswegen fördert auch die Europäische Union dieses Infrastruk­turprojekt wie kein anderes mit Geld. Das ist natürlich auch für uns Motor und Ansporn genug, dass wir das zügig umsetzen wollen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Was Kollegin Schimanek und mich im Oktober hat aufschrecken lassen – da weiß ich aber auch von der Unterstützung der Tiroler SPÖ-Abgeordneten aus dem Unterland –, war die Aussage von Ministerpräsident Söder, der plötzlich die Sinnhaftigkeit einer Neubaustrecke infrage gestellt hat. Es gibt in Bayern große Verunsicherung, es läuft dort nicht alles so gut wie in Österreich ab. Es gibt mittlerweile mehr als 100 Tras­senvarianten im bayerischen Inntal, und das schürt natürlich Verunsicherung.

Ich will mich auch dem Lob für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖBB Infra mit Projektleiter Martin Gradnitzer anschließen, die bisher Kilometer für Kilometer hervor­ragend abgearbeitet haben. Das hundertprozentige Lob bekommen sie von mir – wir sind jetzt im Planungsabschnitt Langkampfen/Schaftenau –, wenn wir da auch noch die Nachschärfungen zustande bekommen, vor allem dann in Kufstein, wo es ein großes Thema gibt: Wir wollen keine offene Strecke durch die Stadt und entlang der Stadt haben. Das sollten wir also auch noch lösen.

Ich habe es gesagt: Die Bevölkerung hat nicht Hurra geschrien, als überall die Pläne zutage gekommen sind, sondern man hat sich mit Bundespolitikern, Landespolitikern, Regionalpolitikern zusammengesetzt und die Ängste und Bedenken der Bevölkerung sehr ernst genommen. Es hat Bürgerinitiativen gegeben, Bürgermeister, Gemeinderäte und natürlich auch Anrainer hatten ihre berechtigten Bedenken, aber man hat es überall geschafft, diese zur vollsten Zufriedenheit auszuräumen.

In Bayern läuft dieser Prozess leider nicht so gut, und das war für uns Anlass genug, dass wir dieses für Tirol und seine Bevölkerung so wichtige Thema hier im Parlament auf eine nationale Ebene heben wollen, damit einmal mehr – und da fühlen wir uns sehr gut bei Ihnen aufgehoben, Herr Bundesminister – mit deutscher Seite, in Bayern und natürlich dann auch auf bundesdeutscher Ebene, Intensivgespräche geführt wer­den. Sehr positiv war die Veranstaltung beziehungsweise der Besuch von Bundesver-


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kehrsminister Scheuer letzte Woche in Rosenheim, als er den oftmals geforderten Planungsstopp in Abrede gestellt hat. Es gibt nun einen straffen Zeitplan, in dem es heißt: Bis Sommer soll die Trassenauswahl auf fünf mögliche Varianten festgezurrt werden. Das ist dann natürlich auch für Kufstein Richtung Rosenheim für die Trassen­wahl sehr wichtig, weil das ein gemeinsames Stück ist.

Wir werden die Bayern, die Deutschen dahin gehend sehr genau beobachten. Es gibt viele Vereinbarungen, bei denen es immer wieder geheißen hat: Das ist notwendig. Es gibt auch eine Studie, die der Herr Bundesverkehrsminister präsentiert hat. Mit den bestehenden 260 Fahrten werden wir kein Auslangen haben, wir brauchen bis zu 560 Züge. Ein solches Szenario ist nur mit einer Neubaustrecke möglich, aber da brauchen wir ein gedeihliches Zusammen mit der Bevölkerung. Die Bedenken gehören aus dem Weg geräumt, sowohl auf bayerischer als auch auf Tiroler Seite. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

13.54


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Der vorhin eingebrachte Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Kovacevic, Kollegen und Kolleginnen ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun der Herr Bundesminister. – Bitte schön, Herr Minister.


13.54.41

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann versichern, dass die Bundesregierung Tirol nach besten Kräften unterstützt, nicht nur, wenn es darum geht, in Gesprächen mit dem deutschen Amtskollegen, der auch Bayer ist, alles daran zu setzen, dass die Zulaufstrecken zügig gebaut werden, dass es auch ein klares Bekenntnis zum Brennerbasistunnel von deutscher Seite gibt, sondern auch, wenn es darum geht, sektorale Fahrverbote umzusetzen, eine Blockabfertigung umzusetzen. Man muss letztendlich bis zur Fertigstellung des Tunnels alles tun, was eben möglich und notwen­dig ist, um diese Lkw-Lawine durch Tirol einzudämmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir sind Mitglied der Europäischen Union, das heißt, wir sind auch nicht völlig frei, wenn es darum geht, die Maut so zu gestalten, dass viel, viel weniger Lkws diese Strecke benützen würden. Die Strecke über den Gotthard ist teurer, es gibt dort wesentlich mehr Zeitverlust, das heißt, natürlich nehmen die Lkws die Strecke über den Brenner.

Interessant wird für uns auch die Klage betreffend Pkw-Maut werden. Wie wird diese Entscheidung fallen? Der Generalanwalt wird wahrscheinlich im Mai eine Entscheidung bekannt geben, und ich verhehle nicht, dass diese Entscheidung, auch was den Tran­sitverkehr insgesamt betrifft, auch für Österreich ein neues Fenster an Möglichkeiten öffnen könnte.

Das eigentliche Problem im Verkehrsbereich ist nicht, dass wir zu wenig für den öffent­lichen Verkehr tun. Es ist schon erwähnt worden, wir investieren 13,9 Milliarden Euro in den Ausbau der Schieneninfrastruktur. Das heißt, auch auf der Südstrecke wird es künftig – ähnlich wie in Richtung Westen – eine sehr, sehr leistungsfähige Bahn­ver­bindung geben: Wien–Venedig in 4 Stunden, Wien–Klagenfurt in 2 Stunden 40 Mi­nu­ten, Klagenfurt–Graz in 40 Minuten.

Ich gebe auch zu, dass diese leistungsfähigen Bahnverbindungen für die Flughäfen ein Problem darstellen. Bedenken Sie: Fahrt zum Flughafen, Einchecken, Sicherheits­kon­trollen, Einsteigen in das Flugzeug, Warten bis man einen Slot bekommt, Starten – da sind Sie auf kurzen Strecken oft mit der Bahn schon am Ziel. Deswegen hat auch der Flughafen Linz große Probleme, weil viele für den Weg nach Wien die Bahn nehmen.


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Wir investieren also 13,9 Milliarden Euro in die Schieneninfrastruktur. Wir steuern jähr­lich 700 Millionen Euro für den Personenverkehr bei, 100 Millionen Euro für den Güter­verkehr. Wenn Sie das alles zusammenzählen, dann kommen Sie auf Investitionen pro Österreicherin und Österreicher von rund 350 Euro pro Jahr, egal ob Arbeitnehmer, Arbeitnehmerin, Wirtschaftstreibender, Baby oder Greis. Dieser Betrag ist auch gut investiert, weil die Straßen die Verkehrsströme, die uns in Zukunft erwarten, auch gar nicht mehr bewältigen können. Das ist undenkbar und nicht möglich.

Was jetzt noch dazukommen wird, was auch wichtig sein wird, ist eine direkte Unter­stützung der Ballungszentren. Der Bund zahlt bei der U-Bahn in Wien mit, das ist wichtig, aber wir investieren wenig in andere Ballungszentren. Dort haben wir auch das Problem, egal ob in Graz, Linz, Innsbruck oder Salzburg, dass an der Peripherie, an der Schnittstelle zwischen Stadt und Land oftmals jene Menschen, die mit dem Auto Richtung Stadt fahren, dann nicht mehr umsteigen. Deswegen werden wir auch alle Systeme finanziell unterstützen, die dekarbonisiert sind und durch Infrastruktur­maß­nah­men über die Stadtgrenzen hinausreichen.

Ich hoffe, dass wir durch all das, was wir für den öffentlichen Verkehr umsetzen, was wir in die Schiene investieren, die Probleme, die wir haben, abfedern können. Trotz­dem wird der Verkehr über den Brenner weiter zunehmen. Wir machen uns schon Sorgen, dass die Zulaufstrecken nicht rechtzeitig fertig werden. In Bayern hat man ähnliche Probleme, wie wir sie aus Österreich kennen: Proteste gegen den Bau von Infrastruktur, sehr lange Genehmigungsverfahren. Letzteres haben wir jetzt gelöst, es wird in Österreich schneller vonstattengehen.

Eines müssen unsere befreundeten Nachbarn aber auch wissen: Irgendwann werden auf jener Straße, die jetzt so gerne für den Lkw-Verkehr über den Brenner benützt wird, auch Sanierungsmaßnahmen notwendig werden – das kommt! Wenn man dann einen fertigen Brennerbasistunnel nicht nutzt, weil man beim Bau der Zulaufstrecken säumig war, dann steht am Brenner alles, weil es dort Bauarbeiten geben wird – nicht, weil wir mit Gewalt etwas verhindern wollen, sondern weil diese Arbeiten einfach aufgrund der großen Verkehrsbelastung notwendig werden. Das muss man bedenken. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

13.59


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Unterrainer. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.00.08

Abgeordneter Mag. (FH) Maximilian Unterrainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Dieser Tagesordnungspunkt ist, wie man an der Sprache hört, für mich als Tiroler ein ganz besonderes Anliegen – einerseits natürlich, weil ich aus der Gegend komme: direkt an der Autobahn, wo 2,4 Millionen Lkw durchdonnern – das sind 6 575 Lkw pro Tag oder rund 400 Lkw in der Stunde –, die diese Strecke belasten, und zwar nur, um Waren von Deutschland nach Italien zu bringen. Dies geschieht wahrscheinlich deshalb, weil es nach wie vor die günstigste Variante ist, diese Strecke zu benutzen, die günstigste Variante, um Güter quer durch Europa zu liefern.

Deshalb wollen wir eigentlich alle wissen, wie es um die Umwelt bestellt ist, wie es um die Belastung der Menschen in den betroffenen Regionen steht. Wir alle wissen, dass es für die Bevölkerung eigentlich unzumutbar und tatsächlich unerträglich ist. Um diese Belastung zu reduzieren, muss dieses Jahrhundertprojekt, dieser Brennerbasistunnel, raschest umgesetzt werden. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) – Das (in Richtung der Beifall spendenden Abgeordneten der ÖVP) hört man so selten!


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Deshalb ist es notwendig, über den Tellerrand hinauszuschauen und hart zu verhan­deln, um auch den Bau der Zulaufstrecke im Norden und im Süden zu sichern, denn nur gemeinsam mit diesen Abschnitten kann es wirklich zu einer gezielten Reduktion des Verkehrs kommen, nur so können die Schienen an Attraktivität gewinnen.

Bei ihrem letzten Besuch hat EU-Kommissarin Bulc die Situation bewertet und den Bau des Brennerbasistunnels ebenfalls als notwendig erachtet. Sie hat sogar, was auch selten ist, eine Fördergarantie abgegeben. Eine derart positive Reaktion einer Kommi­ssarin ist nicht selbstverständlich.

Die Diskussionen in Italien und in Deutschland tragen allerdings nicht wirklich zu einer entsprechenden Zuversicht bei. Was die Sicherstellung des Baufortschritts des Bren­ner­basistunnels betrifft, sind wir uns in diesem Punkt mit den Regierungsparteien einig und stimmen deshalb auch dem Regierungsantrag zu.

Die Herausforderung an all dem, das hat der Herr Minister auch schon gesagt, ist das Tempo, denn aus jetziger Sicht wird die Vollinbetriebnahme im Jahr 2040 erfolgen – das heißt 33 Jahre Bauzeit, und erst dann wird der Tunnel in Vollbetrieb gehen. Um zumindest sicherzustellen, dass das auf Regierungsebene länderübergreifend diskutiert wird, wurde dieser Abänderungsantrag seitens meines Kollegen Kovacevic eingebracht.

Nur zum Vergleich: Der Gotthardtunnel mit 57 Kilometern Länge ist in 17 Jahren fertiggestellt worden. In diesem Bereich ist also einiges möglich.

Die Reduzierung des Lkw-Transitverkehrs lässt sich – das ist ja auch schon ange­sprochen worden – im Grunde auf zwei Pfeilern aufbauen: durch eine der Belastung entsprechende Maut und durch die Reduzierung der Fahrzeit. Solange die Maut­zahlungen teilweise nur 16 Cent pro Kilometer betragen, ist der Druck nicht groß genug, und der Zeitfaktor ist wahrscheinlich nur relativ. Eine mögliche Antwort darauf kann die viel diskutierte Korridormaut sein. Sie wird auch seitens Kommissarin Bulc nicht nur als notwendig, sondern als absolut prioritär gesehen. Auf europäischer Ebene ist dieses Bewusstsein vorhanden, wie man sieht. Es wurde von der Kommissarin als europäisches Pilotprojekt definiert, und für die Umsetzung ist dementsprechend Geld zugesagt worden.

Es ist wirklich an der Zeit, zu handeln, und deshalb wurde gestern von unserer Seite auch ein diesbezüglicher Antrag eingebracht – nämlich für diese Zwischenlösung, für die Korridormaut, die für die Entlastung der Menschen an der Lkw-Strecke und für den Erhalt einer intakten Umwelt einfach notwendig ist.

Wie wir gesehen haben, reicht es offensichtlich nicht, wenn der Bundeskanzler Ge­spräche führt, wie er es in der Anfragebeantwortung zum Brennerbasistunnel angeführt hat. Wir brauchen keine Worthülsen, wir brauchen keine Schönfärberei, wir brauchen Zusagen, wir brauchen Taten, damit es ehestmöglich zu einer Lösung für alle Beteiligten kommt. In diesem Sinne, Herr Minister, bitte ich dich wirklich, mit an einem Strang zu ziehen und daran weiterzuarbeiten, damit man das wirklich umsetzen kann. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Wurm: Max, du hast gut geredet!)

14.04


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ord­nete Pfurtscheller. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.04.08

Abgeordnete Dipl.-Kffr. (FH) Elisabeth Pfurtscheller (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der


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Galerie und vor den Bildschirmen! Da meine Kolleginnen und Kollegen, die allesamt aus der Tiroler Inntalfurche stammen, das Thema und die Problemstellung sehr pro­fund erklärt haben und ich nicht aus der Inntalfurche bin, sondern aus einem Neben­schauplatz von Tirol, möchte ich jetzt gar nichts mehr zum Thema Brennerbasistunnel sagen. Es ist wirklich schon alles gesagt worden, und der Herr Minister hat uns auch dankenswerterweise Unterstützung zugesagt.

Ich möchte gern auf den vorangegangenen Tagesordnungspunkt, auf die KFG-Novelle, eingehen, weil ich da keine Redezeit hatte und es mir – als jemand, der aus einem Randbezirk von Tirol, der wirklich sehr gebirgig ist, stammt – eben so wahnsinnig wichtig ist. Es ist zwar nur eine Kleinigkeit – oder für jemanden aus Ostösterreich hört es sich wahrscheinlich wie eine Kleinigkeit an –, aber für uns in Tirol ist es wirklich ein ganz wichtiges Thema: Mit dieser KFG-Novelle wurde erlaubt, dass die Bergrettungs­fahrzeuge mit Blaulicht fahren dürfen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) – Danke schön, meine Kollegen aus dem Gebirge verstehen das.

Das war eine langjährige Forderung der Bergrettung. Leider ist es unter SPÖ-Ministern nicht gelungen, das durchzusetzen, aber mit Ihnen, Herr Minister, ist es jetzt gegan­gen, und ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar. Die Bergrettung – das weiß man auch aus den letzten Wochen, als es dieses Schneechaos bei uns gab – ist extrem wichtig für uns in Tirol und in allen anderen Bundesländern, die sehr gebirgig sind. Sie wird immer als Erste gerufen, wenn Menschen im Gebirge in eine Notlage geraten. Bis jetzt durfte ein Bergrettungshelfer oder ein Bergretter kein Blaulicht auf seinem Auto oder auf dem Hilfsfahrzeug anbringen, was natürlich oft zu gefährlichen Situationen geführt hat, weil sie sich natürlich sehr beeilen und versuchen, den Menschen so schnell wie möglich Hilfe zukommen zu lassen.

Wir sind also sehr, sehr glücklich und froh. Die Dankbarkeit der Bergretter in Österreich ist Ihnen sicher, Herr Minister, und natürlich auch dem Hohen Haus, das diese Novelle beschlossen hat. – Vielen herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

14.06

14.06.49


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist dazu niemand mehr. Ich schließe die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 483 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Nordzulauf des Jahrhundertprojekts ,Bren­ner-Basistunnel‘“.

Hiezu haben die Abgeordneten Kovacevic, Kolleginnen und Kollegen einen gesamtän­dernden Abänderungsantrag eingebracht.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten Abänderungsantrag und im Falle seiner Ab­lehnung über die dem Ausschussbericht 483 der Beilagen angeschlossene Ent­schließung abstimmen lassen.

Ich ersuche nun jene Damen und Herren, die für den gesamtändernden Abände­rungs­antrag der Abgeordneten Kovacevic, Kolleginnen und Kollegen eintreten, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen. (E 53)

14.07.436. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 534/A(E) der Abgeordneten Peter Wurm, Mag. Peter Weidinger, Kolleginnen und Kollegen be­treffend Konsumentenschutzrecht „NEU“ (476 d.B.)



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Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 6. Tagesordnungspunkt.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Vogl. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.08.14

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minis­terin! Herr Minister! Hohes Haus! Wir wechseln das Thema: Vom Verkehr kommen wir nun zum Konsumentenschutz – ein sehr, sehr wichtiges Thema. Die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsparteien stellen da einen Entschließungsantrag an die eigene Ministerin, um den Verein für Konsumenteninformation (Abg. Wurm: Gewalten­tren­nung! Gewaltentrennung!) für die Zukunft abzusichern.

Frau Ministerin, Sie sind jetzt mehr als ein Jahr in Amt und Würden; diese jetzige Regierung hat ja beschlossen, dass es auch in den Volksschulen wieder Ziffernnoten geben muss, und ich kann Ihnen nur sagen, für die Arbeit, die Sie im Konsumenten­schutzbereich geleistet haben, kann ich Ihnen nur eine glatte Fünf geben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Das ist aber gemein! – Zwischenrufe der Abgeord­neten Wurm und Deimek.)

Jetzt wissen wir, dass es in den ersten Klassen noch üblich ist, dass man auch eine verbale Beurteilung bekommt, aber ganz ehrlich - - (Abg. Rosenkranz: Aber wenn’s nach Ihnen geht, dann kann man mit einem Fünfer ja aufsteigen!) – Na ja, eh! (Abg. Rosenkranz: Wenn’s nach Ihnen geht, dürfen wir trotzdem aufsteigen!) – Das ist auch die Hoffnung für die Regierung, dass es nach uns geht, dass die Ministerin noch eine Chance hat; da haben Sie schon vollkommen recht. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Deimek. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.)

Die verbale Beurteilung, die jetzt sozusagen auch noch kommt (Abg. Rosenkranz: Das müssen wir uns anschauen!), ist halt auch nicht sehr hilfreich, denn wir haben festgestellt, dass das Regierungsprogramm zum Bereich Konsumentenschutz eigent­lich fast nichts enthalten hat. Da gab es noch die Hoffnung – und ich schätze dich, Peter, sehr, ich weiß, dass du für die Interessen der Konsumentinnen und Konsumen­ten brennst –, wenn es im Regierungsprogramm nicht drinnen steht, kann man vielleicht abseits des Regierungsprogramms Dinge verhandeln. Jetzt gab es ein Jahr lang die Möglichkeit, diesbezüglich Dinge zu entwickeln – passiert ist nichts.

Das verstehe ich. Das verstehe ich, denn wir waren selbst in der Koalition mit der ÖVP, und für die ÖVP ist es nun einmal ein Widerspruch, denn da gibt es nur Wirtschafts­interessen, und die stehen im Widerspruch zu Konsumentenschutzinteressen. Mit denen geht halt nichts. (Abg. Rosenkranz: Ich erleb’ das ganz anders! – Zwischenruf der Abg. Winzig.– Das ist halt das, was wir wissen. (Abg. Rosenkranz: Wir schaffen das besser ...!)

Das heißt natürlich nicht, Frau Ministerin, dass Sie sich jetzt sozusagen locker zurück­lehnen können. Sie hätten trotzdem die Chance gehabt, Aktivitäten zu setzen. Gerade betreffend den Verein für Konsumenteninformation, der uns gemeinsam am Herzen liegt, wären Sie dazu durchaus in der Lage gewesen, weil diesbezüglich auch etwas im Regierungsprogramm steht. Passiert ist aber nichts.

Man muss sich das einmal vorstellen: Wir haben diese neue Regierung seit einem Jahr, und es gibt keine einzige Aktivität dieser Regierung betreffend Konsumenten­schutz. Im Dezember hat die zweite Sitzung des Konsumentenschutzausschusses statt­gefunden, und es musste natürlich ein Antrag her, denn da sind sogar die Kolleginnen und Kollegen in den eigenen Abgeordnetenreihen ob der Untätigkeit der Ministerin nervös geworden. Da haben sie gesagt: Wir brauchen einen Antrag!, und: Was könn-


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ten wir denn schreiben, damit wir die Ministerin nicht zu sehr unter Druck setzen, damit wir ihr aber auch zeigen, dass es notwendig ist? – Geworden ist es ein Antrag (ein Schriftstück in die Höhe haltend), der die Ministerin auffordert, bis 30. September 2019 zu dem, was im Regierungsprogramm 2017 steht, einmal ein Konzept vorzulegen. Es ist also nur ein Konzepterl bis in den September hinein (Zwischenrufe der Abgeord­neten Rosenkranz und Deimek), was Sie da mehr tun – noch dazu mit einer Intention, bei der ich mich frage: Ganz ehrlich, könnt ihr das nicht privat regeln?

Es geht darum, dass man die Finanzierung des VKI absichert. Da gibt es zwei Mög­lichkeiten: Auf der einen Seite kann die Frau Ministerin sagen, es gibt mehr Förde­rung – das ist ganz, ganz einfach, da kann sie einen Ministerratsvortrag machen. Die zweite Aufgabe ist, die Vereinsstruktur auf breitere Beine zu stellen. Dazu braucht sich nur Kollege Weidinger von der ÖVP mit Kollegen Kopf zusammenzusetzen – da brauchen sie keinen Antrag zu machen – und zu sagen: Wäre es nicht elegant, auch die Wirtschaftskammer wieder ins Boot zu holen? (Abg. Rosenkranz: Das ist aber alles nicht mehr privat!) Was aber jetzt passiert, ist, dass man die Frau Ministerin ersucht, bis 30. September 2019 ein Konzepterl zu erstellen. – Das ist genau das, was Sie im Konsumentenschutz auszeichnet: diese Inaktivität, diese absolute Nichtenga­giertheit.

Wir als Konsumentinnen und Konsumenten in diesem Land würden uns mehr erwar­ten. Wir haben ja zum Glück die EU auf unserer Seite, denn wenn es die nicht gäbe, würde es für die Konsumentinnen und Konsumenten mit dieser Regierung in diesem Land wirklich schwarz aussehen. (Beifall bei der SPÖ. – Rufe bei der FPÖ: Unglaub­lich! Das ist ja nicht wahr!)

14.12


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Wurm. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.12.21

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Minister! Hohes Haus! Werte Zuseher! Herr Kollege Vogl, bevor ich explizit auf deine Ausführungen antworte, vielleicht ganz kurz für die Zuseher noch einmal: Wer oder was ist der VKI, der Verein für Konsumenteninformation? – Es ist eine Organisation, die in den Sechzigerjahren gegründet wurde, exakt 1961, ein Verein mit rund 100 Mitarbeitern und einem Budget von rund 12 Millionen Euro, wobei man dazusagen muss, der VKI finanziert sich zu über 70 Prozent selbst.

Bei dieser Gelegenheit muss man die ganze Historie des VKI schon ein bisschen auf­rollen. Er ist damals als Vorzeigeprojekt der Sozialpartnerschaft gegründet worden. Da waren die Gewerkschaft, die Arbeiterkammer, die Wirtschaftskammer, die IV und die Landwirtschaftskammer dabei. (Ruf bei der ÖVP: Die IV ist nicht Sozialpartner!) Leider Gottes ist diese Geschichte in vielen Jahrzehnten den Bach hinuntergegangen. Fast alle – bis auf die Arbeiterkammer – sind beim VKI ausgestiegen. – Das ist einmal die his­torische Entwicklung des VKI. Jetzt muss man dazusagen: Trotz allem und trotz die­ser negativen Entwicklung ist der VKI in Österreich die einzige nach wie vor relevante Insti­tution für Konsumentenschutz; deshalb ist sie für mich und für uns auch unersetzbar.

Lieber Kollege Vogl, du weißt es: Wir haben in den vergangenen Jahren in der Oppo­sitionsrolle die Versäumnisse vor allem der sozialistischen Minister sehr intensiv diskutiert. Jetzt muss man die Situation schon einmal klarstellen (Zwischenrufe bei der SPÖ), und zwar möchte ich zum VKI drei Dinge sagen.

Punkt eins: Der VKI wurde uns und dieser Regierung als Baustelle der sozialdemo­kratischen Minister hinterlassen – leider Gottes eine Baustelle. Der Konsumenten­schutz


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war über Jahrzehnte ein Stiefkind vor allem von sozialistischen Ministern in diesem Bereich. (Abg. Rosenkranz: Wer war denn da der letzte? Stöger?) – Wir haben einige gehabt, wir haben noch einen, der ist zwar nicht mehr da, Kollege Stöger (Abg. Rosenkranz: Was der Stöger alles gemacht hat ...!), Hundstorfer und, und, und – eine ganze Legion an roten Ministern, die leider Gottes den VKI als Baustelle hinterlassen und den Konsumentenschutz nie ernst genommen haben.

Der zweite Punkt, der ganz wichtig ist, lieber Kollege Vogl: Für diese Bundesregierung und vor allem für uns als FPÖ ist der Konsumentenschutz ein ganz zentrales und wichtiges Anliegen (Beifall bei der FPÖ), deshalb – und darauf bin ich stolz – steht das auch so im Regierungsprogramm, wie du erwähnt hast. Wenn du dir die aktuelle Regierung anschaust und weißt, in welchem Tempo und mit welchem Nachdruck wir das Regierungsprogramm abhandeln, dann kannst du dich darauf freuen, dass wir auch im Bereich Konsumentenschutz die Versäumnisse eurer Partei über Jahrzehnte sehr, sehr rasch aufholen werden. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Der dritte und sehr wichtige Punkt, das möchte ich auch ganz deutlich sagen: Konsu­mentenschutz wird, darf und soll Geld kosten. Konsumentenschutz wird nicht umsonst sein. Dazu gibt es auch eine klare Ansage unsererseits, dass wir in diesem Bereich die Budgetmittel so oder so natürlich werden erhöhen müssen, um den Konsumenten­schutz in Österreich wirklich sinnvoll aufrechtzuerhalten. Da hat sich auch sehr, sehr viel verändert. Wir alle, die wir hier und draußen vor den Fernsehschirmen sitzen, sind Konsumenten. Heute aber ist die Situation für den Konsumenten eine andere; die Gegner, sage ich bewusst, sind die internationalen Konzerne – Amazon, Google oder sonstige Großkonzerne, was immer man auch aufzählen will. Da wird es notwendig sein, dass wir in Österreich einen wirklich funktionierenden Konsumentenschutz haben.

Jetzt komme ich zur Conclusio der ganzen Geschichte: Wir werden dieses Konzept gemeinsam mit der Frau Minister bis zum Spätsommer erstellen. Es gibt bereits, lieber Markus, sehr konkrete Vorstellungen. Es gibt auch unterschiedliche Modelle, wie wir den VKI effektiver machen und in die Jetztzeit, 2019 und folgende Jahre, bringen wollen. Da gibt es Konzepte – und du kannst dich darauf freuen –, die im Sinne der Konsumenten auch eine sehr gute Lösung bringen werden.

Ich darf das zum Abschluss schon noch einmal sagen: Dass du oder die SPÖ der Frau Ministerin hier Versäumnisse vorwerft, wie gerade vorhin in deiner Rede, das ist schon ein starkes Stück. (Zwischenruf des Abg. Vogl. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das erinnert mich ein bissl an deine Vorsitzende, Frau Kollegin Rendi-Wagner, die das gestern im Gesundheitsbereich gemacht hat. (Abg. Rendi-Wagner: Mit Recht, Herr Kollege!) Normalerweise sollte man vonseiten der Sozialdemokratie bei diesen Dingen einfach schweigen und Mea culpa sagen. (Abg. Rendi-Wagner: Die Opposition schweigt nie, Herr Kollege! – Abg. Belakowitsch: Wir schweigen auch jetzt nicht!) In dieser neuen Regierung werden wir auch im Bereich Konsumentenschutz die Dinge wieder in Ordnung bringen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Leichtfried: Wir werden nie schweigen! Nie und nimmer! – Abg. Angerer: Das wollen wir ja nicht!)

14.17


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Doppelbauer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


14.18.07

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Ich freue mich, dass wir jetzt ein bisschen zu den Fakten kommen können, nachdem dieses Geplänkel vorbei ist.


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Gehen wir einmal auf den Antrag ein, der hier vorliegt. Es ist ein Antrag von FPÖ und ÖVP, in dem zu lesen ist: „Konsumentenschutz unterstützt Verbraucher gegen gesetzwidrige Geschäftspraktiken, unter anderem durch Information und Beratung sowie in rechtlicher Hinsicht, und trägt dadurch auch zu einem fairen Wettbewerb bei. Ziel muss daher der Ausbau des Konsumentenschutzes in Beratung und Rechtshilfe sein. Ein wichtiges Instrument dabei stellt der Verein für Konsumenteninformation (VKI) dar.“ – Da gebe ich Ihnen völlig recht. Der Text im Antrag geht aber leider weiter, und zwar gibt es da diesen schönen Satz, der besagt: „Durch eine Neugestaltung des VKI“ soll es auch „eine Neuausrichtung der Mitgliederstruktur“ geben.

Jetzt haben wir gerade schon ein bisschen darüber geredet. Es klingt zwar harmlos, aber es muss doch jedem Beobachter der österreichischen Politik klar sein, dass da etwas dahintersteckt. Ich erkläre Ihnen auch, was das aus meiner Sicht ist.

Wir wissen, dass der VKI ein gemeinnütziger Verein mit einem ordentlichen Mitglied ist, das ist im Augenblick die Arbeiterkammer. Es gibt ein außerordentliches Mitglied, die Republik, vertreten durch das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz. Es war auch die Wirtschaftskammer dabei – das haben wir gehört –, jetzt nicht mehr; das ist wahrscheinlich dem geschuldet, dass man im Rah­men der Verbandsklage oft genug gegen die eigenen Mitglieder vorgehen musste. Jetzt muss man natürlich schon sehen, dass dieser Spagat ein schwieriger ist, vor allem wenn man, so wie die Wirtschaftskammer, doch ein bisschen unbeweglich ist. (Zwischenruf der Abg. Winzig.)

Wir erinnern uns, es geht, wie es im Antrag heißt, um die „Neuausrichtung der Mit­gliederstruktur“. Man könnte das Kind aber auch beim Namen nennen: Es geht ein bisschen darum, dass man die Kontrolle hat und dass man verstaatlicht, damit man einfach einen unbequemen, gemeinnützigen Verein kontrollieren kann.

Wenn wir uns jetzt einmal diese klassischen ideologischen Reflexe von FPÖ und ÖVP anschauen und vielleicht sogar außer Acht lassen, dass diese große Nähe von VKI und Arbeiterkammer das große Problem ist – man hört ja auch, dass die Arbeiter­kammer eine Reduktion der Mitgliedsbeiträge umgesetzt hat –: Was macht denn dann den VKI so unbequem und warum soll er denn verstaatlicht und kontrolliert werden? Das ist ja die eigentliche Frage, die man sich stellen sollte.

Nun, der VKI ist jene Einrichtung, die das einzige in Österreich existierende Mittel des kollektiven Rechtsschutzes aktiv einsetzt, und das ist die Verbandsklage. Die WKÖ könnte das machen, die Landwirtschaftskammer könnte es auch machen – sie tun es aber nicht und halten sich da vornehm zurück. Die Verbandsklage ist aber wichtig und muss – aus unserer Sicht zumindest – natürlich gestärkt werden. Sie hat aber auch einen ganz großen Nachteil, und zwar braucht es, wie der Name schon sagt, einen klagenden Verband.

Denken wir jetzt also über den Ausbau der Rechte der österreichischen Konsumenten nach – und so heißt es ja auch sinngemäß –, dann lassen Sie uns auch über die Einführung der Sammelklage diskutieren! Das wäre ein weiteres zeitgemäßes Mittel des kollektiven Rechtsschutzes, und wir sprechen uns dafür aus. Was ist der Vorteil? – Der Vorteil ist, dass der Betroffene nicht den Umweg über den Verband nehmen muss, sondern die Klage selbst einbringen kann.

Aber, meine Damen und Herren von der ÖVP und von der FPÖ, das muss man jetzt wirklich sagen, Sie mögen offenbar weder die Verbands- noch die Sammelklagen. Das stört die heilige Ruhe, und der Konsumentenschutz dürfte da ein kleiner Störfaktor sein. Warum weiß ich das so genau? – Sie mauern in allen Ausschüssen (Beifall bei der SPÖ), in denen derzeit Anträge betreffend Sammelklage vorliegen, und Sie ver­bannen auch alle Oppositionsanträge; diese werden halt vertagt.


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Die Konsumentenrechte sind Ihnen egal, und Ihnen ist das offenbar lästig. Uns als NEOS ist das aber nicht lästig. Wir werden daher weiterhin ein wachsames Auge darauf haben, dass der Konsumentenschutz in Österreich nicht ausgehöhlt wird, und wir werden uns auch weiterhin sehr stark dafür einsetzen, dass die Sammelklage endlich realisiert wird. Dazu gehört auch, dass wir Ihrem Antrag heute nicht zustimmen werden. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

14.22


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Weidinger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.22.15

Abgeordneter Mag. Peter Weidinger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuhörerInnen und ZuseherInnen zu Hause und hier im Saal! Wir leben in einer Hochrisikogesellschaft, meine Damen und Herren, da der leitende Wert unserer Gesellschaft die Freiheit ist, die individuelle Entscheidung des Einzelnen. Das ist auch gut so, meine Damen und Herren, denn diese Freiheit des Einzelnen schafft Inno­vation, schafft Kreativität und schafft ein Österreich, in dem man in großem Ausmaß in Frieden und in Wohlstand leben kann. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Angerer.)

Unser Menschenbild ist von der christlich-jüdischen Tradition geprägt, die diese Freiheit garantiert. Das wird auch von den Menschen in diesem Land geschätzt, meine Damen und Herren. Wir vertrauen den Menschen, und die Menschen vertrauen dieser Regierung, da sie Freiräume schafft und immer ein wachsames Auge darauf hat, dass der Einzelne und die Gemeinschaft sich auch gut entwickeln können – und das ist auch gut so.

Der Verfassungsstaat, meine Damen und Herren, ist ein Garant dafür, dass wir unse­ren westlichen, europäischen Lebensstil und unsere individuelle Freiheit auch bewah­ren können. (Abg. Vogl: Ist das nicht die falsche Rede?) Daher ist es notwendig, dass wir einen guten und gesunden Ausgleich haben, um eine neue soziale Gerechtigkeit zu schaffen. Wir übernehmen gerne diese Verantwortung und sehen den Schutz der Kon­sumenten auch als unser gemeinsames Anliegen. Ich glaube, Herr Kollege Vogl, wenn du die Thematik nicht nur eindimensional siehst – und ich kenne dich ja auch als einen konstruktiven Gesprächspartner in den Ausschüssen –, dann wirst du erkennen – und ich lasse gleich Zahlen, Daten und Fakten sprechen –, warum es um den Konsumen­tenschutz in Österreich sehr, sehr gut bestellt ist.

Ich war schon sehr verwundert, dass bisher noch nicht die jüngsten Zahlen der Euro­päischen Union gefallen sind, meine Damen und Herren. Ja, die Europäische Union ist ein wesentlicher Treiber – darauf sind wir auch alle sehr stolz –, was Freiheit, Frieden und Sicherheit in Europa, aber auch das Funktionieren des Wettbewerbs und des Markts und damit auch die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher betrifft. Im jüngsten EU-Verbraucherbarometer gibt es zwei ganz wesentliche Kennziffern, die ich Ihnen zur Kenntnis bringen möchte:

Erstens gibt es eine Aufstellung jener Länder in Europa, in denen es die wenigsten unseriösen Geschäftspraktiken gibt. Und jetzt raten Sie einmal, auf welchem Platz Österreich liegt: auf Platz Nummer eins! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Österreich ist Nummer eins, ist Europameister in dieser Statistik.

Meine Damen und Herren, eine weitere Kennziffer: Wenn es um das Vertrauen in die österreichischen Unternehmen, in die Produkte und Dienstleistungen geht, liegt Österreich am zweiten Platz innerhalb der Europäischen Union. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Die Österreicherinnen und Österreicher wissen,


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welche Qualität, welche Dienstleistung sie bekommen, wenn sie zu unseren Waren greifen.

Jetzt möchte ich auch auf das wichtige Thema VKI eingehen, meine Damen und Herren. Dieser hat auch große Verdienste in vielen Bereichen erworben, aber die Struktur stammt noch aus den Sechzigerjahren, und es ist notwendig, dass wir da eine Neuaufstellung nicht nur im Austausch mit dem Verein, sondern grundsätzlich mit der ganzen Community erreichen, denn es sind mit der Frage der Digitalisierung viele, viele neue Aufgabenstellungen entstanden. Ich glaube, es ist klug und richtig, wenn wir gemeinsam mit der Frau Bundesministerin dem Verbraucherschutz eine neue Bedeu­tung geben, indem wir unterstützend wirken, um diese ganze Szene neu aufzustellen.

Es kommt auch nicht von ungefähr, dass in den letzten Jahren drei Partner – und einer davon der Österreichische Gewerkschaftsbund – aus dem VKI ausgetreten sind. Das heißt, da wird es auch einen Reformstau geben, den wir genau analysieren müssen, um unterstützend zu wirken. Beginnen wir aber zuerst mit den Zielen, meine Damen und Herren, dann folgen die Maßnahmen, und dann folgt die nötige Finanzierung!

Frau Bundesministerin, Sie genießen unser volles Vertrauen, wir sind an Bord und werden gemeinsam das Beste für die Konsumentinnen und Konsumenten erreichen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.26


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Friedl. – Bitte, Frau Abgeordnete.


14.26.40

Abgeordnete Klaudia Friedl (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen auf der Galerie und auch zu Hause vor den Bildschirmen! Zunächst einmal möchte ich feststellen und ganz, ganz laut betonen, dass der Verein für Konsumenteninformation in den letzten Jahrzehnten großartige Arbeit geleistet hat (Beifall bei SPÖ und JETZT sowie des Abg. Rosenkranz) und vor allem ein ganz wichtiger Partner für unsere Konsumentinnen und Konsumenten ist und auch immer war, und zwar vor allem betreffend die Sicherheit bei ganz vielen Themen des täglichen Lebens. Er ist ganz wichtig, er war auch immer brandaktuell, immer am Puls der Zeit und hat vor allem eine mehr als 50-jährige Erfahrung.

Nun kommt die Regierung ganz plötzlich auf die Idee, eine Neustrukturierung des VKI zu verlangen – Kollegin Doppelbauer hat es schon auf den Punkt gebracht, dem kann ich nur zustimmen –; aber: Wozu? Wohin wollen wir gehen? – Ein Jahr ist vergangen, es wurde nichts präsentiert, und heute wird wieder nichts präsentiert. Ich sage Ihnen, es gibt an dieser Arbeit auch nichts zu kritisieren – das hat mir auch der Kollege im Vorhinein schon bestätigt –, denn es gibt eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Marketagent, in der dem VKI im Vergleich mit über 1 000 anderen Marken ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt wurde. Dieser Entschließungsantrag, Frau Ministerin, dient meiner Meinung einzig und alleine dazu, Sie endlich einmal dazu aufzufordern, dass Sie Ihre Arbeit angehen und machen, denn es ist in einem Jahr de facto noch nichts passiert.

Beim VKI handelt es sich, wie gesagt, um einen privaten Verein, der sehr gut auf­gestellt ist. Was Sie beabsichtigen – das wurde auch schon angesprochen –, ist einzig und allein – und das finden wir auf Seite 120 des Regierungsprogramms –, dass Sie die Arbeiterkammer als ordentliches Mitglied aus dem VKI hinausdrängen und sich so den VKI unter den Nagel reißen möchten. (Beifall bei der SPÖ.) Ich sage Ihnen eines, Frau Ministerin: Wenn Sie das tun, dann fallen wir in Europa aus allen Konsumen­ten-


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schutzorganisationen heraus, denn bei diesen ist die Neutralität und die Unabhän­gigkeit des VKI eine Grundvoraussetzung.

Was Sie mit dem VKI noch alles anstellen möchten, werden Sie uns hoffentlich am Ende der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt endlich einmal sagen. Wenn Sie schon antworten oder etwas Neues machen wollen, dann würden wir uns freuen. Wir hatten im vergangenen Jahr zwei Ausschusssitzungen, und wir haben sehr viele Dinge vorgebracht, aber es wird nichts bearbeitet, es bleibt eigentlich alles liegen. Vielleicht haben Sie ja die Vorgabe, wie Kollege Wöginger schon am Anfang der Sitzung gesagt hat, alles erst am Ende der Regierungsperiode anzugehen. Das ist für uns leider viel zu spät. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.29


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Herr Abgeordneter Höfinger ist der nächste Red­ner. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.29.46

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Frau Bundes­minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Friedl, geschätzter Herr Kollege Vogl, ich bin schon länger mit dabei und kann mich an so manche Debatte mit den Vorgängern der Frau Bundesminister, nämlich mit Bundesminister Hundstorfer, Bundesminister Stöger und so weiter erin­nern, die in ihrem Bericht zu ihrem Ressort beziehungsweise auch in der Budget­debatte regelmäßig auf den Konsumentenschutz und den VKI vergessen haben – immer wieder. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich bin jedes Mal hier ans Rednerpult gegangen und habe gesagt: Herr Bundeminister, schön und gut, was Sie alles vorhaben, aber das Wort Konsumentenschutz haben Sie nicht in den Mund genommen! – Das können Sie in den Protokollen nachlesen, das können Sie in der TVthek nachschauen, es ist jahrelang üblich gewesen; die Vorgän­ger haben sich in Wirklichkeit sehr, sehr wenig – um es höflich auszudrücken – um den Konsumentenschutz gekümmert. Daher finde ich es auch nicht passend und gut platziert, wenn Sie jetzt hier herauskommen und das eine oder andere schlechtreden, was innerhalb dieses letzten Jahres passiert ist. (Abg. Vogl: Das ist nicht schlecht­reden, es ist nichts passiert!)

Es steht klipp und klar im Regierungsprogramm drinnen: Wir wollen diesen VKI nach fast 60 Jahren, die er besteht, neu aufstellen, damit er auch solide und gut ausgestattet in die Zukunft schauen kann, um seine Aufgaben zu übernehmen – und es sind sehr viele Aufgaben, die er in den letzten Jahren auch wirklich hervorragend gemeistert hat: in der Beratung, in der Begleitung der Konsumenten, bei vielen Tests, die durchgeführt wurden. Er war warnend, er war schützend an der Seite der Konsumentinnen und Konsumenten, und manchmal auch einklagend für die Konsumentinnen und Konsu­menten – das auch mit großem Erfolg, und darauf können wir wirklich stolz sein. Daher denke ich: Ja, schauen wir uns diese Strukturen an, sorgen wir dafür, dass es auch in Zukunft eine verlässliche, gute Finanzierung gibt, und jammern wir nicht schon im Vorhinein darüber, was passieren soll!

Frau Bundesminister, von unserer Seite ergeht der klare Auftrag, den VKI wirklich gut für die Zukunft aufzustellen. Wir werden Sie dabei begleiten und unterstützen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Wimmer. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.



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14.32.06

Abgeordnete Petra Wimmer (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Wenn im Regierungsprogramm eine Neuge­staltung des Vereins für Konsumenteninformation angekündigt wird, ist erst einmal Vorsicht geboten, denn es bleiben sehr viele Fragen offen.

Der Verein für Konsumenteninformation ist ein gemeinnütziger Verein, der seit 50 Jahren die österreichische Verbraucherorganisation ist, der die Konsumentinnen und Konsumenten kompetent informiert, berät und für die Durchsetzung der Konsu­mentenrechte kämpft – all das objektiv und unabhängig von Wirtschaftsinteressen. Diese großartigen Leitungen finanziert der VKI, wie Kollege Wurm schon ange­sprochen hat, zu rund 75 Prozent selbst.

Sehr geehrte Damen und Herren, die gute Arbeit des VKI ist unbestritten qualitätsvoll und wertvoll für die Konsumentinnen und Konsumenten, und natürlich könnte da ein weiterer Ausbau der Beratung und Rechtshilfe nur von Vorteil sein. Das wäre jedoch ganz einfach möglich, indem Sie, Frau Ministerin, den VKI ausreichend subven­tio­nieren. Zu befürchten ist allerdings, dass eine Neugestaltung des Vereins bedeutet, dass es dabei nur um eine Verschiebung in Richtung Interessen der Wirtschaft und Einflussnahme durch das Ministerium geht.

Viele Fragen bleiben offen: Was genau verstehen Sie unter „Neuausrichtung der Mitgliederstruktur“? Was bedeutet diese Neugestaltung für die Struktur des VKI, für die hochkompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? – Frau Ministerin, ich bitte um Antworten. (Beifall bei der SPÖ.)

14.33


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt nun die Frau Bundesminister. – Bitte schön, Frau Bundesminister.


14.34.04

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Mag. Beate Hartinger-Klein: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Wir alle sind Konsumenten, und nicht nur aus diesem Grund ist es mir als Konsumentenschutzministerin ganz wichtig, den VKI auf neue Beine zu stel­len.

Herr Kollege Vogl, vor zwei Jahren, drei Jahren gab es den VW-Dieselskandal, und ihr habt nichts zusammengebracht. Eine meiner ersten Maßnahmen war diese VW-Sam­melklage. Ihr habt es nicht zusammengebracht. Das heißt, ihr wisst schon wieder einmal nicht, wo die Probleme der Menschen sind. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Und noch etwas, Herr Kollege Vogl: Im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft war die Kommissarin da, als es genau um dieses Thema gegangen ist. Auch die Abgeordneten waren eingeladen. Wer hat gefehlt? – Sie haben gefehlt; also so wichtig scheint Ihnen dieses Thema nicht zu sein. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Der nächste Punkt: Ich möchte eines klarstellen: Mir ist wichtig, dass die Finanzierung des VKI sichergestellt wird, und ich spreche mich gegen jegliche – bitte, meine Damen und Herren der Sozialdemokratie, merkt euch das! – Verstaatlichung aus. Unterstellt mir hier nicht schon wieder Dinge, die euch vielleicht irgendwo in einer Hellseherkugel unterkommen, die nicht stimmen! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ich werde noch heuer ein entsprechendes Konzept vorlegen. Um ein wirklich effizien­tes Konzept zu erstellen, muss man natürlich Analysen vornehmen, aber auch das seid


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ihr ja nicht gewöhnt. Ihr könnt zwar irgendwelche Studien durchführen lassen, setzt deren Ergebnisse aber dann nicht um. Aber vielleicht haben wir da auch wieder eine Studie, Herr Kollege Vogl, nicht? (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Wichtig ist es, zu sagen, welche Ziele man hat. Die Ziele haben sich natürlich auch betreffend den Konsumentenschutz geändert, da wir beispielsweise betreffend Inter­netkäufe oder Smartmeter vor großen Herausforderungen stehen. Da werden Sie sich noch wundern, welche Themen wir auch im Konsumentenschutzausschuss gemein­sam mit den Abgeordneten diskutieren werden.

Mir ist es jetzt aber einmal wichtig, ein Konzept zu liefern, und das werden wir heuer machen. Wir werden uns auch Benchmarks und Best-Practice-Beispiele anschauen, Möglichkeiten, die es in anderen Staaten gibt, um den VKI so aufzustellen, dass er modern, effizient und finanziell abgesichert ist. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Vogl.)

14.36


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Wurm. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.36.44

Abgeordneter Peter Wurm (FPÖ): Frau Präsidentin! Ich möchte mich jetzt zum Schluss doch noch einmal zu Wort melden, da ich eigentlich erwartet hätte, dass vor allem bei der Sozialdemokratie, aber auch bei den NEOS langsam eine gewisse Erkenntnis durchsickert, dass der VKI ein Problem hat.

Da geht es jetzt nicht darum, dass die Mitarbeiter daran Schuld sind. Die Mitarbeiter im VKI machen trotz allem immer noch einen sehr guten Job, aber der VKI hat ein massives Finanzierungsproblem, und das sollten alle, die sich mit der Problematik beschäftigen, mittlerweile auch wissen. Das Finanzierungsloch liegt zwischen 2 und 3 Millionen pro Jahr, Herr Kollege Vogl und Frau Kollegin Friedl, das sollten Sie sich auch einmal genauer anschauen.

Der Reformbedarf kommt auch sehr stark aus dem VKI, und zwar nicht erst, seit es eine neue Regierung gibt, sondern der VKI bittet seit über zehn Jahren um eine Hilfestellung. Seit zehn Jahren bittet der VKI um eine Hilfestellung, aber unter eurer Ministertätigkeit – Kollege Stöger ist immer noch nicht da, er war ja auch einer dieser Mitverursacher – hat der VKI massiv gelitten. Jetzt besteht Handlungsbedarf.

Und ich sage es noch einmal: Wir werden gemeinsam mit der Frau Minister sehr rasch eine fundierte Analyse machen. Ich bitte euch noch einmal darum, eure Ablehnung zu überdenken. Mir ist nicht klar, warum ihr diesen Antrag ablehnt. Das hat auch mit den Sammelklagen, Frau Kollegin Doppelbauer, nichts zu tun – das ist eine ganz andere Baustelle. Dies wird im Übrigen – wie Sie ja wissen – momentan auf EU-Ebene finalisiert, da kommt sowieso etwas. (Zwischenruf des Abg. Vogl.)

Ich möchte noch einmal die wichtigsten Dinge aus dem Antrag vorlesen: „Dieser Be­richt soll die notwendigen strukturellen und inhaltlichen Maßnahmen zur Erneuerung und Modernisierung des VKI’s enthalten. Der Bericht soll insbesondere entsprechende Grundlagen für eine Neuausrichtung der Mitgliederstruktur, d.h. ordentliche und außer­ordentliche Mitglieder sowie eine geeignete und dauerhafte Regelung für die Finan­zierung [...] enthalten“.

Genau darum geht es uns. Wir wollen also das Gegenteil von dem, was ihr immer behauptet. Wir wollen den VKI endlich auf gesunde Beine stellen, und das war leider in den letzten Jahren mit euch, mit den Vorgängerregierungen nicht möglich. Der VKI macht aktuell selbst bereits erste Schritte, da geht es auch schon um Personalein-


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sparungen, da geht es um Gebührenerhöhungen und so weiter. Der VKI macht von sich aus alles, was er machen kann, aber er wird eine Hilfestellung von dieser Regie­rung und von uns Parlamentariern brauchen.

Ich bitte euch wirklich, noch einmal nachzudenken, ob ihr diesem Antrag nicht zustim­men könnt. Ihr könnt ja, wenn das Konzept im September präsentiert wird, immer noch sagen, das Konzept gefällt euch nicht. Das aber abzulehnen oder vor den Problemen, in denen der VKI steckt, die Augen zu verschließen hat mit politischer Realität und Professionalität nichts zu tun. Bitte denkt noch einmal nach! Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.40

14.40.15


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 476 der Beilagen angeschlossene Entschließung betreffend „Konsumentenschutzrecht ‚NEU‘“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist somit angenommen. (E 54)

14.40.417. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über den Antrag 505/A der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostrom­gesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (395 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Knes. – Bitte.


14.41.14

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Abgeordnete! Wir haben hier heute eine Materie zu behandeln, die mich mehr als trifft. Wir reden nämlich von einer Verfas­sungsänderung. Wenn man ein Gesetz anstrebt, das eine Verfassungsänderung zur Folge hat, sollte man zumindest Manns genug sein, diese Gesetzesvorlage ordnungs­gemäß zu verhandeln und auch in den Ausschüssen entsprechend vorzubereiten. (Beifall bei der SPÖ.)

Dies wurde weder von der ÖVP noch von der FPÖ vorangetrieben. Es gab keine einzige Verhandlung mit den Oppositionsparteien. Das einzige Gut, das da heraus­kommt, ist, das tote Förderkonzept für Biomasseanlagen in Österreich weiterhin auf­recht­zuerhalten.

Dazu muss man schon eines sagen: Die ÖVP arbeitet dabei gegen die Industriel­len­vereinigung, hat in den letzten Jahren keine einzige Verhandlung mit der Industriellen­vereinigung geführt, hat nicht einmal mit der Papierindustrie – alles ihre Klientel – verhandelt, sondern wirft einfach eine Fördersumme in den Raum, die utopisch ist. Die Förderung für Biomasseanlagen – insgesamt 130 an der Zahl in Österreich, derzeit werden noch rund 47 gefördert – hat in den letzten 13 Jahren sage und schreibe 771 Millionen Euro verschlungen – 771 Millionen Euro!


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Jetzt kommt die ÖVP und sagt – ohne Verhandlung, ohne mit den Oppositionsparteien zu sprechen –, sie wolle diese Fördermenge in den nächsten sieben Jahren auf­rechterhalten beziehungsweise ausweiten, und legt noch einmal 350 Millionen Euro dazu. Wir reden also von einer Fördersumme von über 1 Milliarde Euro für einen Industriezweig, der desolat wirtschaftet. (Zwischenruf des Abg. Kassegger.)

So! Dann sehen Sie, auch die Frau Ministerin, natürlich ein, dass Sie damit nicht durch­kommen. Im Budget haben Sie für diese sogenannte Förderung übrigens über­haupt nichts vorgesehen. Dann kommt die ÖVP drauf: Hoppla, mit der FPÖ haben wir leichtes Spiel, Herr Kickl bekommt seine zwölf Pferde, Herr Strache kann weiterhin rauchen, wir haben die FPÖ eingekauft, dadurch kommen wir zumindest hier zum Beschluss! (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Dann erst kommt ihr endlich drauf, dass ihr für Änderungen in der Verfassung eine Zweidrittelmehrheit braucht, somit bleibt euch nichts anderes übrig, als mit den NEOS zu sprechen.

NEOS hat einen einzigen – einen einzigen! – vehementen Verfechter, und zwar Abge­ord­neten Schellhorn – mit Abgeordnetem Strolz wäre das nie passiert, das muss ich Ihnen auch sagen (Beifall bei der SPÖ) –, der gehört interessanterweise zu den größten Lobbyisten der Biomassekraftwerke. (Abg. Loacker: Haben Sie mit Strolz telefoniert?) Das Einzige, das er verhandelt hat, ist, diese 350 Millionen Euro und die sieben Jahre (Zwischenruf des Abg. Schellhorn) auf drei Jahre und auf 150 Millionen zu reduzieren. Das ist Ihre Art der Politik, die Politik der NEOS?! – Na gratuliere! (Beifall bei der SPÖ.)

Die ÖVP ist ja sowieso der Wunderwuzzi im Förderalismus. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.– Ja, Herr Wöginger! Im Bereich der Landwirtschaft wissen Sie, wie Sie die Milliarden herausholen, im Bereich der Biomasse wissen Sie, wie Sie es machen. Sie haben aber nichts dagegen, die Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer zu erhöhen und ihnen die Überstunden wegzunehmen. (Beifall bei der SPÖ.) Das sind Sie, so ist es! (Abg. Wöginger: Abgewählte Sozialisten! Abgewählt! Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Schauen Sie, Sie kommen aus Ihrem eigenen Strudel nicht heraus! Sprechen Sie mit der Industriellenvereinigung! Sie sind komplett daneben! Biomasseanlagen in dieser Art und Weise werden seit 13 Jahren über die Stromkunden gefördert (Abg. Wöginger: Klassenkämpfer! Sozialismus in Reinkultur!), das muss ja noch dazugesagt werden. Die Stromkunden in Österreich bezahlen diese Förderung von über 1 Milliarde Euro, und Sie sind nicht bereit, mit irgendjemandem zu sprechen! Schämen Sie sich! Gehen Sie in Verhandlung, und viel Glück bei diesem Gesetz! (Beifall bei der SPÖ.  Abg. Wöginger: Bodenlose Frechheit!)

14.45


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Lettenbichler. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)


14.45.28

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Also ich hätte einen Appell an die SPÖ: Zunächst hat sich ja die Energiesprecherin zu Wort gemeldet. Bitte schicken Sie seitens der SPÖ jemanden heraus, der sich in der Sache auskennt, denn bei Herrn Knes fehlt dieses Verständnis. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. Zwischenruf des Abg. Knes.)

Sie sind hier ans Rednerpult gekommen und haben in Bausch und Bogen alles be­schimpft. Ich habe das gar nicht mitschreiben können, so schnell haben Sie so viele Unwahrheiten gesagt, aber ich will Ihnen jetzt einmal die Sachproblematik ein wenig


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erklären. Ich bemühe mich da wirklich, denn ich glaube, Sie haben auch innerhalb Ihrer Fraktion einigermaßen Gesprächsbedarf. Da dürfte es Kommunikationsprobleme gege­ben haben (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger), aber das kennen wir von der SPÖ in den vergangenen Wochen und Monaten, Sie sind führungslos, orien­tierungslos und inhaltslos. Es tut mir leid, das so sagen zu müssen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Genau vor einem Jahr wurde in der Klausur der Bundesregierung der Auftrag gegeben, eine Klima- und Energiestrategie zu erarbeiten. Binnen vier Monaten wurde eine #mission 2030 unter diesem Titel erarbeitet. Diese Bundesregierung meint es ernst mit dem Klima (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger), mit der Klimapolitik und mit der Energiewende. Wir haben uns gemeinsam – ich schaue Kollegen Kassegger an – das Ziel gesetzt, im Jahr 2030 bilanziell 100 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. Das nehmen wir sehr, sehr ernst. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

Wir wollen dazu im heurigen Jahr ein großes Gesetz beschließen, das ist der ambi­tionierte Zeitplan, ein Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Im vergangenen Jahr hat es Ent­wicklungen gegeben, die nicht vorhersehbar waren, Sie wissen das genau. Wir hatten in vielen Wäldern den Borkenkäfer; dort liegen jetzt viele Hunderttausende Festmeter Schadholz. Ende Oktober hatten wir diese orkanartigen Stürme, die vor allem den Süden Österreichs betroffen haben; dadurch entstanden auch wieder viele Hundert­tausende Festmeter Schadholz.

Sie sagen, das ist Ihnen wurscht. Warum sprechen wir dann heute darüber? Jetzt kommen wir als Parlamentarier ins Spiel: weil einer der größten Abnehmer für dieses Schadholz unsere Biomasseanlagen sind, und da fällt in den vergangenen Jahren – 2017, 2018, 2019 – einfach eine Anlage nach der anderen hinaus. Das tut uns weh. Wir verlieren dabei von insgesamt 311 Megawatt allein im heurigen Jahr 140 Mega­watt.

Diese Biomasseanlagen sind nicht irgendetwas, sondern sie produzieren 2 Milliarden Kilowattstunden an Strom und versorgen 600 000 Haushalte. Die Alternative ist, dass diese Anlagen über kurz oder lang zusperren, denn die haben auch eine kaufmän­nische Verantwortung – in Wien vielleicht nicht, da gibt es andere Wege, aber darüber werden wir auch noch reden –, oder auf fossile Brennstoffe umstellen.

Wollen Sie das? Wir haben hier die Möglichkeit (Zwischenruf der Abg. Duzdar), erneu­erbare Stoffe zu verwenden, und Sie sagen Nein. Das ist Ihr Zugang. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Ende November haben wir einen Initiativantrag eingebracht, der wurde dann, wie Sie sich erinnern können, im Wirtschaftsausschuss besprochen.

Das Einzige, was richtig ist, Herr Knes: Wir brauchen eine Zweidrittelmehrheit, nicht nur hier im Nationalrat, sondern auch im Bundesrat. Wir haben mit der SPÖ ge­sprochen, nicht nur einmal, öfters. Unsere Referenten waren immer in Kontakt – Tele­fonate, SMS –, also stellen Sie sich nicht hierher und erzählen das Märchen, es wurde nicht mit Ihnen gesprochen! (Zwischenruf des Abg. Knes.) Es gab Punkte, bei denen wir uns annähern konnten – ein Punkt war der SPÖ sehr wichtig –, und zwei Punkte, bei denen wir uns nicht annähern konnten. Das habe ich klar kommuniziert. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. Abg. Wöginger: Na, Knes, was sagst du jetzt?)

Wir sprechen heute nur über das Ökostromgesetz. Die anderen beiden Punkte, die Sie gelöst haben wollten, sind nicht im Ökostromgesetz zu behandeln, sondern im WKLG und im ElWOG, die stehen heute nicht zur Debatte. Dieses Thema, das Ihnen so wichtig war, das wir heute lösen können, ist das Thema der Energiearmut.


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Für alle, die es nicht wissen: Wenn man GIS-befreit ist, kann man mit der letzten Stromrechnung bei der GIS-Stelle um eine Reduktion der Ökostrombeiträge ansuchen. Das war bisher eine Pauschale von 20 Euro im Jahr. Die SPÖ hat gesagt, das sei für sie ein wichtiger Punkt, das sollen 0 Euro sein. Das haben wir mit Kollegen Kassegger besprochen und haben gesagt, gut, da können wir mitgehen, aber bei den anderen Punkten nicht – und das ist Ihnen kommuniziert worden.

In weiterer Folge haben wir mit den NEOS gesprochen, weil wir mit Ihnen keine Zweidrittelmehrheit gefunden haben. Wir haben uns zusammengesetzt und haben uns gefunden. (Abg. Leichtfried: Werden wir schauen!) Da will ich hervorheben: Die NEOS könnten es sich einfach machen und sagen: Was geht uns das an? Es gibt viele Punkte, bei denen wir uns nicht einig sind wir duellieren uns ja heute schon den ganzen Tag, und das wird noch weitergehen –, in diesem Punkt schätze ich aber die Qualität der Zusammenarbeit mit den NEOS.

Wenn wir – das unterscheidet uns von den Vorgängerregierungen – ein Sachproblem haben, setzen wir uns zuerst in der Regierung zusammen und schauen, wie wir dieses Thema lösen können, wie wir das umsetzen und einen Weg finden können. Genauso war es mit den NEOS, die haben es sich nicht einfach gemacht. Ein wichtiger Punkt, bei dem wir dann auch gesagt haben, da können wir mitgehen, war für Herrn Schellhorn und die anderen Abgeordneten der NEOS, dass diese Förderung, dieser Nachfolgetarif, der unsererseits ja für sieben Jahre geplant war, nur mehr drei Jahre laufen soll. Das haben wir gemeinsam festgelegt. Die NEOS wollten eine sogenannte Sunsetklausel schaffen, damit wir dem EAG, das wir heuer noch beschließen wollen, nicht zu sehr vorgreifen; das muss man sich dann gesamthaft anschauen. Da haben wir gesagt, es geht uns um eine Übergangslösung, um ein Rettungspaket, das wir jetzt und nicht irgendwann schnüren wollen; diesen Weg können wir mitgehen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Jetzt müssen Sie mir erklären, warum Sie vor dem Hintergrund der Forderung im Zusammenhang mit der Energiearmut, die Sie gestellt haben, auf einmal nicht mitgehen können. Wir haben diesen Punkt sogar drinnen gelassen, obwohl er von Ihnen gekommen ist. Wir, FPÖ und ÖVP, haben gesagt, das ist ein Thema, das für uns auch wichtig ist, die NEOS sind mitgegangen, und jetzt sagen Sie Nein. Das ist ein Justamentstandpunkt, bei dem es nicht um die Sache geht. Da heißt es nur: Da sind wir einfach nicht dabei! Wie es aussieht, werden Sie das im Bundesrat auch ablehnen.

Es sind 47 Anlagen, wir haben das auf drei Jahre beschränkt, es ist ein klarer Tarif – das ist also kein Blankoscheck, wie ich heute gelesen habe, sondern das sind klare Parameter. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.) Ich lade Sie ein, geben Sie sich einen Ruck, im Sinne der Umwelt, denn wenn das heute nicht passiert, bringen wir das Holz nicht aus den Wäldern heraus – denn die bestellen kein Holz mehr, es gibt Stilllegungspläne landauf, landab.

Welche ist die größte Biomasseanlage in Österreich? Wo steht sie? – Sie steht nicht in Oberösterreich, nicht in Niederösterreich, nicht im Burgenland, sondern in Wien. Wenn Sie sagen, dass wir Wienbashing machen: Da können Sie auch etwas für die Wiener, für die Umwelt tun – oder sollen sie auf Gas oder auf Öl umstellen? Sagen Sie nicht, dass keine Verhandlungen stattgefunden haben, es sind alle Unterlagen da. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich darf mich bei Kollegen Schellhorn noch einmal für die Fairness bedanken, auch bei Kollegin Bißmann, die mitgeht. Bei Jetzt – oder Pilz – ist das leider nicht möglich. Die Kompetenz in Umwelt- und Energiefragen aus Ihrer Fraktion sitzt leider dort (in Rich­tung Abg. Bißmann weisend) drüben, denn Sie haben sie rausgeschmissen. Es tut mir


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leid, dass Sie da nicht mitgehen. Auf die SPÖ vertraue ich schon noch. Dass es heute nicht klappt, ist schade. Bitte bleiben Sie mit den Argumenten bei der Wahrheit: Es haben Verhandlungen stattgefunden, es liegen alle Unterlagen vor. Geben Sie sich einen Ruck! Wir laden Sie dazu ein. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

14.53


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Rossmann. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


14.53.57

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Lettenbichler, Sie machen die Kompetenz in Energiefragen von der Zustimmung zu diesem Initiativantrag samt Abänderungen abhängig. Schämen Sie sich dafür, Herr Kollege! (Beifall bei JETZT und SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie konnten hier nicht überzeugen, Sie konnten weder die SPÖ überzeugen, noch konnten Sie uns überzeugen, bei diesem Initiativantrag mitzugehen.

Wie war denn die Vorgeschichte? (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Gehen wir es einmal an! – Seit mehr als einem Jahr ist bekannt, dass die Förderungen für Biomasse auslaufen, Herr Kollege Rädler. Und was haben Sie zustande gebracht? – Einen Husch-Pfusch-Initiativantrag (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Rädler) anstelle eines vernünftigen, durchdachten Förderungssystems im Zusammenhang mit einem neuen Gesetz, dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Da haben Sie ein Jahr verstreichen lassen. Das ist in Fragen des Klimaschutzes und im Zusammenhang mit Energiefragen immer so. Dort, wo dringliches Handeln notwendig wäre, schläft das Ressort von Frau Köstinger, oder es ist überfordert.

Im Rahmen dieses Initiativantrages und im Zusammenhang mit den Biomasseanlagen ist natürlich eine Reihe von Fragen offen. Erstens einmal die Frage der Standorte: Im Abänderungsantrag bleibt völlig unklar, wie es überhaupt mit der Effizienz der 47 Anlagen aussieht, die da gefördert werden sollen. Wesentliche Elemente der Förde­rungen werden in eine Verordnung ausgelagert.

Und was kommt noch dazu? – Im Ausschuss waren wir Oppositionsparteien uns zunächst alle im Klaren darüber, dass wir diesen Initiativantrag ablehnen. Dann kommt die Tagesordnung zur heutigen Plenarsitzung, da sehe ich als TOP 7 das Öko­stromgesetz auf der Tagesordnung; dann kam ein Anruf von Ihnen, Herr Kollege Lettenbichler, in dem Sie mir dann erklärt haben, wie das zustande kommt. Vorher haben Sie es offenbar nicht der Mühe wert gefunden, mit uns überhaupt nur ein Ster­bens­wörtchen zu sprechen. Sie haben mir dann irgendwann einmal den Abände­rungsantrag geschickt, haben mir die Story erklärt, dass Sie mit der SPÖ verhandelt hätten, aber zu keiner Einigung gekommen seien – die SPÖ sagt, es waren keine ernsthaften Verhandlungen –; dann haben Sie einen leichteren Partner gesucht, das sind offensichtlich die NEOS gewesen.

Obwohl sie im Ausschuss dagegen waren, haben sich die NEOS damit begnügt, zu sagen: Na ja, wenn die Laufzeit der Förderungen mit Ende 2019 begrenzt wird, dann sind wir damit einverstanden! – So einfach geht das bei den NEOS. Und Sie, meine Damen und Herren von den NEOS, beanspruchen die führende Oppositionsrolle in diesem Land?! – Dafür sollten Sie sich im Zusammenhang mit der Zustimmung zu diesem Initiativ- und Abänderungsantrag wirklich schämen! (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

Ich meine, das ist ja nicht das erste Mal, dass Sie sich entweder zum Steigbügelhalter dieser Regierung machen, wie Sie es jetzt tun, oder auf der anderen Seite, wie beim 12-Stunden-Tag, etwas zwar heftig kritisieren, aber dann doch, quasi als Teil dieser


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Regierung, mitstimmen. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Ganz komme ich da nicht mehr mit.

Meine Damen und Herren, insbesondere an Sie, Herr Kollege Schellhorn, die Frage: Was war denn die Gegenleistung für die Zustimmung zu diesem Initiativantrag und diesem Abänderungsantrag? Ich erwarte eine Erklärung von Ihnen. (Abg. Meinl-Reisinger: Herr Rossmann, was wollen Sie uns unterstellen?) Möglicherweise kann ich Ihnen ein bisschen auf die Sprünge helfen, Herr Kollege Schellhorn. In Hallein gibt es ein Unternehmen, die AustroCel Hallein GmbH, das ist ein Unternehmen für Fernwärme- und Ökostromerzeugung. Jetzt konnte ich in Erfahrung bringen, dass ein Teil dieser AustroCel Hallein GmbH natürlich auch eine Biomasseanlage ist. – Na so ein Zufall!

Jetzt frage ich Sie, Herr Kollege Schellhorn: Welche Rolle spielen Sie dabei? Welche Rolle spielen Sie in diesem Unternehmen? Haben Sie eine Rolle in diesem Unter­nehmen? Erklären Sie sich! (Heiterkeit des Abg. Schellhorn.) – Lachen Sie nicht, erklären Sie es mir! Stellen Sie sich her! Wenn das nicht der Deal war, Herr Kollege Schellhorn und Frau Beate Meinl-Reisinger, was denn dann? (Abg. Meinl-Reisinger: Herr Rossmann, geht’s noch?) – Schauen Sie nicht so entsetzt! Ja, mir geht es sehr gut, denn ich bin lange genug in der Politik, um zu wissen, dass Leistungen immer Gegenleistungen bedingen. (Weitere Zwischenrufe bei den NEOS.) Das wäre jetzt etwas ganz Neues, wenn die Gegenleistungen für die NEOS eigentlich null sind, weil die NEOS einfach so gut und so toll sind, dass sie jeder passenden und unpassenden Regierungsvorlage und jedem Initiativantrag zustimmen, einfach so. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und SPÖ. Ruf bei den NEOS: Das ist Pilz’scher Stil! Sauerei!)

14.59


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über den Punkt 7 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung eines Dringlichen Antrages gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

15.00.54Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend „das Vertrauen des Nationalrates in die Bundesregierung“ (571/A(E))


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (den Vorsitz übernehmend): Es ist 15 Uhr, wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 571/A(E). Da dieser Antrag inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Am Dienstag, 22.1., sagte BMI Kickl im ORF-„Report“: „Ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht.“1 und beklagte sich über „irgendwelche seltsamen rechtlichen Konstruktionen, teilweise viele, viele Jahre alt, aus ganz anderen Situationen heraus entstanden, und die hindern uns daran, das zu tun, was notwendig ist.“2 Damit spielte Kickl auf die Europäische Menschenrechtskonvention an. Kickl betonte, dass er eine Debatte darüber führen und sich auch mit diesen Regelungen anlegen wolle.3 Damit stellte er sowohl die Europäische Menschenrechtskonvention, als auch das Legalitätsprinzip in Frage.


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Der Bundespräsident fand zu diesen Plänen Kickls klare Worte: „Die Europäische Menschenrechtskonvention steht […] im Verfassungsrang. An ihr zu rütteln, wäre eine Aufkündigung des Grundkonsenses der Zweiten Republik. (vdb)“4.

Die dem Absolutismus im 19. Jh mühsam abgerungenen und durch die EMRK im 20. Jh erweiterten Grundrechte sollten nicht als Brennstoff für kurze populistische Strohfeuer missbraucht werden. Das Vertrauen zumindest eines Teils der Mitglieder des Nationalrates in den Weg, den die Bundesregierung einschlägt, ist nun erschüttert. Es liegt am Bundeskanzler, dieses Vertrauen wiederherzustellen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundeskanzler wird aufgefordert

• Jeglichen Bestrebungen, aus der Europäischen Menschenrechtskonvention oder dem Europarat auszutreten, eine Absage zu erteilen.

• Nur Ministerialentwürfen seine Zustimmung zu erteilen, die mit der Europäischen Menschenrechtskonvention konform sind.

• In Zukunft davon Abstand zu nehmen, die Europäische Menschenrechtskonvention in Frage zu stellen.

• Die Europäische Menschenrechtskonvention in Frage stellenden Aussagen einzelner Regierungsmitglieder öffentlichkeitswirksam, vehement und sofort zu widersprechen.

• Durch öffentliche Erklärung klarzustellen, dass nur Personen, die sich zur EMRK bekennen, Teil der Bundesregierung sein dürfen.

1 Zitiert etwa in https://derstandard.at/2000096888042/Kickl-stellt-Menschenrechtskonvention-in-Frage.

2 Zitiert etwa in https://derstandard.at/2000096888042/Kickl-stellt-Menschenrechtskonvention-in-Frage.

3 Zitiert etwa in https://derstandard.at/2000096888042/Kickl-stellt-Menschenrechtskonvention-in-Frage.

https://twitter.com/vanderbellen/status/1088091480739246080?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1088091480739246080&ref_url=https%3A%2F%2Fderstandard.at%2F2000096888042%2FKickl-stellt-Menschenrechtskonvention-in-Frage.

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Herrn Abgeordneten Noll als Antrag­steller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung erteilen. Er weiß, dass die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten darf.

Herr Abgeordneter Noll, Sie gelangen zu Wort. – Bitte sehr.


15.01.38

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (JETZT): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Also haben wir einen Innenminister, demzufolge das


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Recht der Politik zu dienen hätte und nicht die Politik dem Recht. (Abg. Rosenkranz: Das Zitat ist aber falsch!  – Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Wir haben einen Verwalter der Gesetze, einen mit der Verwaltung der Gesetze beauftragten und be­trauten Exekutivherrn, der dem unbedingten und unbeschränkten Primat freiheitlicher Politik das Wort redet. – Schön, so hat er es gesagt, unser Innenminister, und so wird er es ja wohl auch meinen. (Abg. Steger: Haben Sie nicht bestätigt, dass das Faktum ist?)

Mich hat ja beim Anschauen dieser „Report“-Sendung etwas gewundert, mit welchem Ingrimm und mit welch mühsam unterdrückter Aggressivität gesprochen wurde. Na gut, habe ich mir gedacht, so ist er halt, unser Innenminister, er kann nicht aus seiner Haut. Aber er müsste doch wissen, dass die Regierung ihre politischen Vorstellungen jeder­zeit in Regierungsvorlagen packen kann, das auch tut, und dass dieses Haus sich im letzten Jahr zur gut funktionierenden Vollzugsmaschine für die Regierungspolitik ent­wickelt hat. (Abg. Steger: Nicht im letzten Jahr!) Anders gesagt: Seine Politik ändert ohnedies jedes Monat das Recht der Republik Österreich. Warum und woher also die Vehemenz, mit der der Innenminister etwas fordert, was längst ohnedies schon Realität ist?! Der politische Wille unserer Regierung schlägt sich in Regierungsvorlagen nieder, und die Gesetze folgen diesem politischen Willen.

Warum hat es dann aber eine derartige Aufregung um diesen Satz gegeben? (Abg. Steger: Weil es mediales Bashing ist!) Die Aufregung und die Empörung sind ja wirklich ganz außergewöhnlich groß. (Abg. Steger: Ungerechtfertigte Aufregung!) Man ereifert und erregt sich, vom Präsidenten der Rechtsanwaltskammer angefangen bis hin zur Präsidentin der Richtervereinigung, Protest kommt also nicht nur von ein paar oppositionellen Quälgeistern, sondern überdies von einer Vielzahl von Künstlerinnen und Künstlern, ja sogar vom Justizminister, wenn man seine Worte verstehen will, bis hin zur Opposition hier im Haus.

Unseren Herrn Innenminister ficht das alles nicht sehr an, wie wir sehen, und ver­schiedene Mitglieder der Regierungsfraktionen haben sich für unseren Minister auch sofort mächtig ins Zeug gelegt.

Die Empörung besteht aber zu Recht: Ein Innenminister dieser Republik darf so etwas nicht sagen (Abg. Steger: Warum? – Ruf bei der FPÖ: Wo steht das?), ein Innen­minister dieser Republik darf so etwas nicht so sagen! (Abg. Höbart: Muss er erst Sie fragen, oder wie?) Auch ich meine, dass Herr Kickl mit diesem unterirdischen Satz etwas getan hat, was einem verbalen Sprengstoffattentat auf diesen Rechtsstaat entspricht. (Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS.) Wer so etwas als Minister so sagt, der hat in dieser Position nichts verloren. (Neuerlicher Beifall bei JETZT, SPÖ und NEOS.)

Bevor sich jetzt die Damen und Herren der Regierungsfraktionen ganz groß ereifern, will ich Ihnen darlegen, warum ich dieser Meinung bin. Ich glaube, es ist geboten, bei ganz grundsätzlichen Dingen anzufangen. Das gibt mir die wunderbare Gelegenheit, meinen geliebten Herrn Montesquieu einmal hier ins Haus zu bringen. Es ist tat­sächlich eine mühsam durch die Geschichte errungene Gewissheit, was Montesquieu in sein Notizbuch schrieb: Eine Sache ist nicht deswegen gerecht, weil sie Gesetz ist, sondern weil sie gerecht ist, muss sie Gesetz werden.

Für uns alle – einerlei, ob einfache Bürgerin oder Bürger, ob Politikerin oder Politiker – sollte es immer ganz selbstverständlich sein, unsere Gesetze daraufhin zu überprüfen, ob sie der Sache der Gerechtigkeit dienen oder ob sie dieser Sache zuwiderlaufen. (Abg. Rosenkranz: Ja! – Abg. Belakowitsch: Ja, ganz richtig!) Der Maßstab für diese Gerechtigkeit fällt natürlich nicht vom Himmel, sondern er richtet sich nach unseren politischen oder weltanschaulichen Haltungen. (Abg. Steger: Oder nach der Politik!)


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Wenn einer von uns also meint und auch sagt, dass er bestimmte verfassungs­gesetz­liche Regelungen vor dem Hintergrund seiner eigenen politischen Haltung nicht für gerecht und deshalb auch nicht für richtig hält (Abg. Steger: Schon wieder wird was unterstellt!), dann ist das das Normalste auf der Welt. Das ist weder absurd noch ist es skandalös, es sollte vielmehr eine nicht weiter erwähnenswerte Selbstverständlichkeit sein. (Abg. Belakowitsch: Ja!)

Ich würde mir ja in vielen Belangen wünschen, dass wir den geltenden Gesetzen mit einer aus nachvollziehbarer Haltung gewonnenen Skepsis gegenüberstünden. (Abg. Steger: Das passiert ja auch!) Und genau das ist es, horribile dictu, was der junge Journalist Karl Marx 1842 ausgerufen hat: „Die rechtliche Natur der Dinge kann sich [...] nicht nach dem Gesetz, sondern das Gesetz muss sich nach der rechtlichen Natur der Dinge richten.“

Herr Kickl scheint also Montesquieu und Marx auf seiner Seite zu haben. Und die Herren Blümel, Strache und Gudenus und etliche mehr haben vordergründig nicht anders argumentiert als der humanistische Montesquieu und der damals jung eifernde Karl Marx.

Die Sache steht aber nur ganz oberflächlich, sozusagen auf den ersten Blick, zuguns­ten unseres Innenministers, denn die Republik steht nicht im Orbit einer irreal humanis­tischen Weltweisheit, sondern in einer tatsächlichen Welt. (Abg. Rosenkranz: Ach so! – Ruf bei der FPÖ: War doch klar, oder?) Und zu dieser tatsächlichen Welt gehört zunächst, dass die Europäische Menschenrechtskonvention nicht, wie das Kollege Gudenus in bekannt geschmackvoller Weise zum Besten gegeben hat, von Gott gegeben wurde, nein, sondern sie wurde dem leidvollen Erfahrungsschatz der Nazi­herr­schaft enthoben.

Mit aller Deutlichkeit uns Parlamentariern hier zur Erinnerung: Die Europäische Men­schenrechtskonvention ist nicht einfach nur ein Gesetz – das ist sie natürlich auch, und zwar ein Verfassungsgesetz dieser Republik, und ein völkerrechtlich verbindlicher Ver­trag überdies –, sondern sie ist geronnene Politik aus der Erfahrung der Vergangen­heit. Sie ist geschlossen worden, um in Europa ein Zurückschlittern ins Autoritäre, ins Tyrannische zu verhindern.

Mein Kollege Alexander Somek hat das auf den Punkt gebracht, wenn er von der Europäischen Menschenrechtskonvention sagt: „Die Grundidee ist, Menschenrechts­verstöße als Anzeichen für das Auftreten von ,tyrannischen Mehrheiten‘ zu deuten.“ Er fügte überdies hinzu: „Die populistisch aufgehetzte Herrschaft der Mehrheit entledigt sich schnell der Fessel der demokratischen Kontrolle und zementiert sich ein.“ – Das ist unser Problem mit dem Herrn Innenminister. (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

Wenn Herr Kickl, der Innenminister dieser Republik, den unbedingten Vorrang der Politik vor dem Recht postuliert, dann ist das in doppelter Weise demagogisch, und es ist auch falsch, denn die Europäische Menschenrechtskonvention ist ja gerade der entschlossene und in völkerrechtlich verbindliche Vertragsform gegossene Ausdruck einer immanent politischen Haltung.

Wenn Herr Kickl sich gegen die Europäische Menschenrechtskonvention wendet und dies seinem Publikum als Scharmützel zwischen seiner freiheitlichen Politik und den ach so rückständigen Gesetzen verkaufen will, dann betreibt er ein falsches Spiel. Er sieht bewusst davon ab, dass ebendieses Gesetz, nämlich die Europäische Menschen­rechtskonvention, Ausdruck einer ganz bestimmten und auch einer ganz unzwei­deuti­gen politischen Haltung ist, und tatsächlich will er deshalb nicht seine richtige und vorgeblich allein zeitgemäße Politik gegen ein falsches und als ältlich denunziertes Gesetz zum Einsatz bringen, sondern er will die von der Europäischen Menschen­rechts­­konvention zum Ausdruck gebrachte und festgeschriebene politische Haltung durch


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sein omnipotent sich wähnendes Regierungspouvoir ablösen. (Abg. Belakowitsch: Aber die Nachkriegsordnung ist schon irgendwie ...!)

Nicht die notwendige Politik gegen das veraltete Recht stellt Herr Kickl also zur De­batte, sondern seine freiheitliche Tagespolitik gegen die konsensuale europäische Nachkriegspolitik, die er ein für alle Mal beseitigt wissen will. Herr Kickl will über Bord werfen, was das europäische Nachkriegsschiff erst demokratietauglich gemacht hat. – Das ist unser Problem mit diesem Innenminister. (Zwischenrufe der Abgeordneten Steger und Höbart. – Beifall bei JETZT und SPÖ.)

Nun ließ uns der Herr Innenminister wissen – nachträglich wissen –, er habe das ja alles gar nicht so gemeint, und die Stimmen von Vertretern der Regierungsfraktion hier aus dem Off bekunden ja dasselbe: alles ein Missverständnis, ist ja nicht so. Die nachträglich auf kleiner Flamme zubereitete Richtigstellung von Herrn Kickl hat aber die Sache nicht besser gemacht. (Abg. Steger: Das war keine Richtigstellung, das war eine Klarstellung!)

In der „Report“-Sendung am Dienstag sagte Herr Kickl unmittelbar vor seinem unter­irdischen Sager übers Recht, das seiner Politik folgen sollte, und nachdem Frau Schnabl die EMRK und die EU-Grundrechtscharta erwähnte – und jetzt zitiere ich, was Sie alle anscheinend vergessen haben –: „Ich möchte mich anlegen mit diesen Rege­lungen.“ – Das hat unser Innenminister als Minister dieser Republik gesagt. Und dann hat er die Chuzpe zu schreiben: Ich habe die Europäische Menschenrechtskonvention nie infrage gestellt! – Tja, da liegt einige Entfernung zwischen dem, was er gesagt hat, und der Wahrheit. In seinem Alter hat mich mein Kurzzeitgedächtnis noch nicht so sehr verlassen gehabt.

Wie auch immer, es ist in den Kommentaren zum sogleich international berühmt ge­wor­denen Einzelfall Kickl bemerkt worden, dass die Europäische Menschen­rechts­konvention just für Politiker vom Schlage eines Herrn Kickl geschaffen wurde. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass gerade er sich gegen sie wendet, sich mit ihr – wie er selbst sagt – anlegen will, und hier sehen wir den zweiten Aspekt seines durch und durch demagogischen Fütterungsversuchs fürs präsumtive Wahlvolk.

Die Europäische Menschenrechtskonvention ist Ausdruck einer unverzichtbaren Liberalität, einer offenen Gesellschaft. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Gudenus.) Sie ist die quasi in Stein gemeißelte Egalität, die nicht zu hinterge­hende Gleichheit aller Menschen, und sie ist die nur um den Preis des Bürgerkriegs aufzugebende Legalität politischer Machtausübung, das Gebot unbedingter Gesetz­lichkeit für jegliches Verwaltungshandeln.

Wer sich so wie unser Innenminister damit anlegen will – und Sie wissen in diesem Haus sehr gut, was es heißt, wenn einer sich mit jemandem anlegen will, so wie das unser Innenminister unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat –, der kann aber doch nicht, wenn er noch bei Sinnen ist, die rechtsförmige Abänderung des inner­staatlichen Verfassungsrechts und des völkerrechtlich verbindlichen Vertragswerkes im Auge haben. Da weiß selbst Herr Kickl, dass er damit nichts zu gewinnen hat.

Er will etwas ganz anderes. (Abg. Rosenkranz: Ah! – Zwischenrufe des Abg. Herbert sowie bei der ÖVP.) Er will in der Öffentlichkeit eine Verschiebung im Gefüge der Gewalten. Er will die parteipolitisch interessierte Deutungshoheit über die Regeln unseres Zusammenlebens mit seiner Maxime vom unbedingten Vorrang der Politik vor dem Recht - - (Abg. Gudenus: Da stehen einem die Haare zu Berge!) – Herr Gudenus, ich steige schon noch runter auf Ihr Niveau, ich bin groß genug, dass ich auch dann übers Pult schaue, keine Sorge. (Beifall bei JETZT und SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Gudenus.)


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Mit seiner Maxime vom unbedingten Vorrang der Politik vor dem Recht will Herr Kickl das gesunde Volksempfinden erwecken, nicht nur, indem er verschweigt, dass das Recht der Politik doch auch Grenzen zu ziehen hat und sie auch zieht, sondern vor allem auch dadurch, dass er verschweigt, was der EGMR längst schon entschieden hat, zum Beispiel dass die Bewegungsfreiheit von Ausländern aus Gründen der Sicherheit durchaus eingeschränkt werden darf – eine Entscheidung des EGMR –, zum Beispiel dass er auch entschieden hat, dass kurzfristige Anhaltungen von Aus­ländern durchaus EMRK-konform sind, zum Beispiel dass auch die Verhängung von Ausgangssperren erlaubt ist, und so weiter und so fort. (Abg. Rosenkranz: Also, beim Waldhäusl hat das ganz anders geklungen bei Ihnen! – Abg. Höbart: Soldaten müssen sich auch an Hausordnungen halten!)

Das, was Kickl unterschlägt und bei der Aufklärung seines Publikums unterlässt, ist, dass er die EGMR-Judikatur als im Fluss befindlich, als entwicklungsfähig und als durchaus dynamisch kommentiert. Die Fort- und Weiterentwicklung der EMRK findet statt, aber sie findet nicht durchs Einschlagen eines parteipolitischen Hammers statt.

Selbst wenn er Erfolg damit hätte, die Europäische Menschenrechtskonvention ihres innerstaatlichen Verfassungscharakters zu entkleiden – und offensichtlich schwebt ihm ja so etwas vor –, dann wäre da immer noch die EU-Grundrechtscharta, die ja fast wortwörtlich von der EMRK abgeschrieben ist. Und wenn er bei seinem Versuch, sich mit der EMRK anzulegen – seine Worte, nicht meine –, Erfolg hätte, dann würde ihm spätestens aus Luxemburg klargemacht, was Menschenrechte sind.

In Wirklichkeit geht es dem Herrn Innenminister nicht um eine Rechtsänderung. Es geht ihm um Klimaänderung in diesem Land. Herr Kickl schaut, wie weit er es treiben kann. Er betreibt symbolic use of politics; nicht angekränkelt von leidenschaftlicher Hingabe zu konstruktiven Lösungen, sondern angetrieben einzig und allein von einer unbändigen Lust an der Zuspitzung und angetrieben auch von einer offenkundig habi­tuell gewordenen Vereinfachungssehnsucht. – Das ist das Kennzeichen unseres Innenministers.

Ich erspare Ihnen die langweiligen und nur an der Peripherie der Debatte liegenden verfassungsrechtlichen Argumente. Das ist etwas für die Dissertanten kommender Jahre. Mit der Forderung nach Einhaltung juristischer Formalitäten kommen wir auch nicht weit, denn es ist ein politisches Problem, das wir mit dem Innenminister haben.

Ich persönlich halte es wirklich für eine Ungeheuerlichkeit und eine nicht zu tolerie­rende Unverfrorenheit, dass ein auf die Verteidigung unserer Verfassung vereidigter Minister zum Kampf gegen ebendiese Verfassung aufruft. Gäbe es so etwas wie einen Knigge für regierungspolitischen Anstand, dann wäre ein derartiges Verhalten wohl ganz vorne auf der Not-to-do-Liste. Ein Minister, der öffentlich auf diese Art fordert, die Verfassung der Republik zu ändern, also in Aussicht stellt, dass er sich mit unserer Verfassung anlegen werde, ist tatsächlich ein Sicherheitsrisiko für jede Republik, und vor dem Hintergrund der Geschichte unseres Landes für die österreichische allemal ein bisschen mehr als für andere Staaten.

Das macht den Mann für mich untragbar. Und unser Herr Bundeskanzler findet es auch nicht so arg toll, auch wenn ihm aus politischer Opportunität gegenüber dem Koalitionspartner notgedrungen der Mumm und die Entschlossenheit fehlen müssen, diesen Mann wieder von seinem Amt zu befreien. (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

Offenkundig haben wir verschiedene Vorstellungen. Ein Minister dieser Republik sollte unsere Verfassung loben, und er sollte sie preisen. (Abg. Stefan: Unkritisch!) Er sollte sie vertreten, er sollte dafür werben. Er sollte seine gesamte Autorität, so er eine hat, in den Dienst der Verteidigung und Bewahrung unserer Verfassung legen. Das ist schwer genug in unserem Land, in dem über die Jahrzehnte unsere Verfassung durch tages-


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politisch motivierte Änderungsgelüste entwürdigt und auch zur Ruine entwertet wurde. (Abg. Stefan: Nicht nur Gelüste!) Umso mehr müsste man sich anstrengen.

Ein Minister dieser Republik sollte es als seine höchste Tugend betrachten – wenn er denn darüber verfügt –, ein Diener der Gesetzlichkeit und auch der Verfassungstreue zu sein. Was aber macht Herr Kickl? – Er erweckt unentwegt den Eindruck, dass ihm die Verfassung eine allzu lästige Bürde bei der Verwirklichung seiner Minderheits­meinung ist – ein schönes Vorbild für unsere Beamtenschaft! Und in der Tat gibt die bisherige Amtsführung von Herrn Kickl keinen Grund, ihn als Minister zu loben. Sie erweckt nicht gerade das Vertrauen in mir, dass sein Grundsatz Politik vor Recht irgendetwas in diesem Land besser machen würde.

Erinnern Sie sich noch, wie Herr Kickl ganz schnell einen Generalsekretär an den Bestimmungen des Ausschreibungsgesetzes vorbei bestellt hat, und erinnern Sie sich noch, wie Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, ihm zur Seite gestanden sind und rückwirkend das Ausschreibungsgesetz ändern mussten, um sein Verhalten zu salvieren? – Ein klarer Gesetzesverstoß!

Erinnern Sie sich noch, meine Damen und Herren, wie Herr Kickl den Chef des BVT suspendiert hat, obwohl ihm ein jeder juristische Tafelklassler hätte flüstern können, dass das rechtswidrig ist? – Entsprechend ist das dann auch ausgegangen. (Abg. Rosenkranz: Unfassbar! Das war nicht er, das war eine Kommission! Man sollte Ihnen die Lehrbefugnis entziehen!)

Erinnern Sie sich noch daran, dass sein Haus, das Haus von Herrn Bundesminister Kickl, der Staatsanwaltschaft die Dringlichkeit einer Hausdurchsuchung suggerierte, die dann in weiten Teilen als rechtswidrig erkannt wurde?

Erinnern Sie sich noch daran, wie aus seinem Haus, natürlich ohne dass er je die Verantwortung dafür übernommen hätte, den Landespolizeidirektionen nahegelegt wurde, missliebigen Zeitungen nur die allernotwendigste Information zu geben? (Abg. Steger: Mehr Informationen an Zeitungen stand in der E-Mail!)

Die FPÖ hat in Ihrem Wahlprogramm mehr oder weniger die Abschaffung der EMRK und deren Ersatz durch eine österreichische Menschenrechtskonvention gefordert. Ins Regierungsprogramm ist das nicht gekommen, aber dieses Ziel, nämlich die Be­seitigung der EMRK, hat unser Herr Innenminister wohl immer noch nicht aufgegeben. Herr Kickl möchte sich von den Fesseln unserer Verfassung befreien, und wenn er jetzt das Regierungsprogramm realisiert und verfolgt, dann macht er das offenkundig mit einer gewissen Mentalreservation, und nur in Zeiten des Stresses gerät dann nach außen, was er eigentlich denkt.

Wir haben deshalb einen Entschließungsantrag an den Herrn Bundeskanzler einge­bracht, und wir fordern den Herrn Bundeskanzler auf, klarzustellen, dass für Minister, die an der EMRK zweifeln, kein Platz ist. (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

Herr Kickl, treten Sie ab! Herr Bundeskanzler, helfen Sie ihm dabei! (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

15.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich begrüße die Mitglieder der Bundesregierung, an der Spitze den Bundeskanzler und den Vizekanzler.

Ich erteile dem Bundeskanzler zur Abgabe seiner Stellungnahme das Wort. – Bitte, Herr Bundeskanzler. (Abgeordnete der SPÖ halten Tafeln in die Höhe, auf denen ein Stoppschild mit der Aufschrift „Stopp Kickl!“ abgebildet ist. – Oje-Rufe bei ÖVP und FPÖ.)



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15.22.34

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Regie­rungskollegen! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vor allem aber ge­schätzte - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich bitte, die Tafeln runterzunehmen. Danke, wir haben es gesehen. Sie sind gefilmt worden, so wie gestern. (Die Tafeln werden zöger­lich runtergenommen, einzelne vor den Bankreihen abgestellt.) Ich darf Sie bitten, das Taferl runterzugeben.

Der Bundeskanzler ist am Wort. (Abg. Schieder: Wo ist eigentlich der Herr Innen­minis­ter?)


Bundeskanzler Sebastian Kurz (fortsetzend): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzte Regierungskollegen! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Werte Gäste auf der Galerie! Zunächst einmal vielen Dank für die Möglichkeit, hier vielleicht das eine oder andere klarzustellen. Ich habe in den letzten Tagen erlebt, dass mich immer wieder Menschen auf die aktuelle Diskussion angesprochen haben. Das Inter­essante für mich war, dass viele derer, die mich angesprochen haben, gesagt haben: Da gibt es irgendetwas, das wird gerade diskutiert, da gibt es eine Aufregung, aber worum geht es denn da eigentlich genau? (Abg. Schieder: Das war Wöginger!) Das heißt, wir haben sehr viele Interpretationen, sehr viel Diskurs erlebt, auch sehr viel an Emotionalität, und wir haben teilweise erleben müssen, dass viele Menschen in der Bevölkerung gar nicht wirklich nachvollziehen können haben, worüber diskutiert wird.

Ich glaube, dass die Diskussion aber eine nicht unwesentliche ist, und ich glaube, dass es auch wichtig ist, ein paar Dinge klarzustellen. Ich verweise nicht nur auf die Äußerungen des Innenministers und auch seine eigene Erklärung, was er gemeint hat und wie er das interpretiert haben möchte, sondern ich nutze auch die Möglichkeit, heute hier vor Ihnen mein Verständnis darzulegen, das hoffentlich dem aller im Hohen Haus entspricht, denn wir alle sollten in dieser Frage eigentlich denselben Blick auf die Dinge haben.

Österreich ist meiner Meinung nach eine sehr lebendige und gleichzeitig starke Demo­kratie, und das ist gut so. (Abg. Schieder: Noch! – Abg. Rosenkranz – in Richtung Abg. Schieder –: Wieso? Haben Sie da etwas anderes vor?) Das Fundament für dieses starke demokratische Zusammenspiel sind ein funktionierender Rechtsstaat und eine ordentliche Gewaltenteilung. Sie im Parlament entscheiden als Abgeordnete über die Gesetze des Landes; Gesetze, die natürlich geändert werden können und auch stets geändert werden, und Gesetze, an die sich jeder zu halten hat, Sie als Abgeordnete, wir als Regierung und jeder einzelne Bürger dieses Landes und auch all jene, die keine Staatsbürger sind, sondern als Bürger anderer Staaten in unserem Land leben. (Ruf bei der SPÖ: Obergrenze?)

Als Regierung sind wir dafür verantwortlich, die Gesetze zu vollziehen. Das ist selbst­verständlich und wird auch von niemandem in Frage gestellt. Darauf können Sie vertrauen. Wir sind als Bundesregierung nicht nur auf die Verfassung angelobt, son­dern wir sind auch, wenn Sie so wollen, auf die Europäische Menschenrechtskon­ven­tion angelobt, da die Europäische Menschenrechtskonvention in Österreich so wie in kaum einem anderen Land der Welt Verfassungsrang hat. Wem das nicht reicht, der soll einen Blick ins Regierungsprogramm wagen. Das Regierungsprogramm spricht eine eindeutige Sprache, was unsere Verfassung, was Rechtsstaat und Demokratie betrifft, was Europarecht betrifft und natürlich auch, was die Europäische Menschen­rechtskonvention betrifft. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 129

Jeder Minister, jede Ministerin, der/die Teil meiner Regierung ist, hat nicht nur die Verfassung zu achten, sondern selbstverständlich auch das Regierungsprogramm zu respektieren, das in dieser Frage eine sehr, sehr eindeutige Sprache spricht.

Darüber hinaus können natürlich auch auf europäischer Ebene Rechtsnormen geän­dert werden. Das wurde vorhin ja sogar im Eingangsstatement festgehalten, von dem ich zwar nicht alles teile, aber doch einzelne Punkte. Und da ist es jetzt, glaube ich, sinnvoll, ein Stück weit in die Tiefe zu gehen.

Wir haben die Situation, dass die Außerlandesbringung von straffällig gewordenen Asylwerbern teilweise eine gewisse Herausforderung darstellt, weil die Regelungen, wer außer Landes gebracht werden darf, unserer Meinung nach sehr eng sind. Wir setzen uns daher auf europäischer Ebene genau dafür ein, dass es bei der Außerlandesbringung von straffällig gewordenen Asylwerbern einen größeren Spielraum gibt, weil wir der Überzeugung sind, dass das ein wichtiger und notwendiger Schritt ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich bin immer ein Freund von Debatten und Diskussionen über konkrete Maßnahmen, konkrete Gesetze, ein konkretes Tun, aber auch das Wort, das gesprochene Wort, hat eine starke Relevanz. Insofern ist es durchaus legitim, Diskussionen über Gesagtes zu führen. Es ist durchaus legitim, darüber zu diskutieren, wie etwas interpretiert werden kann oder interpretiert werden könnte. Es ist durchaus legitim, dass Sie von der Opposition Kritik üben, genauso wie es legitim ist, dass der Innenminister klarstellt, was er sagen wollte und wie er es gemeint hat. Ich bitte Sie alle nur, wenn wir es wirklich ernst mit unserer Demokratie meinen, wenn wir es ernst mit dem Rechtsstaat und vor allem mit dem Zusammenspiel zwischen Regierung und Opposition, mit dem positiven Umgang miteinander in der Politik meinen, dass wir diese Diskussionen stets möglichst sachlich führen. Das gilt für die Regierung genauso wie für die Abgeord­neten, und darauf freue ich mich. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.28


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pilz. Herr Abgeordneter, Sie wissen, ab nun darf kein Redner länger als 10 Minuten sprechen. – Bitte sehr. (Abg. Pilz – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ja, Herr Präsident, ich weiß!)


15.28.59

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Willkommen, Herr Bundeskanzler! Beginnen wir bei der Menschenrechtskonvention: Ich begrüße es, aber ich halte es auch für eine Selbstverständlichkeit, dass Sie gesagt haben: Die Menschenrechtskonvention ist – und ich glaube, ich habe Sie richtig verstanden – nicht nur ein Teil unserer Bundes­verfassung, sondern einer der wenigen Grundpfeiler unserer Bundesverfassung.

Ich möchte noch eine nicht unwesentliche Kleinigkeit hinzufügen: Die Europäische Menschenrechtskonvention entspricht Punkt für Punkt der europäischen Grundrechtecharta, und auf dieser europäischen Grundrechtecharta ist unser friedliches Nachkriegseuropa aufgebaut. Diese europäische Grundrechtecharta ist die Basis von all dem, was wir als gemeinsame europäische Errungenschaften betrachten. Wer diese europäische Grundrechtecharta negiert, plädiert für den Öxit, nicht nur aus der Europäischen Union, sondern auch aus der Wertegemeinschaft Europas. – Das ist einmal der erste wichtige Punkt.

Der zweite ist: Herr Bundeskanzler, Sie haben erklärt, alle Mitglieder der Bundesregie­rung haben die Verfassung zu achten. – Jetzt stelle ich Ihnen nur eine Frage: Was passiert, wenn ein Mitglied der Bundesregierung die Verfassung nicht achtet? Was passiert dann? Was passiert, wenn ein Mitglied der Bundesregierung dezidiert sagt: Ich denke nicht daran, die Verfassung zu achten!? (Abg. Steger: Wer hat das gesagt?) –


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 130

Bitte mir die beiden Plakate von meinem Sitzplatz zu bringen! (Ruf bei der FPÖ: Haben wir in der Aufregung was vergessen? – Ein parlamentarischer Mitarbeiter überreicht dem Redner zwei Tafeln.)

Sie stellen mir jetzt eine gute Frage, und die möchte ich Ihnen mit zwei Tableaus be­antworten. (Ruf bei der ÖVP: Wieso bringt die denn nicht ...?) Diese beiden Tableaus zeige ich Ihnen gleich (zwei Tafeln, auf denen Screenshots zu sehen sind, nacheinander in die Höhe haltend): Kennen Sie das noch? – Heinz-Christian Strache, FPÖ-Bundesparteiobmann:  „100 FPÖ-Forderungen zur Beseitigung der Fairness-Krise“, präsentiert vom jetzigen Verkehrsminister Hofer am 13. September 2017, kurz vor der Nationalratswahl. (Abg. Belakowitsch: Das war gut, ja!) Da gibt es im Namen des Bundesparteiobmanns und jetzigen Vizekanzlers eine Garantie: „Österreicher ver­dienen Fairness“, und darunter: „Evaluierung der Europäischen Menschenrechts­konven­tion und gegebenenfalls Ersatz durch eine ,Österreichische Menschenrechts­konvention, die auch das Heimatrecht der Österreicher schützt“. (Abg. Rosenkranz: Bravo!)

So, das war kein Ausrutscher, meine Damen und Herren und Herr Bundeskanzler, das ist das Wahlprogramm der Freiheitlichen Partei! (Beifall bei JETZT und SPÖ.) Und erzählen Sie mir nicht, Herr Bundeskanzler, dass Sie das Wahlprogramm der Frei­heitlichen Partei und die Versprechen nicht des Innenministers, sondern des Partei­obmanns und jetzigen Vizekanzlers nicht gekannt haben!

Sagen wir aber einmal, Sie haben es nicht gekannt, Sie haben den Wahlkampf verschlafen, Sie haben nicht aufgepasst und erfahren es erst jetzt. (Ruf bei der SPÖ – auf den mit seinem Handy hantierenden Bundeskanzler Kurz weisend –: Am Handy?) Dann wissen Sie zumindest ab jetzt: Das war kein Kickl-Ausrutscher, das ist ein frei­heitlicher Plan und ein freiheitliches Versprechen.

Was beinhaltet dieses Versprechen? – Schritt eins: Wir ersetzen die Europäische Menschenrechtskonvention durch eine österreichische Menschenrechtskonvention, also die EMRK durch eine ÖMRK. Was aber ist die ÖMRK? – So wie wir die Freiheitliche Partei kennen alles andere, nur keine Menschenrechtskonvention. Also wird das wohl eine österreichische freiheitliche Konvention sein.

Reden wir darüber, was das in der Praxis heißt! – Herr Bundeskanzler, was tun Sie nicht mit einem Innenminister, sondern mit einem Vizekanzler, der gemeinsam mit seiner ganzen Partei in Form eines politischen Versprechens öffentlich verbindlich angekündigt hat, sich gegen die Europäische Menschenrechtskonvention zu stellen und an ihrer Abschaffung zu arbeiten? Gehen Sie jetzt wieder zur Tagesordnung über?

Jetzt reden wir doch einmal offen über ein politisches Problem! Was passiert in dieser Bundesregierung und was passiert mit Ihnen? – Sie haben geglaubt, wenn Sie freiheitliche Politik machen, nicht nur im Fremden-, Asyl- und Integrationsbereich, dann nehmen Sie den Freiheitlichen den Wind aus den Segeln und dann geht’s, dann domestizieren Sie die Freiheitliche Partei. Die Antwort der FPÖ ist doch vollkommen eindeutig: Wenn die ÖVP im Nachzockeln hinter der Freiheitlichen Partei eine Grenze überschreitet und freiheitliches Terrain besetzt, dann überschreitet eben die Frei­heitliche Partei die nächste Grenze. – Und genau das passiert jetzt, genau jetzt wird die nächste Grenze überschritten! (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

Genau jetzt wird erklärt: Ah, jetzt gehen wir gegen die Europäische Menschen­rechts­konvention, gegen die Grundsätze der Europäischen Union, und jetzt schauen wir, ob die ÖVP nachkommt; wenn nicht, haben wir das Krawallmonopol, wenn ja, dann haben wir die ÖVP wieder dort – und es gibt ja noch ein paar Grenzen, die wir überschreiten können!


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Dieser Verfassungsvandalismus der Freiheitlichen Partei ist ein großes Problem, aber das wirkliche Problem ist, dass nach einer freiheitlichen Grenzüberschreitung im Nach­ziehverfahren die Österreichische Volkspartei hintennachtorkelt – verlässlich hinten­nachtorkelt! (Beifall bei JETZT und SPÖ.) Deswegen sehen Sie auch zu, wie ein In­nen­minister Woche für Woche erklärt, er denkt nicht daran, sich an die Gesetze zu halten.

Da geht ein freiheitlicher Offizier ins Abwehramt und sagt: Ich möchte im Abwehramt aufgenommen werden!, macht einen Eignungstest und fällt mit Bomben und Granaten durch, wahrscheinlich, weil er über die durchschnittlichen Qualifikationen eines Freiheitlichen verfügt. (Heftiger Widerspruch bei der FPÖ.) Damit er aber im BVT, im Verfassungsschutz - -


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (das Glockenzeichen gebend): Herr Abgeord­neter, das ist eine Herabwürdigung. Nehmen Sie das zurück! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Ich weiß nicht, wie ich das durchschnitt­liche Bildungsniveau freiheitlicher Funktionäre vom Rednerpult aus heben kann. Herr Präsident, das ist mir nicht möglich! (Beifall bei JETZT und SPÖ. – Widerspruch bei der FPÖ.) Ich weiß auch nicht, wie ich die Verfassungstreue von Freiheitlichen und Angehörigen der Österreichischen Volkspartei vom Rednerpult aus wiederherstellen kann. Herr Präsident, das muss der Bundekanzler machen und nicht ich! Die Her­stellung von Verfassungstreue und die Herstellung von so etwas wie politischer Anständigkeit (Beifall bei JETZT und SPÖ) und Treue zu den Grundsätzen dieser Republik und der Europäischen Union kann nicht ich vom Rednerpult aus vornehmen, das ist Aufgabe des Bundeskanzlers. Wenn er es nicht schafft, dann muss es poli­tische Konsequenzen geben.

Jetzt geht es aber um politische Konsequenzen für den Innenminister. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Es vergeht kaum ein Tag, an dem der Innenminister nicht Gesetze dieser Republik bricht, und es gibt keinen Grund mehr, darauf zu vertrauen, dass sich der Innenminister in Zukunft an die Gesetze dieser Republik halten wird. Deshalb bringe ich den selbstverständlichsten Antrag dieses Hauses am heutigen Tage ein; das ist ein Antrag der gesamten Opposition: der Abgeordneten der SPÖ, der Abgeordneten der NEOS und auch der Abgeordneten meiner Liste. (Abg. Wöginger: Sind das Leibeigene?) Dieser Antrag ist ganz, ganz kurz; ich lese ihn vor:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Versagen des Vertrauens gegen­über dem Bundesminister für Inneres“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Inneres wird im Sinne des Art. 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

Ich sage Ihnen auch, warum das so wichtig ist: Innenminister Kickl ist derzeit eine der größten Gefahren für die öffentliche Sicherheit. (Abg. Steger: Und Sie für Frauen!) Innenminister Kickl ist eine der größten Gefahren für die internationale Zusammen­arbeit des Verfassungsschutzes. Innenminister Kickl ist heute vielleicht die größte Gefahr für die österreichische Bundesverfassung und die Gesetzes- und Verfassungs-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 132

treue der Angehörigen der Regierung Sebastian Kurz. Innenminister Kickl ist für ein Haus, das für die Gesetze und die österreichische Bundesverfassung eine ganz beson­dere Verantwortung trägt, nicht mehr tragbar. Es gibt keine Alternative zum Rücktritt des Innenministers.

Darüber hinaus aber, Herr Bundeskanzler, haben Sie eine Frage zu klären: Auch wenn Innenminister Kickl zurücktritt – und früher oder später wird er zurücktreten müssen; es geht nicht mit ihm –, werden Sie sehen, dass die Schäden nicht nur die Republik Österreich, sondern immer mehr auch die Österreichische Volkspartei betreffen wer­den. (Abg. Rosenkranz: Was ist da das Höhere, die Republik oder die ÖVP?)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!


Abgeordneter Dr. Peter Pilz (fortsetzend): Sie werden sehen, dass es unser gemein­sames Interesse ist, dass dieser Innenminister zurücktritt und dass Sie das Vertrauen in die Verfassung und in die Grundsätze der Europäischen Union als Bundeskanzler wiederherstellen. Ich hoffe, Sie sind dazu noch in der Lage. (Beifall bei JETZT und SPÖ.)

15.39

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Dr. Peter Pilz Kolleginnen und Kollegen

betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres

eingebracht im Zuge der Debatte über den dringlichen Antrag betreffend „Vertrauen des Nationalrates in die Bundesregierung“ in der 60. Sitzung des Nationalrates, XXVI. GP, am 30.1.2019

Begründung

Der Bundesminister für Inneres spricht gerne und viel über Grenzen. Etwa darüber, wer diese überschreiten darf und wer nicht. Oder welche Sanktionen greifen, wenn Grenzen missachtet werden.

Am Dienstag, dem 27. Jänner 2019, überschritt und missachtete der Bundesminister für Inneres selbst eine fundamentale Grenze, indem er in der ORF-Sendung „Report“ folgende Aussagen tätigte:

„Das Recht hat der Politik zu folgen und nicht die Politik dem Recht.“ Die Europäische Menschenrechtskonvention und somit ein Teil der Verfassung der Republik sei ein „seltsames rechtliches Konstrukt aus den 1950ern“.

In der offensichtlichen Ablehnung des Grundsatzes der Bindung allen staatlichen Han­delns an die Verfassung und die Gesetze verließ der Bundesminister jenen Rahmen, den ihm die Österreichische Bundesverfassung, auf die er am 18. Dezember 2017 vor dem Bundespräsidenten seinen Ministereid abgelegt hat, gibt.

Gleichzeitig hat der Innenminister durch seine Amtsführung bewiesen, dass er sich nicht an geltende Gesetze gebunden fühlt. So hat das OLG Wien am 22. August 2018 entschieden, dass der Großteil der BVT-Hausdurchsuchungen, die unter der Führung von Beamten des BMI durchgeführt wurden, gesetzwidrig war.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 133

Wenn ein Bundesminister für Inneres österreichische Gesetze ignoriert, europäische und österreichische Grundrechte in Frage stellt und zugleich feststellt, „dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“, wenn er in Anspielung auf die – in Österreich im Verfassungsrang stehende – EMRK von „seltsamen rechtlichen Konstruktionen“ spricht und wenn er rechtsstaatlich ergangene Urteile als „weltfremd“ kritisiert, dann stellt er sich bewusst außerhalb des Rahmens, den Rechtstaat und Ver­fassung dem Handeln der Bundesregierung setzen.

Diese Haltung ist mit dem Amt eines Bundesministers der Republik Österreich unver­einbar. Ein Bundesminister ohne Respekt gegenüber der Bundesverfassung ist untrag­bar.

Es ist Aufgabe des Nationalrats, unmissverständlich klarzustellen:

• Die Politik hat den Grundsätzen und Bestimmungen der Verfassung zu folgen und nicht die Verfassung der Politik.

• Das Handeln von Mitgliedern der Bundesregierung hat auch nach der letzten Natio­nalratswahl ausschließlich auf der Grundlage von Art. 18 B-VG zu erfolgen.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Dem Bundesminister für Inneres wird im Sinne des Art. 74 Abs. 1 B-VG durch aus­drückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Ich darf die Schüler der Höheren landwirtschaftlichen Bundeslehranstalt in Wieselburg herzlich zu einer spannenden Debatte hier im Hohen Haus begrüßen! (Allgemeiner Beifall.)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gerstl. – Bitte.


15.40.02

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vize­kanzler! Frau Bundesminister! Frau Staatssekretärin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Schieder: Wo ist eigentlich der Innenminister? – Abg. Rosenkranz: Der arbeitet!) – Ja, ihr habt diesen Dringlichen Antrag an den Bundeskanzler gestellt.

In der Einleitung, glaube ich, sind wir alle einer Meinung: Die Menschenrechte sind unverrückbar und bilden das Fundament unserer christlich-humanitären europäischen Rechtsordnung. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Daher sind diese Menschenrechte auch die Basis unserer Verfassung, und sie sind nicht nur Basis, sondern sie sind Teil unse­rer Verfassung. Und weil sie Teil unserer Verfassung sind, sind diese Menschenrechte auch Basis unseres Regierungsprogramms von ÖVP und FPÖ. Das findet seinen Ausdruck ganz detailliert im Regierungsprogramm selbst, meine Damen und Herren, Sie finden das auf den verschiedensten Seiten: auf Seite 21, 24, 43 und 46 – überall wird darauf Bezug genommen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 134

Herr Kollege Pilz, nur so viel zu Ihnen: Messen Sie uns an unserer Arbeit, unserem Regierungsprogramm (Zwischenruf des Abg. Noll), messen Sie uns daran! Da haben Sie noch keinen einzigen Punkt gefunden, gegen den Sie sein könnten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Meine Damen und Herren vor den Bildschirmen und hier auf der Galerie! Hat die Opposition schon jemals das Regierungsprogramm in Zweifel gezogen? (Heiterkeit und Zwischenrufe bei SPÖ, NEOS und JETZT. – Abg. Noll: Jedes Mal!) Hat sie es schon jemals in Zweifel gezogen, gesagt, dass es verfassungswidrig wäre? – Noch nie! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Noll.) Noch nie wurde der Verdacht geäußert, dass das Regierungsprogramm verfassungswidrig wäre (Abg. Scherak: ... Bundestrojaner! Das ist ja unglaublich!) – noch nie.

Meine Damen und Herren (neuerliche Zwischenrufe bei SPÖ, NEOS und JETZT), Sie können sich also sicher sein (Abg. Leichtfried: Sind Sie mit der Nummer noch frei? – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), dass es sich dabei um ein Vorgaukeln seriöser Oppositionspolitik handelt. Es handelt sich aber nur um ein Vorgaukeln. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Heiterkeit bei SPÖ und JETZT.) Wenn man sich den Dringlichen Antrag nämlich ansieht (Abg. Knes – in Richtung des Redners, der sich ein Glas Wasser eingeschenkt hat –: ... ein bissl mehr Wasser trinken!), dann zeigt sich, dass Sie kein einziges Zitat des Innenministers gefunden haben, in dem er in irgendeiner Weise die Rechtswirksamkeit der Europäischen Menschenrechts­konven­tion in Zweifel ziehen würde. (Abg. Noll: Das wäre ja noch schöner! Hallo!) Hätte es das gegeben, hätten Sie es doch sicher geschrieben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da Sie es aber nicht geschrieben haben, gab es das kein einziges Mal, meine Damen und Herren! Das muss für Sie und für alle festgehalten werden (Rufe bei der SPÖ: Nicht korrekt!): kein Zweifel an der Rechtsdurchsetzung der Europäischen Menschenrechts­konvention. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Daher stellt sich die Frage: Was ist das Ziel der Opposition mit diesem Dringlichen Antrag? (Ruf bei der SPÖ: Geh bitte!) – Sie wollen ganz einfach die Arbeit der österreichischen Bundesregierung für die Österreicherinnen und Österreicher schlecht­machen. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Sie wollen sie nur schlechtmachen. Sie wollen eine Diskussion entfachen, ohne einen Inhalt zu haben (Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS), ohne einen einzigen Inhalt zu haben. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Meine Damen und Herren, das entlarvt Sie! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS.)

Ist es das politische Kleingeld oder ist es vielleicht nur deswegen, weil Sie die letzten Wahlen verloren haben, meine Damen und Herren von der SPÖ? (He-Rufe und Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Das dürfte vielleicht eher im Vordergrund stehen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Kollege Pilz hat uns vorhin eine Surada von moralischen Ansprüchen auf diesem Rednerpult hinterlassen. (Abg. Schieder: Suada, ohne R!) Können Sie sich noch erinnern (Zwischenruf des Abg. Noll), meine Damen und Herren, an diesen Zeitungs­artikel vom September des letzten Jahres (eine Kopie des Artikels in die Höhe haltend): „Wieder Eklat um Peter Pilz“, „Polizeiaktion behindert“, „‚Gaffer-Paragraph‘ wurde Politiker zum Verhängnis“. „Peter Pilz widersetzte sich [...] der Wegweisung vom Radweg.“ (Zwischenrufe bei SPÖ und JETZT.)

Womit wurde er dann zitiert? (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) – Peter Pilz sagt zum Polizeibeamten: „Ich kenne die Gesetze, denn ich mache die Gesetze.“ (Oh-Rufe und Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ.) Es geht dann noch weiter. (Abg. Rendi-Wagner: Das ist was komplett anderes!) Das Zitat ist noch nicht beendet, denn er sagt weiters: „Ich mache, was ich will“. (Oh-Rufe bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Meine Bürgerinnen und Bürger, meine Österreicherinnen und Österreicher, ich brauche das nicht zu bewerten, denn Sie können es selbst bewerten, was Sie von so einem Politiker zu halten haben. (Lebhafter Beifall und Bravorufe bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Wöginger: Mit dem legt ihr euch ins Bett!)

Nach mir wird die neue Parteiobfrau der Sozialdemokraten hier herauskommen und ihre Sichtweise darlegen. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Ich möchte ihr eines mitgeben: Ihr Parteikollege, Stadtrat Peter Hacker (Zwischenruf bei der ÖVP), hat im Ö1-„Mittagsjournal“ am 10.1.2019 um 12 Uhr gesagt (Ruf bei der SPÖ: 12.25 Uhr, glaube ich!): Wir werden „dieses Gesetz“ – gemeint war die Mindestsicherung – „in Wien sicher nicht umsetzen.“ (He-Rufe bei ÖVP und FPÖ.) Meine Damen und Herren! Was ist das? – Ein Verstoß gegen Artikel 18 der Bundesverfassung, gegen das Rechts­staatlichkeitsprinzip (Zwischenrufe bei der SPÖ), gegen das Legalitätsprinzip! (Anhal­tender Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Meine Damen und Herren! Erkennen Sie nun den Unterschied (Rufe bei der SPÖ: Ja!) zwischen Ihrer moralischen Überheblichkeit und Ihrem tatsächlichen Handeln? (Zwi­schenrufe bei der SPÖ.) – Das ist das, was die Österreicherinnen und Österreicher erkennen. (Zwischenruf des Abg. Schieder.) Es ist genug mit Ihren überheblichen Äußerungen und Ihren falschen Tatsachen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Jetzt reicht es aber!)

Nun wenden wir uns aber den Punkten zu (Abg. Leichtfried: Die Zeit wäre aus!), um die es uns geht! Ich bin da sehr, sehr dankbar und froh, dass die Opposition das auch schon erwähnt hat. Sie hat die europäische Rechtsordnung in den Vordergrund gestellt. Artikel 3 des EU-Vertrages sagt: „Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.“ – Die EU-Grundrechtecharta besagt: „Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit.“ Und: „Jeder Mensch hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit.“

Meine Damen und Herren! Es ist nur wenige Tage her, dass wir den Medien entneh­men durften, dass ein 16-jähriges Kind in Wiener Neustadt, ein Mädchen, von einem Asylwerber, der schon mehrfach wegen Körperverletzung und anderer rechtswidriger Taten angezeigt war, umgebracht worden ist. Stellen Sie sich vor, die österreichische Asylbehörde hat versucht, diesem jungen Mann wegen dieser Straftaten den Schutz­status in Österreich abzuerkennen, es ging aber nicht, weil die Richtlinie der Euro­päischen Union vorsieht, dass nur bei schweren Verbrechen abgeschoben werden darf!

Meine Damen und Herren, stellen Sie sich vor, was diese derzeitige Richtlinie be­deutet: Sie bedeutet, dass man wegen schwerer Körperverletzung, Raufhandels mit Todesfolge, sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen, Zuführung zur Prostitution, Zuhälterei und noch einiger anderer Straftaten den Schutzstatus nicht aberkannt bekommen darf. (Zwischenrufe der Abgeordneten Wurm und Gudenus.) Meine Damen und Herren, ich glaube, da sind wir mit den Österreicherinnen und Öster­reichern einer Meinung: Das bedarf einer Änderung! (Lang anhaltender Beifall und Bravorufe bei ÖVP und FPÖ.)

Daher mein letzter Appell an die Opposition: Hören Sie auf, die Bundesregierung schlechtzureden, wenden Sie sich sachlichen Debatten zu und helfen Sie mit, für Frieden, Freiheit und Sicherheit in Österreich und Europa zu kämpfen! (Anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.50


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Rendi-Wagner. – Bitte. (Abg. Höbart: Könnten Sie uns erklären, warum Ihre Fraktion nicht mitklatscht?)



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 136

15.50.51

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Bundesministerin­nen! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Es war 1964 als genau in diesem Parlament, in diesem Hohen Haus, die heute viel besprochene und diskutierte Euro­päische Menschenrechtskonvention in Österreich in Verfassungsrang gehoben wurde. Und wissen Sie wie? – Einstimmig, sehr geehrte Damen und Herren, mit den Stimmen aller Parteien, die in diesem Parlament vertreten waren, also auch mit Ihren Stimmen! (Abg. Belakowitsch: 1964, ja?!)

Ja, natürlich, Politik heißt, zu gestalten. Es ist aber etwas gänzlich anderes, über einfache Gesetze, wie wir sie heute schon auf der Tagesordnung hatten – das Konsu­mentenschutzgesetz beispielsweise – und noch auf der Tagesordnung haben, zu diskutieren und zu debattieren, abzustimmen und sie zu beschließen. Das ist unsere tägliche Aufgabe hier im Parlament, das ist politisches Gestalten. All diese Gesetze aber, sehr geehrte Damen und Herren, haben sich an etwas zu halten, und zwar an unsere Grundnormen. Sie haben sich an etwas zu orientieren, nämlich am Fundament unseres Rechtsstaates: dem Staatsgrundgesetz, der Europäischen Menschenrechts­konvention und der europäischen Grundrechtecharta.

Die Europäische Menschenrechtskonvention, die dem Innenminister offenbar ein Dorn im Auge ist, war und ist nichts weniger als die Einigung des neuen Europas nach dem Zweiten Weltkrieg. (Beifall bei SPÖ und JETZT.) Die Europäische Menschenrechts­konvention war damals die klare Absage an Gewalt, Krieg und Faschismus, und sie ist es auch heute noch. (Beifall bei SPÖ und JETZT.) Sie ist, wenn Sie so wollen, ein Nachkriegskonsens (Abg. Deimek: ... linker, kommunistischer Diktaturen! Wahrschein­lich nur Zufall!), ein Konsens darüber, wie ein Europa der Zukunft gestaltet werden soll, ein Europa des Friedens, ein Europa der Zivilisation und ein Europa der Humanität.

Die Europäische Menschenrechtskonvention hat nicht nur eine deklaratorische Wir­kung, sie ist nicht nur ein Beiwerk schöner Worte, nein, sie ist durchsetzbares Recht – Stichwort Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte. Was hören wir 70 Jahre später? – Wir hören die Worte unseres Innenministers Herbert Kickl: „Das Recht hat der Politik zu folgen und nicht die Politik dem Recht“. – So hat er es gesagt und so hat er es gemeint, sehr geehrte Damen und Herren! (Abg. Rosenkranz: Woher wissen Sie das?) – Er hat es klar und deutlich gesagt, Herr Rosenkranz, er hat es wiederholt, und wir alle haben es gehört. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.) Wir alle fragen uns: Was kommt als Nächstes?

Ein Chefredakteur einer großen Tageszeitung kommentierte das so (Zwischenruf des Abg. Gudenus): „Dieses Abschätzige im Tonfall gegenüber Recht und Gesetz, einem zivilisatorischen Bauwerk, das auf den Erfahrungen nationalsozialistischen und stalinistischen Gemetzels errichtet wurde, war das Widerwärtige am Gesagten“. (Zwischenruf des Abg. Stefan.)

Frage an die FPÖ: War es pure Taktik? – Nein, wir wissen, es war keine Taktik. Ist es passiert, war es ein Ausrutscher, ein Versehen? – Nein, es war kein Ausrutscher. Diese seine Aussagen sind das, woran der Innenminister glaubt. (Zwischenruf des Abg. Gudenus.) Diese seine Aussagen spiegeln sein Weltbild wider, sie sind Ausdruck einer zynischen Machtideologie des Innenministers. Wer mehr Spielräume über die Grundrechte hinweg beansprucht – so führende Rechtsexperten dieses Landes –, der öffnet eine Tür in Richtung Polizeistaat. (Ruf bei der ÖVP: Wissen Sie, was Sie sagen?) In einem solchen Staat werden Recht und Ordnung nicht mehr durch demokratische Institutionen bestimmt. – Das wollen wir nicht. (Beifall bei der SPÖ.)


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Da der Herr Innenminister selbst nicht den Mut und die Courage hat, heute hier zu sitzen, kann ich ihn persönlich nicht ansprechen (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ) – vielleicht ist er ja auch selbst schon zurückgetreten –, aber: Herr Minister Kickl, Sie sind auf die Verfassung vereidigt und nicht auf das FPÖ-Wahlprogramm, vielleicht sollten Sie auch daran denken! (Beifall bei der SPÖ.)

Hätte der Innenminister nur einen Funken von Anstand (Zwischenruf des Abg. Gudenus), würde er zurücktreten. Hätte er nur einen Funken von Respekt unserer Demokratie gegenüber, würde er zurücktreten. (Abg. Deimek: Mehr als Sie!) Und hätten Sie, Herr Bundeskanzler, mehr Courage und auch mehr Verantwortung unserem Rechtsstaat gegenüber (Zwischenruf des Abg. Deimek), hätten Sie vor ein paar Tagen nicht nur das Telefon zur Hand genommen, sondern wären direkt zum Bundespräsidenten dieser Republik gegangen (Zwischenruf bei der FPÖ) und hätten die Entlassung dieses Innenministers vorgeschlagen. (Beifall bei SPÖ und JETZT sowie des Abg. Scherak.)

Was den heutigen Misstrauensantrag gegen Innenminister Kickl betrifft (Abg. Steger: Also Sie würden alle Gesetze ...!), so wissen wir ganz genau, dass die Abgeordneten der FPÖ ihrem Innenminister aus parteipolitischer Räson die Mauer machen werden, ganz klar. (Abg. Rosenkranz: Aus Überzeugung! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich frage mich aber ernsthaft - - (Abg. Rosenkranz: Aus Überzeugung!) – Auch aus Überzeugung, Herr Rosenkranz, ich zweifle auch daran nicht. (Abg. Rosenkranz: Na eben!) Ich frage mich ernsthaft, sehr geehrte Abgeordnete der ÖVP: Was ist Ihre Haltung und was ist Ihre ehrliche Meinung zu den Aussagen des Innenministers? (Abg. Deimek: Ein Wort von Ihnen ...!)

Am Wiederaufbau Österreichs - - (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Wollen Sie mich reden lassen? Ich bin am Wort. (Anhaltende Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Sehr geehrte Damen und Herren (Ruf bei der ÖVP: Ihre Zeit ist eh gleich um!), am Wiederaufbau Österreichs haben Generationen mitgearbeitet, Millionen von Menschen in unserem Land. Es waren SPÖ und ÖVP, die gemeinsam die politischen Institutionen Österreichs wiederaufgebaut haben, die unseren Rechtsstaat wiederaufgebaut haben, die unser Land wieder einer modernen Demokratie zugeführt haben – ein Land mit einem starken Rechtsstaat, und zwar einem Rechtsstaat, auf den sich alle diese Menschen verlassen können und sollen – auch in Zukunft –, ein Land, in dem die Parteien und die Politik eben nicht über dem Recht und über der Verfassung stehen.

Sehr geehrte Abgeordnete der ÖVP, vergessen Sie Ihre Geschichte nicht und opfern Sie nicht Ihre Haltung! (Beifall bei SPÖ und NEOS.) Sorgen Sie als Demokratinnen und Demokraten – so wie ich Sie kenne und schätze – dafür, dass sich die Menschen auch in Zukunft auf unseren Rechtsstaat verlassen können! Stimmen Sie mit uns! – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, NEOS und JETZT. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

15.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Rosenkranz ist zu Wort gemel­det. – Bitte. (Zwischenruf bei der SPÖ.)


15.58.59

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Das ist es (eine Tafel mit der Aufschrift: „Artikel 1 des B-VG: Ihr Recht geht vom Volk aus.“ in die Höhe haltend), Artikel 1 des B-VG, und um nichts anderes geht es (Zwischenrufe bei der SPÖ): „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus“ (Beifall bei FPÖ und ÖVP) – und nicht von einer die Nase hoch tragenden Elite hier


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herinnen, die ich (in Richtung SPÖ) dort drüben orte. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wenn man die Nase oft zu hoch trägt und hinaufschaut, kann man leicht – wie man in Wien sagt – wo anrennen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.)

Meine Damen und Herren, mit jedem Misstrauensantrag, den Sie gegen Herbert Kickl einbringen, steigt das Vertrauen der österreichischen Bürgerinnen und Bürger in die­sen Innenminister. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Heiterkeit der Abg. Meinl-Reisinger.)

Es passt Ihnen nicht, dass Herbert Kickl die Probleme aufzeigt, angreift und auch löst, und das ist generell das Problem in diesem Sektor, bei Ihrer Ideologie: Wenn Ideologie und Wirklichkeit nicht zusammenpassen, dann ist die Wirklichkeit falsch. (Zwischenrufe der Abgeordneten Loacker und Meinl-Reisinger.) Ich sage Ihnen, es ist genau umgekehrt: Ihre Ideologie ist falsch, um die Probleme der Jetztzeit wirklich zu lösen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Ihr alle, die ihr euch jetzt empört (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), gemeinsam mit denen, die es schaffen, mit irgendwelchen Fotodokumentationen aus Videos heraus unschuldige Bürger in die Nähe des Nationalsozialismus zu rücken: Es sind eure Leute, die auf solche Methoden zurückgreifen müssen. Es sind dieselben in eurem Lager. Ich denke dabei an diejenigen, die unseren Bundeskanzler Sebastian Kurz auf der Briefmarke mit Engelbert Dollfuß abbilden und sich dann in der heutigen Debatte sogar noch hierherstellen, Herr Laimer, und sagen: Das war ja alles nicht so gemeint, das hat ja mit nichts etwas zu tun! – Für wie dumm halten Sie die Menschen in diesem Land?! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Laimer.)

Ein letztes Beispiel, liebe Sozialdemokraten: Ihr SPÖ-Bezirksrat, Personalvertreter und Polizist macht ein Video nach dieser Aussage, in dem Adolf Hitler und Herbert Kickl gemeinsam abgebildet werden, und man hört: Nein, das hat nichts mit einem Vergleich zu tun! – Sie wollen Fairnessabkommen abschließen? Sie wollen Fairnessabkommen abschließen? – Nie im Leben! (Zwischenruf des Abg. Laimer. – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Auf dieser Ebene, und das muss ich auch Ihnen, Frau Rendi-Wagner, als Parteivorsitzende sagen, auf diesem Niveau sicher nicht! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Jetzt zum heutigen Dringlichen Antrag von Herrn Universitätsprofessor Noll – wo ist er denn jetzt gerade? –: Mir tun alle seine Studentinnen und Studenten leid, die wissen­schaftliche Arbeiten schreiben müssen. Wenn Sie unten bei den Fußnoten schauen (einen Ausdruck des Antrages in die Höhe haltend): vier Mal Zitat „Der Standard“ (Heiterkeit bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP) – also wenn das die einzige wissenschaftliche Expertise ist! Haben Sie doch den Mut, das gesamte Interview mit Herbert Kickl im ORF zu zitieren! Oder erlaubt es Ihre marxistische Dialektik nicht, dass man einen vollständigen Inhalt bringt?

Ich zitiere Herbert Kickl aus dem Text, seine erste Antwort auf die Frage von Frau Schnabl: „Kickl Herbert (FPÖ)“ – der ORF schreibt das dazu, damit wir es wissen –: „Also zunächst einmal eines zum Thema Rechtsstaatlichkeit. Ja selbstverständlich stehen wir alle auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit, das ist ja eine Selbstver­ständ­lichkeit.“ (Abg. Meinl-Reisinger: Aber! Aber!)

Warum zitieren Sie denn Herbert Kickl nicht vollständig und aus dem gesamten Kontext heraus? (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Dann kommt die ganze Maschinerie in die Gänge.

Ich kann die Frau Präsidentin der Richtervereinigung durchaus beruhigen: An der Unabhängigkeit, Weisungsfreiheit und Unabsetzbarkeit der Richterschaft wird sich


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nicht einmal ein Beistrich oder ein Bruchteil eines Beistrichs ändern – keine Sorge! (Abg. Leichtfried: Wieso erwähnen Sie das extra? ... Zweifel?)

An den Präsidenten der Rechtsanwaltskammer: Er als Rechtshelfer wird weiterhin für seine Klienten für die Durchsetzung des Rechts sorgen, wenn ein unabhängiges Gericht oder eine Verwaltungsbehörde entscheidet, mit rechtlicher Kontrolle.

Frau Abgeordnete Griss, ich nehme an, Sie sind heute als Abgeordnete hier und nicht als Richterin, oder Herr Noll als Rechtsanwalt oder Universitätslehrer: Sie sagen, Herbert Kickl ist Teil der Exekutive. – Er ist die politische Spitze der Exekutive und hat daher auch politische Verantwortung. Wenn Sie von ihm verlangen, dass er kein Politiker ist, dann dürfen Sie aber auch nie wieder politische Verantwortung von ihm einfordern. (Abg. Rädler: Genau!) Das funktioniert nicht. Das geht sich intellektuell nicht aus. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Herbert Kickl ist auch nicht ein kleines Teilchen dieser Exekutive, bei dem Sie Angst haben müssen, dass er, wenn Sie irgendwo 0,07 km/h zu schnell fahren, mit einer Trillerpfeife aus dem Busch herausspringt und Ihnen ein Strafmandat erteilt – keine Angst! Er sorgt sich um die Sicherheit Österreichs (Abg. Höbart: Ja, richtig!), und da ist ihm etwas aufgefallen, so wie uns allen etwas aufgefallen ist: Mit manchen Gesetzen funktioniert etwas nicht. Und was ist die Aufgabe, wenn das Recht vom Volk ausgeht? – Dass die Repräsentanten dieses Volkes, und das sind wir Abgeordnete in Nationalrat, Bundesrat und Landtag, entsprechende Gesetze im verfassungsmäßigen Gesetzwerdungsprozess regeln. (Abg. Meinl-Reisinger: Dann machen Sie das! Dann machen Sie das!)

Jetzt kommen wir zu einer Frage, die Herbert Kickl selbst nie angesprochen hat, zu der Frage von Menschenrechten. Ich spreche sie an, denn ich habe mir auch eines gedacht: Gibt es tatsächlich nur Menschenrechte für Täter in diesem Land? – Nein! Dieses 16-jährige Mädchen hat das Menschenrecht gehabt, über 16 Jahre alt zu werden, zu leben, eine Familie zu gründen, bei ihren Eltern zu sein! Das wurde brutalst unterbrochen. (Anhaltender Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es gibt das Menschenrecht von Eltern, ihre Kinder heranwachsen zu sehen, aufwach­sen zu sehen. Es gibt das Menschenrecht einer Mutter und Frau, ihre Kinder – laut Zeitung acht und zehn Jahre alt – aufwachsen zu sehen; sie wurde ermordet und hat diese Möglichkeit nicht mehr. Umgekehrt gibt es auch das Menschenrecht dieser acht- und zehnjährigen Kinder, mit ihren Eltern, mit ihrer Mutter – traurigerweise war es sogar der Vater, der der Täter war – zusammen zu sein.

Man sieht aber eines ganz klar: All diese Täter sind bereits in der Vergangenheit aufge­fallen, und das haben wir aufgrund der Vorkommnisse, aufgrund der einzelnen Fälle wissenschaftlich aufarbeiten können. Es hat alles eine Vorgeschichte gehabt. Es hat mit der Körperverletzung, mit der mehrfachen Körperverletzung begonnen, mit der per­manenten Gewaltausübung gegen Frauen, und dann ist es zur Eskalation gekom­men – und da hat dieser Staat leider noch immer nicht die entsprechenden Mittel in der Hand. Herbert Kickl als verantwortungsvoller Innenminister sieht das. Er möchte das Problem lösen und hat in einem Gutteil der Abgeordneten hier Verbündete in Sachen Sicherheit in diesem Land. (Anhaltender Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

16.06


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Klubobfrau Meinl-Reisinger. – Bitte.


16.06.47

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Prä­sident! (Abg. Höbart: ... die Verteidigungsrede für kriminelle Afghanen!) – Geht es oder


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wollen Sie vielleicht vor mir etwas sagen? (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Werte Ministerin und werte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst – aber darauf werde ich noch zu sprechen kommen –: Es macht mich immer wieder betroffen, welche parteipolitische Instrumentalisierung (Zwi­schenruf des Abg. Stefan) vor allem von Ihrer Seite (in Richtung FPÖ), aber bedau­erlicherweise auch von Ihrer Seite (in Richtung ÖVP), dieser furchtbaren Taten hier stattfindet. (Abg. Deimek: Also die dürfen nur Linke ansprechen?) Das ist meines Erachtens wirklich ein schäbiger Missbrauch eines Themas. Bringen Sie Lösungen auf den Tisch und missbrauchen Sie nicht ein Thema aus parteipolitischen Motiven! (Bei­fall bei NEOS, SPÖ und JETZT. – Abg. Belakowitsch: Darum geht es ja gerade! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Jetzt aber zur Sache: Warum gibt es diesen Misstrauensantrag, den wir initiiert haben? – Wir haben diesen Misstrauensantrag im vollen Bewusstsein dessen initiiert, dass es dazu heute eine sehr lebendige Debatte geben wird, in der insbesondere wieder Relativismus betrieben wird – das ist ja alles nicht so gemeint!, und so weiter; aber darauf werde ich noch zu sprechen kommen –, von der FPÖ, bedauerlicherweise aber auch von der ÖVP. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Höbart.)

Ich möchte jetzt daran anknüpfen, weil ich das ganz interessant gefunden habe, Herr Kollege Rosenkranz, dass Sie als Klubobmann der FPÖ hier dieses Schild mit dem Zitat aus unserer Bundesverfassung aufgestellt haben: „Ihr Recht geht vom Volk aus“, denn offensichtlich ist die FPÖ lernfähig. Vor ein paar Jahren, bei der Bundes­prä­sidentschaftswahl, haben Sie plakatiert: „Das Recht geht vom Volk aus“. – Ich weiß, es ist nur ein kleines Wörtchen – das oder ihr –, aber damals habe ich darüber ge­schrieben, dass es einen sehr entscheidenden Unterschied gibt, ob man sagt, das Recht oder ihr Recht geht vom Volk aus. „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“ – Dahinter kann nämlich neben anderen Möglichkeiten auch die Frage stehen, ob Sie sozusagen von Legalität oder Legitimität sprechen, also davon sprechen, dass etwas rechtens ist oder auch gerecht ist. Das ist eine ganz entscheidende Debatte, um die es auch heute hier geht, und das will ich Ihnen erläutern.

Ich gehe davon aus, dass ein Innenminister dieser Republik die intellektuellen Kapa­zitäten hat, das zu meinen, was er auch sagt (Abg. Belakowitsch: Können wir bestätigen! – Zwischenruf des Abg. Wurm), und jetzt möchte ich sagen, was er gesagt hat. Der Herr Innenminister hat von der Gefahr gesprochen, dass der Rechtsstaat „gegen sich selbst zur Anwendung gebracht wird, dass man quasi über die eigenen Gesetze stolpert und handlungsunfähig ist“ (Abg. Haider: Ja, so ist es! Das sieht jeder vernünftige Mensch genauso!), dass es „irgendwelche seltsamen rechtlichen Konstruktionen“ – Menschenrechtskonvention –, „teilweise viele, viele Jahre alt aus ganz anderen Situationen heraus entstanden“ gibt, „und die hindern uns daran, das zu tun, was notwendig ist“. Daher schließt er und sagt, „ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht.“

Das ist genau diese Unterscheidung hinsichtlich der Frage, welches Rechtsverständnis Sie haben: Geht es um das Legalitätsprinzip oder geht es Ihnen darum, das mit einer Ideologie oder mit einem Volkswillen oder einer Moral oder was auch immer zu hinterlegen und zu sagen: Das ist aber auch gerecht, und die Politik legt fest, was gerecht ist!? (Ruf bei der FPÖ: Na wer sonst?!) Das macht genau den Unterschied zwischen Innerhalb-des-Verfassungsbogens-Stehen und Außerhalb-des-Verfassungs­bogens-Stehen aus. (Beifall bei NEOS und SPÖ. Abg. Gudenus: Die Verfassung ist


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ja beschlossen, bitte! – Abg. Haider: ... nicht möglich, auch nur ansatzweise eine Argumentation zustande zu bringen! – Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Das ist genau der Unterschied zwischen einem autoritären Politikverständnis, das wir von links wie rechts kennen, und einem Politikverständnis auf dem Boden der Grund­sätze eines liberalen Rechtsstaats, einer Demokratie und einer klaren Verfassung – gerade im Geiste unserer österreichischen Bundesverfassung, des großen Hans Kelsen, der da wirklich Besonderes geleistet hat. Wir als Österreicher können stolz auf das sein, was Hans Kelsen mit seinem Ansatz des Rechtspositivismus in der Verfas­sung geleistet hat. – Das brechen Sie hiermit.

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder er hat nicht gewusst, was er sagt dann hat er es nicht verstanden (Abg. Schrangl: Sie haben es nicht verstanden, Frau Kollegin!), dann muss ich daran zweifeln, dass er die Kapazitäten hat, Innenminister zu sein –, oder er hat genau gewusst, was er sagt  dann ist er als Innenminister dieser Republik nicht tragbar, denn dann achtet er die österreichische Bundesverfassung nicht. (Beifall bei NEOS und SPÖ. Zwischenruf des Abg. Haider.)

Zu Herrn Vizeklubobmann Gudenus möchte ich schon noch eines sagen, er hat nämlich nachgelegt, nachdem der Herr Bundeskanzler gesagt hat, er glaube, der Herr Innenminister habe ihn verstanden. Dazu haben Sie (in Richtung Abg. Gudenus) in einem Interview sinngemäß gesagt: Na ja, die Menschenrechtskonvention ist eh ganz in Ordnung, die muss halt „richtig interpretiert“ werden! Das ist genau der gleiche Ansatz. (Abg. Gudenus: Wer interpretiert das?) Was heißt „richtig interpretiert“? Wer entscheidet, was „richtig interpretiert“ ist? – Es gibt eine unabhängige Justiz und es gibt höchstgerichtliche Entscheidungen, und wie diese interpretieren, ist dann richtig und rechtens, und nicht das, was Sie als Klubobmann, als Politiker sagen. Erheben Sie sich nicht über die unabhängige Justiz! Das ist genau das gleiche Prinzip. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Abg. Haider: ... interpretieren den Willen des Gesetzgebers! Das ver­stehen Sie offensichtlich nicht ...!)

Herr Bundeskanzler, Sie haben gesagt, die Menschen sind von der Debatte irritiert. Das verstehe ich, das ist auch eine komplexe Debatte, weil sie auf den Grundsätzen unserer Verfassung aufbaut. Genau deshalb ist es aber so wichtig, dass diese Grund­sätze der Verfassung und Institutionen geachtet werden, dass es eine gewisse Staats­räson, ein staatstragendes Verständnis insbesondere von Regierungsarbeit gibt. Die Menschen müssen sich darauf verlassen, dass die Politikerinnen und Politiker, die sie vertreten, die Verfassung achten und die demokratischen Spielregeln beachten (Ruf bei der FPÖ: Das tun sie! Genau deswegen!), und genau das ist hier in Gefahr.

Ich sehe diese Art Ordre public nicht, also das Bekenntnis dazu, zu sagen: Wir als Regierende haben eine Verantwortung, die vielleicht höher steht als die eines hin und wieder im Nationalrat polternden Abgeordneten! Das ist genau die Trennlinie zwischen verantwortungsvoller Politik und unverantwortlicher Politik. Wenn man Minister ist, dann hat man eine ganz andere Verantwortung gegenüber den Institutionen, gegen­über der Verfassung und damit gegenüber den Menschen. Das möchte ich schon ganz klar sagen.

Da Sie auf das Regierungsprogramm zu sprechen gekommen sind – und verzeihen Sie, bei mir ist ein bisschen der Eindruck entstanden, als würde das mit der Verfassung und der EMRK auf einer Ebene stehen –: Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass die Grundsätze der Menschenrechtskonvention und der Verfassung in einem Regierungsprogramm beachtet werden! Das extra zu betonen erscheint mir doch ein wenig seltsam, das muss ich schon einmal ganz klar sagen (Abg. Rosenkranz: Und wenn es nicht drinsteht, regt ihr euch auch wieder auf! Seid nicht lächerlich! Seid nicht


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so lächerlich!), und ganz offensichtlich ist es ja auch in ganz vielen Fällen nicht so. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)

Generell haben wir im Zusammenhang mit dem Umgang der Regierungsparteien mit der Rechtsstaatlichkeit allerdings Bedenken, weil wir wissen, dass es etwa bezüglich der Verfassungskonformität von Bundestrojanern durchaus Bedenken gibt, wie Kollege Scherak angesprochen hat. Wir werden das prüfen lassen (Abg. Rosenkranz: Na also dann! Na also dann! Bedenken! Bedenken! – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wegen der Indexierung der Familienbeihilfe, dass diese EU-rechtswidrig ist, gibt es ein Vertragsverletzungsverfahren durch die EU-Kommission. (Zwischenrufe der Abgeord­neten Steinacker, Rosenkranz und Schrangl.) Es gibt andere Beispiele, bei denen wir klar sehen, dass Sie Gesetzwidrigkeiten in Kauf nehmen, und das zeigt mir einen sehr saloppen Umgang mit der Verfassung, mit EU-Recht und den Regularien, die es dazu gibt. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass Innenminister Kickl gewusst hat, was er sagt – dann ist das ein Skandal, und das ist ein Appell an die ÖVP, die Tür nicht weiter als unbedingt notwendig aufzumachen. Wenn das nicht der Fall ist, dann stelle ich fest, dass er mit der Arbeit als Minister heillos überfordert ist, weshalb er in diesem Amt ebenfalls nicht tragbar ist.

Ich habe hier einen Packen Briefe (mehrere Blatt Papier in die Höhe haltend), die an mich ergangen sind – nicht von linkslinken Gutmenschen, wie Sie das gerne bezeich­nen (Ah-Rufe bei ÖVP und FPÖ), sondern von besorgten Bürgern, die sehr wohl verstanden haben, worum es in dieser Debatte geht, und die auch ÖVP-Wähler sind. Sie können lachen, aber es sind ÖVP-Wähler, das weiß ich – bedauerlicherweise, muss ich sagen; ich kenne einige von ihnen (Abg. Rosenkranz: Ach so? Schauen Sie in die Wahlkuverts und -zellen hinein?), und es tut mir auch leid, dass sie uns nicht gewählt haben –, und die schreiben auch an Sie, Herr Bundeskanzler: „Mir graut vor Ihnen“ und Ihrer „(türkis)-blauen Regierung“; „Sie sind der Steigbügelhalter und Erfüllungsgehilfe!“ (Beifall bei den NEOS.)

Ich glaube, es sollte eine deutlichere Trennlinie gezogen werden, als Sie das heute hier gemacht haben, auch im Sinne der Bürgerinnen und Bürger, die sich ernsthaft Sorgen machen. (Abg. Höbart: Das ist der Einser-Staubsaugervertreterschmäh! Diese Briefe von besorgten ...! – Ruf bei der FPÖ: Selber geschrieben!) – Meine sehr geehr­ten Damen und Herren, Sie haben soeben live erlebt, wie hier Regierungsparteien, insbesondere die FPÖ, mit den Briefen besorgter Bürger umgehen: Sie machen sich darüber lustig. – Das nehmen wir auch zur Kenntnis. (Abg. Rosenkranz: Nein, nein, ich mache mir eher Sorgen, dass Sie ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es machen sich sehr viele Menschen über die Entwicklung in diesem Land Sorgen, darüber, dass zwischen autoritärer Politik und einer Politik auf dem Boden des Rechts­staats (Abg. Haider: Ich zeige Ihnen Briefe, die ich bekommen habe von Eltern von Töchtern ...!), der Demokratie und der Verfassung keine scharfe Trennlinie gezogen wird. Diese Trennlinie müssten Sie viel schärfer ziehen. Sie (in Richtung FPÖ) werden es nicht verstehen, aber in Richtung ÖVP sage ich das ganz entschieden. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Sie brechen das Wahlgeheimnis, offensichtlich!  Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

16.15


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Jachs. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 143

16.16.04

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Lieber Herr Bundeskanzler! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher! Kollege Pilz brüstet sich in den letzten Tagen vermehrt damit, dass er Stasivergleiche zur Bundesregierung zieht. Die Stasi war in der DDR eine Geheim­polizei, die ohne rechtliche Grundlage Menschenrechte verletzt hat und die auch politische Gegner entführt hat, um sie eventuell zu liquidieren.

Herr Kollege Pilz, dass Sie dieser Bundesregierung, die in unserem Rechtsstaat arbei­tet, einem Musterschüler bei der Einhaltung von Grund- und Freiheitsrechten (Heiter­keit des Abg. Pilz), diesen Vorwurf machen, ist eine wirklich unerhörte Verharmlosung von autoritären Systemen, wie sie in dieser Welt noch existieren. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) Sie, Herr Kollege Pilz, und auch Kollegin Rendi-Wagner in ihrem Redebeitrag, solidarisieren sich mit autoritären Regimen und verharmlosen das Leid der Bürgerin­nen und Bürger, die noch in solchen Staaten leben müssen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Herr Kollege Pilz, in Ihrem Entschließungsantrag liefern Sie den besten Beweis dafür, dass es sich nur um einen Faschingsscherz handelt, denn Sie erinnern daran – und ich zitiere jetzt –, dass das „Handeln von Mitgliedern der Bundesregierung [...] ausschließ­lich auf der Grundlage von Art. 18 B-VG zu erfolgen“ hat. – Na ja, dass ausgerechnet Sie, Herr Kollege Pilz, der, wie wir aus den Untersuchungsausschüssen wissen, lie­bend gerne Beamtinnen und Beamten dieser Republik zum Amtsmissbrauch auffordert und ihnen angebliche Informationen entlocken will, wobei Sie wissen, dass auch diese Beamten auf Grundlage des Artikels 18 B-VG zu handeln haben, hier vorne stehen und die Bundesregierung fragen (Abg. Klaus Uwe Feichtinger: ... Vorwurf einer strafbaren Handlung!), was bei Gesetzesbrüchen passiert, ist wirklich ein schlechter Scherz. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie, Herr Kollege Pilz, wollen nämlich um jeden Preis Ihr Image als Spürnase der Republik aufpolieren und versuchen das wirklich mit aller Vehemenz. Leider wird Ihnen das nicht gelingen, und Sie werden Ihr moralisch angeschlagenes Gewissen dadurch auch nicht reinwaschen können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Höbart: Die Spür­nase aus Alpbach!)

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich handelt diese Bundesregierung auf Grundlage der Verfassung. Natürlich hat das auch Bundeskanzler Kurz betont, der Innenminister hat es betont, und auch Staatssekretärin Edtstadler hat es in den letzten Tagen betont. Unser Bundeskanzler und das Regierungsprogramm sind die Garanten dafür, dass das Legalitätsprinzip auch weiterhin eingehalten und das gesamtstaatliche Handeln nur auf Grundlage der Gesetze erfolgen wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Unsere Verfassung, zu der natürlich auch die EMRK gehört, ist aber auch der Rahmen für unser Verhalten und unser Handeln hier in der Legislative. Die EMRK ist natürlich ein Meilenstein der Rechtsgeschichte und wurde nach zwei schrecklichen Kriegen installiert. Dazu stehen wir. Wir stehen aber auch zu dem klaren Bekenntnis, dass unser Schutz nicht missbraucht werden darf. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP und bei der FPÖ.)

Das bedeutet, dass wir den Tatsachen ins Auge sehen müssen, denn durch die Migra­tionskrise 2015 wurden auch Wertehaltungen importiert, die wir nicht haben wollen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Klaus Uwe Feichtinger und Schieder.) Wenn Menschen, die als Schutzsuchende zu uns kommen, ein Weltbild und Aggressions-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 144

poten­zial importieren, das wir hier nicht haben wollen, wenn diese Menschen dann straffällig werden und unseren Schutz verwirken und diese Täter dann auch nur in Österreich bleiben dürfen, weil unsere momentanen rechtlichen Rahmenbedingungen dies zulassen, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir uns schon fragen dürfen, ob es nicht in Zukunft möglich wäre, diese Leute auch auf Grundlage unserer Verfassung in ihr Heimatland zurückzubringen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.20


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Pilz. – Bitte.


16.21.12

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (JETZT): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Höbart: Die Spürnase von Alpbach! – Ruf bei der FPÖ: Jetzt erklärt uns wieder der Anarchist den Rechtsstaat!) Meine Vorrednerin hat behauptet, ich hätte im Untersuchungsausschuss Beamte und Beamtinnen dieser Republik zum Amts­missbrauch angestiftet.

Ich stelle Folgendes fest (Ruf bei der FPÖ: Sie wollen gestehen? Das dürfen Sie!): Erstens, das entspricht nicht den Tatsachen. Zweitens, das ist der Vorwurf einer strafbaren Handlung und verwirklicht damit alle Tatbestandsmerkmale der Verleum­dung. Das ist der zweite Fall, in dem das vonseiten der ÖVP mir gegenüber passiert. Drittens, ich werde mir das Protokoll kommen lassen (anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ) und den Fall Nehammer sowie den Fall, der jetzt passiert ist, morgen meinem Anwalt zum Zwecke der Übermittlung einer Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts der Verleumdung an die Staatsanwaltschaft Wien übergeben. – Ich lasse mir das von Ihnen nicht mehr bieten! (Beifall bei JETZT und SPÖ. – Heiterkeit bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

16.22


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner. – Bitte.


16.22.24

Abgeordnete Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc (SPÖ): Frau Abgeordnete Johanna Jachs hat jetzt gerade eine Behauptung aufgestellt, und zwar hat sie gesagt, ich würde mich mit totalitären Regimen solidarisch zeigen. (Ruf bei der FPÖ: Ja, aber nur mit linken!) – Frau Kollegin, ich glaube, Sie haben nicht genau zugehört. Ich habe das natürlich so nicht gemacht, das stimmt mit keinem Wort. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Ich wiederhole meine Rede für Sie gerne noch einmal und bitte, zuzuhören: Ein Chefredakteur einer großen Tageszeitung kommentierte das so – Zitat –: „Dieses Abschätzige im Tonfall gegenüber Recht und Gesetz, einem zivilisatorischen Bau­werk,“ – es ist die EMRK, Frau Kollegin – „das auf den Erfahrungen nationalsozialistischen und stalinistischen Gemetzels“ (Abg. Deimek: ... stalinistische, nicht linke!) „errichtet wurde, war das Widerwärtige am Gesagten“. – Das war das Zitat des Journalisten. – Danke. (Beifall bei SPÖ und JETZT sowie bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Neubauer: So haben Sie es nicht gesagt! – Abg. Leichtfried: „Kleine Zeitung“! – Zwischenrufe der Abgeordneten Kirchbaumer und Belakowitsch.)

16.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Leichtfried ist zu Wort gemel­det. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 145

16.23.42

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren der Bundesregierung! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eingangs etwas festhalten, das mich – ich sage das offen – sehr verärgert hat. Herr Rosenkranz, Herr Gerstl, ich finde, es ist unglaublich schäbig, wenn man ein schweres Verbrechen, das bestraft gehört, instrumentalisiert, wenn man das Leid der Betroffenen instrumentalisiert, um politisches Kleingeld zu wechseln. Das ist wirklich schäbig! (Beifall bei SPÖ und NEOS. – Abg. Steger: Sie ignorieren es!)

Herr Bundeskanzler, Sie haben eingangs Ihrer Rede berichtet - - (Bundeskanzler Kurz blickt auf sein Mobiltelefon.) – Nehmen Sie das Handy, rufen Sie den Kickl an, fragen Sie vielleicht, wo er ist! (Heiterkeit bei der SPÖ.) Das wäre eine Möglichkeit. (Bun­deskanzler Kurz spricht mit einem Mitarbeiter.) – Jetzt braucht man zum Candy-Crush-Spielen schon einen Assistenten? (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Das ist schon interessant. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Präsident, ich rede mit dem Herrn Bundeskanzler und er spielt mit dem Handy. Tun Sie etwas – außer zu nicken! (Beifall und Zwischenrufe bei der SPÖ. – Unruhe im Saal.)

Herr Bundeskanzler, danke, dass Sie jetzt Zeit haben, ich wollte Ihnen nämlich etwas sagen. (Zwischenruf der Abg. Steger.) Sie haben am Anfang Ihrer Rede gesagt, Sie sind auf dieses Zitat von Herrn Kickl angesprochen worden (Abg. Hafenecker: Ihre Klubobfrau war am Vormittag gar nicht da ...!) und die Leute haben nicht recht ge­wusst, was das ist. Ich weiß nicht, wer Sie da angesprochen hat. Mich hat eine junge Frau angesprochen, die Mutter von zwei Kindern ist. Sie hat zu mir gesagt: Ich wollte eigentlich etwas zu diesem Thema schreiben, aber ich traue mich nicht mehr. – Ich habe gefragt, wieso sie sich nicht mehr traut, darauf hat sie gesagt: Ja schau dir einmal die Facebook-Seite „FPÖ Fan Club“ an! (Abg. Hafenecker: Ihre Mitglieder trauen sich gar nichts mehr zu sagen, die werden sofort hinausgeworfen! – Ruf bei der FPÖ: War es ein Gewerkschafter?) Auf dieser Facebook-Seite „FPÖ Fan Club“ hat einer der FPÖ-Fans einen Aufruf österreichischer Künstlerinnen und Künstler gepostet, die zu Recht den Rücktritt des Innenministers gefordert haben. Das waren an die 250 Künst­lerinnen und Künstler – darunter Peter Turrini, die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek und viele andere. (Abg. Rosenkranz: Wirklich, das wundert mich aber jetzt?!)  Jetzt hören Sie einmal zu!

Dann hat ein weiterer FPÖ-Fan darunter gepostet: „Super jetzt haben wir eine Liste und wenn es [...] soweit ist wissen wir wer abgeholt werden muss“. – Das hat er gepostet (Rufe bei der FPÖ: Silberstein!), und das ist dieser Geist, den diese Bun­desregierung und Ihr Innenminister, Herr Bundeskanzler, und Ihr Vizekanzler verbrei­ten. (Ruf bei der FPÖ: Das war ein Silberstein! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abge­ordneten von FPÖ und SPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Es ist ein Skandal, dass in diesem Land so etwas gepostet wird! (Beifall bei SPÖ und JETZT. – Ruf bei der FPÖ: Ein lupenreiner Silberstein! – Zwischenruf des Abg. Lugar.)

Wenn Sie, Herr Rosenkranz, und wenn gestern Herr Nehammer Vergleiche zwischen dem Bundeskanzler und einem Vorgänger kritisiert und sich darüber empört haben (Abg. Rosenkranz: Sprechen Sie aus, wen sie meinen! Nicht nur „Vorgänger“, sprechen Sie es aus! Trauen Sie sich! Sprechen Sie es aus!), so meine ich dazu: Ich würde das auch nicht so vergleichen. Diese Empörung wäre aber viel glaubhafter, wenn man sich dann auch über den Innenminister empört, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist kein Wunder, dass diese Stimmung im Land entsteht, wenn der Minister, der für Ordnung, für Sicherheit (Zwischenrufe bei der FPÖ), für die bewaffneten Polizeikräfte


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zuständig ist, nicht diese Ordnung und Sicherheit verkörpert, sondern in seiner kurzen Amtszeit den Geheimdienst stürmen lässt (Abg. Stefan: Echt, der Innenminister? Wir glauben, das war die Justiz!), die ersten Zensurmaßnahmen bei Zeitungen seit 1945 geltend macht und den demokratischen Rechtsstaat infrage stellt, denn das hat er nämlich gemacht, geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei SPÖ und JETZT. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Warum müssen wir in diesem Land eine Debatte führen, ob wir an den Rechtsstaat glauben oder nicht? Warum müssen wir diese Debatte überhaupt führen? – Wir müs­sen sie führen, weil wir einen Innenminister haben, der den Grundsatz vor sich herträgt: Recht ist das, was ich will, und Recht ist nicht das, was im Gesetz steht! – Geschätzte Damen und Herren, das ist die Situation, die wir haben. (Abg. Deimek: Und jetzt einmal noch eine Schreierei zu den Opfern!)

Es ist aber nicht nur das, sondern es ist unter Ihrer Regierung auch noch etwas anderes passiert, Herr Bundeskanzler (Ruf bei der FPÖ: Ja, da geht etwas weiter! Das kennen Sie nicht!): Dieses Land ist durch Diskutieren (Ruf bei der FPÖ: Respekt, Aner­kennung!), durch gegenseitigen Respekt – ja, der Kollege hat es gerade gesagt –, durch Kompromisse, durch ein Aufeinanderzugehen aufgebaut worden. (Abg. Stefan: Pflastersteine und Grabkerzen, die uns hingelegt wurden, das ist Diskussion?!) Was jetzt passiert, geschätzte Damen und Herren, das ist ein Spalten (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ), das ist, die Menschen gegeneinander auszuspielen und den Menschen Angst zu machen.

Sie stehen für ein Land, in dem nicht die Stärke des Rechts gilt, sondern das Recht des Stärkeren, in dem Rechtsstaatlichkeit und parlamentarische Demokratie, Presse­frei­heit, Gewaltenteilung als obsolet empfunden werden. (Abg. Steger: Ich sage es noch einmal: SPÖ Wien! – Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.) Geschätzte Damen und Herren, das kann nur eine Folge haben: den Rücktritt des Innenministers – und das sofort! (Beifall bei SPÖ und JETZT.)

16.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rosenkranz. – Herr Klubobmann, bitte.


16.29.50

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Abgesehen davon, dass Kollege Noll behauptet hat, dass der Innenminister einen Beamten suspendiert hätte (Zwischenruf des Abg. Schieder) – richtig ist vielmehr, dass das eine unabhängige Disziplinarkom­mission gemacht hat –, hat Kollege Leichtfried soeben behauptet, Innenminister Kickl hätte den Geheimdienst stürmen lassen.

Ich berichtige tatsächlich: Abgesehen von dem Umstand, dass es sich in Österreich um keinen Geheimdienst handelt (Zwischenruf bei der SPÖ), hat die unabhängige Justiz die Hausdurchsuchung, die er offensichtlich mit „stürmen“ meint, angeordnet – das Ansuchen einer Staatsanwältin war von einem Untersuchungsrichter entsprechend abgesegnet. – Lernen Sie Gewaltenteilung! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Neubauer: Peinlich ist das, SPÖ!)

16.30


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Gudenus ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


16.30.41

Abgeordneter Mag. Johann Gudenus, M.A.I.S. (FPÖ): Ein paar Worte zur Richtigstellung, weil es schon verwunderlich ist, wie ungenau ein Rechts­wis-


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senschafter, der auch noch unterrichtet, hier mit der geltenden Rechtsordnung um­geht.

Herr Noll hat gesagt, ein Minister, also Herr Kickl, darf nicht über Gesetze nachdenken, sie nicht diskutieren. – Sie wissen aber, was eine Regierungsvorlage ist (Zwischenruf des Abg. Schieder): Im Ministerrat sitzen alle Minister beisammen und denken darüber nach, wie Gesetze geändert oder neue Gesetze erlassen werden könnten, sie bringen die Vorlage im Nationalrat ein, und der Nationalrat beschließt sie. (Zwischenruf des Abg. Noll.) Das ist Ihnen anscheinend nicht bekannt, Herr Noll: Eine Regierungs­vorlage ist der Ausfluss dessen, dass Minister über Gesetze nachdenken dürfen – eine Selbstverständlichkeit. – So viel dazu. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Meinl-Reisinger, zu diesen rituellen Betroffenheitstänzen, die hier auch von Herrn Leichtfried dargeboten werden: Sie sagen, es dürfe nicht darüber nachgedacht werden, die Menschenrechtskonvention zu diskutieren, die Verfassung zu diskutieren. (Abg. Meinl-Reisinger: Sagt niemand, sagt niemand! Das ist nicht zu reframen!) Gleichzeitig traten Sie in der Früh bei der Aktuellen Europastunde dafür ein, dass Europa ein Bundesstaat und Österreich abgeschafft wird. Frau Meinl-Reisinger, wie passt das zusammen? (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie denken gleichzeitig darüber nach, für die Abschaffung des eigenen Staates, für den Sie hier im Nationalrat sitzen und gewählt wurden, einzutreten, und werfen uns vor, dass wir über die Menschenrechtskonvention oder die Verfassung nachdenken.

Gleichzeitig kam heute früh auch der Fall mit der Neutralität zur Sprache: Sie sind für die Abschaffung der immerwährenden Neutralität. Diese ist eine Staatszielbestimmung im Verfassungsrang, Sie wollen sie abschaffen. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger. – Abg. Rosenkranz: ... Faschisten ... reframen, das schmiert euch wohin! Der Reframismus!) Uns werfen Sie vor, dass wir als Politiker über Verfassungs­bestimmungen nachdenken, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das richtet sich von selbst, Frau Meinl-Reisinger. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Das richtet sich wirklich von selbst. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Kommen wir zurück zum eigentlichen Grund der Debatte: Warum wurde die Debatte eigentlich geführt? Warum wurde Bundesminister Kickl interviewt? Warum hat er das gesagt, was richtig ist, was wir heute debattieren? – Der Grund ist die Anhäufung von Mordfällen und Gewaltexzessen – vor allem gegenüber Frauen – in Österreich, nicht nur am Anfang dieses Jahres, sondern schon seit 2015. Auch der Anstieg von Messer­delikten, die Übergriffe auf Frauen, Kinder und Pensionisten sind alle eindeutig statis­tisch erwiesen.

Wir haben den Fall des Mordes an der 16-jährigen Manuela in Wiener Neustadt erlebt. Sie wurde von einem syrischen Asylberechtigten ermordet, der einer von denen war, die unter Ihrer Verantwortung – jener der SPÖ – ungezügelt ins Land gelassen wurden. (Widerspruch bei der SPÖ.)

Herr Drozda hat getweetet: „Haarsträubend und eine Schande! Selbstaufgabe des Rechtsstaats, wichtiges Betätigungsfeld für BM Kickl.“ – Interessant, Herr Drozda, eine unmittelbare Reaktion! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Anscheinend wurde er von Ge­nossen zurückgepfiffen, weil es ja nicht sein darf, dass hier über den Rechtsstaat nachgedacht wird, wenn dem Rechtsstaat die Mechanismen fehlen, solche Figuren abzuschieben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir aber sagen – und darum geht es ja –: Wir wollen solche Individuen abschieben! Es kann nicht sein, dass unsere Frauen und Kinder in Unsicherheit leben müssen, weil solche Menschen weiterhin aufgrund einer gewissen Rechtslage in Österreich bleiben


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müssen. Genau deswegen muss man darüber nachdenken. Nicht mehr und nicht weniger hat Bundesminister Kickl gesagt, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das ist auch genau seine Verpflichtung – nicht mehr und nicht weniger –: darüber nachzudenken und nicht nur nachzudenken, sondern auch zu handeln. Schließlich haben Sie mit der Willkommenskultur uns diese Suppe eingebrockt, dass solche Figuren in Österreich herumlaufen und nicht abgeschoben werden können, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir werden dafür sorgen, das kann ich Ihnen versprechen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Knes: ... unglaublich! – Abg. Höbart: Was ist das sonst? Das ist ein Mörder, ein Verbrecher! – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Drozda wurde für seinen Tweet jedoch nicht kritisiert – kein Wort der Kritik, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Herr Kickl erlebt hier wieder sehr künstlerisch aufgeführte Empörungsstürme.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Kollege Rosenkranz hat es aufge­worfen: Haben Opfer keine Menschenrechte? Haben Sie heute in einer einzigen Rede zu dieser Debatte das Leid der Opfer, das, worum es eigentlich geht, und die Tat­sache, dass die Täter abgeschoben werden müssen, erwähnt? (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Zarits.) Kein Wort haben Sie erwähnt! Ja, Opfer haben Menschen­rechte, aber sie sind nicht mehr auf dieser Welt und können diese Menschenrechte nicht genießen. Das ist genau der Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Abg. Rendi-Wagner: Sie missbrauchen das politisch, Herr Gudenus!)

Zum Satz, dass das Recht der Politik folgt: Wir alle sitzen hier im Nationalrat, wurden bei regelmäßigen Wahlen gewählt. Alle fünf Jahre kann das Wahlvolk seinen Willen ausdrücken, welche Parteien mit ihrem Programm für die nächsten fünf Jahre die Regierung bilden sollen und wer die Mehrheit haben soll.

Ja, das heißt, das Volk wählt die Politik, der Nationalrat wird angelobt und führt politische Debatten. Somit bestimmt dieser die Rechtsordnung, weil sie hier erlassen wird. Hier werden die Gesetze gemacht, hier werden mit der notwendigen Zweidrittel­mehrheit auch Verfassungsgesetze gemacht. Ja, hier werden Gesetze geändert oder neue Gesetze beschlossen. Das heißt, das Recht geht vom Volk aus, und natürlich folgt das Recht der Politik – eine ganz eindeutige Sache, das ist die erste Stunde in der Rechtswissenschaft. Wer daran zweifelt, ist, glaube ich, schiefgewickelt. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihre künstlichen Betroffenheitsstürme werden nicht davon ablenken, dass Herbert Kickl der beste Innenminister aller Zeiten ist (Heiterkeit bei der SPÖ – Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP), dass er abschiebt, dass er die Grenzen schützt, dass er die Frauen schützt, die Kinder schützt und die Polizei aufstockt. Er sorgt für Sicherheit, das garantieren wir! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Noll.)

16.36


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Griss. – Bitte. (Abg. Höbart: Schreckliche Worte zu diesen Umständen!  – Unruhe im Saal. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)


16.37.05

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Frau Bundesministerin! Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, wie diese Debatte verläuft. (Abg. Belakowitsch: Ja, wirklich! – Abg.


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Gudenus: Ja, das stimmt!) Einerseits gibt es persönliche Angriffe – was, wie ich finde, einer sachlichen Diskussion immer sehr dienlich ist –, und andererseits werden Dinge verteidigt, die überhaupt niemand infrage stellt.

Sie, Herr Klubobmann Rosenkranz, stellen hier dieses Schild mit dem zweiten Satz des Artikels 1 der Bundesverfassung auf: „Ihr Recht geht vom Volk aus.“ (Abg. Rosenkranz – eine Farbkopie, auf der zwei Zeitungsartikel zu sehen sind, in die Höhe haltend –: Na!) Ja, kein Mensch bezweifelt das, nur: Herr Kickl ist nicht das Volk. (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT. – Abg. Gudenus: ... das Volk! – Zwischenruf des Abg. Wurm.) Das ist der wesentliche Unterschied: Teil des Volkes, aber er ist nicht das Volk. (Abg. Steger: Es würde Ihnen nicht schaden, mehr auf das Volk zu hören! – Ruf bei der FPÖ: Die Verfassung ist gemäß ...!)

Es sind Relativierungsversuche, die gemacht werden, wenn Sie sagen: Na ja, er hat es ja nicht so gemeint. Er wollte ja nur sagen, er hat ja nur gesagt, man darf ja wohl noch über ein Gesetz nachdenken, auch über die Verfassung, man darf ja wohl noch erwägen, dass das geändert werden soll. Sie bringen ja diese Beispiele. Diesbezüglich bin ich bei Herrn Kollegen Leichtfried: Da wird das Leid der Menschen instrumen­talisiert – ein Leid, das schrecklich ist, das soll gar keine Frage sein (Zwischenruf bei der FPÖ), man soll es aber nicht dazu verwenden, um politisches Kleingeld zu wechseln. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Gudenus: Ursachenforschung und Reaktion! – Ruf bei der FPÖ: Man muss reagieren!) Das ist Ihrer unwürdig, Herr Gudenus, das ist Ihrer unwürdig. (Abg. Gudenus: Also bitte!)

Es ist überhaupt keine Frage, dass über die Änderung von Gesetzen nachgedacht werden kann. (Abg. Rosenkranz: Außer vom Kickl! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es ist überhaupt keine Frage, dass es keine Denkverbote geben darf – für wen immer, auch nicht für Herrn Kickl. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Aber (Rufe bei der FPÖ: Aber! Aber!) denken wir einmal daran: Was hat Herr Kickl gesagt, und in welchem Zusammenhang hat er das gesagt? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Herr Kickl wurde im „Report“ gefragt: Herr Innenminister, Sie wollen straffällige Asylberechtigte rasch außer Landes bringen oder abschieben. Hat das nicht rechtsstaatliche Grenzen? (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das war die Frage an ihn.

Die Antwort des Herrn Innenministers war: Der Rechtsstaat kann sich selbst im Weg stehen, wir können über Gesetze stolpern. (Abg. Rosenkranz: Nein, nein!) – Das hat er gesagt, ja. (Abg. Rosenkranz: Lesen Sie das Letzte! Lesen Sie das Erste! Voll­ständig zitieren! – Abg. Steger: Sie hätten den „Report“ anschauen müssen!) Herr Rosenkranz, er hat nicht gesagt, Gesetze können dem im Wege stehen, er hat gesagt, der Rechtsstaat. Das sind seine Worte. Lesen Sie es! Lesen Sie es, wenn Sie des Lesens mächtig sind. Das hat er gesagt. (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT. – Abg. Stefan: Er hat gesagt, der Rechtsstaat kann missbraucht werden!)

Wo der Rechtsstaat gegen uns selbst zur Anwendung gebracht wird – ich weiß gar nicht genau, was diese schöne Formulierung bedeutet, aber so hat er das formuliert. Er hat sich auf den Rechtsstaat bezogen.

Der Rechtsstaat – das ist heute einige Male gesagt worden, der Herr Bundeskanzler hat es auch gesagt – ist natürlich die Grundlage unseres Zusammenlebens. (Abg. Rosenkranz: Ja, der kann missbraucht werden! – Abg. Gudenus: Falsch zitieren auch noch! Na bravo! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Nein, am Anfang hat er das gesagt. (Abg. Rosenkranz: Wo? Am Anfang? Nur am Anfang? Ach so! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Herr Rosenkranz, da sage ich: Ja, ich bin für den Rechtsstaat, aber der Rechtsstaat kann mich daran hindern, etwas Sinnvolles zu tun!, ja was heißt das? Was heißt das? (Abg. Stefan: Rechtsstaatliche Mittel muss ich


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einhalten! – Zwischenruf der Abg. Steger.) Also nein, das ist ja lächerlich. (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.)

Das Störende für mich an dem, wie Herr Kickl argumentiert hat, ist Folgendes: Natürlich kann man darüber reden, ja (Abg. Bösch: Nur nicht der Kickl!): Was machen wir mit straffällig gewordenen Asylberechtigten, mit Flüchtlingen? Was machen wir mit ihnen? Herr Kickl hat jetzt erkannt: Das steht ja gar nicht in der Menschenrechts­konvention, das steht ja in der Statusrichtlinie. (Abg. Rosenkranz: Das hat er schon im Juni 2018 gesagt!) Jetzt ist er draufgekommen und schreibt einen Brief nach Brüssel. Das Schöne daran ist, dass Österreich ja die Ratspräsidentschaft innehatte (Abg. Belakowitsch: Die Ratspräsidentschaft ist schon wieder vorbei!), und wir hören ja immer wieder, wie großartig die Erfolge waren. (Ruf bei der SPÖ: Ja!) Der Herr Innenminister war Vorsitzender im Rat der Innenminister. (Zwischenrufe der Abge­ordneten Gudenus, Jarolim und Wittmann.) Warum hat er sich während der Rats­präsidentschaft nicht bemüht, dort zu einer Änderung zu kommen? Das ist rechts­staatliches Vorgehen. (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.)

Was tun wir, wenn wir als Mitglied der Europäischen Union mit einer Regel nicht einverstanden sind? – Wir können uns darum bemühen, dass sie geändert wird. Das, was die Bundesregierung immer wieder sagt – vor Kurzem der Herr Bundeskanzler –, ist: Na ja, wenn da nichts geschieht, dann machen wir das im Alleingang. (Abg. Steinacker: Nein, das sagt er doch nicht! Sie drehen ihm das Wort im Mund um!) Was bedeutet das? – Ein Alleingang bedeutet, dass wir uns über europäisches Recht hinwegsetzen. Das richtige Vorgehen, das rechtsstaatskonforme Vorgehen ist, sich darum zu bemühen, dass die Regeln geändert werden. Ein Herr Kickl als Innenminister hat sich an das Recht zu halten. (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT.)

Er kann sich bemühen, dass auf verfassungskonformem Weg etwas geändert wird, aber er kann nicht sagen: Für mich gilt noch immer der Grundsatz – ich habe jetzt kei­nen Zettel, daher gebe ich es vielleicht nicht genau wieder –, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht. – Das sagt er. Wissen Sie, das ist für einen Juristen oder eine Juristin unglaublich. (Abg. Gudenus: Das ist Normalität!) Ich habe gedacht, ich höre nicht recht. (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT. – Abg. Rosenkranz: Sie reißen es nur aus dem Zusammenhang!)

Herr Rosenkranz, ich nehme an, dass Sie wissen, dass Rechtsstaat im Englischen rule of law heißt. Rule of law bedeutet, dass das Recht die Politik regiert und nicht die Politik das Recht. (Abg. Gudenus: Wer macht das Recht?) Das muss für uns selbst­verständlich sein. Hier können Sie sich bemühen. (Abg. Gudenus: Das macht er eh! Wer macht das Recht? – Abg. Rosenkranz – eine Tafel mit der Aufschrift „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“ in die Höhe haltend –: Es geht nur darum! Es geht nur darum!) – Ja, aber das ist nicht der Herr Kickl. Der Herr Kickl ist die Spitze des Innenministeriums. (Abg. Rosenkranz: Es geht nur darum!) – Da haben Sie recht. Ich habe gesagt, er ist ein Teil der Exekutive, er ist ganz oben, ich will ihm da gar nichts absprechen. Gerade weil er diese Funktion hat, trifft ihn eine besondere Verantwortung. (Beifall bei NEOS, SPÖ und JETZT. – Abg. Rosenkranz: Richtig!)

Unser Vertrauen gründet sich darauf, dass er sich an die Verfassung hält (Abg. Rosenkranz: Das tut er!), und wenn er das nicht tut, dann muss ihm das Vertrauen entzogen werden. So einfach ist das. Bitte stimmen Sie zu! (Anhaltender Beifall und Bravorufe bei NEOS, SPÖ und JETZT.)

16.44


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizekanzler Strache. – Bitte.



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16.44.27

Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport, Vizekanzler Heinz-Christian Strache: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Werte Gäste auf der Galerie! Ich sage vielleicht ein paar Dinge eingangs, weil heute zu Recht einige Themen andiskutiert worden sind. Das ist ja alles auch redlich und durchaus möglich, das macht das Wesen der Demo­kratie aus. Wenn die NEOS unter anderem die Abschaffung der Republik Österreich und einen Bundesstaat Europa einfordern, so ist das legitim. (Abg. Meinl-Reisinger: Sie sind nicht mehr in Opposition!) Es entspricht aber nicht den Eckpfeilern unserer Verfassung, und wir werden alles unternehmen, um das zu verhindern. Solche For­derungen sind aber legitim, auch darüber zu diskutieren ist legitim. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es ist legitim – wie das Frau Abgeordnete Griss oder Frau Abgeordnete Gamon aktuell auch getan haben –, über einen wesentlichen Eckpfeiler der österreichischen Verfas­sung zu diskutieren, nämlich die Neutralität, sie infrage zu stellen und zu sagen, sie sei überholt. (Abg. Belakowitsch: Das ist unfassbar!) Es ist auch legitim, eine Volks­abstimmung zur Abschaffung der Neutralität zu fordern. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Wir werden alles dazu beitragen, dass die Neutralität für die österreichi­sche Bevölkerung erhalten bleibt, um nie wieder in kriegerische Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Was Sie tun – und genau das ist jetzt der entscheidende Punkt –, das ist das, was man durchaus als verwerflich empfinden muss: Man geht her und interpretiert Aussagen bewusst falsch. (Abg. Belakowitsch: Das ist es! – Abg. Schieder: Ja, genau! – Zwi­schen­ruf des Abg. Krist.) Es gibt eine Missinterpretation, es gibt eine bewusste Fehlinterpretation, und das mit böser Absicht. Das ist genau das Prinzip, das wir im letzten Wahlkampf vonseiten der SPÖ mit den Silberstein-Methoden kennengelernt haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Das ist genau das Prinzip von Herrn Silberstein, der auch bei den NEOS schon einmal als Berater tätig gewesen ist und von ihnen engagiert gewesen ist. Herr Leichtfried, das sind Methoden, aufgrund derer sich viele Bürger angewidert abwenden.

Wenn man permanent hergeht und wider besseres Wissen jemandem etwas Falsches unterstellt, so wird es deshalb nicht richtig, aber man erkennt natürlich die Boshaftigkeit dahinter. Genau das ist der Fall mit all diesen bewussten Verdrehungen, Fehl- und Missinterpretationen, um die es geht. Da wird bewusst immer wieder mit künstlicher Empörung Jagd auf den Innenminister gemacht, weil der Innenminister ein Innen­minister ist, der endlich das tut, was die letzten Jahre unter Vorgängerregierungen nicht passiert ist, nämlich unsere österreichischen Grenzen endlich schützen und nicht jeden rechtswidrig hereinlassen, wie das 2015 passiert ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Drozda und Schellhorn.)

Da gibt es einen Innenminister, der dafür Sorge trägt, dass die fehlenden Planstellen bei der Exekutive endlich gefüllt werden (Abg. Heinisch-Hosek: Die sind unter Schwarz-Blau weggekommen!), indem über 4 200 neue, zusätzliche Planstellen bei der Exekutive geschaffen werden. Das ist das, was Vorgänger all die Jahre nicht gemacht haben. (Abg. Leichtfried: Wer war sein Vorgänger? Der Vorgänger sitzt da oben!) Endlich passiert da etwas. Da gibt es einen Innenminister, der zu Recht sagt: Meine Verantwortung ist es, die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung auch zu gewährleisten. (Abg. Wittmann: So schlecht war der Sobotka auch nicht!) Meine Verantwortung ist es, dort, wo es Fehlentwicklungen gibt oder wo Gesetze, die kritisch zu hinterfragen sind, vorhanden sind, das auch anzusprechen und aufzuzeigen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 152

Genau das hat er getan, als er festgestellt hat, dass es eine Situation gibt, in der die überwiegende Mehrheit der österreichischen Bevölkerung – es gibt dazu im Übrigen auch Umfragen, nämlich über 77 Prozent der österreichischen Bevölkerung geben ihm da recht – zu Recht darüber empört ist, dass Asylwerber, die schwere Straftaten wie Raub, Einbruch oder schwere Gewalttaten begehen, Menschen mit Messern brutal niederstechen, schwere Sexualstraftaten begehen, nicht abzuschieben sind. (Abg. Wittmann: Das stimmt ja nicht!) Dafür fehlt jedem Bürger zu Recht das Verständnis. (Abg. Heinisch-Hosek: Schwerverbrecher werden abgeschoben!) Das muss diskutiert werden, und genau das hat Innenminister Herbert Kickl auch zur Diskussion gestellt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Er hat zu keinem Zeitpunkt in der aktuellen Debatte und auch seit Bestehen des Regie­rungsprogramms die Europäische Menschenrechtskonvention oder die Menschen­rechte als solche infrage gestellt. (Abg. Wittmann: Können Sie nicht lesen?) Er hat gesagt: Wir müssen alle gesetzlichen Notwendigkeiten überprüfen und auch die notwendigen Änderungen herbeiführen, dass solche – ich sage es bewusst – falschen Gesetze, die Täter schützen, endlich auch geändert werden. Und darum geht es.

Dass das manche in diesem Land stört, das sollte man aufzeigen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Und dass die SPÖ und die NEOS und vielleicht die Liste JETZT ein Problem damit haben, dass schwere Straftäter abgeschoben werden sollen, das sollten Sie der Öffentlichkeit auch offen und ehrlich sagen und mitteilen. (Abg. Gudenus: Willkom­mensklatscher!) Das ist der eigentliche Hintergrund der Debatte und genau darum geht es. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Plessl: Das stimmt ja nicht! – Abg. Heinisch-Hosek: Das ist geltendes Recht!)

Selbstverständlich hat niemand die Menschenrechte infrage gestellt (Abg. Schieder: Selbstverständlich! – Abg. Drozda: Niemand hat die Absicht ...!), und selbstverständ­lich hat niemand die Grundrechtecharta in Frage gestellt (Abg. Leichtfried: Nein!), aber selbstverständlich und zum Glück sind auch die Menschenrechte einer permanen­ten Veränderung ausgesetzt, mit Ergänzungen, mit Abänderungen. Seien wir dafür dankbar, sonst hätten wir nämlich heute noch die Todesstrafe. Es ist gut und richtig, auch dort Weiterentwicklungen vorzunehmen und darüber zu diskutieren. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, genau darum geht es, wenn von Recht und Gerechtigkeit gesprochen wird.

Herr Innenminister Herbert Kickl hat zu Recht gesagt, dass die Politik die Gesetze beschließt. Wer ist die Politik in einer repräsentativen Demokratie? – Das sind die ge­wählten Volksvertreter, der Gesetzgeber, die Legislative, das sind natürlich die Parla­mentarier. Es gibt eine Gewaltenteilung mit der Exekutive und der Judikative. Die Gesetze, die beschlossen werden, sind dann auch zu vollziehen und natürlich für alle gültig, aber diesen Gesetzen muss eine Wirkung verschafft werden, es müssen Gesetze hinterfragt werden, und da folgt natürlich das Recht der Politik, denn da sitzt die Politik, die Gesetze zu bewerten, zu beurteilen und gegebenenfalls abzuändern hat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Genau das ist die Debatte, um die es geht, und Sie als Abgeordnete haben die Ver­antwortung, gute und richtige Vorschläge, auch von Ministern, zu bewerten und am Ende eine Abstimmung durchzuführen. Sie können sagen: Der Innenminister will, dass Asylwerber, die schwere Straftaten begehen, abgeschoben werden (Abg. Plessl: Das passiert ja jetzt auch schon!), aber damit sind wir nicht einverstanden, weil das unserer Auffassung nach nicht den Grundrechten entspricht! Das können Sie sagen, das ist legitim. Das ist die Debatte, um die es geht (Zwischenruf bei der SPÖ), und genau


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diese Debatte ist zu führen und muss geführt werden. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Frau Abgeordnete Griss, gerade während unseres EU-Ratsvorsitzes im letzten halben Jahr haben wir im Bereich der Asyl- und Migrationspolitik einiges weitergebracht und auch einiges diskutiert und eingefordert. Unter anderem haben wir diese Debatte, die wir jetzt hier weiter führen, auf EU-Ebene geführt. Wir haben auf EU-Ebene die Statusrichtlinie abändern wollen und dies dort auch verlangt. Diese Debatte führen wir deshalb auch weiter, weil die Statusrichtlinienänderung notwendig ist, weil es nicht sein kann, dass schwere Straftäter geschützt werden. Der Opferschutz, wie Sie richtig sa­gen, hat im Sinne von Grundrechten und Menschenrechten in den Vordergrund gestellt zu werden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Genau!)

Es wären viele Straftaten zu verhindern gewesen. Die Mörder der vergangenen Jahre haben Vorgeschichten gehabt. Diese Vorgeschichten liegen ja auf, die sind ja evident – jemand, der mit Gewalttaten, mit anderen Straftaten, mit schweren Straftaten, mit unter­schiedlichsten Verbrechen auffällig geworden ist –, aber wir haben nicht die gesetzlichen Grundlagen, solche Menschen außer Landes zu schaffen, und es sind dann später leider Gottes irgendwann schwerere Gewalttaten und schwerste Ver­brechen wie Mord, Vergewaltigung oder anderes passiert.

Genau das wäre verhinderbar, wenn wir das gesetzliche Rüstzeug hätten, frühzeitig schon eingreifen zu können und solche Herrschaften, die Verbrecher sind, auch konsequent außer Landes zu bringen. (Abg. Heinisch-Hosek: Das haben wir! – Abg. Meinl-Reisinger: Das haben Sie! Machen Sie es!) Das erwartet die österreichische Bevölkerung. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich komme zum Schluss: Alle Kritiker von Innenminister Herbert Kickl wissen das ganz genau, sie wissen ganz genau, dass die Politik vom Volk gewählt wird, dass hier die Politik das Recht beschließt, nämlich Gesetze, wir alle uns daran halten – na selbstverständlich –, wir aber auch die Verantwortung und die Verpflichtung haben, Gesetze zu verändern, wenn sie nicht gut oder nicht richtig sind, vor allen Dingen dann, wenn sie im Interesse der österreichischen Bevölkerung veränderbar sind. – Darum geht es. Wenn es um konsequente Sicherheit für die österreichische Bevölke­rung geht, haben wir diese Verantwortung. Ich bin dem Innenminister dankbar, dass er das offen anspricht und diese Diskussion auch gestartet hat. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ und Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.53


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Mahrer ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


16.53.56

Abgeordneter Karl Mahrer, BA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bun­deskanzler! Herr Vizekanzler! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Da uns Peter Pilz zu Beginn ein wenig verwirrt hat – also mich zumindest –, möchte ich mit einem Zitat beginnen. Das Zitat lautet:

Ich habe zu keinem Zeitpunkt die Europäische Menschenrechtskonvention oder die Men­schenrechte als solche in Frage gestellt. Genauso wenig geht aus meinen kritisierten Aussagen hervor, dass irgendjemandem die Menschenrechte abge­sprochen werden sollen oder Österreich aus internationalen Verträgen austreten soll. Das hält auch das Regierungsprogramm fest, das ich nie in Zweifel gezogen habe.“

Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat Bundesminister Herbert Kickl am vergangenen Freitag ganz klar schriftlich und mündlich festgestellt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Klaus Uwe Feichtinger: Nicht freiwillig!)


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Aber, meine Damen und Herren, ich glaube, es geht vielen ja nicht um den Sachverhalt und um Argumente. (Abg. Wurm: Eh nicht!) Ich spüre, es geht sehr oft um Kampagni­sierung. Es geht mangels anderer Argumente auch um Kampagnisierung gegen das Feindbild Herbert Kickl. (Abg. Wurm: Genau!)

Meine Damen und Herren, ich teile mit Frau Meinl-Reisinger ein Schicksal: Ich kriege auch viele Mails. Viele Abgeordnete der Volkspartei haben Mails und Anrufe beko­mmen, teilweise mit sehr vagen Inhalten, teilweise kann man hineinkopierte Textstellen erkennen – also irgendwie ein bisschen komisch. Das ist nur komisch, aber das Dirty Campaigning geht weiter. Ich erinnere, es ist heute kurz angesprochen worden: Ein Video zeigt Bundesminister Herbert Kickl in direktem Vergleich mit Adolf Hitler. Das ist unter der Gürtellinie und das lehne ich ab. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Lausch: Unfassbar! – Abg. Steger: Das ist Verleumdung! – Abg. Rosenkranz – in Richtung SPÖ –: Das sind Ihre Leute!)

Aber, meine Damen und Herren, es ist ja alles nicht so schlimm, denn mich beein­drucken die ehrlichen persönlichen Rückmeldungen von Bürgern wesentlich mehr, und da erinnere ich mich auch an den vergangenen Freitag in Alterlaa. Bei der U6-Station ist ein Bürger, der mich als Abgeordneten kennt, auf mich zugekommen und hat gesagt: Ich muss Ihnen etwas sagen: Ich bin seit 42 Jahren Mitglied der SPÖ, aber diese Partei hat uns vergessen. Ihr macht es richtig, bitte macht weiter so! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Zanger: Das sind sehr viele! In der Steiermark sind das sehr viele! – Abg. Leichtfried: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?)

Ganz kurz noch, meine Damen und Herren, zu den Fakten: Diese Bundesregierung und Herbert Kickl setzen erfolgreich die Sicherheitsoffensive, die Aufnahmeoffensive und auch das Sicherheitspaket um. Erinnern Sie sich daran: Wir sorgen dafür, dass die Polizisten in Österreich zeitnah, realitätsnah und vor allem sicher arbeiten können.

Meine Damen und Herren, eines, glaube ich, sollte man zum Schluss noch sagen, und das sage ich Ihnen aus meiner Erfahrung als Polizist: Diese Bundesregierung und auch Bundesminister Herbert Kickl bemühen sich in ihrer Verantwortung um Lösungen für Probleme (Abg. Plessl: Er macht auch Probleme!), die ich als Polizist sehr genau kennengelernt habe. Es gibt in Österreich tatsächlich einzelne Menschen, die hier Schutz vor Verfolgung genießen und im Wissen dieses Schutzes strafbare Handlungen begehen: Suchtgifthandel, Messerattacken und andere Straftaten, vom Diebstahl bis zur Körperverletzung, von der Vergewaltigung bis zum Mord. Es versteht keiner in unserem Land, weder ein Polizist oder eine Polizistin noch ein Bürger oder eine Bürgerin, dass diese Menschen in Österreich bleiben können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Lausch: Genau! – Abg. Plessl: Warum schiebt ihr sie nicht ab?)

Meine Damen und Herren, genau diese Herausforderungen müssen wir ansprechen und möglichst gemeinsam lösen. Wir sind also aufgefordert, Argumente nicht gleich zur Seite zu schieben, sondern uns ernsthaft damit zu befassen – die Ansätze dazu haben wir heute in der Diskussion schon gehört –, auf dem Boden, meine Damen und Herren – und dieses Zitat hat Herbert Kickl am Beginn des ORF-„Report“ auch gesagt –, der Rechtsstaatlichkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Mein Schlusssatz: Meine Damen und Herren von der Opposition, insbesondere von der SPÖ, beenden Sie bitte das Dirty Campaigning in allen Lagen, mit allen Fotos und Videos, Sie haben das eigentlich nicht nötig. (Abg. Rosenkranz: Wenn man so verzweifelt ist!) Geben Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, den Versuch auf, einen Keil zwischen die Regierungsparteien zu treiben! Diese Regierungskoalition zwischen FPÖ und ÖVP ist eine gut funktionierende Koalition, eine Koalition zweier unterschiedlicher Parteien. Ihr Versuch, uns auseinanderzutreiben, ist ein untauglicher


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Versuch. (Abg. Leichtfried: Habt ihr das von Tschürtz mit dem Moser-Rücktritt schon gelesen? Vielleicht lest ihr das einmal!)

Diese Bundesregierung, meine Damen und Herren, steht für ein sicheres Österreich, diese Bundesregierung steht für einen Rechtsstaat auf dem europäischen Rechte­fundament. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

16.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Duzdar ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


16.59.26

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen auf der Galerie! Herr Kollege Mahrer, Sie waren doch einmal Polizeipräsident (Abg. Neubauer: Sie waren einmal Staatssekretärin!), daher müssten Sie eigentlich wissen, dass es in Österreich so ist, dass straffällige Asylwerber, denen der Asylstatus ab­erkannt wird, nach dem Asylgesetz ausgewiesen und auch abgeschoben werden. Ich erwarte mir von Ihnen eigentlich, dass Sie mit den österreichischen Gesetzen vertraut sind. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rosenkranz: Stimmt aber so nicht! Stimmt aber so nicht, nein! – Ruf bei der FPÖ: ... verdrehen!)

Es ist so! Wenn Sie die Asylgesetze kennen, dann wissen Sie, dass es so richtig ist. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, ich habe Ihnen heute bei Ihrem Eingangsstatement gut zugehört. Sie haben viel gesagt und gleichzeitig haben Sie nichts gesagt (Zwi­schenruf des Abg. Lausch), daher kommt es nicht von ungefähr, dass Sie als Schweigekanzler dieser Republik bezeichnet werden. Was ich nämlich von Ihnen eben nicht gehört habe, ist eine klare Stellungnahme zu den radikalen und demokratie­feindlichen Aussagen Ihres Innenministers. Ganz im Gegenteil! Sie haben diese im Grunde genommen heruntergespielt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hauser: Sie haben nicht aufgepasst!)

Was ich aber noch viel skandalöser finde, ist, dass sich hier einige ÖVP-Abgeordnete herstellen und nicht nur (Abg. Belakowitsch: Was ist daran skandalös? – Ruf bei der FPÖ: Dürfen sie das nicht?) – hören Sie zu! – Kickls Verhalten verharmlosen, schön­reden, sondern im Grunde genommen Kickls Verhalten auch recht geben (Beifall des Abg. Rosenkranz – Abg. Belakowitsch: Er hat ja auch recht! – Abg. Lausch: Was stimmt daran nicht? – Ruf bei der FPÖ: ... Meinungsfreiheit!), denn wie anders soll ich es verstehen, wenn Sie auf der einen Seite sagen, die Europäische Menschenrechts­konvention darf man nicht infrage stellen, aber gleichzeitig wieder die gleichen Argu­mente bringen, die der Herr Innenminister gebracht hat? (Abg. Kitzmüller: Wahlen verlieren ist schlimm, Frau Kollegin! – Abg. Rosenkranz: Richtige Argumente bringen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Immer wieder ist dann im Zusammenhang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention die Rede von den straffälligen Asyl­werbern. Ich habe den Eindruck, dass Sie nicht verstanden haben, worum es bei der Europäischen Menschenrechtskonvention geht, nämlich darum, das menschliche Leben zu schützen (Abg. Gudenus: Ja! – weitere Ja-Rufe bei der FPÖ – Abg. Gudenus: Erzählen Sie das einmal den Opfern, die nicht mehr unter uns sind!), darum, dass jedes menschliche Leben gleich viel wert ist. Hier geht es um die demokratischen Grundrechte jedes einzelnen Bürgers in Österreich. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Nicht sozialdemokratisch, demokratisch!)

Es geht auch um unsere demokratischen Grundrechte! Das wollen Sie nicht verstehen, daher betreiben Sie nur Ablenkungsmanöver. Die Europäische Menschenrechts­kon-


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vention ist nach zwei Weltkriegen entstanden, als es auf dem europäischen Kontinent Millionen Tote gab (Abg. Hauser: Wenn Sie schreien, werden die Argumente auch nicht besser!), als es Vertreibung gab, als es die systematische Vernichtung von Millionen Menschen auf europäischem Boden gegeben hat. (Abg. Belakowitsch: Das stellt ja kein Mensch infrage!) Aus dieser Geschichte heraus ist die Europäische Men­schenrechtskonvention entstanden. In der Europäischen Menschenrechtskonvention stehen das Recht auf Leben, die unabhängigen Gerichte, das Recht auf freie Mei­nungs­äußerung. Das betrifft uns doch genauso! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist in Wirklichkeit die Europäische Menschenrechtskonvention, die uns von undemo­kratischen Ländern unterscheidet, von Diktaturen unterscheidet. In anderen Ländern verschwinden Menschen, werden Menschen gefoltert, und das, was uns vor diesen Grausamkeiten schützt, sind die Demokratie und der Rechtsstaat. (Beifall bei der SPÖ.)

Was macht der Innenminister? (Abg. Rosenkranz: Gute Arbeit!) – Der Innenminister führt sich auf, als ob er noch Generalsekretär einer radikalen Oppositionspartei wäre. Aus dieser Rolle ist er anscheinend noch immer nicht herausgekommen, denn verant­wortungsvoll ist das, was er tut, nicht (Abg. Rosenkranz: O ja!), ganz im Gegenteil! Ich sage Ihnen einmal etwas: Der Innenminister ist nicht in der Regierung angekommen (Beifall bei der SPÖ), stattdessen provoziert er im Wochentakt mit radikalen Aussagen.

Vielleicht haben Sie es schon vergessen: Es war ungefähr vor einem Jahr, als der Innenminister gesagt hat, er möchte Menschen in Österreich „konzentriert an einem Ort halten“. – Vor dem Hintergrund unserer Geschichte sagt er so etwas! (Abg. Steger: Und daran sieht man doch, dass Sie alles missinterpretieren! Das ist ein gutes Beispiel!) Daran sieht man doch, dass es nicht um nur eine Aussage geht, das ist doch eine Aneinanderreihung von vielen dieser demokratiefeindlichen Aussagen, die eines Innenministers nicht würdig sind. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Das bestimmen Sie?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Innenminister dieser Republik ist nicht irgendwer. (Abg. Rosenkranz: Das ist Herbert Kickl!) Er ist der höchste, der oberste Chef der Exekutive in Österreich (Abg. Gudenus: Sapperlot!), er ist der oberste Sicherheitschef. (Abg. Bösch: Richtig erkannt!) In dieser Funktion muss er sehr viel Verantwortung übernehmen und er hat sehr viel Macht. (Abg. Gudenus: Um auch Sie zu schützen!) Und genau weil er so viel Macht hat, hat er sich gefälligst an die österreichische Bundesverfassung und an die österreichischen Gesetze zu halten (Abg. Rosenkranz: Das tut er! – Abg. Belakowitsch: Ja!), so wie jeder österreichische Bürger und jede österreichische Bürgerin auch. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gudenus: Das macht die SPÖ Wien auch!)

Er ist seit 14 Monaten im Amt, und die Liste seiner Fehltritte ist unendlich lang. (Abg. Bösch: Die Liste seiner Erfolge ist unendlich lang!) Minister kann er offenbar nicht, daher fordere ich ihn im Interesse der Menschen auf, er soll seine Sachen packen, diesem Land nicht noch mehr Schaden antun und am besten heute noch zurück­treten. – Danke vielmals. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Gudenus: Peinlich, peinlich!)

17.05


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr.in Belakowitsch. – Bitte.


17.05.33

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Frau Präsidentin! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Vorrednerin! Es war


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schon ein bisschen eigenartig und chaotisch, was Sie hier jetzt abgeliefert haben. Unser Innenminister Herbert Kickl hält sich an jedes Gesetz.

Zunächst einmal wird ihm von einer Kollegin aus dem Haus – oder war es Peter Pilz? (Abg. Rosenkranz: Wer ist das?) – vorgeworfen, er bricht jeden Tag oder jede Woche Gesetze. – Ich meine, das ist ja alles irre, was Sie hier abliefern! (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Abg. Kuntzl: Was heißt irre?) Das ist ja nur noch eine linksintellektuelle Debatte, die Sie führen, weil Sie glauben, damit den Innenminister schwächen zu können – aber genau das Gegenteil ist der Fall. Mit jedem Ihrer Redebeiträge heute hat die Bevölkerung nämlich erkannt, worum es Ihnen eigentlich geht: Es geht Ihnen rein ums Anpatzen, das ist reines Anpatzen.

Dieser Innenminister hat – das hat er schon viel früher erkannt, nämlich bereits im Juni 2018 – auf europäischer Ebene angeregt, dass der Schutzstatus nicht erst bei sehr schweren Straftaten, sondern schon nach weniger schweren beziehungsweise nach mehreren nicht schweren Straftaten zu fallen hat. Er hat sich auch – und das haben vor allem Sie, Frau Kollegin Griss, kritisiert – während der Ratspräsidentschaft immer wieder dafür eingesetzt und einen Denkprozess in Gang gesetzt. Die Ge­schichte hat ihn aber leider eingeholt, und das ist wirklich traurig und da geht es nicht um ein Instrumentalisieren.

Was Sie aber bei dieser ganzen Debatte hier auslassen, ist Folgendes: Es gibt Opfer, es gibt Menschen, die jetzt keine Chance mehr auf Menschenrechte haben, weil sie von Tätern ermordet worden sind, und das muss man auch ansprechen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Bundesregierung und der Innenminister sind dazu verpflichtet, hier Handlungen zu setzen, und wenn diese Handlungen aufgrund einer gesetzlichen Grundlage eben so nicht möglich sind, muss man über Gesetze reden dürfen. Es darf keine Denkverbote geben!

Es war schon spannend, dass der Einbringer des Dringlichen Antrages und damit der Auslöser dieser Debatte, Kollege Noll, der jetzt nicht hier ist, wörtlich von der Unver­änderlichkeit der Nachkriegsordnung gesprochen hat. – Genau darum geht es Ihnen! Wahrscheinlich weinen Sie immer noch über die Ereignisse des Jahres 1989. Nichts ist unveränderlich! Wir leben in einer lebendigen Geschichte. Gesetze ändern sich, und übrigens wurde ja auch die Menschenrechtskonvention schon öfter ergänzt und adaptiert. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Eines finde ich schon bemerkenswert: Sie (in Richtung NEOS) bezeichnen sich ja als progressive Kräfte. Genau Sie sind es, die meinen, dass Gesetze in Steintafeln gemeißelt sind – offensichtlich vom Berg Sinai herabgekommen. Ich sage Ihnen etwas: Die Kirche argumentiert seit 1 500 Jahren so. Der große Unter­schied ist: Bei der katholischen Kirche kann man das glauben; wir hier hierinnen wissen es: Wir wissen, dass wir straffällige fremde Menschen im Land haben, wir wissen, dass es Asylwerber gibt, die schwere Verbrechen begehen. – Wir wissen das, und daher sind wir als Politiker verpflichtet, hier zu handeln. Das ist unsere Pflicht! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir haben uns damit nicht abzufinden! Niemals haben wir uns damit abzufinden, dass Gesetze uns in unserem Handeln behindern. Ich weiß eigentlich gar nicht, welchem Geist Sie da folgen! Ihnen sind ganz offensichtlich Opfer vollkommen egal, Sie haben sie auch nicht ein einziges Mal erwähnt. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.08


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak ist der nächste Redner. – Bitte.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 158

17.08.55

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Herr Vizekanzler, vielleicht eines vorweg: Sie haben, glaube ich, schon öfter hier gesagt – und andere Ihrer Kollegen von der FPÖ auch –, dass alle Innenminister vor Herbert Kickl ihre Arbeit nicht getan haben, Dinge falsch gemacht haben. – Ich würde Ihnen raten, sich einmal mit Nationalratspräsidenten Sobotka zusammenzusetzen und das ein für alle Mal zu klären, weil diese ständigen Anwürfe auf Sobotka und Mikl-Leitner auch ein bisschen skurril sind. (Abg. Loacker: Anpatzen des Präsidenten Sobotka!)

Zum Zweiten: Herr Vizekanzler, wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben Sie gesagt, das ist alles nur ein Missverständnis und der Herr Innenminister hat das so nicht gemeint. (Vizekanzler Strache: Bewusste Missinterpretation!) Wir haben es be­wusst missinterpretiert. – Okay, danke, dass Sie mir geholfen haben.

Wissen Sie aber, wer es dann, glaube ich, auch bewusst missinterpretiert hat? – Der Herr Bundeskanzler! Er war es nämlich, der ihn angerufen hat und das mit ihm klären wollte. Also offensichtlich haben auch andere Leute etwas bewusst missinterpretiert und nicht nur die Oppositionsparteien. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Rosenkranz: Über welchen Dienst haben Sie denn mitgehört?)

Herr Kollege Rosenkranz, es war schon der Bundeskanzler, oder? (Abg. Rosenkranz: Über welchen Dienst haben Sie denn beim Telefonat mitgehört? Das wäre interes­sant!) – Über welchen Dienst ich beim Telefonat mitgehört habe? – Herr Kollege Rosenkranz, es sind Ihre Partei und die ÖVP, die grenzenlose Freude daran haben, die Bürgerinnen und Bürger in Österreich zu überwachen. Ich habe keine Freude daran. Wenn jemand mithört, dann Sie oder der Herr Innenminister selbst. (Abg. Rosenkranz: Na, eben nicht!) In dem Fall war das nicht notwendig, weil er dabei­gesessen ist.

Fakt ist, es gibt hier offensichtlich kein Missverständnis, und wenn es eines gab, dann lag das gleiche Missverständnis beim Bundeskanzler vor, und es ist richtig, dass wir hier und jetzt endlich einmal klären, wie der Innenminister dazu steht. (Beifall bei den NEOS.)

Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, er will eine sachliche Diskussion zu dem Thema führen. Ich freue mich an und für sich über sachliche Diskussionen, ich tue mir dann ein bisschen schwer, wenn wir uns dahinter anschauen, was denn hier offenbar vielleicht auch nur missverstanden wurde. Zumindest in meiner Interpretation war es sehr klar: Der Innenminister hat gesagt, dass sich der Rechtsstaat unter Umständen selbst im Wege steht, der Innenminister hat, ja, im Fall von Asylwerbern quasi einmal infrage gestellt, ob denn gewisse Rechte, die vor langer Zeit ausgemacht wurden – in komischen Konstrukten, hat er gemeint, und eventuell auch falsch interpretiert, wie Klubobmann Gudenus das manchmal sieht –, noch zeitgemäß sind.

Da geht es ja nicht nur um diesen Einzelfall, und erstens, Herr Vizekanzler, gibt es ja jetzt schon die Möglichkeit, dass man straffällig gewordene Asylwerber ab gewissen Straftaten – da haben Sie recht, Sie haben gesagt, schwere - - (Abg. Gudenus: Ja, wenn das Opfer tot ist, wird abgeschoben!) – Herr Kollege Gudenus, der Herr Vize­kanzler hat explizit von schweren Straftaten gesprochen. (Vizekanzler Strache: Bei schweren Straftaten wie Mord!) – Das ist vollkommen richtig, ja, darunter geht es nicht. Ich glaube auch, dass wir ernsthaft darüber diskutieren müssen, und das ist auch das, was wir auf europäischer Ebene diskutieren müssen, weil es momentan dort geregelt ist. (Abg. Rosenkranz: Genau! Das hat Kickl bereits Mitte 2018 begonnen!)


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Herr Kollege Rosenkranz, was der Innenminister gemacht hat, war eben nicht das. (Abg. Belakowitsch: Doch, das hat er schon gemacht!) Er hat gesagt, der Rechtsstaat steht sich selbst im Wege, und es gibt einen massiven Unterschied zwischen dem, ob man politisch darüber diskutiert, dass man die Statusrichtlinie ändert, oder ob man sagt, dass sich der Rechtsstaat selbst im Wege steht. Das sollten gerade Sie als Jurist eigentlich auch verstehen. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Rosenkranz: Und Sie sollten richtig zitieren! Das ist immer das Problem!) – Ich schreibe leider Gottes nicht alle Zitate des Innenministers mit und nehme sie hier mit nach vorne, das ist auch nicht notwendig. (Abg. Rosenkranz: Nein, nein, da braucht man nur beim ORF ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Der Punkt ist: Wenn man die Grundrechte, auch über so einen Beispielfall, de facto infrage stellt, dann geht es ja auch um meine Grundrechte und die Grundrechte von acht Millionen Bürgerinnen und Bürgern in Österreich. Da geht es um das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, da geht es um das Grundrecht des Rechts auf Privatleben und so weiter und so fort – alle Grundrechte von acht Millionen Österreicherinnen und Österreichern, und genau die wollen wir auch entsprechend schützen.

Kollege Gerstl hat gemeint – darauf muss ich noch eingehen –, die Opposition wirft der Regierung nie vor, dass sie etwas Verfassungswidriges macht, und deswegen verstehen sie das nicht. – Ich habe nur kurz „Scherak“ und „verfassungswidrig“ ge­googelt: Ich glaube, ich habe im letzten Dreivierteljahr der Bundesregierung fünfmal vorgeworfen, dass sie verfassungswidrige Dinge macht. (Ruf bei der FPÖ: Guinness-Buch!) Wir erinnern uns an das Überwachungspaket mit dem Bundestrojaner, wir erinnern uns an die Diskussion um die Ehe für alle, wo der Verfassungsgerichtshof etwas als verfassungswidrig aufgehoben hat – Ihre Idee war übrigens, das danach in den Verfassungsrang zu heben. – So viel wiederum zum Umgang mit der österreichi­schen Verfassung.

Wir erinnern uns an die Fluggastdatenspeicherung, die höchstwahrscheinlich wiede­rum verfassungswidrig ist, und wir erinnern uns an Ihr komisches Konstrukt mit dem Sozialversicherungsrecht, als Sie der Sozialministerin quasi einmal irgendwelche Vorbereitungshandlungen erlauben wollten, ohne dass es ein entsprechendes Recht gibt. Also ich glaube, wir werfen der Bundesregierung zu Recht sehr oft vor, dass sie verfassungswidrige Dinge macht. (Abg. Rosenkranz: Und noch öfter unberechtigt!) – Ich glaube nicht, dass es öfter unberechtigt ist, Herr Rosenkranz. (Abg. Rosenkranz: Sie brauchen nur zählen! Sie brauchen nur nachgoogeln!) – Ich erinnere mich, Sie waren das beim letzten Mal, der auch das Staatsschutzgesetz vor den Verfassungsge­richtshof gebracht hat. – Leider Gottes ist dort entschieden worden, dass es nicht ent­sprechend verfassungswidrig ist. (Abg. Rosenkranz: Also war es offensichtlich verfas­sungskonform!)

Ein letzter Punkt, der mir sehr wichtig ist – Kollege Amon ist heute leider nicht da, er ist entschuldigt –: Kollege Amon hat, glaube ich, vor ein paar Monaten in Richtung Innen­minister gesagt: Herr Innenminister, Vertrauen erschöpft sich dadurch, dass man es in Anspruch nimmt.

Meine Frage, insbesondere an die ÖVP, lautet, wie viel Vertrauen der Innenminister aus Ihrer Sicht noch in Anspruch nehmen kann. – Ich glaube, dieses Vertrauen sollte schon längst weg sein. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.14


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jan Krainer. – Bitte.



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17.14.17

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe dieser Debatte jetzt schon mehr als zwei Stunden lang relativ intensiv zugehört (Ruf: Wir alle!), deshalb ein paar Anmerkungen.

Die erste: Die Behauptung, dass Kickl nur missverstanden worden wäre und dass es hier nur um eine aktuelle Debatte ginge, halte ich für falsch. – Wenn Sie das googeln, werden Sie sehen, dass Minister Kickl schon vor Jahren, auch vor der Flüchtlingskrise, bereits genau dasselbe gesagt hat. Er hat immer schon die Europäische Menschen­rechtskonvention infrage gestellt, auch vor der Flüchtlingskrise. Dass die Mitglieder der FPÖ das verteidigen, wundert mich nicht, weil es ja auch in ihrem Wahlprogramm steht. Dass die FPÖ gegen die Menschenrechtskonvention in der jetzigen Form ist, ist nichts Neues, das ist ihr Wahlprogramm. (Abg. Gudenus: Die wurde schon 17-mal geändert, die EMRK!) Das ist erschreckend, ja, aber die ÖVP sollte das eigentlich wissen.

Das Zweite betrifft diese Diskussion, ob jetzt Recht der Politik oder Politik dem Recht folgen sollte. – Ich finde, Kant hatte recht: Niemals darf das Recht der Politik folgen, sondern immer nur die Politik dem Recht. – Selbst wenn hier etwas mit Zweidrit­telmehrheit beschlossen wird, was zum Beispiel klar gegen die Menschenrechte ist, wird es deswegen nicht Recht, sondern bleibt Unrecht! Dann bleibt es Unrecht! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Aber Kant ist ...! – Abg. Gudenus: Wie weit dieses Recht gültig ist ..., sondern genau das Gegenteil! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es ist genau so, denn ich sage Ihnen: Dort wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht. (Beifall bei der SPÖ.) – Jene Leute, die gegen Unrecht aufgestanden sind, auch wenn mitunter Parlamente dieses Unrecht beschlossen haben, auch wenn mit­unter angeblich eine Mehrheit der Bevölkerung dafür gewesen wäre, sind meine Helden der Geschichte. (Abg. Gudenus: Sie sind gegen die Abschiebung von straf­fälligen Asylwerbern! Na bravo!) Das sind die Helden der Geschichte, und nicht die, die dieses Unrecht vollzogen haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Gudenus: Sie leisten Widerstand gegen die Abschiebung von straffälligen Asylwerbern!) Dass wir hier 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges darüber debattieren müssen, das erschreckt mich wirklich, und dass es eine Regierungspartei gibt, die dazu stehen will, das entsetzt mich wirklich. (Abg. Gudenus: Abschiebung von straffälligen Asyl­werbern wollen Sie nicht diskutieren – alles klar!)

Es gibt keinen Minister in dieser Regierung und meiner Erinnerung nach auch nicht in den letzten Jahrzehnten in der Politik, der mit dem Rechtsstaat (Rufe bei der FPÖ: Wo?), mit der Frage von Demokratie, mit der Frage von Meinungsfreiheit und mit der Frage von Menschenrechten so in Konflikt geraten ist wie Innenminister Kickl. (Abg. Rosenkranz: Und mit der Linken!) Ich habe keinen erlebt. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ganz ehrlich: Für mich ist diese rote Linie lange überschritten (Abg. Gudenus: Das haben die Roten so an sich!), und wenn ich sehe, dass dieser Innenminister jetzt unter den Augen von Bundeskanzler Kurz, unter den Augen der ÖVP auf den Trümmern des BVT dabei ist, sich einen eigenen FPÖ-Geheimdienst aufzubauen – mag sein, dass der Ausdruck blaue Stasi überspitzt ist (Zwischenruf der Abg. Steger); das mag sein, aber auf FPÖ-Geheimdienst werden wir uns wohl einigen können (Heiterkeit des Abg. Rosenkranz – Abg. Zanger: Du machst einem Fantasy-Autor Konkurrenz, das weißt du eh, gell?) –, sage ich: Wer jemanden, der gezeigt hat, was ihm Parlamentarismus, was ihm Demokratie, was ihm Meinungsfreiheit bedeuten, welchen Stellenwert das in


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seinem Leben hat, das machen lässt, der macht sich mitverantwortlich für das, was Minister Kickl macht.

Für mich ist die rote Linie längst überschritten, und ich kenne eine ÖVP, für die diese rote Linie auch schon lange überschritten wäre. Ich bin gespannt, wie die ÖVP heute zur Frage Menschenrechte steht, ob das eine rote Linie ist oder nicht. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Zinggl.)

17.18


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Petra Steger zu Wort. – Bitte.


17.18.10

Abgeordnete Petra Steger (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Herr Bundeskanzler! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren Zuseher vor den Fernsehgeräten! Wenn Sie bis jetzt noch nicht gewusst haben, was das Übel, das Gefährliche, das Böse schlechthin ist, dann brauchen Sie nur der Opposition zuzu­hören oder ein paar Zeitungen in diesem Land aufzuschlagen. – Nein, das Böse und das Gefährliche ist nicht die schleichende politische Islamisierung, nein, das Böse sind nicht diejenigen, die die zahlreichen Frauenmorde, die wir in den letzten Wochen mit­erlebt haben, begangen haben – über die ich heute kein einziges kritisches Wort von Ihnen (in Richtung SPÖ) gehört habe, das sollten Sie auch einmal überdenken –, nein, sehr geehrte Damen und Herren, das Schlechte und Böse ist Herbert Kickl! – Es wird mit negativen Superlativen nur so um sich geschmissen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das Einzige, für das wir, die FPÖ, wirklich eine Gefahr darstellen, ist Ihre sozialistische Politik der vergangenen Jahre, eine Politik, die sich nur darum bemüht hat, die Täter und nicht die Opfer zu schützen, und diese Gefahr bin ich – und sind wir – gerne in diesem Land. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Anstatt dass Sie endlich mit sachlichen Argumenten und inhaltlicher Arbeit die wichtige Oppositionsrolle in diesem Land wahrnehmen, erleben wir eine noch nie dagewesene moralische Bankrotterklärung vonseiten der vereinigten Linken, bei der das mediale Bashing, bei der die mediale Vernichtung eines Menschen auf der Tagesordnung steht, bei der Aussagen vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen werden, bei der in Aussagen vorsätzlich – vorsätzlich! – das Übelste hineininterpretiert wird, bei der Aus­sagen unterstellt werden, die nie getätigt wurden. Es gibt keine Spur von Objektivität und Sachlichkeit von dieser Seite (in Richtung SPÖ) in diesem Plenarsaal, sehr geehrte Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie schrecken vor überhaupt nichts zurück, wenn es darum geht, Menschen mit ande­rer politischer Gesinnung zu diffamieren. Es ist Ihnen dabei anscheinend vollkommen egal, dass hinter dem Innenminister auch ein Mensch steckt, ein Mensch, der sich noch dazu seit Jahren für die österreichische Bevölkerung, für die Interessen der öster­reichischen Bevölkerung eingesetzt hat, für die Rechtsstaatlichkeit, für die Demokratie in diesem Land (Heiterkeit des Abg. Schieder) – was man von Ihnen nicht sagen kann! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich kann nur sagen: Sie sollten endlich mit diesen unglaublichen NS-Vergleichen auf­hö­ren. Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist eine Verharmlosung der Geschichte, die dringend einmal überdacht gehört! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber kommen wir zur eigentlichen Aussage von Innenminister Herbert Kickl. Wie kann man im Zusammenhang mit der Aussage, das Recht hat sich nach der Politik zu rich­ten, eine Gefährdung der Demokratie heraufbeschwören? Diese Vorgangsweise zeigt nur eines: Sie tun alles, um den Innenminister anzupatzen – Dirty Campaigning à la


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Silberstein, das Sie seit dem letzten Wahlkampf noch immer nicht abgestreift haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Rendi-Wagner.)

Sie behaupten ernsthaft, das würde dem Legalitätsprinzip widersprechen, wonach die gesamte staatliche Verwaltung nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden kann. Doch das kann man beim besten Willen nicht hineininterpretieren. Im Gegenteil: Er hat im „Report“ ausdrücklich wortwörtlich gesagt, dass wir alle „selbstverständlich [...] auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit“ stehen und handeln. – Zitat Herbert Kickl. Doch das blenden Sie wieder einmal bewusst aus. Es ist nichts anderes als das Verbreiten von Fake News, was Sie da betreiben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

So wie wir alle uns selbstverständlich auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit bewegen, sollten Sie sich einmal auf dem Boden der Fakten bewegen. Wer sagt, bitte, dass unter dem Begriff Politik nur die Verwaltung zu subsumieren ist? Sind wir Abgeordnete keine Politiker? Das heißt, wenn er sagt, das Recht hat sich nach der Politik zu richten, könnte er damit nicht auch die Gesetzgebung, wie es verfassungsrechtlich vorgesehen ist, gemeint haben? Und ist es nicht gerade Aufgabe von uns Politikern, Gesetze zu beschließen, also Recht und eine Rechtsordnung zu schaffen? Bestehende Gesetze, egal, auf welchem Rang, sind nicht in Stein gemeißelt. Sie haben sich nach der Politik – ist gleich dem Gesetzgeber –, und die Politik hat sich wiederum nach den Bedürfnissen der Bevölkerung zu richten – gemäß Artikel 1 unseres Bundes-Verfas­sungs­gesetzes, wonach das Recht vom Volk ausgeht.

Der große Teil der Gesetze, die wir hier beschließen, kommt noch dazu von den Minis­tern in Form von Regierungsvorlagen. Auch das ist ein Faktum, und es ist eben gerade Aufgabe von Innenminister Herbert Kickl, auch diese bestehenden Gesetze, die zum Beispiel Straftäter schützen, zu hinterfragen und zu diskutieren. Und selbstverständlich ist das auch ein Recht, das die EMRK durch die Meinungsfreiheit gewährleistet, dass man Gesetze auch infrage stellen kann – was Sie hier anzweifeln, sehr geehrte Damen und Herren.

Ausgerechnet Sie brauchen nicht von Demokratie zu sprechen, denn eines möchte ich Ihnen zum Abschluss auch einmal sagen: Herbert Kickl ist ein lupenreiner Demokrat, von dem Sie, so manche von Ihnen, sich ein Stück Demokratie abschneiden könnten. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.23


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Dipl.-Ing.in Bißmann, Sie sind die nächste Rednerin. Bitte.


17.23.50

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Prä­sidentin! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Ge­schätzter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Ein sehr ernstes Thema heute – ich finde es gut, dass Sie hier sind. Im Zuge der Recherchen für meine Rede heute Vormittag während der Europastunde bin ich auf ein Zitat eines Mannes namens Adolf Hitler gestoßen, das lautet (Abg. Lausch: Also bitte!): „Nicht der Staat befiehlt uns, sondern wir befehlen dem Staate!“

Mich hat das alarmiert. Mich hat das schon sehr stark an die kritisierte Aussage unse­res Innenministers erinnert (Abg. Lausch: Geh bitte!), der kürzlich im ORF – das kann man per Video online nachhören – verlautbarte: „Das Recht“ hat „der Politik zu folgen [...], und nicht die Politik dem Recht.“ (Abg. Kitzmüller: Jetzt hat sie es noch immer nicht verstanden! Wir haben das schon hundertmal erklärt!)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 163

Geschätzter Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler! Wundern Sie sich nicht über die aktuelle Aufregung im Land, in der Bevölkerung! Die beiden Aussagen ähneln einander stark: In beiden Aussagen nämlich stellen sich machthabende Politiker über den Rechts­staat, über die Verfassung. Herr Bundeskanzler, ich frage Sie: Welche Vorbild­wirkung hat ein Innenminister, der eigentlich das Recht vertreten und die Verfassung schützen soll, wenn er mit so einer Aussage droht, sich über das Gesetz zu stellen?

Geschätzter Kollege Mahrer! Geschätzte Kollegin Steger! Ich möchte nicht Hitler mit Kickl vergleichen, auf gar keinen Fall – das ist nicht vergleichbar (Abg. Herbert: Aber das hat ein SPÖ-Bezirksrat gemacht!) –, aber ich möchte darauf hinweisen, dass die Aussagen eines Herbert Kickl in diesem Land, in dem es immer noch Zeitzeugen des letzten Weltkrieges gibt, diese Menschen an die Worte und Taten eines Adolf Hitler, auch eines Engelbert Dollfuß, erinnern. Seien Sie sich dessen bewusst – das ist der Grund der Aufregung im Land momentan. (Abg. Wöginger: Den haben die Nazis er­schos­sen, den Dollfuß! – Abg. Rosenkranz: Ich bin mir nicht sicher, ob sie das weiß!) Es ist auch eines Innenministers einfach nicht würdig – das ist einfach nicht möglich als Innenminister.

Und wie bei der zum Hitlergruß erhobenen rechten Hand eines jungen Burschen­schafters letzte Woche folgen auch dieser Aussage des Innenministers Rechtferti­gungen, Zurückrudern, Beschwichtigungen, Relativierungen. Das kennen wir alles schon sehr gut.

Ich habe einen Vorschlag: Ernennen Sie den Innenminister zum Rechtfertigungs­minis­ter! (Abg. Lausch: Bitte hören Sie auf!) Dann wäre er in seinem Element.

17.26


Präsidentin Doris Bures: Mir liegt nun eine Wortmeldung zu einer tatsächlichen Berichtigung vor: Frau Abgeordnete Johanna Jachs. – Bitte. (Abg. Lausch: Das ist jetzt notwendig!)


17.26.41

Abgeordnete Mag. Johanna Jachs (ÖVP): Abgeordneter Peter Pilz hat hier behaup­tet, ich hätte ihm unterstellt, er hätte im Untersuchungsausschuss Beamte zum Amts­miss­brauch angestiftet.

Ich berichtige tatsächlich: Ich habe gesagt: „Wie wir aus den Untersuchungsaus­schüssen wissen“, und beziehe mich auf einen Artikel der „Kronen Zeitung“ (Zwischen­ruf des Abg. Rossmann) vom 4.9.2018, aus dem ich zitiere:

„Neues juristisches Problem für Peter Pilz“ (Zwischenruf des Abg. Noll) „Wie krone.at heute [...] berichtete, könnte eine Aktennotiz den Fraktionsführer Peter Pilz belasten. Darin ist notiert, wie Pilz als Privatmann, ohne politisches Mandat, am 12. März dieses Jahres versucht haben soll, illegal zu einem Video über die Hausdurchsuchung beim BVT zu kommen.“ (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.27


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, das war jetzt zwar keine tatsächliche Berichtigung (Abg. Haider: O ja! Doch! – Rufe bei der FPÖ: O ja!), aber ich werte es als persönliche Erwiderung auf die tatsächliche Berichtigung des Herrn Abgeord­neten Pilz. – Ich würde Sie ersuchen, wenn ich am Wort bin, mir auch die Möglichkeit zu geben, der Abgeordneten das mitzugeben, denn das sieht die Geschäftsordnung so vor. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Nun gelangt Herr Abgeordneter Klubobmann Rosenkranz ebenfalls zu einer tatsäch­lichen Berichtigung zu Wort. – Bitte, Herr Klubobmann.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 164

17.28.27

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Frau Abgeordnete Bißmann hat zuletzt hier vom Rednerpult aus behauptet, dass letzte Woche ein junger Burschenschafter mit Hitlergruß gezeigt wurde.

Ich berichtige tatsächlich: Dieses Foto ist aus einem Video herausgenommen worden, in dem man eindeutig sieht, dass dieser junge Mann gewunken hat. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Zu Ihrem Gelächter: Winken ist eine Bewegung, und der Hitlergruß ist ein starrer, aus­gestreckter Arm – nur damit Sie es wissen. Aber es dient Ihren Diffamierungs­ver­suchen. Tal Silberstein lässt grüßen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Jarolim: ... drei Bier ...! – Abg. Zanger: ... ein Denunziantenhaufen, das wisst ihr eh! )

17.29


Präsidentin Doris Bures: Nun liegt mir noch eine weitere Wortmeldung vor: Herr Abgeordneter Karl Nehammer. – Bitte.


17.29.21

Abgeordneter Karl Nehammer, MSc (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätztes Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bundeskanzler (Ruf bei der SPÖ: Hört nicht einmal Ihnen zu!) hat seine - - Es ist schon spannend: Man fängt erst an, und die SPÖ wird nervös. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Lassen Sie mich einen freundschaftlichen Gruß vorausschicken: Fürchtet euch nicht, Genossinnen und Genossen!

Aber: Der Bundeskanzler hat klargestellt, der Vizekanzler hat klargestellt, ebenso wie der Innenminister, dass das Handeln dieser Bundesregierung auf dem Boden der Ver­fassung stattfindet, natürlich unter Beachtung der Europäischen Menschenrechtskon­vention (Zwischenrufe bei SPÖ und NEOS), aber, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, schäbig wäre es, wenn die Politik die schrecklichen Ereignisse aus dem Jänner ignorieren würde. Dieses Haus, diese Mandatarinnen und Mandatare, die Bundes­regie­rung sind dafür da, die Probleme der Menschen zu erkennen (Abg. Meinl-Reisinger: Das tun wir!) und dafür Lösungen zu finden – im Rahmen der Gesetze, im Rahmen der Verfassung und im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskon­ven­tion. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Was mich aber wirklich nachdenklich stimmt, sind das Klima dieser Diskussion (Ruf bei der SPÖ: Ja!) und das Handeln der Opposition, hier im Speziellen der SPÖ, und heute wiederholt. Herr Kollege Laimer, weil Sie es offensichtlich nicht verstehen wollen, versuche ich, es in Ihrer Sprache darzulegen, und habe auch ein Taferl mit. (Der Red­ner zeigt eine Tafel, auf der unter dem Namen des Abgeordneten Laimer zwei vergrößerte Briefmarken abgebildet sind: eine historische Briefmarke mit einem Porträt von Engelbert Dollfuß und eine in gleicher Aufmachung mit einem Porträt von Se­bastian Kurz.)

Das ist geschichtsrelativierend! Das ist das, was Kollege Laimer in seiner Freizeit macht, indem er Briefmarken verfälscht und einen demokratisch legitimierten, vom Bundespräsidenten angelobten Bundeskanzler mit dem Kanzlerdiktator auf die gleiche Stufe stellt. Herr Laimer, Sie haben die Geschichte nicht verstanden! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.  Zwischenrufe bei der SPÖ.)


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Diese Relativierung der Geschichte, auch wenn der Herr Schieder noch so schreit, das ist Ihre Ahnungslosigkeit, das ist die Verharmlosung der Geschichte. (Abg. Schieder: Lächerlich!) Das ist die Relativierung, und Sie greifen damit, vielleicht auch aus Unwissenheit oder aufgrund ideologischer Scheuklappe, das demokratiepolitische Rechtssystem unserer Republik Österreich an. Sie beschädigen die Verfassung, und Sie beschädigen damit das Demokratieverständnis! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.  Abg. Jarolim: Warum hatten Sie jahrzehntelang dieses Bild in Ihrem Klub? Warum?)

Vielleicht fängt es die Kamera ein: Herr Schieder zeigt immer mit dem Finger. Es gibt einen alten Spruch: Wer mit dem Finger zeigt, auf den zeigen die anderen Finger zurück.

Frau Kollegin Rendi-Wagner, ich muss schon sagen, mich erstaunt eines sehr: Sie sind angetreten, um angeblich einen neuen Stil auch in der SPÖ zu leben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Warum schulden Sie uns dann die Antwort auf die Frage, was mit 44 000 Euro passiert ist, die ein gewisser George Birnbaum in der Wahlkampfkam­pagne bekommen hat? – Kollege Drozda lacht schon verlegen, er weiß, wovon ich spreche. (Zwischenruf des Abg. Drozda.) – Es gibt darüber keine Aufklärung! – Nur für die Damen und Herren zu Hause und auch hier im Hohen Haus: Dieser George Birnbaum ist verantwortlich für die rassistische und antisemitische Kampagne gegen George Soros, und dem geben Sie als SPÖ 44 000 Euro. Da ist Aufklärung fällig! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Aber offensichtlich verschreibt sich die SPÖ nach wie vor Silberstein und Co und wird nach wie vor von diesen beraten. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Wissen Sie, wie es unseren Mandatarinnen und Mandataren in den letzten Tagen gegangen ist? Die waren plötzlich Telefonterror ausgesetzt. (Ruf bei der SPÖ: Na geh!) Woher kommt der? – Ah, jetzt kommt das Raunen in der SPÖ: „Na geh!“ – Die gleichen Menschen, die das freie Mandat angeblich so sehr hochhalten – schauen Sie in die Augen Ihrer Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Jarolim: Eine Tablette für den Herrn Kollegen!)

Kollege Jarolim, weil wir schon über Tabletten reden: Wissen Sie, was? Es gibt das politische Tourettesyndrom. Sie leiden darunter, aber deswegen müssen nicht wir alle darunter leiden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Dieser Telefonterror, dass dem Misstrauensantrag zuzustimmen ist, ist von einer SPÖ-nahen Plattform betrieben worden: aufstehen.at. Derjenige, der das betreibt, war Pressesprecher des VSStÖ. Das sind die demokratiepolitischen Methoden der SPÖ, und das muss aufgezeigt werden. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie spalten das Land mit Ihrem Gift, mit Ihrer Verharmlosung der Geschichte, mit Ihrer Hysterie, mit dieser unglaublichen Maßlosigkeit, indem Sie das Tun dieser Regierung in den Dreck ziehen und mit Schlamm bewerfen und die Wählerinnen und Wähler, die dieser Regierung das Vertrauen gegeben haben, damit auch stets beleidigen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wenn Sie einen Beitrag leisten wollen, dann hören Sie auf, dieses Gift zu versprühen, und hören Sie auf, das Land zu spalten. Das wäre ein konstruktiver Beitrag für unsere parlamentarische Demokratie. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Sie müssen jetzt den Schlusssatz formulieren, weil die Redezeit der Fraktion ausgeschöpft ist, bitte.


Abgeordneter Karl Nehammer, MSc: Mein Schlusssatz: Herr Kollege Pilz, der leider nicht anwesend ist – o ja, er ist jetzt da und schaut in seinen Computer –, ich habe es schon einmal gesagt, ich wiederhole es gerne: Sie mögen strafrechtlich schuldlos sein, moralisch haben Sie sich schuldig gemacht, genau auch durch Ihr Verhalten gegen­über dem Polizeibeamten, wie es geschildert wurde. Sie sind moralisch schuldig, und


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das steht fest! (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Jarolim: Wo hängt das Dollfußbild jetzt eigentlich? – Ruf bei der ÖVP: Im Museum! – Ruf bei der SPÖ: Das hat der Nehammer hängen!)

17.35


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Peter Wittmann. – Bitte.


17.35.45

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Hohes Haus! Erstens ein Wort zu meinem Vorredner: Ich will nur festhalten, der Dollfuß hing bis zur Übersiedlung bei Ihnen im Klub, als Hero. – Das nur einmal zu Ihrer Rede. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Das musst du auch dazusagen, dass ihn die Nazis erschossen haben!)

Es geht hier um eine Einstellung des Innenministers, die mittlerweile Methode hat. Das ist ja nicht das erste Mal, dass der Innenminister mit Bemerkungen auffällig wird. Am 1. Juli hat er im Zusammenhang mit Medienberichten über die Hausdurchsuchungen beim BVT gesagt, gewisse Medien sind jetzt auch in den Fokus des Interesses, was Hausdurchsuchungen betrifft, geraten. Er hat ganz einfach unverhohlen mit Hausdurchsuchungen bei Medien gedroht. Da hat er noch gesagt: einige Medien. Im September hat er dann in einem Erlass die Medien schon genannt: „Falter“, „Kurier“ und „Standard“ dürfen keine Informationen mehr erhalten. Das heißt, die Einstellung des Innenministers gegen Grundrechte, gegen die Pressefreiheit, das ist es, was es anzuprangern gilt! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nicht der erste Zwischenfall, es ist der zweite Zwischenfall. Es ist damals noch Abgeordneter Amon Manns genug gewesen, ihn zurechtzuweisen und zu sagen: Bis hierher und nicht weiter! Sie haben eine Grenze überschritten!

Jetzt kommt der nächste provokante Schritt, nämlich den Rechtsstaat auszuhebeln. (Die Abgeordneten Haider und Mölzer: Wo denn?) Wenn Sie rechtsautoritäre Regime analysieren, wogegen müssen diese ankämpfen? – Gegen die freie Presse und gegen den Rechtsstaat. Beides machen Sie, und das ist verwerflich – die Einstellung, die Geisteshaltung!

Herr Bundeskanzler! Wenn Sie sich davon nicht abgrenzen, machen Sie sich zum Komplizen dieser Geisteshaltung. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Sie machen sich zum Komplizen dieser Geisteshaltung, und das kriegen Sie mittlerweile auch in der Presse serviert! (Vizekanzler Strache: Herr Kollege, hetzen Sie doch nicht permanent!) Es ist nicht eine Meldung, die das verursacht, es ist ein gesamtes Bild, das dieser Innenminister nach innen und nach außen vermittelt. Er will den Rechtsstaat nicht, er will die freie Presse nicht, er ist als Innenminister vollkommen fehl am Platz! Ein Innen­minister, der Zeugen beeinflusst! (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.) Der manipuliert Zeugen, um dann auszusagen, um dann seine Fehl- - (Zwischenrufe der Abgeordneten Neubauer und Steinacker. – Abg. Rosenkranz – in Richtung Präsi­dentin Bures –: Können Sie ein bisschen lauter klingeln?)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter! Ich gebe Ihnen gleich für den Schluss­satz das Wort, aber Sie müssen zum Schlusssatz kommen, bitte.


Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (fortsetzend): Haben Sie den Anstand, Herr Bun­deskanzler, und entfernen Sie dieses Gedankengut aus der Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Bißmann.)

17.38



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 167

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Harald Stefan gelangt zu Wort nun. – Bitte.


17.38.47

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit einem einzigen Ausdruck hat mein Vorredner recht gehabt: Der Bundes­minister ist auffällig. – Er ist auffällig gut und er macht auffällig viele Dinge richtig (Beifall bei der FPÖ), und er ist auffällig beliebt in der Bevölkerung, weil er sich um den Schutz der Bevölkerung kümmert. Das ist das, was bei diesem Bundesminister wirklich auffällt.

Schau dir seine Feinde an, schau dir seine Gegner an! Das sind nicht lupenreine Demo­kraten (Abg. Gudenus: SPÖler halt!), die sich gegen den Innenminister wenden, sondern es sind meistens genau jene, die Gesinnung in den Vordergrund stellen, die jemanden wegen seiner Gesinnung verfolgen. Es wurde jetzt auch wieder gesagt, seine Geisteshaltung sei das Problem – nicht seine Handlungen, nicht seine Taten, sondern seine Geisteshaltung. Das ist genau die Denkweise, die verwerflich ist, und das ist auch das, was in Wirklichkeit gegen den Rechtsstaat arbeitet – und nicht die Personen, die im Rahmen des Rechtsstaats auf Grundlage dieses Rechtsstaats und der Menschenrechte agieren.

Das ist der Unterschied: Nicht die Gesinnung zählt, sondern der Rechtsstaat und die Menschenrechte. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Wir haben heute gehört, es wären Verbrechen missbraucht und instrumentalisiert worden – nein, die sind leider traurige Realität. Es ist ganz klar, dass wir hier diese tragischen Ereignisse als Beispiel dafür angeführt haben, dass Handlungsbedarf be­steht. Ich weiß nicht, ob jetzt irgendjemand noch daran zweifelt, dass dieser Handlungsbedarf besteht. Ich weiß es nicht – es scheint mir so, aber ich hoffe, dass es nicht so ist! Wenn Handlungsbedarf besteht, dann müssen entsprechende Handlungen gesetzt werden.

Ich bin so dankbar, dass diese Regierung nicht wie früher Bundeskanzler Faymann ohne Meinung nach Brüssel fährt und mit der Meinung von Merkel zurückkommt, sondern dass wir jetzt eine Bundesregierung haben, die eine eigene Meinung hat (Zwischenrufe der Abgeordneten Vogl und Schieder), eine Regierung, die sich traut zu reagieren, die sich gegen den Migrationspakt wendet, weil er für Österreich schädlich ist, und die auch hier jetzt ganz klar sagt: Wenn es eine Notwendigkeit gibt, gesetzliche Maßnahmen zu treffen, und das vielleicht irgendwo auch international oder in der Opposition zu Kritik führt, machen wir es trotzdem, weil wir überzeugt sind, dass es für die Bevölkerung richtig und wichtig ist. Das ist der Unterschied, und deswegen bin ich sehr froh, dass unser Bundesminister so auffällig ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Es wurden so viele Interpretationen über die Aussage Kickls getätigt. Es ist im Wesentlichen ein Absatz, aber ich weigere mich zu glauben, dass Sie das missinter­pretiert haben – nein, Sie haben da bewusst etwas unterstellt, das ist ganz klar! (Zwischenruf des Abg. Drozda.) So intelligent sind die Personen, die sich hier zu Wort gemeldet haben, dass sie das nicht missinterpretiert haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie haben bewusst etwas unterstellt, um nämlich den Innenminister hier angreifen zu können. Dass nämlich der Rechtsstaat ausgenützt wird oder ausgenützt werden kann von Personen, die sich eben nicht an unsere Regeln halten, die den Schutz ausnützen, das ist ja wohl völlig klar. Das kann jeder Rechtsanwalt, das kann sicher Kollege Wittmann genauso bestätigen, dass immer die Möglichkeit besteht, den Rechtsstaat


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 168

auszunützen, und der Rechtsstaat dann unter Umständen gewisse Schranken hat, um das zu bekämpfen. Dann muss man eben Gesetze ändern, um dieses Ausnützen dieses Rechtsstaates und des Schutzes zu verhindern, und zwar zum Wohle unserer Bevölkerung. Das ist unsere Aufgabe, und genau dafür sind wir auch hier. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

In diesem Sinne bin ich dankbar, dass wir diesen Innenminister haben, und ich bin überzeugt, dass Ihre Angriffe wie schon so oft völlig ins Leere gehen werden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

17.42

17.42.41*****


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt nach § 103 der Geschäftsordnung die Möglichkeit, dass Abgeordnete einen Ordnungs­ruf verlangen können. Davon wurde Gebrauch gemacht.

Ich habe um das Stenographische Protokoll gebeten. Ich habe die Äußerung nicht gehört – es handelte sich um einen Zwischenruf –, aber die Parlamentsstenographen haben diesen aufgenommen. Ich erteile Herrn Abgeordneten Zanger für den Zwi­schen­ruf „Denunziantenhaufen“ einen Ordnungsruf. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie der Abg. Schartel. – Abg. Gudenus: Hat er gut gesagt!)

*****

17.43.16


Präsidentin Doris Bures: Mir liegt nun keine weitere Wortmeldung vor. Damit ist diese Debatte geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Selbständigen Entschließungs­antrag 571/A(E) der Abgeordneten Dr. Noll, Kolleginnen und Kollegen betreffend „das Vertrauen des Nationalrates in die Bundesregierung“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. Das ist die Minderheit, somit ist der Antrag abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr.in Rendi-Wagner, Mag.a Meinl-Reisinger, Dr. Pilz, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend „Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Inneres“ gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Abs. 2 der zitierten Verfas­sungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.

Für diese Abstimmung ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von 20 Abgeordneten gestellt wurde, ist die namentliche Abstim­mung durchzuführen. Ich gehe daher auch so vor.

Die Stimmzettel, die zu benützen sind, befinden sich, wie Sie wissen, in den Laden der Abgeordnetenpulte und tragen den Namen der Abgeordneten sowie die Bezeichnung „Ja“ – das sind die grauen Stimmzettel – beziehungsweise „Nein“ – das sind die rosafarbenen. Für die Abstimmung können ausschließlich diese Stimmzettel verwendet werden.

Ich ersuche gemäß der Geschäftsordnung die Abgeordneten, die namentlich aufgeru­fen werden, den Stimmzettel in die bereitgestellte Urne zu werfen, „Ja“-Stimmzettel für


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 169

jene, die dem Misstrauensantrag zustimmen, „Nein“-Stimmzettel für jene, die dagegen stimmen.

Ich bitte nun Frau Schriftführerin Mag.a Steinacker, mit dem Namensaufruf der Abge­ord­neten zu beginnen.

*****

(Über Namensaufruf durch die SchriftführerInnen Steinacker und Gahr werfen die Abgeordneten ihren Stimmzettel in die Wahlurne.)

*****


Präsidentin Doris Bures: Die Stimmabgabe ist nun beendet.

Ich ersuche die Schriftführer und die beauftragten Bediensteten, nun die Stimmenzäh­lung vorzunehmen. Zu diesem Zwecke unterbreche ich für wenige Minuten die Sitzung.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

(Die zuständigen Bediensteten nehmen die Stimmenzählung vor. – Die Sitzung wird um 17.51 Uhr unterbrochen und um 17.59 Uhr wieder aufgenommen.)

*****


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf und gebe das Abstimmungsergebnis bekannt:

Abgegebene Stimmen: 176; davon „Ja“-Stimmen: 67, „Nein“-Stimmen: 109.

Der Antrag ist somit abgelehnt. (Teilweise stehend dargebrachter Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Gemäß § 66 Abs. 8 der Geschäftsordnung werden die Namen der Abgeordneten unter Angabe ihres Abstimmungsverhaltens in das Stenographische Protokoll aufgenom­men.

Mit „Ja“ stimmten die Abgeordneten:

Androsch, Antoni;

Bacher Walter, Bayr, Becher Ruth, Bernhard, Bißmann, Bures;

Cox;

Doppelbauer, Drozda Thomas, Duzdar Muna;

Ecker, Einwallner, Erasim;

Feichtinger Elisabeth, Feichtinger Klaus Uwe, Friedl;

Gamon Claudia, Greiner Karin, Griss Irmgard, Gruber;

Hammerschmid, Heinisch-Hosek, Hochstetter-Lackner, Holzinger-Vogtenhuber, Holzleitner, Hoyos-Trauttmansdorff;

Jarolim;


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Keck, Knes, Kollross, Kovacevic, Krainer Kai Jan, Krist Hermann, Kucharowits Katharina, Kucher Philip, Kuntzl;

Laimer, Leichtfried, Lindner Mario, Loacker;

Margreiter, Meinl-Reisinger, Muchitsch;

Noll, Nussbaum;

Pilz, Plessl, Preiner Erwin;

Rendi-Wagner, Rossmann;

Sandler, Schatz, Schellhorn, Scherak, Schieder, Stöger Alois;

Troch;

Unterrainer;

Vogl;

Wimmer Petra, Wimmer Rainer, Wittmann;

Yildirim, Yılmaz;

Zinggl.

Mit „Nein“ stimmten die Abgeordneten:

Amesbauer, Angerer;

Baumgartner, Belakowitsch Dagmar, Berger, Berlakovich Nikolaus, Bösch, Brückl;

Deimek, Diesner-Wais;

Engelberg, Eßl;

Fichtinger Angela, Fürlinger, Fürst;

Gahr, Gerstl, Gerstner, Gödl, Graf Martin, Graf Tanja, Großbauer, Grünberg, Gudenus;

Hafenecker, Haider, Hanger Andreas, Haubner, Hauser, Herbert, Himmelbauer, Höbart, Höfinger Johann, Hofinger Manfred, Hörl;

Jachs, Jeitler-Cincelli;

Kainz, Kaniak, Kassegger, Kaufmann, Kirchbaumer, Kitzmüller, Klinger Wolfgang, Kopf, Krenn, Kugler, Kühberger Andreas, Kumpitsch, Kuss-Bergner Angelika;

Lasar, Lausch, Lettenbichler, Linder Maximilian, Lindinger, Lintl, Lopatka, Lugar Robert;

Mahrer, Marchetti, Mölzer, Mühlberghuber;

Nehammer, Neubauer, Niss Maria Theresia;

Obernosterer, Ofenauer, Ottenschläger;

Pewny, Pfurtscheller, Plakolm, Povysil, Prinz;

Rädler, Ragger, Rauch, Reifenberger, Riemer, Ries Christian, Rosenberger, Rosenkranz;

Salzmann, Schandor, Schartel, Schimanek, Schmiedlechner, Schmuckenschlager, Schrangl, Schwarz, Sieber Norbert, Singer Johann, Smodics-Neumann, Smolle, Sobotka, Stark, Stefan, Steger Petra, Steinacker, Strasser;

Taschner, Tschank;


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Wagner, Wassermann, Weidinger, Winzig, Wöginger, Wurm;

Zanger Wolfgang, Zarits Christoph.

*****

17.59.23Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir nun zur Durchführung einer kurzen Debatte.

Die kurze Debatte betrifft den Antrag des Herrn Abgeordneten Mag. Leichtfried, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 274/A der Abgeordneten Mag. Schieder, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz und andere Gesetze geändert werden, eine Frist bis 26. Februar 2019 zu setzen.

Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Frist­setzungsantrag stattfinden.

Wir gehen in die Debatte ein.

Die Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Leichtfried. Ihre Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.


18.00.41

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Es gibt in Österreich ein System, das uns gegenüber anderen Ländern auszeichnet und große Vorteile für unser Land bringt. Das ist das System der freiwilligen Einsatzorganisationen, sei es die Feuerwehr, sei es die Ret­tung, sei es die Bergrettung. Diese und viele andere haben unserem Land die Mög­lich­keit gegeben, Sicherheit, Stabilität und eine gute Entwicklung für unsere Bürgerin­nen und Bürger vorantreiben zu können.

Diese Freiwilligkeit ist nicht selbstverständlich. Wir leben in einer Zeit, in der einerseits aus persönlichem Interesse die Bereitschaft, sich freiwillig für andere zu engagieren, zurückgeht, es andererseits aber auch aufgrund des Drucks in der Arbeit und aufgrund sonstiger Dinge immer schwieriger wird, Freiwillige zu finden. Wir erleben oft bei Feuerwehren, dass die Mitglieder weniger werden. Wir haben jetzt vor Kurzem gehört, dass im Bereich des Roten Kreuzes die Zahl der Zivildiener zu gering ist und auch die Freiwilligen nicht mehr in der Häufigkeit ihren Dienst antreten, wie das früher der Fall war. (Abg. Hanger: Das ist etwas ganz anderes, Herr Kollege! – Abg. Schwarz: Sie verwechseln da was! – Abg. Rosenkranz: Du kannst es wieder richtigstellen! – Abg. Hanger: Zivildiener sind nicht ehrenamtlich!) – Das ist keine Verwechslung, Herr Kollege, das sind Dinge, die einander ergänzen und die die Situation insgesamt für die Einsatzorganisationen nicht leichter machen. Ich glaube, da sind wir uns einig. Das gilt nicht nur für Einsatzorganisationen in der Stadt, sondern auch am Land wird es schwieriger, Freiwillige zu finden, die in diesem Bereich tätig sind.

Diese Freiwilligen sind bereit, bei Tag und bei Nacht auszurücken, wenn es Ver­kehrs­unfälle gibt und wenn andere Probleme auftauchen. Es sind diese Männer und Frauen,


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die freiwillig, oft unter Einsatz ihres eigenen Lebens sich selbst in Gefahr brin­gen, die die Situation klären und für Sicherheit sorgen, geschätzte Damen und Herren.

Wir haben vor Kurzem erlebt, insbesondere in Zentralösterreich, in den Alpen, in der Obersteiermark und in anderen Gebieten, dass es unmöglich gewesen wäre, ohne diese Freiwilligen die Situation so in den Griff zu bekommen, dass keine großen Probleme auftraten. Der massive Schneefall war nur durch viele, viele Freiwillige unter Kontrolle zu bringen. Die abgeschnittenen Dörfer, die es gegeben hat, konnten am Ende nur durch den Einsatz von vielen, vielen Freiwilligen wieder erreicht werden. Es war tagelanges Schaufeln auf Dächern notwendig, damit auch Wohnhäuser nicht unter diesen Schneemassen zusammenbrachen.

Ich glaube, wir sind uns auch einig, dass diese Freiwilligen oft an die Grenzen ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit gehen, um anderen Menschen zu helfen. Es hat der Bundesfeuerwehrkommandant vor Kurzem in einem Interview auch gesagt, dass die Feuerwehren bei den aktuellen Einsätzen an den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit angekommen sind.

Geschätzte Damen und Herren, unsere Gesellschaft ist auf diese Freiwilligen ange­wiesen. Sie opfern ihre Freizeit, sie opfern auch oft ihre Urlaubstage, wenn es nicht möglich ist, mit dem Dienstgeber zu einer anderen Einigung zu kommen, um da tätig zu sein. (Abg. Schwarz: Ehrenamtlichkeit!) Ich bin der Auffassung, dass es nötig ist, dass wir als politisch Verantwortliche, als Gesetzgeber uns darüber Gedanken machen, wie es möglich ist, diesen Freiwilligen besser zu helfen, wie es möglich ist, sie auch rechtlich abzusichern, und wie es möglich ist, wenn diese Einsätze tagelang dauern, Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen.

Es ist eine schwierige Situation für beide Seiten, das muss man ganz offen sagen. Es ist eine schwierige Situation für die, die in den Einsatz gehen, und auch eine schwie­rige Situation für die Dienstgeberinnen und Dienstgeber, die natürlich auf diese Men­schen beziehungsweise die Arbeitsleistung in dieser Zeit auch angewiesen sind.

Geschätzte Damen und Herren, es führt kein Weg daran vorbei: Unsere Freiwilligen, die sich für unser Land aufopfern, brauchen eine gesetzliche, eine arbeitsrechtliche Absicherung. Das ist die Situation, die meines Erachtens relativ schnell von uns als Gesetzgeber für diese Freiwilligen zu klären ist.

Die SPÖ schlägt dafür eine gesetzliche Änderung vor, mit der die Freiwilligen einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit für bis zu fünf Einsatztage im Jahr erhalten und mit der auch die Gehaltsfortzahlung in dieser Zeit abgesichert ist. Das soll für alle freiwilligen und ehrenamtlichen Mitglieder von Katastrophenhilfsdiensten, Rettungs­diens­ten, freiwilligen Feuerwehren und allen anderen Einsatzorganisationen gelten, die auf diese Freiwilligen angewiesen sind.

Es braucht aber auch – ich glaube, da werden wir uns auch einig – eine Absicherung für die Dienstgeber, dass der Entfall ihrer Verdienste aus dieser Zeit, in der die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer diesen Urlaub in Anspruch nehmen können, auch abgegolten wird. Da ist unser Vorschlag, dass die Rückerstattung aus dem Katastro­phenfonds erfolgt.

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist Zeit, dass diese Zehntausenden, nein, Hun­derttausenden Freiwilligen, die für unser Land Einsatz zeigen, arbeitsrechtlich abge­sichert sind, wenn sie das tun. (Beifall bei der SPÖ.) Es ist Zeit, dass auch die Unter­nehmerinnen und Unternehmer, die es in dieser Situation auch nicht leicht haben, finanziell dafür entschädigt werden. Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, dass wir hier etwas unternehmen. Nicht zuletzt die Schneesituation in Österreich hat gezeigt: Wir sind auf diese Menschen angewiesen. Unser Land ist auf diese Menschen ange­wie-


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sen, und deshalb haben wir auch dafür zu sorgen, dass sie ihren Dienst, ihre Leistung abgesichert erbringen können. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.07


Präsidentin Doris Bures: Erster Redner in dieser Debatte: Herr Abgeordneter And­reas Hanger. Ab jetzt hat jeder Redner laut Geschäftsordnung 5 Minuten Rede­zeit. – Bitte.


18.07.25

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Herr Kollege Leichtfried, ich möchte einmal damit beginnen, wo wir uns einig sind. Es ist tatsächlich beein­druckend, was Ehrenamtliche in Österreich leisten, nicht nur bei den Rettungsdienst­organisationen, nicht nur bei den Feuerwehren, das gilt genauso für den Kulturbereich, das gilt genauso für den Sportbereich, das gilt natürlich auch für viele kleine Vereine, die bei uns in Österreich überaus wertvolle Arbeit leisten. Gerade diese Ehrenamt­lichen verdienen natürlich die größtmögliche Wertschätzung, die man nur geben kann. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.) – Da kann man, denke ich, wirklich applaudieren.

Die Zahlen in Österreich sind tatsächlich beeindruckend: Über drei Millionen Öster­reicherinnen und Österreicher engagieren sich ehrenamtlich in der einen oder anderen Form, es sind 720 Millionen Stunden pro Jahr, das entspricht 400 000 Vollzeit­äqui­valenten und das entspricht einer Summe von in etwa 16 Milliarden Euro pro Jahr. Das sind enorme Leistungen. Man muss auch einmal festhalten: Da sind wir sogar im europaweiten und im weltweiten Vergleich ganz, ganz vorne dabei. Das ist ein Wert, der in Österreich gelebt wird: in der Eigenverantwortung zu agieren, solidarisch zu sein, wenn zum Beispiel eine Naturkatastrophe passiert. Das ist ganz, ganz wertvoll.

Jetzt komme ich aber zu einem Punkt, wo wir uns vielleicht nicht ganz einig sind. Ich würde vorschlagen, Herr Kollege Leichtfried, vielleicht reden Sie auch mit den betrof­fenen Organisationen, wie die dieses Thema sehen! (Abg. Leichtfried: Das machen wir dauernd!) Ich darf zum Beispiel Gerry Foitik zitieren, immerhin Bundesrettungs­kommandant des Roten Kreuzes. Was sagt zum Beispiel Gerry Foitik zu diesem Thema? – Er sagt: „Uns ist wichtig, dass dieses System der Freiwilligkeit aufrecht­erhalten bleibt und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge – wie der Rettungsdienst – nicht kommerzialisiert werden“. „Pickt man durch eine Kommerzialisierung des Ret­tungs­dienstes in einzelnen Regionen die Rosinen aus dem Kuchen, kollabiert das System: Neben dem Rettungsdienst ist dann die hauptsächlich von Freiwilligen aus dem Rettungsdienst getragene Katastrophenhilfe“ – da sind wir beim Thema – „in der derzeitigen Form nicht“ mehr leistbar. – Das sagt nicht die Politik, sondern das sagt der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes.

Ich möchte auch ein anderes Zitat bringen. Ich war persönlich wirklich sehr beein­druckt, was da geleistet wird, gerade bei uns in der Region – ich komme aus der Region südliches Mostviertel, Hochkar, das war sehr stark in den Medien, natürlich auch das Ötschergebiet; Frau Bürgermeisterin Gruber ist ja auch im Nationalrat. Es ist tatsächlich beeindruckend, was die Rettungsorganisationen da leisten, und da möchte ich natürlich an dieser Stelle ein großes Danke sagen.

Wichtig ist aber auch, zu sehen, wie die Systeme organisiert und aufgestellt sind. Das sagt zum Beispiel der Landesfeuerwehrkommandant von Niederösterreich, Didi Fahrafellner, dazu: „‚Glaubt man vereinzelten Wortspenden, die in den vergangenen Tagen mancherorts zu hören waren, musste man den Eindruck gewinnen, dass die freiwilligen Feuerwehren bei Katastropheneinsätzen personell überfordert seien.‘ De facto sei aber genau das Gegenteil der Fall: Täglich kämen Anfragen von Mitgliedern,


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die ihre Hilfe anbieten. ‚Bei derartigen Ereignissen stehen ausreichend Leute zur Ver­fügung. [...]‘“.

„Eine Art ‚verpflichtende Freistellung‘ wolle man überhaupt nicht, im Gegenteil. Sie würde ‚alles ruinieren‘. Die große Angst bei einem gesetzlich verankerten Sonder­urlaub: ‚Im schlimmsten Fall wird ein Unternehmer dann auf die Anstellung von Feuer­wehrmitgliedern in seinem Betrieb verzichten‘ [...]. Also quasi ein riesengroßes Eigen­tor.“ „‚Keinem Kleinunternehmer ist es zumutbar, auf einen seiner wenigen Mitarbeiter viele Stunden oder gar tagelang zu verzichten‘ [...].“ Ein vernünftiges Miteinander auf betrieblicher Ebene schafft die wesentlich besseren Lösungen. Ein Miteinander von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, das wir immer wieder einfordern, ist die Lösung schlechthin.

Ich möchte aber schon auch zu dem Punkt kommen, was Freiwillige und Ehren­amts­organisationen brauchen, damit sie auch in Zukunft funktionieren. Ich höre immer wieder, es sind im Wesentlichen zwei Dinge: Sie wollen eine ordentliche Ausstattung haben, und sie wollen Sicherheit. Wenn sie in den Dienst gerufen werden, wenn sie in den Einsatz gerufen werden, geht es um eine ordentliche Ausstattung. Ich halte es zum Beispiel für einen richtigen Zugang, darüber nachzudenken, ob wir vermehrt auch Ausrüstungen für Katastropheneinsätze aus dem Bundeskatastrophenfonds finanzie­ren. Bei den Feuerwehren passiert das teilweise, bei den anderen Rettungsorganisa­tionen noch nicht.

Wir müssen ständig daran arbeiten, zum Beispiel am Thema Hepatitisimpfung. Ich weiß, das ist ein wichtiges Thema für die Feuerwehren. Hier haben wir in der letzten Gesetzgebungsperiode schon eine Lösung geschaffen, aber es ist halt leider nur eine halbe Lösung, weil derzeit die Logistik dahinter nicht wirklich funktioniert. Die Feuer­wehren haben gesagt: Die Logistik machen wir selber, wir machen auch die Impfung selber! Besser wäre es natürlich, das in einem Gesamtsystem darzustellen. Der Feuerwehrmann, die Feuerwehrfrau soll zum Arzt gehen und soll sich die Hepatitis­impfung holen können. Das wäre in Summe wesentlich einfacher.

Wir haben zum Beispiel auch die Frage der Notärzte geklärt, eine Klarstellung in der Notärztefrage getroffen, nämlich dahin gehend, wann ein Notarzt selbstständig arbei­ten darf und wann ein Angestelltenverhältnis vorliegen muss – die SPÖ hat dieser Lösung übrigens nicht zugestimmt –; auch das war ein wichtiger Schritt.

Wir brauchen zum Beispiel eine Änderung im Blutsicherheitsgesetz, das höre ich immer wieder vom Roten Kreuz. Es wird immer schwieriger, letztlich auch die Ärzte für Blutspendeaktionen zu bekommen.

Wir wollen das Ehrenamtsgütesiegel schaffen, das ist schon auch eine große Wert­schätzung für das Ehrenamt. Das heißt, letztlich sollen auch Qualifikationen, die man im Ehrenamt erwirbt, zertifiziert werden. Wir müssen sehr aufpassen, dass das System dann nicht zu bürokratisch wird. Das sind aber die Dinge, die kleinen Schritte, die die Arbeit der Ehrenamtlichen erleichtern.

Abschließend möchte ich noch eine Studie aus dem Sozialministerium zitieren: Es ist untersucht worden, warum sich Ehrenamtliche engagieren.


Präsidentin Doris Bures: Sie müssen zum Schlusssatz kommen, Herr Abgeordneter.


Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (fortsetzend): Es gibt zwei zentrale Motive, die für Ehrenamtliche wichtig sind: Sie wollen anderen helfen, das altruistische Motiv. Meine Frau zum Beispiel war heute den ganzen Tag im Rettungsdienst, und wenn sie am Abend nach Hause kommt, freut sie sich ganz einfach, etwas Wertvolles für unsere Gesellschaft geleistet zu haben. Jemand anderem zu helfen, ist also wichtig; und Ehrenamtliche wollen Gemeinschaft erleben.



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Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, das ist ein sehr langer Schlusssatz, den Sie da formulieren. Ich würde Sie wirklich bitten, kurz den Gedanken zu beenden, und dann gehen wir in der Rednerliste weiter.


Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (fortsetzend): Ich bedanke mich noch einmal bei den vielen, vielen Menschen, die ehrenamtlich agieren. Wir müssen bei einer Systemänderung sehr vorsichtig vorgehen, und ich bedanke mich noch einmal sehr herzlich dafür. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.13


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Mag. Andreas Schieder gelangt als Nächster zu Wort. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Der hat am meisten Angst vor dem Feuer! – Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ.)


18.13.54

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren! Österreich würde nicht funktionieren, gäbe es nicht diese Freiwilligen­organisationen. (Beifall bei der SPÖ.) Österreich würde nicht funktionieren, gäbe es nicht die Tausenden ehrenamtlich tätigen Damen und Herren, die für dieses Land und für diese Gesellschaft arbeiten. Bevor ich jetzt sage, was ich mir für diesen Bereich wünsche, gehört ein ganz großes Dankeschön vorangestellt, ein Dankeschön für die Arbeit, für die Tausenden Stunden, die geleistet werden und die gerade in den letzten Wochen aufgrund des Schneechaos in Österreich geleistet wurden. Danke schön für diese Arbeit, es ist eine einmalige Gesellschaft, in der wir leben! (Allgemeiner Beifall.)

Eines müssen wir uns auch ganz ehrlich fragen – wir haben es im Sommer schon diskutiert, als ein großes Hochwasser- und Vermurungsdesaster über unser Land hereingebrochen ist; auch damals waren wir fasziniert, wie viele Leute ihre Kraft einbringen und mitunter auch ihr Leben riskieren –, wir müssen uns fragen, wie wir diese Helfer und Helferinnen bestmöglich unterstützen können. Es gibt viele Fragen, die sich da stellen: Wie ist es mit Haftungen, wie ist es mit dem gesundheitlichen Risiko? Einige Maßnahmen, wie zum Beispiel eine Impfung für die Mitglieder von freiwilligen Feuerwehren, konnten wir in den letzten Jahren zum Glück umsetzen.

Es ist von Beruflichen und Nichtberuflichen geredet worden: Zum Glück gibt es in Österreich ein gutes Zusammenspiel zwischen Berufsfeuerwehren und freiwilligen Feuerwehren, zwischen Berufsrettungsverbänden und freiwilligen Rettungsverbänden, zwischen Berufsbergrettung und freiwilligen Bergrettungsorganisationen und was es in diesem Bereich alles gibt. (Abg. Hanger: In vielen Regionen sind die Feuerwehr und die Bergrettung ausschließlich ehrenamtlich! Das sollte man einmal sagen!) – Das habe ich eh gerade gesagt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hanger.) – Lieber Kollege, es ist so und es ist gut in Österreich. Dort, wo es zum Beispiel eine Berufs­feuerwehr gibt, hilft diese auch den Freiwilligenverbänden, und mitunter greift ja auch die Berufsfeuerwehr in Katastrophenfällen auf die Freiwilligenorganisationen zurück. Das ist ja das Gute in Österreich, dass wir gerade im Hilfsbereich kein Gegeneinander haben, sondern ein perfektes Miteinander. Das sollten wir auch einmal sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hanger. Du hast eh schon Gelegenheit gehabt, alles zu sagen. (Abg. Hanger: Du musst ja nicht antworten!)

Ich würde jetzt gerne einmal sagen, was sich diese Organisationen wünschen: Das ist etwa mehr Sicherheit. Eine große Sicherheit wäre, dass man, wenn sich Katastrophen ereignen, wenn man als Helfer oder Helferin spürt: Jetzt muss ich helfen!, nicht die Angst haben muss, dass man mit seinem Arbeitgeber Schwierigkeiten bekommt. Es geht auch darum, dass der Arbeitgeber, der sagt: Ich finde es gut, dass du hilfst, weil wir in einer ländlichen Region leben und das daher auch organisiert gehört!, nicht am


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Schluss derjenige ist, der auf den Problemen sitzen bleibt, und andere Arbeitgeber, die das nicht machen, besser gestellt sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir schlagen daher fünf Tage Sonderurlaub vor, auf die man als Helfer einen Anspruch hat und wo der Dienstgeber auch nicht auf den Kosten sitzen bleibt, sondern sie aus dem Katastrophenfonds refundiert bekommt. (Beifall bei der SPÖ.) Das wäre gut für Österreich, das wäre gut und fair, denn dann würden wir nicht mehr zwischen Guten und Schlechten unterscheiden, sondern dann hätten wir gleiche Bedingungen für alle.

Ich sage ganz ehrlich: Nach jeder Katastrophe diskutieren wir aufs Neue. Nach jeder Katastrophe kommst du oder ein Kollege von euch heraus und sagt: Alles richtig, aber nicht jetzt; alles richtig, aber nicht so! (Abg. Hanger: Nein, du hast nicht aufgepasst!) Was wir in Österreich brauchen, ist ein Freiwilligengesetz, das alle diese Probleme der Freiwilligenorganisationen beseitigt (Beifall bei der SPÖ), denn wir sind verpflichtet, die Freiwilligen in unserer Gesellschaft zu unterstützen. Und wir unterstützen sie am besten, indem wir für diese Vereine spenden, indem wir mitmachen, indem wir unsere Jugend motivieren, mitzumachen, indem wir uns selbst engagieren, aber auch, indem wir hier als Gesetzgeber die besten gesetzlichen Rahmenbedingungen für diese Leute schaffen. Fünf Tage Urlaub ist das Mindeste für das Leben und das gesundheitliche Risiko, das diese Menschen für unsere Gesellschaft in Kauf nehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Schwarz: Sind Sie Unternehmer?)

18.18


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Erwin Angerer. – Bitte.


18.18.28

Abgeordneter Erwin Angerer (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren! Herr Kollege Schieder, wenn Sie es ehrlich mit dem Ehrenamt meinen, und ich hoffe, das tun Sie, dann sollten Sie es nicht als Wahlkampfthema miss­brauchen – weil Sie gerade in den Wahlkampfmodus umschalten. (Abg. Leichtfried: Was soll denn das? – Zwischenrufe der Abgeordneten Rendi-Wagner und Klaus Uwe Feichtinger.) Das ist schlecht für das Ehrenamt, und Sie beschädigen damit das für uns so wichtige Ehrenamt, ohne das vieles nicht bewältigbar wäre – und ich kann Ihnen sagen, ich weiß, wovon ich spreche. (Abg. Schieder: Ich auch! – Abg. Rosenkranz: Der Herr Schieder ist der einzige freiwillige Feuerwehrmann in Wien!)

Jetzt zu den Forderungen in Ihrem Antrag, erstens einmal zur arbeitsrechtlichen Situ­ation: Es ist heute schon geltendes Recht, dass jemand, der im Einsatz hilft, daraus keinen Nachteil – dass er vielleicht entlassen wird oder was auch immer – haben darf Das ist heute schon arbeitsrechtlich abgesichert.

Das Zweite, das Sie fordern, eine Entgeltfortzahlung für die Zeit eines Katastrophen­einsatzes, ist Landessache. Ich kann Ihnen als Beispiel das Kärntner Landesfeuer­wehr­gesetz vorlesen. Gemäß § 50 ist den Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr und des Brandschutzdienstes „im Falle von Einsätzen auf ihren Antrag durch die Gemeinde, in welcher der Einsatz erfolgte, ein allfälliger Verdienstentgang zu erset­zen.“ – 16 Jahre bin ich mittlerweile Bürgermeister. (Ruf bei der SPÖ: Sagen Sie, dass Sie es nicht wollen!) Wissen Sie, wie viele solcher Anträge es gegeben hat? – Keinen einzigen! Ich bin davon überzeugt, es wird auch in Zukunft keinen geben, weil die Leute eben diesen freiwilligen Dienst – das beinhaltet das Wort – auch freiwillig machen und leisten wollen.

Jetzt kann ich Ihnen sagen, wie das in solchen Gemeinden draußen funktioniert. Bei der freiwilligen Feuerwehr ist der Bürgermeister das oberste Organ. Wenn wir heute einen Katastropheneinsatz haben – leider haben wir in den letzten Jahren viele Katastro-


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pheneinsätze gehabt; angefangen 2008 mit Sturm Paula bis hin zu den Über­schwem­mungen im Gailtal, im Mölltal und so weiter vor Kurzem –, gibt es ein Zusammenspiel zwischen allen Einsatzkräften, ein optimales Zusammenspiel, bis hin dazu, dass eben auch bezahlte Organisationen wie das Bundesheer oder die Polizei neben Bergrettung, Feuerwehr, Wasserrettung zum Einsatz kommen, koordiniert durch einen Krisenstab, durch Bezirkshauptmann oder Bürgermeister.

Wir haben gerade vor Kurzem eine Besprechung des Krisenstabs gehabt, eine Nach­besprechung zu diesen Katastrophen, die leider in den letzten Jahren in Oberkärnten häufig waren. Das Einzige, was dort gefordert wurde, ist beispielsweise vonseiten des Bundesheers, dass man beim Jägerbataillon 26 in Spittal – Jägerbataillon, sagt auch der Name – endlich wieder einmal einen Pinzgauer bekommt. Die haben keinen Pinzgauer mehr, die haben kein Fahrzeug mehr, mit dem sie zum Einsatz fahren können. (Zwischenruf des Abg. Schieder.) Das verdanken wir roten Verteidigungsministern à la Darabos und Klug, dass sie keine Ausrüstung mehr haben. Das brauchen die Leute. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein weiteres Thema ist, dass Kärnten mit einem roten Landeshauptmann, dem Stell­vertreter Ihrer Parteivorsitzenden, als einziges Bundesland in Österreich den Digital­funk bis heute noch nicht umgesetzt hat, was auch der Rechnungshof kritisiert. Das brauchen die Einsatzorganisationen. (Beifall bei der FPÖ.)

Wissen Sie, was die Organisationen noch aufregt? – Dass sie heute, wenn sie ein Fest veranstalten und dann mit dem Erlös vielleicht eine Spritze, einen anderen Ausrüs­tungsgegenstand, Gummistiefel für ihre Leute oder einen Rucksack für die Bergrettung kaufen, eine Registrierkasse verwenden und die Leute, die beim Fest arbeiten, anmelden müssen. (Abg. Leichtfried: Sagen Sie das Ihrem Koalitionspartner!) Das sind Gesetze, die Sie in den letzten Jahren geschaffen haben und die diese Frei­willigkeit wirklich einschränken. Das regt die Leute auf, und nicht das, wozu Sie heute Forderungen stellen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

18.22


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Mag. Gerald Loacker zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.22.19

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es wurde schon ausgeführt: Österreich ist ein Land der Freiwilligen, und alle hier im Saal – ich glaube, darin sind wir uns einig – ziehen den Hut vor denen, die ihre Freizeit opfern, die bei solchen Einsätzen oft ihr Leben riskieren, bei Rettungs-, Katastrophen­schutzorganisationen, bei der freiwilligen Feuerwehr, bei wem immer. Ohne diese Leute, die freiwillig diese Arbeit im Sinne des Gemeinwesens erbringen, wären wir aufgeschmissen.

Ich gebe den Sozialdemokraten recht, denn man darf den Menschen das freiwillige Engagement für diese Rettungs- und Katastrophenschutzorganisationen, für die Feuer­wehr nicht erschweren. Umgekehrt darf man es den Arbeitgebern nicht erschweren, einen geordneten Arbeitsablauf zu haben. Bisher funktioniert das sehr gut, weil man in den Betrieben miteinander redet und im Einvernehmen zu Lösungen kommt.

Da gibt es Feuerwehrleute, die schauen, dass sie die kleine Alarmstufe haben, damit sie nicht vom Arbeitsplatz weggerufen werden, weil man eine Katze vom Baum holen muss; das machen dann die, die gerade frei haben. Das funktioniert auch sehr gut, weil man aufeinander aufpasst, weil man aufeinander Rücksicht nimmt, denn – und das unterschätzen Sie vielleicht – es besteht ein Kampf um Arbeitskräfte. Kein Arbeitgeber kann es sich leisten, kleinlich zu sein und gute Arbeitskräfte zu verlieren, weil die bei


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einem schweren Verkehrsunfall, bei einem Brand oder wenn es irgendwo ausnahms­weise aufgrund eines 30-jährlichen Maximalschneefalls viel zu schaufeln gibt, zu einem Einsatz gehen. Da wird sich kein Arbeitgeber, der alle Kerzen am Christbaum hat, querlegen. Diese Arbeitgeber haben nämlich auch Häuser, haben auch Kinder und wollen auch gerettet werden, wenn ihnen etwas passiert. Sie können sich das schwer vorstellen, aber das sind auch Menschen.

Jetzt erleben wir immer wieder Ausnahmesituationen – da gibt es einmal ein Hoch­wasser, in diesem Jahr haben wir besonders viel Schneefall gehabt –, und dann muss man natürlich eine populistische Forderung aus dem Hut zaubern. Die SPÖ will Sonderurlaub für die Mitarbeiter, und die ÖVP hat – zumindest in Salzburg – anklingen lassen, man brauche Steuererleichterungen für die Unternehmer. So versucht jede Couleur, ihre Klientel zu bedienen.

Worum es wirklich geht, ist, in dieses Einvernehmen, das in den Betrieben besteht, nicht hineinzupfuschen. Wenn man das jetzt nämlich zu Ende denkt und sagt: Ja, okay, wenn einer zum Einsatz bei der Feuerwehr muss, dann kriegt er die Zeit bezahlt!, dann wird es andere geben, die gerade frei haben und auch zu diesem Feuerwehreinsatz kommen. Dann sitzen in einem Feuerwehrauto solche, die bezahlt, und solche, die unbezahlt zu dem Einsatz fahren. Diese Art von Freiwilligkeit wollen Sie auch nicht.

Ich glaube, der Vorschlag, den Sie da präsentieren, ist gut gemeint, aber Sie machen im wirklichen Leben mehr kaputt, als Sie damit sanieren. Darum sind auch Leute wie der von Kollegen Hanger zitierte Feuerwehrkommandant dagegen, dass man in dieser Form in das Einvernehmen eingreift, das jeden Tag in Österreich gelebt wird und in der Praxis sehr, sehr gut funktioniert. (Beifall bei den NEOS sowie der Abgeordneten Wöginger, Schwarz und Rosenkranz.)

18.25


Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber ist als Nächste zu Wort gemeldet. – Bitte.


18.25.52

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Ja, unser Land ist auf Freiwilligkeit aufgebaut. Wir haben das bereits mehrmals diskutiert, und das stimmt auch, denn wenn es wirklich brenzlig wird, dann sind es am Ende des Tages die Mitglieder der freiwilligen Feuerwehren, die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Rettungsorganisationen oder der Katastrophenschutzeinrichtungen, die – wie wir ge­hört haben – Brände löschen, Keller auspumpen und – wie wir es in den letzten Wochen gesehen haben – Dächer vom Schnee befreien, und, und, und.

Ja, Kollege Hanger, es ist so, viele machen das aus Nächstenliebe, weil man sich dann als Teil der Gesellschaft fühlt und es einfach ein solidarisches Zeichen ist. (Abg. Wöginger: Alle!) – Alle machen das aus Nächstenliebe und aus solidarischem Gewissen heraus. Und sie machen es, weil es einfach notwendig ist, mitzuhelfen und anzupacken. Am Ende des Tages brauchen aber vielleicht auch die Helfer einmal Hilfe. Wenn es brenzlig wird oder Urlaubstage, Familientage, Zeit, die man eigentlich für die Familie geplant hätte, für einen Einsatz, für eine Übung et cetera aufgewendet werden, dann ist es doch letztlich auch so, dass man als Gesellschaft eine Art von Unterstüt­zung an die Personen, die sich tagtäglich so für uns alle ins Zeug hauen, zurückgeben kann.

Ich unterstütze deshalb den Antrag auf Fristsetzung und kann auch der Idee etwas abgewinnen. Ich finde, das sollte es uns allemal wert sein, darüber zu diskutieren, ob man nicht auch in Richtung zusätzliche Urlaubstage oder Unterstützung für freiwillige,


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für ehrenamtliche Mitarbeiter im Rettungs-, Gesundheits-, aber natürlich auch im Feuerwehrwesen etwas tun kann. (Ruf bei der ÖVP: Dann ist es kein Ehrenamt mehr! Wenn Sie es bezahlen, ist es kein Ehrenamt mehr!) – Es ist niemals bezahlbar. Wir alle wissen, dass wir diese Leistungen niemals bezahlen könnten, somit wird es immer ein Ehrenamt bleiben. Es geht um eine Unterstützung für diese Menschen, die oft ihr Leben riskieren und ihre Freizeit opfern und von uns dafür eine gewisse Wertschät­zung zurückbekommen könnten; deshalb meine Unterstützung in diese Richtung.

Kollege Hanger, Sie haben den Landesfeuerwehrverband Niederösterreich zitiert, ich möchte hier den Vorschlag des Bundesfeuerwehrverbandes ansprechen, der 2018 an uns Abgeordnete herangetragen worden ist. Der Bundesfeuerwehrverband regt da an, dass jene Unternehmen, die zum Beispiel aktive Feuerwehrleute anstellen, auf der einen Seite eine Unterstützung erhalten, das heißt eine steuerliche Begünstigung für die Anstellung, sich aber auf der anderen Seite dazu verpflichten, diesen Mitarbeitern für Übungen, Übungsstunden, für Einsätze freizugeben. Das ist ein Vorschlag des Bundesfeuerwehrverbandes, den wir ebenfalls ernst nehmen sollten, auch wenn manche Ländermeinungen anders klingen mögen.

Ich glaube, dass die Umsetzung dieses Vorschlags wirklich eine Win-win-win-Situation sein könnte: Die Unternehmen profitieren davon, weil es attraktiv ist, ehrenamtliche Mitarbeiter anzustellen. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter profitieren davon, weil sie nicht in ihrer Familienzeit oder in ihrer Urlaubszeit Einsätze oder Übungen leisten müssen, sondern Dienstfreistellungen bekommen. Ja, und am Ende des Tages profitiert natürlich auch die Bevölkerung, weil gesichert ist, dass diese Einsätze weiterhin ge­leistet werden.

Ein diesbezüglicher Antrag von mir liegt schon seit einiger Zeit im Ausschuss. Ich würde mich freuen, wenn wir diesen positiv erledigen und auch dem Vorschlag des Bundesfeuerwehrverbandes nachkommen könnten. Ich hoffe auf Ihre Unterstützung. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)

18.29

18.29.35


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstat­tung über den Antrag 274/A eine Frist bis 26. Februar 2019 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren Abgeordnete, die sich für diese Fristsetzung aus­sprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

18.29.58Fortsetzung der Tagesordnung


Präsidentin Doris Bures: Damit nehmen wir die Verhandlungen über den Tages­ordnungspunkt 7 wieder auf.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rauch. – Bitte, Herr Abgeordneter. Die frei­willige Redezeitbeschränkung von 3 Minuten stelle ich für Sie ein.


18.30.20

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Wir kommen wieder zum Tagesordnungspunkt 7, der Abände­rung zum Ökostromgesetz 2012. Worum geht es eigentlich? – Kurz zur Wiederholung: Dieser Nachfolgetarif sichert die Biomasseanlagen, und zwar all diejenigen, deren Förderdauer im Zeitraum 1.1.2017 bis 31.12.2019 abläuft. Insgesamt handelt es sich


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um 47 Betriebe, die natürlich in einer gewissen Art und Weise um ihre Existenz kämpfen. Entscheidend ist aber, dass diese Biomasseanlagen einen wesentlichen Beitrag leisten, um unsere Klima- und Energiestrategie, die #mission 2030, mit Leben und Inhalten zu erfüllen. Dem hat sich diese Bundesregierung verschrieben. (Abg. Plessl: Dazu ist aber sehr viel Förderung notwendig!) Zwischenrufe von der SPÖ, okay.

Es ist eine eigentlich skurrile Geschichte, wenn man sich die Worte des Kollegen Knes von vorhin noch einmal kurz in Erinnerung ruft, die er von sich gegeben hat, nämlich dass das alles ein Wahnsinn und eine Katastrophe wäre, und auch, mit welchen Dingen – etwa mit der Arbeitszeitflexibilisierung – er die ganze Thematik verbunden hat.

Es gibt aktuell eine Aussendung der Arbeiterkammer – ich glaube, der sind Sie eigentlich sehr verbunden, es gibt ja auch in Ihren Reihen einige Arbeiterkämmerer (Abg. Plessl: Es wird mehrere Aussendungen geben!) –, die explizit sagt, dieser An­trag führt zu einem positiven Effekt für alle Bezieher von Strom, vor allem für jene mit niedrigem Einkommen. Warum? – Weil sie sich insgesamt 3 Millionen Euro hinsichtlich der Ökostromabgabe ersparen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Also das sind die Maßnahmen dieser Bundesregierung. Wir schauen auf die Menschen mit kleinem Einkommen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ich verstehe das nicht, Sie reden immer nur davon, Sie handeln aber nicht dementsprechend. (Zwischenruf des Abg. Krainer.)

Eine weitere Aussage vonseiten der SPÖ, und zwar von Energiesprecherin Duzdar und von Beppo Muchitsch: Duzdar will – ich zitiere –, „dass die Haushalte mit einer GIS-Befreiung automatisch auch von der Ökostromabgabe befreit werden.“ – Das machen wir, und Sie sind dagegen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Ich verstehe nicht, woher Sie mittlerweile Ihre Inhalte nehmen. Ich bitte Sie: Kommen Sie wieder auf den Boden der politischen Realität zurück!

Ich bringe in diesem Zusammenhang den Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Josef Schellhorn, Dipl.-Ing. Martha Bißmann, Kolleginnen und Kollegen ein.

Inhaltlich geht es um Folgendes: Verträge gemäß Abs. 1a sind für eine Laufzeit von 36 Monaten abzuschließen. Weiters geht es um die Kostenbefreiung einkommens­schwacher Haushalte, um die Befreiung von der Ökostromabgabe, und zwar gilt das für Personen, die explizit hier aufgelistet sind: Sozialhilfe- und Pensionsbezieher sowie Studenten und Pflegegeldbezieher. Diese werden von der Bezahlung der Ökostrom­pauschale und einem Teil des Ökostrombeitrages befreit.

*****

Das sind die Maßnahmen dieser Bundesregierung. Wir schauen auf die einkommens­schwachen Menschen und darauf, dass die Klima- und Energiestrategie mit Leben erfüllt wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

18.34

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Josef Schellhorn, Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann, Kolleginnen und Kollegen


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zum Antrag der Abgeordneten Mag. Josef Lettenbichler, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ökostromgesetz 2012 (ÖSG 2012) geändert wird (505/ A), in der Fassung des Ausschussberichtes (395 d.B.)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Der oben zitierte Antrag (505/A) wird wie folgt geändert:

1. Die bisherige Z 1 wird zu Z 1a und Z 1 lautet:

„1. Im Inhaltsverzeichnis wird die Wortfolge „§ 49. Kostendeckelung für einkommens­schwache Haushalte“ durch die Wortfolge „§ 49. Kostenbefreiung einkommens­schwacher Haushalte“ ersetzt.“

2. Z 4 lautet:

„Nach § 17 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Für Anlagen auf Basis von fester Biomasse, deren Förderdauer gemäß den Bestimmungen des Ökostromgesetzes, BGBl. I Nr. 149/2002, zwischen dem 1. Jänner 2017 und dem 31. Dezember 2019 abläuft, können binnen 3 Monaten ab Inkrafttreten dieser Bestimmung Anträge auf sofortige Kontrahierung eingebracht werden. Die Bun­desministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus kann binnen einem Monat nach Inkraft­treten dieser Bestimmung eine Verordnung in sinngemäßer Anwendung des Abs. 4 erlassen. Wird keine Verordnung gemäß vorstehendem Satz erlassen, sind den Verträgen die in Anwendung des § 19 Abs. 2 letzter Satz verringerten Preise gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 13 Abs. 1 Z 2 ÖSET-VO 2012, BGBl. II Nr. 307/2012, in der Fassung BGBl. II Nr. 397/2016, zugrunde zu legen. § 18 Abs. 1 Satz 1 gilt nicht. Wird ein Antrag auf sofortige Kontrahierung eingebracht, gilt ein bereits zum Inkrafttreten vorliegender Antrag gemäß Abs. 1 als zurückgezogen. Abweichend von Abs. 3 sind Verträge gemäß Abs. 1a nicht auf das zusätzliche jährliche Unterstützungsvolumen anzurech­nen und es sind § 14 Abs. 3 und 4 sowie § 15 Abs. 4 und 5 nicht anzuwenden; Verträge gemäß Abs. 1a sind für eine Laufzeit von 36 Monaten abzuschließen. Sofern kein Antrag auf sofortige Kontrahierung gestellt wird, erfolgt eine Kontrahierung nach Maßgabe des Vorhandenseins von Mitteln aus dem zusätzlichen jährlichen Unterstüt­zungsvolumen. ““

3. Nach Z 8 werden folgende Z 8a, Z 8b, Z 8c, Z 8d und Z 8e eingefügt:

„8a. Die Überschrift des § 49 lautet: „Kostenbefreiung einkommensschwacher Haus­halte“.“

„8b. In § 49 Abs. 1 wird die Wortfolge „eines 20 Euro übersteigenden“ durch das Wort „des“ ersetzt.“

„8c. In § 49 Abs. 2 wird das Wort „Kostendeckelung“ durch das Wort „Befreiung“ ersetzt.“


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„8d. In § 49 Abs. 3 Z 1 und Z 2 wird jeweils das Wort „Kostenbegren­zungstat­bestandes“ durch das Wort „Befreiungstatbestandes“ ersetzt.“

„8e. In § 49 Abs. 3 Z 2 entfällt die Wortfolge „20 Euro übersteigende“.“

4. In Z 9 wird in § 57b nach der Wortfolge „Abs. 6“ die Wortfolge „sowie § 49 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Z 1 und Z 2 samt Überschrift“ eingefügt.“

Begründung

Zu Z 1 und Z 8a, Z 8b, Z 8c, Z 8d und Z 8e (Inhaltsverzeichnis und § 49 Abs. 1 bis Abs. 3):

Seit dem Inkrafttreten des Ökostromgesetzes am 1. Juli 2012 können sich Sozialhilfe- und Pensionsbezieher sowie Studenten und Pflegegeldbezieher, von der Bezahlung der Ökostrompauschale und des Teiles des Ökostromförderbeitrags befreien lassen, der jährlich 20 Euro übersteigt. Voraussetzung ist, dass das Haushaltseinkommen den geltenden Ausgleichszulagenrichtsatz nicht um mehr als 12 % überschreitet. Nun soll es eine vollständige Kostenbefreiung einkommensschwacher Haushalte geben. Diese sollen von dem Aufbringungsmechanismus und damit von den Kosten der Ökostrom­förderung erstmals vollständig befreit werden. Die Kosten von 20 Euro entfallen gänz­lich. Diese Änderung ist eine spürbare Entlastung einkommensschwacher Haushalte und eine wirksame Maßnahme zur Bekämpfung von Energiearmut.

Zu Z 4 (§ 17 Abs. 1a):

Die Vertragslaufzeit für Biomasse-Nachfolgetarife wird durch diesen Abänderungsan­trag auf 36 Monate begrenzt. Grund ist der Beschluss des Ministerrats von 5. Dezem­ber 2018, ein Erneuerbaren Ausbau Gesetz zu erarbeiten, worin neue Regelungen für die Ökostromförderung festgelegt werden sollen. In diesem neuen Gesetz soll es auch Regelungen für bestehende Ökostromanlagen auf Basis von fester Biomasse geben.

*****


Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in den Grundzügen erläu­tert, er wird gerade verteilt und steht daher mit in Verhandlung.

Herr Abgeordneter Dr. Peter Wittmann, Sie gelangen als Nächster zu Wort. Bitte.


18.34.26

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Sie hätten das schon ganz vorlesen müs­sen, wenn Sie aus der Presseaussendung der AK zitieren. Es ist nicht so, dass die AK das Gesetz gutgeheißen hat, sondern die Senkung des Ökostrombeitrages für ein­kommensschwache Personen; da werden wir auch zustimmen – wir verlangen eine getrennte Abstimmung darüber –, aber der Rest ist schmafu. (Beifall bei der SPÖ.)

Irgendwie ist es für mich wirklich eine sehr skurrile Situation: Die ÖVP und die NEOS predigen den Markt bis zum Abwinken, gerade wenn ich mir Herrn Loacker anhöre: Markt ist alles, Markt regelt alles, Markt gehört her! – und dann geht man her und fördert 13 Jahre alte (Zwischenruf bei der ÖVP) Biomasseanlagen, die niemals in die Gewinnzone kommen werden und kommen können, die in 13 Jahren keine Möglichkeit gehabt haben, in die Gewinnzone zu kommen oder sich am Markt zu behaupten, weil


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es ineffizient ist und weil es sich ganz einfach nicht durchgesetzt hat! (Abg. Eßl: Atomstrom! Atomstrom!)

Das heißt, in Wirklichkeit ist es eine Förderung von 47 Betreibern. Bitte, ein Drittel davon, ein Drittel dieser Betreiber, die ihr fördert, sind Landeselektrizitätsgesell­schaf­ten! Ja bitte, haben die es notwendig, dass man ihnen 1 Million Euro pro Anlage nach­schießt? – Das ist doch ein Wahnsinn, was wir hier machen! Wir fördern eine EVN. – Die braucht doch nicht gefördert zu werden! Wir fördern keine Kleinbauern, wir fördern keine Bauern, wir fördern ganz einfach Industrieunternehmen, die nebenbei eine Bio­masseanlage betreiben, oder Elektrizitätsunternehmen, die Biomasseanlagen betrei­ben. Das ist doch ein Wahnsinn, dass man denen, die eh schon Profite auf Kosten der Konsumenten bis zum Abwinken machen, noch eine Förderung gibt. (Abg. Neubauer: Strompreise!)

Zur verfassungsrechtlichen Problematik: Sie müssen sich daran gewöhnen, dass Sie uns nichts anschaffen können, wenn Sie eine verfassungsrechtliche Mehrheit wollen. Ich bitte, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, denn Sie müssen mit uns verhan­deln, wenn Sie eine Verfassungsmehrheit haben wollen, sonst scheitert das Gesetz im Bundesrat. (Beifall bei der SPÖ.)

Als Verfassungssprecher habe ich Ihnen gesagt, in 20 Jahren habe ich das nicht erlebt, dass man versucht, ein Gesetz in den Bundesrat zu bringen, von dem man jetzt schon weiß, dass es keine Chance auf Verwirklichung hat, weil wir für Gesetze, die sinnlos sind, nicht zu haben sind. Man kann das ja verhandeln, um etwas Vernünftiges daraus zu machen, aber die Förderung von Elektrizitätsunternehmen mit 50 Millionen Euro im Jahr ist hinausgeschmissenes Geld. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Außerdem kommt das Geld von den Konsumenten. Das heißt, die können sich den Strompreis eh nicht mehr leisten, und dann fördern wir noch die Elektrizitätsunternehmen. – Ich halte das für falsch und für einen Wahnsinn, wirtschaftspolitischen Wahnsinn. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Abg. Deimek: Wie viel Geld steckt in Photovoltaik, in ...?)

18.37


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Josef Schellhorn, Sie gelangen als Nächster zu Wort. Bitte schön.


18.37.42

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Minister! Ich erin­nere noch einmal an die Redebeiträge von Herrn Knes und Herrn Rossmann. Kollege Rossmann erwartet von mir eine Stellungnahme zur Firma – Moment, jetzt muss ich nachschauen, wie die heißt – AustroCel Hallein. Er hat mir Korruption vorgeworfen (Zwischenruf des Abg. Rossmann – Abg. Deimek: Der Gleiche wie der Pilz!), ich habe das Zitat hier.

Sie sind ein Vertreter jener politischen Gegner, die man sich wünscht. Sie sind fak­tisch – wie soll ich das sagen, damit ich da nicht etwas Falsches sage? – ein Schreib­tischtäter vor dem Herrn. Sie sind ein Experte der Bürokratie und so weit weg von der Realwirtschaft, dass Sie sich nicht einmal die Mühe gemacht haben, sich anzu­schauen, was im Firmenbuch steht. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenrufe bei JETZT.) Sie beschuldigen mich, dass ich eine Nähe zu AustroCel hätte. – Das ist ganz mies! Das ist ganz mies und zeigt Ihre Politik: Den anderen zuerst einmal anpatzen und dann warten, was übrig bleibt. – Da bleibt gar nichts übrig, ich habe den Firmenbuchauszug für Sie mit. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Ich finde diese Politik, die Sie betreiben, ganz, ganz schäbig. (Beifall bei NEOS, ÖVP und FPÖ.)

Ich meine, wir sind das ja schon gewöhnt. Überrascht war ich das letzte Mal von Herrn Nehammer, der uns in die linke Ecke gedrückt hat; er hat gesagt, wir sind links. Herr


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Knes sagt jetzt, wir sind rechts. – Nein, wir sind im Zentrum! Wir sind vorn, weil wir uns eines Themas annehmen, das virulent ist. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Da geht es auch um Holzeigentum und um die Bundesforste, da geht es nicht nur um die Bio­masse, da geht es auch darum, dass wir das Holz aus den Wäldern herausbringen. (Beifall bei der ÖVP.) Sie sind ja so für das Bundeseigentum, um dieses geht es auch. Darum stimmen wir mit: weil wir immer konstruktiv sind und die Probleme angehen.

Aus diesen Gründen haben wir auch ausverhandelt, dass es eine Sunset Clause gibt – die nächsten drei Jahre –, dass es auch eine monetäre Sperre gibt, dass nicht mehr Geld ausgeschüttet wird als die vereinbarten 50 Millionen Euro, und dass man sich danach die wichtigen Punkte ansieht. Wir werden an einer neuen Novelle mitarbeiten, für die wir sieben Punkte haben. Ich will Ihnen die sieben Punkte noch einmal sagen, Herr Kollege Rossmann, bevor Sie mich wieder der Korruption beschuldigen. Das ist ein schwerer Vorwurf, und wenn Sie ein Mann sind, dann kommen Sie herunter und entschuldigen sich! Alter schützt vor Torheit nicht, und Sie sind da ein Protagonist! (Beifall bei NEOS, ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Knes.)

Wir wollen erstens für die Zukunft Eigenstromerzeugung industrieller KWK-Anlagen in der Novelle haben. Wir wollen zweitens einen effizienteren Mitteleinsatz für Ökostrom. (Zwischenruf des Abg. Knes.) Wir wollen drittens das Förderregime EU-rechtskonform gestalten. Wir wollen viertens die Netzdienlichkeit der Ökostromeinspeisung forcieren. Wir wollen fünftens das Einbremsen der steigenden Belastung der Ökostromkosten bewirken. (Abg. Knes: Wer zahlt es denn?) Wir wollen sechstens auch die Innova­tions­relevanz der eingesetzten Fördermittel in die Novelle hineinbringen. Und wir wollen siebtens die Vermarktungsverantwortung stärken.

Das sind unsere sieben Punkte. Wir sind immer konstruktiv. Wir sehen das Problem, das Problem ist vorhanden, und dem muss man sich stellen. Die Logik der anderen Oppositionsparteien, die mir zugetragen wurde: Wir sind Opposition und wir müssen stante pede dagegen sein!, erschließt sich mir nicht. Wir haben ein großes Problem, und dem müssen wir uns stellen. (Beifall bei NEOS, ÖVP und FPÖ.)

All das soll bis spätestens 2021 gelöst werden, deswegen haben wir auch ausver­han­delt, dass es eine zeitliche Befristung der Fördervereinbarung geben muss. Ich bin den Kollegen Lettenbichler und Kassegger dankbar, dass wir konstruktiv verhandelt haben, im Sinne von Staatseigentum, aber auch im Sinne dieser Anlagen, dass es hier eine Sunsetklausel gibt. Dazu stehe ich. Ich stehe auch dazu, dass wir hier unsere Punkte einbringen werden, und ich denke, unsere Verhandlungspartner stehen auch dazu.

Und Sie (in Richtung Abg. Rossmann) nehmen diesen Vorwurf zurück, diese An­patzerei von Ihnen habe ich so satt! (Beifall bei NEOS, ÖVP und FPÖ.)

18.42


Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Frau Bundesministerin Köstinger zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Ministerin.


18.42.47

Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus Elisabeth Köstinger: Ge­schätzte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Man glaubt ja gar nicht, wie viel Emotionen Biomasse hervorrufen kann. Vielen Dank für die heutige Aussprache! Sie wissen, uns als Bundesregierung ist die #mission 2030, unsere Klima- und Energiestrategie, ein großes Anliegen. Wir haben uns im Regierungsprogramm auch dazu verpflichtet, ein sehr ambitioniertes Ziel zu erreichen, und das ist 100 Prozent Stromerzeugung in Österreich durch erneuerbare Energieträger.

Wir wollen auch den Anteil von erneuerbarer Energie am Gesamtverbrauch auf 45 bis 50 Prozent steigern und haben da wirklich alle Hände voll zu tun, damit uns das gelin-


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gen wird. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass alle Biomasseanlagen, die derzeit in Betrieb sind, die auch hohen Effizienzstandards Genüge tun, wirklich im Sys­tem bleiben müssen, denn die Alternative ist – und da schaue ich in Richtung der geschätzten Kolleginnen und Kollegen hier im Raum –, dass wir weiterhin Atomenergie mehr oder weniger den Vorzug geben beziehungsweise nach wie vor Kohlestrom aus Deutschland und anderen Ländern importieren müssen. Das kann nicht Sinn und Zweck der österreichischen Energiepolitik sein. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bösch.)

Zur Erreichung wird es wichtig sein, dass wir vor allem für jene Anlagen, die jetzt in einem schwierigen Übergangszeitraum sind, schnell und unbürokratisch eine Lösung finden. Ich darf hier den Abgeordneten Lettenbichler und Kassegger wirklich sehr herz­lich Danke sagen. Ich bin überzeugt davon, dass dieser Abänderungsantrag zum Initia­tivantrag sehr gelungen und ein wirklich wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist.

Noch ein paar Fakten zum zweiten Grund, warum diese Übergangsregelung wirklich sehr brennend ist: Wir hatten speziell im Jahr 2018 mit einem Borkenkäfer- und Schädlingsbefall in Österreichs Wäldern zu kämpfen, der jedes bisher gekannte Ausmaß überschreitet. Daran hängen Arbeitsplätze, das ist bewirtschafteter Wald – übrigens auch ein sehr wichtiger Klimaschutzfaktor –, und es geht jetzt vor allem darum, dieses Schadholz abzutransportieren und es, so gut es geht, zu verwerten. Das, was da am meisten Sinn macht, ist natürlich, dass man es für Biomasseanlagen nutzt.

Ich möchte wirklich noch einmal betonen – Herr Abgeordneter Schellhorn hat es ja auch gemacht –, dass es da um eine Überbrückungsmaßnahme geht, bis das Erneuer­baren-Ausbau-Gesetz dann in Kraft tritt. Da sind wir ja derzeit auch sehr intensiv in den Gesprächen. Es braucht aber vor allem auch eine breite Mehrheit dazu. Ich möchte hier wirklich noch einmal ein Wort an die Opposition richten, insbesondere an die SPÖ: Stellen Sie bitte die Vernunft vor Parteikalkül! Es ist heute sehr vieles gesagt worden, das absolut nicht den Tatsachen entspricht. Der Erhalt der bestehenden KWK-Anlagen ist ein nationales Anliegen und keine ideologische Parteipolitik; um das geht es bei diesem Antrag, und deswegen halte ich es für so wichtig, dass er unterstützt wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Holzkraftwerke – und das sei auch dazugesagt – sind in Österreich ein wichtiger Faktor für die Energiesicherheit. Wir haben durch den Ausbau der Erneuerbaren natürlich Schwankungen, im Windbereich, im Solarbereich. Im Holzbereich ist es möglich, vor allem mittels der hocheffizienten Anlagen, bedarfsgerecht die Energieversorgung sicherzustellen. Und es geht nicht zuletzt um den Erhalt regionaler Wertschöpfung und um Arbeitsplätze. Das ist auch kein parteipolitisches Anliegen, sondern es ist ein nationales Anliegen.

Ich bin verwundert über die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Knes. Ich kenne aus Kärnten beispielsweise das ganz dringende Anliegen, diesen Antrag im Parlament durchzubringen. An FunderMax hängen im ländlichen Raum Hunderte Arbeitsplätze, die wirklich auch davon abhängen, dass wir gescheite Regelungen treffen und es eben die Möglichkeit gibt, Ökostrom zu produzieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abge­ordneten der FPÖ.) Deswegen hoffe ich wirklich sehr, dass dieser Antrag heute ein­stimmig beschlossen wird, und richte noch einmal die Einladung an die SPÖ, da mitzugehen; das ist ein entscheidender Punkt.

Der eigentlich wichtigste Punkt von meiner Seite noch zum Schluss: Es geht auch darum – und auch da ein Dankeschön an die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ –, dass wir das Thema Energiearmut mit aufnehmen. Das ist auch ein Punkt, den wir in die Klima- und Energiestrategie aufgenommen haben, in unsere #mission 2030. Energie-


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versorgung ist nicht so selbstverständlich, wie wir hier tun. Es ist vor allem für Nied­rigverdiener wirklich ein Faktor, jedes Monat die Kosten dafür zu tragen. Diese sollen zukünftig von der Finanzierung des Ökostroms erstmals vollständig befreit werden. Das betrifft rund 300 000 Haushalte in Österreich, die jetzt schon von den GIS-Gebühren befreit sind, und ist ein klares Zeichen, dass uns die Niedrigverdiener, die Familien und Haushalte mit niedrigen Einkommen wirklich am Herzen liegen. Daran zeigt sich, dass dieser Antrag sehr ausgewogen ist, dass er vernünftig ist, dass er in die Zukunft blickt und dass er das Interesse aller abbildet.

In diesem Sinne: Den Abgeordneten vielen herzlichen Dank für die hervorragende Arbeit! Ich hoffe, dass wir heute hier wirklich noch zu einem guten Ergebnis kommen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.48


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Gabriel Obernosterer ist der nächste Redner. – Bitte.


18.49.00

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Fernsehschirmen! Ich glaube, die Frau Bundes­ministerin hat gerade inhaltlich zu diesem Thema eigentlich alles gesagt. Ich möchte jetzt das Thema ein bisschen auf Kärnten herunterbrechen.

Ich möchte nicht wiederholen, was Kollege Knes als Erstredner gesagt hat, das möchte ich mir ersparen, aber vielleicht ein bisschen etwas für den Wissensstand: Im Jahre 2017 war eine Kärntner Abordnung von diesen Biomassewerken in Wien, mit der dein Vorgänger, Abgeordneter Lipitsch, und ich zusammengesessen sind und bei der wir beide, SPÖ und ÖVP, uns erkundigt haben, worum es geht, und zu dem Entschluss gekommen sind – einmal alleine aus Kärntner Sicht –, dass die SPÖ und die ÖVP, die ich in diesem Fall dort vertreten habe, aus Kärnten ganz klar dazu stehen und dass wir diese Übergangsfrist dort einleiten. In Kärnten gibt es sieben Werke. Kärnten ist nach Niederösterreich der zweitstärkste Lieferant von Bioenergie, wir decken 48 000 Haus­halte ab, nur mit Strom und zum Teil auch mit Wärme – österreichweit sind es 500 000 –, und es ist schon gesagt worden, was das an Arbeitsplätzen und so weiter bringt.

Kollege Schellhorn, du hast gesagt: Wir müssen das Holz aus den Wäldern bringen. – Das ist eines der Hauptargumente, und, liebe Kärntner, hört einmal zu: Die Katastro­phe, die im oberen Gailtal und im Lesachtal stattgefunden hat, wird bei euch ja wohl, nur weil ihr über die Pack herausfahrt, nicht schon in Vergessenheit geraten sein. (Zwi­schenruf des Abg. Knes.) Das ist die Möglichkeit, damit die Bauern für das Schadholz wenigstens noch einen geringen Preis bekommen. (Beifall bei der ÖVP.) Wenn die Biomasseanlagen nicht mehr produzieren, dann bringen die Bauern das Schadholz nicht mehr weg und müssen sogar Geld aufbringen, um den Wald sauber zu halten. So bekommen sie noch circa 30 Euro pro Festmeter. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Knes.)

Eines ist aber schon interessant, Herr Knes, Vertreter des kleinen Mannes: Es geht hier um die Masse der Bauern, und es geht hier um eine gesunde Umwelt, den Aus­stieg aus Atomstrom und Kohleimport und darum, zu schauen, dass wir energie­unabhängig sind.

Es ist kein Geheimnis, dass gerade eine Aussendung von Austropapier heraus­gekom­men ist, und ich sage jetzt nur einen Satz dazu: Die geförderten Biomasseanlagen verzerren den Holzmarkt (Abg. Leichtfried: Verzerren oder verzehren?), das heißt, sie


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verzerren den Preis. Sprich: Wenn die Biomasseanlagen nicht mehr produzieren können, dann gibt es einen Preisverfall des Holzes und damit einen Einkommens­verlust der Bauern, die mit den vielen Windwürfen und mit dem Borkenkäfer schon gestraft genug sind. Ich weiß, dass Ihnen das egal ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Herr Knes, normalerweise begeben wir uns nicht auf dieses Niveau, aber es ist schon interessant, dass Ihr Arbeitgeber die Papierindustrie ist und dass Sie sich da herstellen und die Papierindustrie unterstützen, damit diese einen billigen Holzpreis und die Bauern nichts mehr bekommen – also das verstehe ich bei einem Sozialisten wirklich schon lange nicht mehr! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.) Und nebenbei verkaufen Sie Kärntner Arbeitsplätze und Kärntner Eigentum, sodass wir wieder Strom importieren müssen. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Knes.)

Ich hoffe wirklich, dass wir wieder zu den Tatsachen zurückkommen, dass wir in Wien wieder das machen, was wir in Kärnten ausmachen, und dass ihr, wenn ihr über die Pack drüberfahrt, nicht dort den Verstand abgebt. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

18.53


Präsidentin Doris Bures: Jetzt liegt mir eine Wortmeldung zu einer tatsächlichen Berichtigung vor. – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Rossmann.


18.53.54

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Danke, Frau Präsidentin!

Herr Kollege Schellhorn hat behauptet, dass ich ihn der Korruption verdächtigt habe. (Abg. Belakowitsch: Stimmt ja auch!) Ich berichtige tatsächlich: Ich habe ihn nicht der Korruption verdächtigt. Ich habe (Zwischenruf des Abg. Rädler) – hören Sie mir zu! – die Frage gestellt, ob er in diesem von mir genannten Unternehmen eine Rolle spielt. Sollte aber bei Herrn Kollegen Schellhorn der Eindruck entstanden sein, dass ich ihn der Korruption (Abg. Rädler: Rolle rückwärts!) – lassen Sie mich bitte ausreden! – verdächtigt habe, so möchte ich anfügen, dass das nicht meine Absicht war, und stehe auch nicht an, mich dafür zu entschuldigen. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT, ÖVP und NEOS.)

18.54


Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Mag. Dr. Axel Kassegger zu Wort. – Bitte.


18.55.02

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche, jetzt noch einmal darzulegen, worum es bei diesem Gesetz geht.

Dieses Gesetz ist auf Grundlage einer Notsituation entstanden, zum einen insbeson­dere aufgrund der Holzsituation, und zum anderen aufgrund der doch nicht unwesent­lichen Anzahl von Biomassekraftwerken, nämlich genau 47, deren Förderungen 2017, 2018, 2019 ausgelaufen sind.

Die Bundesregierung hat da Maßnahmen ergriffen, in dieser Notsituation geholfen, und zum Glück gibt es einige vernünftige – sage ich einmal – Oppositionspolitiker, wie Sepp Schellhorn von den NEOS, die das auch richtig erkannt haben und hier mitgehen. Das ist natürlich – wir wissen das alle – verfassungsrechtlich noch nicht ausreichend, weil wir die Zustimmung der SPÖ im Bundesrat auch noch brauchen. Ich werde jetzt ver­suchen, vielleicht doch noch die Zustimmung der SPÖ argumentativ herbeizuführen,


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indem ich ein paar Fragen an die SPÖ stelle, nämlich insoweit, warum Sie diesem Gesetz nicht zustimmen.

Stimmen Sie vielleicht nicht zu, weil Sie es mit der Energiewende und dem Umstieg von fossiler auf erneuerbare Energie dann doch nicht so genau oder so ernst nehmen? Wir jedenfalls haben hier als Bundesregierung ein unmissverständliches Commitment, was die Energiewende betrifft, und selbstverständlich dient man diesen Zielen nicht, wenn man hinsichtlich der Biomassekraftwerke in der jetzigen Situation nichts macht und dabei zuschaut, wenn mehr als ein Drittel dieser Kraftwerke zusperren müssen. Also das müssen Sie mir erklären: einerseits Bekenntnis zur Energiewende, Ausstieg aus den fossilen Energieträgern, und zum anderen in einer Notsituation wegschauen und billigend zur Kenntnis nehmen, dass ein wesentlicher Teil der Biomassekraftwerke zusperren muss. Ich verstehe das nicht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

So, damit sind wir jetzt beim Lieblingsthema nicht nur der Sozialdemokraten, es ist auch ein Lieblingsthema der Freiheitlichen Partei Österreichs, nämlich die Sicherung der Arbeitsplätze. Sie reden immer von der Sicherung der Arbeitsplätze. Haben Sie sich schon einmal angeschaut, um welche Unternehmen es sich hierbei handelt? Kollege Wittmann hat es schon gesagt: Es sind Industrieunternehmen und zum Teil Landesenergieversorger, aber auch kleinere Unternehmen. Allen ist gemein, dass sie im Gesamtsystem dieses Biomasseregimes selbstverständlich regionale Wertschöp­fung erzielen oder für regionale Wertschöpfung sorgen und damit auch Arbeitsplätze sichern. Offensichtlich sind Ihnen diese Arbeitsplätze egal, denn selbstverständlich wäre, wenn diese Werke zusperren, die Folge, dass Arbeitsplätze massiv in Gefahr geraten beziehungsweise verloren gingen. Ich verstehe es nicht.

Die Argumentation von Kollegen Knes verstehe ich möglicherweise, wenn man weiß, in welchem Betriebsrat Kollege Knes sitzt. Da gibt es möglicherweise Interessenkonflikte mit dem von der Frau Bundesminister schon zitierten großen Kärntner Unternehmen, das im Übrigen auch massiv Arbeitsplätze sicherstellt. (Zwischenruf des Abg. Knes.)

Ich verstehe die Wiener Abgeordneten nicht, denn ein großer Brocken – das ist ja kein Geheimnis – dieser Maßnahme würde ja auch nach Wien in den 11. Bezirk fließen, auch dort sind Arbeitsplätze sicherzustellen. Ich verstehe es nicht. Ich verstehe auch die burgenländischen Abgeordneten nicht, einer dieser Landesenergieversorger ist die Energie Burgenland. Also das müssen Sie Ihren burgenländischen Kollegen, Ihren Wiener Kollegen, Ihren Kärntner Kollegen beziehungsweise der Kärntner Bevölkerung, der Wiener Bevölkerung und der burgenländischen Bevölkerung erklären, aus welchem Grund Sie da dagegen sind.

Das kann doch nur ein Justamentstandpunkt einer Fundamentalopposition sein. Das ist nämlich auch mein Eindruck aus den sogenannten Verhandlungen, die in Wahrheit natürlich nicht in dem Ausmaß stattgefunden haben, dass man sie ernsthaft Verhand­lungen nennen könnte. Das liegt aber sehr erheblich auch an Ihrem Verhalten, denn da hat es nichts zu verhandeln gegeben – Frau Mag. Duzdar schaut mich an –, denn wenn man hineingeht und sagt: Das und das möchte ich, ansonsten können wir gleich wieder aufstehen!, dann sind das keine ehrlichen Verhandlungen.

Zum Glück haben Sie die Kurve gekratzt, was die Energiearmut betrifft, indem Sie hier einen Antrag auf getrennte Abstimmung stellen und zumindest jenem Teil dieses Gesetzes zustimmen, mit dem wir einkommensschwache Haushalte, Sozialhilfe­emp­fänger, Pensionisten, Studenten et cetera, die bisher sozusagen 20 Euro Ökostrom­pau­schale zahlen mussten, gänzlich von dieser Pauschale befreien, nämlich auf den Betrag von null setzen. Ursprünglich wollten Sie auch dem nicht zustimmen. Wie gesagt, da haben Sie, Gott sei Dank, die Kurve gekratzt.


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Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass Sie auch den anderen Bereich dieses Gesetzes betreffend rational denken und da auch noch die Kurve kratzen, gerne auch schon heute im Nationalrat, spätestens aber im Bundesrat. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.00


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Michael Bernhard. – Bitte.


19.01.00

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute in der Debatte gehört, es gibt zwei Gründe, warum wir nun deutlich mehr Schadholz als in den vergangenen Jahren haben: Das sind einerseits der Borkenkäferbefall, andererseits Stürme im letzten Herbst. Jetzt darf ich daran erinnern, dass das zwei Themen sind, die nicht von ungefähr kommen, vor denen wir in den letzten Jahren sehr deutlich gewarnt haben. Es ist weder der Borken­käfer, noch sind die Stürme neu, aber es ist beides, wenn es verstärkt auftritt, ein Zeichen des Klimawandels. (Präsidentin Kitzmüller übernimmt den Vorsitz.)

Betreffend Borkenkäfer ist es ganz konkret so, dass diese Käfer sich aufgrund der klimatischen Veränderungen und des permanent ansteigenden Monatsmittels in höhe­ren Lagen innerhalb eines Kalenderjahres in mehreren Generationen vermehren und dadurch einen höheren Schaden anrichten können. Das gab es in der Vergangenheit so nicht, jedenfalls nicht in diesem Ausmaß. Das zweite Thema ist, dass extreme Witterungsereignisse ebenfalls auf klimatische Veränderungen zurückzuführen sind.

Wir führen nicht eine Debatte darüber, was wir gegen den Klimawandel tun, sondern darüber, wie wir mit dem Klimawandel umgehen. Die verkürzte Form, dass wir jetzt 140 Millionen Euro in Biomasse investieren, ist eine, mit der wir ein Problem be­kämpfen, uns aber nicht mit der Ursache auseinandersetzen. Da möchte ich schon auf eines hinweisen: Die Frage des Klimawandels wird von dieser Regierung mit wesent­lich weniger Nachdruck behandelt, als das Thema Förderungen, die wir ausschütten, um die Biomasse weiter am Leben zu halten.

Genau da müssen wir ansetzen, sehr geehrte Frau Ministerin. Sie haben einiges an Strategien vorgelegt, Sie haben diese Strategien aus meiner Perspektive nach wie vor nicht ausreichend mit Leben erfüllt. Wir haben gerade gestern Zahlen bekommen, die zeigen, dass Österreich eines jener fünf Mitgliedsländer der Europäischen Union ist, in denen der Treibhausgasausstoß im Vergleich zum Jahr 1990 gestiegen ist. Man darf sagen, 23 Staaten haben es geschafft, nur fünf nicht. Ich möchte, dass sich das deut­lich ändert.

Wir stimmen heute zu, weil nachhaltige und nachwachsende Rohstoffe für eine künf­tige vernünftige Energiestrategie, Energieproduktion wichtig sind. Was wir heute be­schließen, ist aber das Pflaster, es ist nicht die Lösung für unsere Probleme. Wir brauchen eine progressive und eine mutige Klimapolitik; die vermisse ich nach wie vor. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

19.03


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schmuckenschlager. – Bitte.


19.03.52

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Wir in Österreich haben das große Glück, natürliche Res­sourcen zu besitzen, um unsere Energie und Wärme aus natürlichen Rohstoffen zu


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gewinnen. Das kann nicht jedes Land von sich behaupten. Wir haben aber auch die Verantwortung, alles dafür zu tun, wenn wir es schaffen, das entsprechend zu nutzen.

Im März wird wahrscheinlich Reaktorblock 3 in Mochovce in Betrieb gehen. Geschätzte Damen und Herren der Sozialdemokratie, wenn wir unserer Verantwortung nicht nach­kommen, heute Holzkraftwerke in Österreich zu stärken, wenn wir unsere Aufgaben in Österreich nicht selbst lösen, dann kommen Sie bitte nicht im März und fordern Antiatomkraft und Maßnahmen gegen Mochovce! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Es geht darum, jetzt einen Übergang zu schaffen, bis wir das große Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz haben. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den NEOS – die sozusagen den Horizont, wo wir hinwollen, erkennen –, dass sie da mitgehen werden. Wenn wir heute schon jährlich 450 Millionen Liter Heizöl durch unsere Holzkraftwerke ersetzen können, kann es nicht sein, dass wir den Ölhahn, den wir zugedreht haben, auf einmal wieder aufdrehen und somit importieren, über 6 Milliarden Euro Wertschöpfung der letzten zehn Jahre in den Mistkübel schmeißen, Gelder in Krisengebiete schicken, in denen heute Bomben fallen und Waffen gekauft werden, anstatt Wertschöpfung in Österreich zu generieren, wo wir aufgrund der Holzkraftwerke über 6 500 Arbeitsplätze haben. Da sollte die Gewerkschaft zu ihren Arbeitsplätzen stehen, das ist Standort­politik. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sie werfen uns, dieser Regierung, gerne vor, dass wir Konzernpolitik machen. Wissen Sie, was der Unterschied zwischen dieser Regierung und der Vorgängerregierung ist? – Wir machen Standortpolitik; die kann auch für Konzerne gut sein, aber nur Konzernpolitik zu machen, das ist Klientelpolitik. Das können Sie gerne Ihren Papp­kameraden von der Papierindustrie ausrichten. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Zwischen­rufe der Abgeordneten Duzdar und Knes.)

Den Wald schützen durch nützen! Auf eines möchte ich schon hinweisen: Wir dürfen stolz auf unsere Waldbauern sein und auch einmal Danke sagen, denn genau diese Schadensereignisse haben uns gezeigt, dass es auch in der Holzbringung Todesfälle, schwere Verletzungen und große Dramen in einzelnen Bauernfamilien gibt; trotzdem arbeiten sie im österreichischen Wald und bringen das Holz ein.

Neid ist dabei nicht angebracht. Momentan haben wir eine Preissituation, die zum Teil unter den Bringungskosten liegt, aber trotzdem wird das Holz aus dem Wald gebracht, da – wie wir wissen – sonst eine negative CO2-Bilanz entsteht. Wenn wir das Holz nicht bringen, wenn es im Wald verrottet, haben wir CO2-Ausstoß ohne Nutzung. Allein in Niederösterreich sind das Schadholzausmaße von 200 000 Festmetern, das heißt, 9 000 Lkw-Fuhren pro Jahr aufgrund der letzten Kalamitäten: Borkenkäfer, Trocken­heit, Windbruch und Schneedruck.

Das ist heute ein Minimalkompromiss. Ich bitte Sie, zuzustimmen. Umweltpolitik ist ein großer Konsens in diesem Haus, das eignet sich nicht für Oppositionspolitik. Die SPÖ sollte diesen österreichischen Weg nicht verlassen. Bitte kommen Sie zurück! Wenn Sie es heute nicht übers Herz bringen: Sie haben die Chance, im Bundesrat und spätestens beim neuen Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz zuzustimmen, wenn Sie nicht als die Lobbyisten der Atom- und Ölindustrie in diesem Land übrig bleiben wollen. Gehen Sie mit uns den Weg in die Zukunft! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.07


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Duzdar. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.07.41

Abgeordnete Mag. Muna Duzdar (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Herr Kollege Rauch,


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 191

wenn Sie in Zukunft Presseaussendungen der Arbeiterkammer zitieren, würde ich Sie höflich ersuchen, diese Presseaussendungen vollständig zu zitieren. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Rauch: Die sind zu lang!)

Im Titel der Presseaussendung steht drinnen: „Nein zur Biomasse-Sonderförderung“. Die Arbeiterkammer sagt ganz deutlich, dass der Entlastung von 3 Millionen Euro eine Belastung von 150 Millionen Euro gegenübersteht, nämlich für die Stromkunden und Stromkundinnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Kassegger hat heute gesagt, er verstehe einfach nicht, wieso wir da nicht mitgehen können und warum wir die Ener­giewende nicht vollziehen wollen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Kassegger.) – Nein, Herr Kollege Kassegger, das kann ich nicht auf mir sitzen lassen, denn wir sind diejenigen, die eine wirkliche Energiewende wollen, nämlich als Antwort auf die Klimakrise. (Ruf bei der FPÖ: Ja, genau! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Und was machen Sie? Was machen Sie? Wo ist der große Wurf im Energiebereich, den Sie uns schon lange versprochen haben? (Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.) Wo ist das Gesamtpaket im Energiebereich? (Beifall bei der SPÖ.) Wo ist das Erneuer­baren-Ausbau-Gesetz im Energiebereich? – Frau Ministerin, Sie haben gesagt, das ist jetzt eine Überbrückungslösung, das ist eine Überbrückungsregelung. Die wievielte Überbrückungsregelung soll das noch werden, das frage ich mich.

Was uns heute vorliegt, ist eben kein Gesamtpaket im Energiebereich (Abg. Kassegger: Eh nicht! Das haben wir nicht behauptet!), keine Energiewende, sondern vielmehr ein Initiativantrag von FPÖ und ÖVP, Biomasseanlagen weiterhin zu fördern, also eine isolierte Einzelmaßnahme, die eine bestimmte Interessengruppe fördern soll. An diesem Punkt sieht man doch, dass Sie, diese Bundesregierung, keine Energiepolitik machen, sondern reine Klientelpolitik. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist nicht nur so, dass Sie von der ÖVP einzelne Gruppen fördern, sondern die Spitze des Eisbergs ist in Wirklichkeit, dass uns heute ein Antrag vorliegt, in dem weder steht, wie die Tarife geregelt sind, noch eine Kostendeckelung enthalten ist, es liegen uns weder Berechnungen noch Folgenabschätzungen vor. Wir wissen nicht wohin die Förderungen fließen, in welche Anlagen, ob es effiziente oder ineffiziente Anlagen sind, ob sie stromgeführt oder wärmegeführt sind. Wir wissen nicht, welche Tarife die Anlagen bekommen. Das heißt, wir wissen eigentlich gar nichts (Zwischenruf des Abg. Kassegger – Abg. Belakowitsch: Nur wenn Sie es nicht wissen ...!), außer dass die ÖVP mit den Beiträgen der Stromkunden und Stromkundinnen über Hunderte Millionen Euro intransparent an irgendwen verteilen möchte. Das ist das Einzige, das wir wissen. (Beifall bei der SPÖ.)

Glauben Sie wirklich, dass wir von der Sozialdemokratie Blankoschecks über 150 Mil­lionen Euro ausstellen? (Ruf bei der FPÖ: 50!)  150 Millionen Euro über drei Jahre. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Weil Sie heute von Arbeitsplätzen geredet haben, sage ich Ihnen eines: Ich bin der Meinung, dass das auch ein gefährliches Spiel auf Kosten der Arbeitsplätze ist, denn wer garantiert uns, dass mit dieser intransparenten Regelung die Nachfolgetarife überhaupt hoch genug sind, um den Weiterbetrieb der Anlagen zu sichern? Das ist doch eine Scheinlösung auf dem Rücken der Strom­kunden und auch der Analgenbetreiber. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist mir daher aber auch schleierhaft, wieso heute die Kollegen und Kolleginnen der NEOS da mitgehen. Ein Kollege der NEOS hat auch gesagt, dass dies nicht die Lösung der Probleme ist. – Ja, wenn es nicht die Lösung der Probleme ist, warum gehen Sie dann bei einer Umverteilung von Hunderten Millionen Euro hin zu teilweise – wir wissen es nicht – ineffizienten, unwirtschaftlichen Anlagen mit? Ich hatte immer die Vorstellung, dass Sie von den NEOS Kapitalisten seien, dass Sie alle BWL studiert


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haben. Jetzt stellt sich heraus, dass sich die Waldbesitzer gegen die Großkapitalisten bei den NEOS durchgesetzt haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Loacker: Dass Sie einfach denken, haben wir gewusst! Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Zu guter Letzt möchte ich schon auch auf die Argumentation der ÖVP zurückkommen, warum wir jetzt sofort auf Knopfdruck Hunderte Millionen Euro freigeben müssen. In den letzten zwei Monaten habe ich viel von der ÖVP gehört. Die Geschichte des Borkenkäfers ist mir rauf und runter erzählt worden. Wenn Sie sich schon mit dem Leben des Borkenkäfers auseinandersetzen, wäre es vielleicht an der Zeit, sich auch mit den Ursachen des Borkenkäferbefalls auseinanderzusetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben Leute in der Regierung sitzen, die die Klimakrise leugnen. Wir wissen ganz genau, dass unsere Wälder in Österreich aufgrund der Klimaerhitzung austrocknen und aussterben. Sie haben in Ihrer Regie­rung Leute sitzen – niemand anderer als der Vizekanzler dieser Republik –, die der Meinung sind, dass beispielsweise die Sahara die Kornkammer Roms gewesen ist. Dann gibt es noch einen Infrastrukturminister, der Tempo 140 auf Teststrecken ein­führt, und eine Umweltministerin, die dazu nichts zu sagen hat. (Zwischenruf des Abg. Wöginger.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie nicht wollen, dass die Wetter­extre­me in Österreich zunehmen, wenn Sie nicht wollen, dass das Waldsterben zunimmt, dann machen Sie endlich einmal eine gescheite Klima- und Energiepolitik! (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt auch etwas Positives in dem Antrag, und zwar, das möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass das Thema Energiearmut endlich bei Ihnen – ÖVP und FPÖ – angekom­men ist. Im Regierungsprogramm steht ja nichts darüber. Gut, dass jemand von der ÖVP bei unserer Pressekonferenz dabei gewesen ist, als wir unser Programm und unser Konzept gegen Energiearmut vorgestellt haben! (Heiterkeit bei der ÖVP.) Danke sehr, dass Sie unseren Punkt aufgegriffen haben, deshalb werden wir eine getrennte Abstimmung verlangen!

Ich möchte Ihnen zum Abschluss eines sagen: Wir von der Sozialdemokratie sind jederzeit bereit, seriös über Energiepolitik zu verhandeln. (Abg. Wöginger: Außer es geht um Wien!) Wozu wir allerdings nicht bereit sind, ist, Blankoschecks über Hunderte Millionen Euro für eine ÖVP/FPÖ-Klientelpolitik auszustellen. Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Wöginger: Bei der Gasleitung um Wien darf’s ein bissl mehr auch sein, nicht?)

19.14


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Berlakovich. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.14.36

Abgeordneter Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Die 15-jährige schwedische Schülerin Greta Thunberg hat bei der letzten Weltklimakonferenz in Kattowitz weltweit mediale Be­rühmtheit erlangt, und zwar deswegen, weil sie den Politikern und auch den interna­tionalen Experten einen Spiegel vorgehalten und gefragt hat: Wieso macht ihr beim Klimaschutz nichts?

Die Debatte, Ihr Debattenbeitrag hier zeigt, dass Greta Thunberg auch Ihnen das vor­halten sollte, denn genau diese Polemik, die Sie hier verbreiten, ist der Grund dafür, dass beim Klimaschutz nichts weitergeht. (Beifall bei ÖVP und FPÖ. Zwischenrufe bei der SPÖ.) Da haben Sie immer differenziert: Windkraft ist gute erneuerbare Ener-


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gie, Photovoltaik ist gut, Biomasse ist vielleicht bäuerlich, schlechte erneuerbare Ener­gie.

Die Wahrheit ist, Klimawandel entsteht – Tausende Wissenschaftler der Vereinten Na­tionen haben das gesagt – durch die Verbrennung der fossilen Energie; also weg von Kohle, weg von Gas, weg von Öl und hinein in die erneuerbaren Energien!

Das Schöne bei der ganzen Thematik ist, dass wir da in Wahrheit überhaupt keine Konkurrenzsituation haben. Wenn wir Österreich in Richtung erneuerbare Energie ausbauen, dann brauchen wir jede Form der erneuerbaren Energie. Neben der Ener­gie­einsparung und der Energieeffizienz brauchen wir sowohl die Geothermie als auch die Windkraft, und, und, und – und sehr wohl auch die Biomasse; daher gibt es keine Konkurrenzsituation. Irgendjemanden vorzuwerfen, sich für Wirtschaftsinteressen ein­zu­setzen, ist lächerlich.

Es kommt ein zweiter Punkt dazu; es wurde jetzt erwähnt und die Umweltministerin hat die #mission 2030 vorgelegt: Einerseits geht es darum, dass wir Energie aus erneuer­baren Energieträgern erzeugen, aber letztendlich geht es betreffend Wald auch darum, dass wir die Wälder gesund erhalten. Das Setzen auf erneuerbare Energie, die Nut­zung der Biomasse ist ja Gesunderhaltung der Wälder.

Beispiel Güssing: Vielleicht erinnern Sie sich an die Stadt im Südburgenland, die erste energieautarke Stadt: Kleinstwaldbesitzer, viele bäuerliche Gemeinschaften, bei denen nicht nur Bauern, sondern auch Arbeiter, Pensionisten, Wirtschaftstreibende Wald­anteile haben. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist niemand mehr in den Wald gegan­gen, den Wald zu pflegen, weil die Menschen fürs Holz nichts bekommen haben; also ist man dort auf die Idee gekommen, die Biomasse zu nutzen, um Wärme zu erzeugen, um Strom zu erzeugen, und war die erste energieautarke Stadt Österreichs. Der Effekt neben der Erzeugung der erneuerbaren Energie ist, dass die Wälder reingehalten, vital gehalten werden, dass der Wald widerstandsfähig ist, wenn es Trockenperioden gibt, wenn es Borkenkäfer und andere Dinge gibt. Das ist der Aspekt, der in diesem Bereich wichtig ist.

Die Frau Ministerin hat vor Kurzem über die Waldinventur berichtet. Der österreichi­sche Wald wächst jährlich um 3 400 Hektar, das sind über 4 700 Fußballfelder. Es wäre verantwortungslos, den Wald nicht zu nutzen; natürlich kaskadierend, für Möbel, für Bauholz, aber das Käferholz auch für die erneuerbare Energie.

Abschließend: Wenn Sie hier beklagen, dass 150 Millionen Euro für die Biomasse freigesetzt werden: Österreich gibt jährlich 10,7 Milliarden Euro – Geld, das ins Ausland fließt – für den Ankauf von Öl, Gas und Kohle aus, 1 000 Euro pro Haushalt und Jahr, und nicht 90 Euro Ökostrombeitrag pro Jahr.

Also diese Rechnung geht auf, wir müssen die Erneuerbaren im Sinne des Klima­schutzes und der Hintanhaltung des Klimawandels unterstützen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.18

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Bißmann. – Bitte.


19.18.35

Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsi­dentin! Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Der Meinungsbildungsprozess zu diesen Anträgen war jetzt eine echte Zerreißprobe.


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Sie dürfen mir glauben, ich habe es mir nicht leicht gemacht. Ich habe mich intensiv mit der Gesetzesmaterie auseinandergesetzt und habe mich dabei zu hundertprozentiger Sachlichkeit und einer rein inhaltlichen Auseinandersetzung verpflichtet. Ich habe mit mehreren Experten und Expertinnen gesprochen, die Entscheidung ist knapp, aber sie ist so ausgegangen: Ich stimme dem Abänderungsantrag zu, mein Name steht auch drauf, und ich unterstütze mit meiner Stimme den Initiativantrag der Kollegen Lettenbichler und Kassegger zur Änderung des Ökostromgesetzes 2012. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich stehe hier als Stimme für die Umwelt, für den Klimaschutz, und ich bin nur dem und den Menschen im Land, sonst niemandem, verpflichtet. Beim Klimaschutz sollen parteipolitische Interessen keine Bedeutung haben, sie sollen hintangestellt werden. Wir sollen unter Einbeziehung der Betroffenen, der Expertinnen und Experten sorgsam abgewogene Lösungen suchen.

Worum geht es heute? – Ich möchte gern kurz erklären, warum ich diese Anträge unterstütze, auch wenn einiges Wiederholung sein wird. Es braucht eine Übergangs­lösung, damit bis zum Inkrafttreten des neuen Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes 2020 der Betrieb voll funktionsfähiger Holzkraftwerke, KWK-Anlagen, die Wärme und Strom einspeisen, sichergestellt werden kann. Der Wegfall der Förderung würde unweigerlich zur endgültigen Schließung führen, denn die sperren nicht zu und dann in drei Jahren wieder auf, wenn wir das neue Gesetz haben; nein, das wäre eine endgültige Schließung. Anlagen in ganz Österreich würden zusperren, das wäre ein wirtschaftlicher und ein ökologischer Schaden für unser Land.

Es ist mir bewusst, dass der Energieversorgungsmix in Österreich weit davon entfernt ist, perfekt zu sein. Lasst uns bitte kritisch prüfen, wie hoch der Holzverstromungsanteil im Erneuerbarenenergiemix 2030 sein soll, wenn wir im Land 100 Prozent Erneuerbare haben! Es geht jetzt aber um jetzt, um eine Notlage. Durch den Wegfall der Holz­kraftwerke, würde sich die Lage nämlich verschlechtern. 3 Millionen Tonnen CO2 werden jährlich durch die 130 Holzkraftwerke eingespart, und diese Holzkraftwerke sichern auch 6 400 Arbeitsplätze.

Zur Wirtschaftlichkeit, Frau Kollegin Muna Duzdar und Herr Wittmann: Vor dem Hintergrund noch immer schamloser Subventionierungen für die fossilen Energieträger schaut das ganz anders aus. 4,7 Milliarden Euro fließen in Österreich jährlich noch in die fossilen Energieträger, das müssen wir uns an einer anderen Stelle anschauen.

Und dann stellt sich eben die Frage der Alternative. Was ist die Alternative zum zuge­sperrten Holzkraftwerk? Stromimporte? Dr. Christian Metschina aus Graz, Biomasse­experte, sieht das so: Solange an unserer Grenze immer noch Atomkraftwerke in Betrieb sind, dürfen wir nicht zulassen, dass voll funktionsfähige Anlagen zur Erzeu­gung erneuerbarer Energie abgeschaltet werden. Und in Anspielung auf den not­wendigen Import fossiler Energie, wenn wir die Holzkraftwerke zusperren würden, würde ich sagen: Hackgut statt Kriegswut. – Zitatende.

100 Prozent Erneuerbare sind ohne Biomasse einfach nicht machbar. Es war heute auch schon die Rede von Schadholz: Wir haben riesige Mengen Holz in den Wäldern, das vom Borkenkäfer vernichtet wurde und sich nur mehr für die energetische Ver­wertung in Holzkraftwerken eignet.

Jetzt komme ich zu einem ganz wichtigen Punkt. Ich stimme trotzdem zu, aber gerade in Anbetracht der Wichtigkeit der Holzstromanlagen darf es nicht sein, dass die Holzkraftwerke trotz dieser Novelle zusperren, weil die Tarife, die Einspeisetarife – diese werden verlängert – zu niedrig sind. Da bitte ich die Kollegen Josef Lettenbichler, Axel Kassegger und auch unsere Bundesministerin, dafür zu sorgen – mit höchster Priorität –, dass die Nachfolgetarife mindestens die Höhe der aktuellen Verordnung haben, sonst wird diese Novelle ein regelrechter Bauchfleck und wir haben gar nichts


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erreicht und doppelt verloren, wenn die Kraftwerke trotzdem zusperren müssen. Die gesamte Biomassebranche warnt und weist darauf hin.

Die Übergangslösung ist – und da sind Kollege Michael Bernhard und ich uns einig – wie ein Druckverband auf einer offenen Wunde, er ist aber notwendig, um den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien im Land voranzutreiben und die fossilen Energie­träger zurückzudrängen. Es braucht bei diesem Thema hier wirklich einen überpar­teilichen Schulterschluss. Wir müssen schnellstmöglich raus aus Erdöl, Erdgas und Kohle und importiertem Atomstrom.


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Ich bitte Sie, zum Schlusssatz zu kommen.


Abgeordnete Dipl.-Ing. (FH) Martha Bißmann (fortsetzend): Mein Schlusssatz ist ein Zitat von der schon vorhin erwähnten Greta Thunberg, unserem schwedischen Kinder­klimastar: Das Haus brennt. Wir müssen schnell handeln und zusammenhalten. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Hashtag #fridaysforfuture: Auch bei uns in Wien gehen jeden Freitag junge Menschen auf die Straße, um für den Klimaschutz zu demonstrieren. – Vielen Dank für die Auf­merk­­samkeit. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten der FPÖ sowie der Abg. Doppelbauer.)

19.24

19.24.44


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist somit geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung, und zwar über den Gesetzentwurf in 395 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Lettenbichler, Kassegger, Schellhorn, Bißmann, Kolle­ginnen und Kollegen einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag eingebracht.

Weiters liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung der Abgeordneten Mag. Duzdar vor.

Ich lasse daher zunächst über die vom erwähnten Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsantrag sowie vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und schließlich über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes abstimmen.

Da der vorliegende Gesetzentwurf und der erwähnte Zusatz- beziehungsweise Abän­derungsantrag Verfassungsbestimmungen enthalten, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesen­heit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest – diese ist gegeben –, und ich gebe bekannt, dass ich bei jeder Abstimmung teilnehmen werde.

Die Abgeordneten Lettenbichler, Kassegger, Schellhorn, Bißmann, Kolleginnen und Kollegen haben einen Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag betreffend Einfü­gung einer neuen Ziffer 1 sowie der daraus resultierenden Umnummerierung und Abänderung der Ziffer 4 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. Ich stimme mit Ja. – Damit ist der Zusatz- beziehungsweise Abänderungsantrag ange­nommen. (Rufe: Zählen!) – Wir können gerne die Schriftführer bitten, beim Zählen mitzuhelfen; aber in diesem Fall geht es noch um die einfache Mehrheit, eine einfache Mehrheit ist sehr wohl gegeben.

Wir kommen nun zur getrennten Abstimmung über den Zusatzantrag der Abgeord­ne­ten Lettenbichler, Kassegger, Schellhorn, Bißmann, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Einfügung der Ziffern 8a bis 8e.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die hiemit einverstanden sind, um ein Zeichen der Zustimmung. Ich gebe bekannt, dass auch ich mit Ja stimme. – Somit ist der Zusatz­antrag einstimmig angenommen.

Die Abgeordneten Lettenbichler, Kassegger, Schellhorn, Bißmann, Kolleginnen und Kollegen haben einen Abänderungsantrag betreffend Ziffer 9 eingebracht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem ihre Zustimmung erteilen, um ein beja­hendes Zeichen. Ich stimme auch mit Ja. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichts.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung erteilen, um ein dies­bezügliches Zeichen. Auch ich stimme mit Ja. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ich stelle wiederum ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittel­mehr­heit fest.

Wir kommen nun gleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung diesem Gesetzentwurf zu­stimmen, um ein entsprechendes Zeichen. Auch ich stimme mit Ja. – Das ist mehr­heitlich angenommen.

Ich stelle wiederum ausdrücklich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehr­heit fest. Somit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Lesung angenommen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.29.138. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 2, 4 und 10 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 34, 44, 49 und 52 (477 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesord­nung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hofinger. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.29.44

Abgeordneter Ing. Manfred Hofinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute den Sammelbericht des Petitionsausschusses.

Am Beginn dieses Sammelberichtes steht eine Petition, die sehr erfolgreich war: Mehr als 30 000 Menschen – eine sehr hohe Anzahl – haben sich dafür eingesetzt, dass ein Schulversuch, der in Oberösterreich 25 Jahre lang durchgeführt wurde, in dem es um Volksschul-Inklusionsklassen an Sonderschulen ging, ins Regelschulwesen überge­führt wird. Online haben sogar 4 880 Menschen unterschrieben, auch das ist ein Re­kord für eine Onlinezustimmung. Maßgeblich für den Erfolg dieser Petition war eine Elterninitiative, geleitet von Frau Barbara Hofer, die heute auch in Wien ist und die ich recht herzlich hier bei uns im Parlament begrüßen möchte. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Kassegger und Lausch.)


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Ich möchte mich recht herzlich für Ihren Einsatz bedanken. Sie haben es in den ver­gangenen Jahren mit sehr vielen Besuchen und sehr sympathischen Kundgebungen in Wien mit einer gewissen Hartnäckigkeit erreicht, dass die Petition zu einem guten Abschluss gekommen ist, und das freut mich ganz besonders. Man sieht da auch, dass gerade mit Petitionen und Bürgerinitiativen hier bei uns im Parlament gut umgegangen wird. Das ist ein Zeichen einer sehr gut gelebten Demokratie und eines sehr gut funk­tionierenden Parlamentarismus.

Im März des vergangenen Jahres haben wir, alle Parteien gemeinsam, gemeinsam mit der Elterninitiative den Antrag eingebracht beziehungsweise die Petition Herrn Präsidenten Sobotka übergeben, und in den vergangenen Monaten bis zum November wurde intensiv daran gearbeitet, dass zwischen Bundesministerium und dem Land Oberösterreich eine Einigung herbeigeführt und eine Lösung gefunden wird, was wir auch zustande gebracht haben.

Bis 2022 sind diese Klassen gesichert, was mich besonders freut. Ich habe mir diese Inklusionsklassen auch tatsächlich persönlich angeschaut, und ich muss sagen, ich war wirklich erstaunt darüber, welch gutes Miteinander und Füreinander dort gelebt wird. Daher ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, mich als Erstunterzeichner hinter diese Elterninitiative zu stellen und sie zu unterstützen, und ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam über 2022 hinaus eine Lösung für Oberösterreich zustande brin­gen.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei Herrn Bundesminister Faßmann, bei unserer Bildungslandesrätin Christine Haberlander und bei der Elterninitiative recht herzlich dafür bedanken, dass das möglich geworden ist.

Eine weitere Initiative, die in diesem Sammelbericht behandelt wird, ist die Bürger­initiative 34, deren Unterstützern es wichtig ist, dass wir eine generelle Arbeitszeit­be­schränkung auf 30 Stunden pro Woche erreichen. Das entspricht nicht ganz unserem Ansinnen, und das bestätigen uns auch die Stellungnahmen, die wir eingeholt haben, aber jede Initiative und jede Reform, die den Arbeitsmarkt stärkt, ist wichtig, und genau das haben diese Bundesregierung und der Nationalrat beschlossen.

Ich darf an die Arbeitszeitflexibilisierung erinnern, die ermöglicht, was bei uns in den kleinen Betrieben, mittleren Betrieben und auch größeren Betrieben besonders wichtig ist: dass wir größere Projekte gut abschließen können, dass größere Freizeitblöcke geschaffen werden können und dass auch ein Spielraum für mehr selbstbestimmtes Arbeiten und Privatleben gegeben ist. Infolgedessen sehen wir, dass wir hier auf einem guten, einem richtigen Weg sind, und somit möchten wir auch diese Bürgerinitiative heute zur Kenntnis nehmen.

Abschließend bedanke ich mich bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich mittels Petitionen und Bürgerinitiativen stark oder weniger stark bemerkbar machen. Es ist für uns wichtig, dass ihr eure Vorschläge bei uns einbringen könnt. Wir nehmen sie wirklich ernst, und mit Bedacht und mit Umsicht prüfen und diskutieren wir sie. Alle Zuseherinnen und Zuseher möchte ich noch auf die Parlamentshomepage hinweisen, wo alle Initiativen aufscheinen, und ein bisschen Werbung dafür machen. Schaut bitte rein, es zahlt sich aus! – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Kassegger.)

19.34


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Knes. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.34.59

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Zuseherinnen und Zuseher! Bürgerinitiativen und Petitionen


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sind eine demokratische Rechtseinrichtung für unsere Bürgerinnen und Bürger, und es freut uns natürlich, dass wir in den letzten Jahren in diesem Ausschuss mit unseren Initiativen ziemlich Gas gegeben und eines erreicht haben: dass die Bürgerinnen und Bürger uns ihre Anliegen auch elektronisch mitteilen können. Natürlich brauchen sie noch eine gewisse Anzahl an Unterstützern, aber wir haben auch diese Grenze herabgesetzt, damit die Anliegen leichter im Parlament debattiert werden können.

Eine Sache stößt uns von den Oppositionsparteien aber immer wieder auf: Wenn prekäre, brisante Themen reinrollen – Kollege Hofinger hat es ja gerade ange­sprochen –, ob das die Arbeitszeitverkürzung ist, ob das von mir aus Arbeitszeitverlängerungen sind, dann verschließt sich interessanterweise die Wirtschaftspartei. Diesen Antrag hätten wir schon gerne an den Ausschuss weitergeleitet, nämlich an jenen, in den er gehört, an den Ausschuss für Arbeit und Soziales, damit er ordnungsgemäß debattiert werden kann. Die Kenntnisnahme allein bedeutet für unsere Bürger: in die Schublade gesteckt, und das war es.

Das entspricht nicht unserem Verständnis im Zusammenhang mit Bürgerinitiativen, sondern wir würden das gern länger debattieren und auch den entsprechenden Fach­ausschüssen zuweisen, dafür sind diese Einrichtungen nämlich da. Darüber nachzu­denken bitte ich auch die Regierungsparteien, denn sonst führt sich das in Zukunft ja ad absurdum.

Wir rufen die Bürgerinnen und Bürger auf, wir ermöglichen die elektronische Unter­zeich­nung, wir machen sogar am 13. Feber das erste Mal seit Bestehen dieses Instru­mentariums ein wirklich öffentliches Hearing, bei dem sich die Bürgerinitiativen selbstständig hier zu Wort melden können, und wir können dann mit allen Parteien beschließen, in welche Richtung wir mit diesen Bürgerinitiativen gehen. Das ist das Demokratieverständnis, das ich hier einbringen möchte – nicht einfach schubladisieren und sagen: Na ja, stellt halt irgendwann wieder einmal einen Antrag und dann befinden wir halt anders!

Regierungen verändern sich, das haben wir ja in den letzten Jahren gelernt, daher mein Aufruf an die Regierungsparteien: Nehmt das ernst, auch wenn die Opposition etwas sagt, und schaltet euch entsprechend ein! Ihr propagiert das ja auch; aber dann auch richtig, bitte! (Beifall bei der SPÖ.)

19.37


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ord­nete Wagner. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.37.34

Abgeordnete Petra Wagner (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Eine der vorliegenden Bürgerinitiativen ist dem Thema Arbeit gewidmet, und damit geht es auch um einen großen Teil unseres Lebens. Arbeit bedeutet, Geld zu verdienen, Arbeit bedeutet, eine Aufgabe zu haben, und auch, gebraucht zu werden. Sie stiftet Sinn und ist für manche Menschen sogar Berufung und gibt Sicherheit.

Die Unterzeichner der Bürgerinitiative „Es ist Zeit für die Arbeitszeitverkürzung: Arbeits­losigkeit senken – Arbeitende entlasten!“ wollen Jobs durch gerechtere Verteilung der Arbeit schaffen. Sie fordern eine Reduktion der Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden und die Einführung eines 6-Stunden-Arbeitstages bei vollem Lohnausgleich. Sie fordern auch, dass es Überstunden nur noch im Ausnahmefall geben soll. Und weil das Ganze natürlich etwas kostet, da ja die Einführung dieses Modells bei vollem Lohnausgleich einer Gehaltserhöhung von circa 30 Prozent entsprechen würde, wird vorgeschlagen, weitere Steuern einzuführen.


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Unsere Bundesregierung geht einen anderen Weg: Es wurde vor Kurzem ein beein­druckendes Steuerentlastungspaket geschnürt. Wir wollen den Bedürfnissen der Men­schen nach modernen und flexiblen Arbeitsregelungen entgegenkommen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.) Wir werden das aber sicher nicht tun, indem wir gleichzeitig neue Steuern einführen. Daher ist jedem Plan, der eine neue steuerliche Belastung der Bürger bedeutet, eine Absage zu erteilen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Uns geht es darum, Arbeit flexibler zu gestalten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern. Diese Bundesregierung steht für gut durchdachte, konstruktive Lö­sun­gen und nicht für Versuche, die nur viel Geld kosten, aber keinen Erfolg ver­sprechen.

Meine Damen und Herren! Arbeit und die Arbeitsbedingungen haben einen ganz wesentlichen Einfluss auf uns Bürger. Nur durch Leistung und eine positive Einstellung zur Arbeit können wir unseren Wohlstand nachhaltig sichern. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.40


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Bernhard. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.40.23

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Heute vor einem Jahr wurde öffentlich, dass in Oberösterreich die sogenannten I-Klassen nicht fortgeführt werden. Man hat bis dahin auch den Unterschied nicht gekannt, nicht gewusst, dass in Oberösterreich die Praxis der I-Klassen anders als in allen anderen Bundesländern verstanden wird. Wir als Parlament haben uns meines Wissens in den vergangenen Jahren auch nicht sehr stark mit dem Thema beschäftigt.

Warum sind I-Klassen so wichtig? – Sie sind wichtig, weil in Sonderschulen Kinder mit Beeinträchtigung und Kinder ohne Beeinträchtigung in Gemeinsamkeit ein besseres Verständnis füreinander erlernen. Sie sind ein Ort, an dem Kinder mit Beeinträchtigung es als selbstverständlich erachten, dass jene, die keine Beeinträchtigung haben, trotzdem ihre Freunde sind. Sie werden nicht voneinander getrennt, sie erleben ein normales Aufwachsen. Sie geben Eltern, die ein Kind mit Beeinträchtigung und ein Kind ohne Beeinträchtigung haben, die Möglichkeit, ihre Kinder, die beiden Geschwis­ter, in die gleiche Schule zu schicken. Das hat einen hohen Stellenwert für das Familienleben, und das hat auch ganz praktische Vorteile. All das soll es in Zukunft für andere Kinder in Oberösterreich oder auch für kleinere, die noch nicht schulpflichtig waren, nicht mehr geben. Das haben Eltern in Oberösterreich erfahren.

Wir haben, und das ist ein ganz wesentlicher Punkt, da auch Betroffene gehört. Ich darf eine Betroffene vor den Vorhang holen. Barbara Hofer, eine betroffene Mutter und Sprecherin der Initiative, die sich an den Petitionsausschuss gewandt hat, hat uns ihre Geschichte erzählt. Sie ist Diplomkrankenschwester, Mutter von drei Kindern, ihr mittlerer Sohn ist schwer beeinträchtigt, und sie möchte, dass ihre Kinder in Steyr gemeinsam in die Schule gehen. Das ist nur möglich, wenn es weiter I-Klassen gibt. Man muss sagen, das ist nicht möglich, wenn man sich auf die Landes- oder die Bundespolitik verlässt, denn als der Öffentlichkeit bekannt gegeben worden ist, dass es die I-Klassen nicht mehr geben soll, gab es keinen Aufschrei in der Landespolitik, es gab Ausreden. Es gab zuerst auch keinen Aufschrei in der Bundespolitik, da hat man es erst wahrgenommen, als sich Betroffene gemeldet haben.

So war es an den Betroffenen, unter anderem auch an Frau Hofer, die die Initiative Rettet die I-Klassen gegründet haben, etwas zu tun. Sie sind buchstäblich von Pontius zu Pilatus gelaufen, sie haben NGOs kontaktiert, sie haben die Landespolitik kon-


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taktiert, sie haben die Bundespolitik kontaktiert, sie haben den Bundespräsidenten kon­taktiert, das Ministerium kontaktiert, und dann ist etwas gelungen, was leider nicht allen Initiativen gelingt. Es ist gelungen, die Aufmerksamkeit sowohl medial als auch polit­isch auf ein Thema zu lenken, sodass es zu einer Lösung gekommen ist. Die Lösung vonseiten des Bundesministeriums hat ganz konkret so ausgesehen, dass wir in Oberösterreich bis 2021 weiter I-Klassen haben.

Wir wissen aus der Beantwortung dieser Frage in den Stellungnahmen an den Peti­tions­ausschuss, dass alle anderen Bundesländer dieses Problem in der vorliegenden Form nicht haben. Warum haben sie es nicht? – Aus einem einfachen Grund: weil sie das Pflichtschulorganisationsgesetz anders interpretieren. Das heißt, in acht Bundes­ländern funktioniert, was im neunten Bundesland nicht funktioniert. Jetzt ist die Frage: Liegen acht falsch oder liegt das eine falsch?

Was wir jetzt brauchen, und das ist noch nicht Aufgabe des Petitionsausschusses, ist, dass die Initiative, die ja auch direkt mit dem Land Oberösterreich in Verhandlung steht, das Land Oberösterreich zur Erkenntnis bewegen kann, dass es sich gleich wie alle anderen acht Bundesländer verhält. Sollte das nicht gelingen, kann ich zusagen, dass Sie einige Verbündete im Nationalrat haben, dass Sie das Thema auch hier ein weiteres Mal besprechen können.

Ich möchte zwei Dinge hervorheben, und das ist bei diesem Thema aus meiner Sicht ganz wichtig: Wir haben gesehen, dass sich das Engagement der Initiative ausgezahlt hat, dass Engagement, wenn man sich wirklich organisiert, wenn man ein Thema mit Nachdruck verfolgt, auch zum Erfolg führen kann. Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen und vor allem geschätzte Bürgerinitiative, ich möchte aber, und das ist ganz wichtig, eines in den Vordergrund stellen: Wir reden von direkt Betroffenen, wir reden von Kindern, wir reden davon, dass Kinder und Familien Leidtragende sind, weil ein Bundesland sich anders verhält als alle anderen.

Abschließend zwei Dinge: Erstens, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam darauf schauen, dass wir auch Oberösterreich – mit viel Liebe und falls notwendig mit viel Nachdruck – in die richtige Richtung lenken! Und meine liebe Bürgerinitiative: Bitte macht weiter so, bis ihr euer Ziel erreicht habt! – Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und JETZT sowie des Abg. Lausch.)

19.45


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeord­nete Kuss-Bergner. – Bitte.


19.45.35

Abgeordnete Angelika Kuss-Bergner, BEd (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Ich darf kurz auf meinen Vorredner replizieren: Herr Kollege, Sie haben von I-Klassen gesprochen. Es ist mir immer ein besonderes Anliegen, zwischen Integration und Inklusion zu differenzieren. Ich komme ja aus Kärnten, wir reden sehr viel von Inklusion, leben aber die Integration.

Vielleicht darf ich kurz aufklären: Inklusion bedeutet wirklich gemeinsamen Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen und ohne besondere Be­dürfnisse, Integration bedeutet, wir integrieren die Kinder, sie können aber auch separat unterrichtet werden. Mir ist es vor allem deswegen besonders wichtig, darauf hinzuweisen, weil Eltern Wahlfreiheit brauchen, wenn sie Kinder auch in kleineren Gruppen unterrichtet haben möchten. Es gibt sehr viele Kinder, die diese Kleingruppen brauchen und die in einer Inklusionsklasse, in einer großen Klasse überfordert sind.

Ich möchte in meiner Rede vor allem auf diese Wahlfreiheit hinweisen. Ich bin ja jetzt ziemlich genau ein Jahr im Parlament und auch im Ausschuss für Petitionen und


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Bürgerinitiativen. Als Nationalrätin ist es mir immer ein besonderes Anliegen, Wahl­freiheit zu ermöglichen: Wahlfreiheit hinsichtlich Kinderbetreuung, Wahlfreiheit hinsicht­lich der schulischen Tagesbetreuung und vor allem Wahlfreiheit im Leben, denn die Menschen sollen selbst entscheiden können, vor allem wenn es um höchst private Entscheidungen geht, wie eben die Kindererziehung, und wenn es um die Familien geht. Solche Entscheidungen will ich als Mutter nicht von der Politik vorgegeben bekommen, solche Entscheidungen will ich selbst treffen, also wann ich meine Kinder in Betreuung gebe und wie lang sie dort zu bleiben haben. Das sollte meiner Meinung nach wirklich jede Mutter, jeder Vater, jede Familie gemeinschaftlich entscheiden können.

Werte Kolleginnen und Kollegen, die wir hier sitzen, es ist unsere Aufgabe, Mütter und Väter mit einem System zu unterstützen, in dem die Familien ihren Weg finden und sich entscheiden können, welche Betreuung sie haben möchten. Wir haben Rahmen­bedingungen zu schaffen, die Flexibilität in den Vordergrund stellen, um ein Familienleben zu ermöglichen.

Ich war in den letzten Wochen sehr viel in Kärnten unterwegs. Ich habe über den Familienbonus informiert. Da ist mir der Gedanke gekommen, dass es im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung ein System gab, dass die Kinderbetreuung durch die Oma erst dann absetzbar war, wenn sie einen Kurs nachweisen konnte. Eine Oma, die Kinder erzogen hat, musste also nachweisen, dass sie in der Lage ist, Kinder zu be­treuen – ein absurderes System kann es nicht geben! Ich bin sehr froh, dass wir das jetzt abgeschafft und mit dem Familienbonus ein System geschaffen haben, das wirklich alle Familien umfasst, die Steuer zahlen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Wahlfreiheit hat unsere Bundesministerin für Familien und Jugend in den schwie­rigen Verhandlungen zur 15a-Vereinbarung umsetzen können. Unsere Bundesminis­terin ist eine Kämpferin für den raschen Wiedereinstieg in den Beruf, und zwar für diejenigen, die das möchten. Dafür haben wir ein extrem flexibles Kinderbetreuungs­modell.

In dieser 15a-Vereinbarung konnte sie unsere wichtigsten Anliegen ausverhandeln und niederschreiben. Ich darf noch kurz auf wichtige Punkte hinweisen: Die Betreuung für unter Dreijährige wird ausgebaut, und es gibt neue Plätze, um die Betreuungsdichte zu erhöhen. Flexiblere Öffnungszeiten und die Ausweitung der Öffnungszeiten sind ebenso verankert. Es gibt mehr Geld für die Kinderbetreuung; insgesamt sind es 180 Millionen Euro pro Jahr in den nächsten vier Jahren. Und viertens – ein sehr wichtiger Punkt für mich – werden berufstätige Eltern bei der Vergabe von geförderten Kindergartenplätzen bevorzugt. Das heißt, diese Eltern oder Alleinerziehenden werden bei der Kinderbetreuung bevorzugt, damit sie die Möglichkeit haben, arbeiten zu gehen – wenn sie es möchten. Diese Wahlfreiheit muss gegeben sein, und ich bin sehr stolz auf diese Ergebnisse. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.49


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Antoni. – Bitte, Herr Abgeordneter.


19.50.04

Abgeordneter Konrad Antoni (SPÖ): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolle­ginnen! Liebe Kollegen! Der Sammelbericht über die Petitionen und Bürgerinitiativen, zu dem ich heute kurz Stellung nehmen möchte, enthält an und für sich schon inter­essante Themen, weil diese Themen von den Menschen in Form von Petitionen über uns Abgeordnete, aber auch direkt über die Nationalratskanzlei zu uns ins Parlament gebracht werden. Eine dieser Bürgerinitiativen, in der es um ein Thema geht, das wir


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vor nicht einmal einem Jahr in diesem Haus, aber auch in vielen Betrieben draußen sehr, sehr intensiv diskutiert haben, möchte ich heute besonders hervorheben. Es geht um das Thema Arbeitszeit. Das Thema der Bürgerinitiative lautet: „Arbeitslosigkeit senken – Arbeitende entlasten!“

Ich darf aus dem Text der Bürgerinitiative nur ganz kurz zitieren, da heißt es: „Wir ArbeitnehmerInnen müssen immer mehr leisten: Überstunden, 24/7 Erreichbarkeit, E-Mails am Wochenende und Personaleinsparungen zu Lasten der KollegInnen sind die Realität. Krankheit, Überarbeitung, Burn-Out und kaputte Beziehungen sind die trauri­gen Folgen.“

Weiter heißt es: „Kaum wo in Europa wird so viel gearbeitet wie in Österreich. Mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von knapp 42 Stunden sind wir“ europaweit „am traurigen 2. Platz. Dem gegenüber stehen 350.000 Arbeitslose in Österreich für die es scheinbar keine Arbeit gibt.“

Genau aus diesem Grund wollten die Menschen dieses Thema zu uns ins Parlament bringen, damit wir uns mit diesem Thema intensiv auseinandersetzen, damit wir dieses Thema intensiv in den Ausschüssen bearbeiten, weil vor nicht einmal einem Jahr in diesem Haus der 12-Stunden-Tag ermöglicht wurde.

Geschätzte Kolleginnen, geschätzte Kollegen! Die Österreicherinnen, die Österreicher gelten an und für sich als sehr, sehr fleißige Arbeitskräfte. Ich denke, da sind wir uns alle einig. Was aber nicht so oft gesehen wird, ist die Möglichkeit, dass dieser Fleiß auch ausgenutzt werden kann, außer – und ich möchte das wirklich betonen – es gibt in den Betrieben eine starke Gewerkschaft, außer es gibt in den Betrieben starke Betriebsrätinnen und Betriebsräte und außer es gibt einen starken Weltbetriebsrat, die dann da draußen auf unsere Kolleginnen und Kollegen aufpassen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie helfen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sie unterstützen sie, damit sie zu ihrem Recht kommen. Sie decken Missstände auf, und sie sind auch dafür verant­wortlich, dass Lösungen für alle gesucht werden. Danke allen Betriebsrätinnen und Betriebsräten in diesem Land, sie leisten hervorragende Arbeit!

Wenn es diese Strukturen jedoch nicht gibt, wenn diese fehlen, dann sieht es nicht mehr so rosig aus, und darum hätten wir das Thema Arbeitszeit und damit zusam­menhängende Rechte auch gerne im Fachausschuss für Arbeit und Soziales diskutiert. Dort hätte ein reales Bild von der Arbeitswelt präsentiert werden können. Das ist offen­sichtlich nicht erwünscht, weil diese Bürgerinitiative enderledigt wird, zur Kenntnis ge­nommen wird. Das heißt, wir werden sie auch in Zukunft nicht mehr im Fach­ausschuss Arbeit und Soziales bearbeiten und diskutieren können.

Abschließend, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, hoffe ich, dass aufgrund der aktuellen, von Kollegen Markus Vogl und mir eingebrachten Petition zur Sicherung der Bankfilialen in den ländlichen Regionen – davon ist auch meine Region, das Wald­viertel, betroffen – zukünftig eine grundlegende Auseinandersetzung mit der Thematik auf parlamentarischer Ebene ermöglicht wird. – Danke. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

19.54


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Mühlberghuber. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


19.54.23

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Besuchergalerie und zu Hause vor


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den Fernsehgeräten! Ich möchte auf die Petition Nummer 4 betreffend 15a-Verein­barung zur institutionellen Kinderbetreuung eingehen. Die Unterzeichner setzen sich für eine Fortführung der 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, die im August 2018 ausgelaufen ist, ein.

Der Ausschuss hat einstimmig beschlossen, diese Petition durch Kenntnisnahme des Ausschussberichts zu erledigen, weil die 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Län­dern über die Elementarpädagogik für die nächsten vier Kindergartenjahre noch im Herbst 2018 beschlossen worden ist. Damit wurde auch die Finanzierung gesichert und verlängert.

Der Bund stellt jährlich 142,5 Millionen Euro zur Verfügung, und vonseiten der Länder kommen rund 38 Millionen Euro pro Jahr, das sind in Summe insgesamt 720 Millionen Euro. Das ist wesentlich mehr, als die letzte Regierung für die Kinderbetreuung in den Ländern investiert hat. Damit werden Maßnahmen wie etwa der Ausbau des Kin­derbildungs- und Kinderbetreuungsangebots, die frühere Sprachförderung ab vier Jahren, die Verbesserung der Qualität im Hinblick auf den Betreuungsschlüssel und die Öffnungszeiten umgesetzt.

Die Befürchtungen der Unterzeichner und Einbringer dieser Petition, dass sich die Kosten vom Bund in die Länder und Gemeinden verschieben werden, ist nicht einge­treten; daher auch die Kenntnisnahme und Erledigung im Ausschuss. – Vielen Dank. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

19.56


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Stark. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.


19.56.30

Abgeordneter Christoph Stark (ÖVP): Geschätzte Frau Präsidentin! Werte Kollegin­nen und Kollegen im Hohen Haus! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Ich darf inhaltlich beim Thema meiner Vorrednerin anschließen. Auch ich beziehe mich auf die genannte 15a-Vereinbarung, die im Ausschuss erledigt wurde. Ich darf Kollegen Preiner grund­sätzlich für das Thema danken und schließe mich der Meinung an, dass es nichts Wichtigeres als die Zukunft unserer Kinder gibt.

Die Befürchtung, die im Raum gestanden ist, hat sich durch die Realität eigentlich schon erledigt. Ich bin darüber in zweifacher Hinsicht froh: zum einen im Sinne der Kinder, und auf der anderen Seite bin ich auch als Bürgermeister einer oststeirischen Stadt betroffen.

Ich bedanke mich an dieser Stelle bei unserer Bundesministerin Juliane Bogner-Strauß, die die Notwendigkeit dieser 15a-Vereinbarung erkannt hat und sich damit an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort orientiert. Sie hat aus drei bestehenden Verein­barungen eine gemacht, was das Handling der 15a-Vereinbarung deutlich erleichtert.

Ich darf noch einmal unterstreichen, dass es deutlich mehr Geld gibt als in den Vor­jahren. Diese Mittel dienen dem zusätzlichen Ausbau der Kinderbetreuung, die wir brauchen. Wir brauchen sie in den Ländern und in den Gemeinden, nämlich Plätze für unter Dreijährige, wobei die Wahlfreiheit bis zum fünften Lebensjahr, in dem die Kinder dann das verpflichtende Kindergartenjahr absolvieren, gegeben sein muss und gegeben bleibt.

Die Vorrednerin hat bereits erwähnt, dass mit dieser 15a-Vereinbarung natürlich auch einige weitere Vereinbarungen mitbeschlossen worden sind, unter anderem dass berufstätigen Eltern der Vorzug zu geben ist. Das ist eine meines Erachtens ganz wichtige Maßnahme, weil wir uns damit an den Menschen orientieren, die die Kinder-


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betreuung sehr dringend brauchen, wenn sie ihren Berufen nachgehen wollen und nachgehen können sollen. Da braucht es ein entsprechendes Angebot. Mit den bereit­gestellten Budgetmitteln können die Länder und Gemeinden dieses Angebot gewähr­leis­ten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! So glücklich wir in den Ländern und Gemeinden über diese 15a-Vereinbarung auch sind, wir sind damit nichtsdestotrotz in der Gesamtfrage noch nicht am Ende angelangt. Die Kindergärten unterliegen einem so massiven Wandel, der die KindergärtnerInnen und die Pädagoginnen und Pädagogen vor Ort vor große Herausforderungen stellt. Das heißt, die 15a-Vereinbarung ist gut, aber für die Zukunft, und da appelliere ich auch an die Länder, müssen wir weiter in die Kinder­gärten investieren. Wir müssen an den Betreuungsschlüsseln etwas ändern, um eine solide und gute Kinderbetreuung für die Kinder vor Ort zu gewährleisten. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

19.59


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Preiner. – Bitte.


19.59.43

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich sehr herzlich bei meinen beiden Vorrednern, dass sie die von mir eingebrachte Petition Nummer 4, „15a Vereinbarung zur institutionellen Kinder­betreuung muss bleiben!“, zum Thema gemacht haben.

Wir wissen, das ist einerseits eine 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern. Andererseits geht es natürlich darum, dass der Ausbau und die finanzielle Absicherung dieser institutionellen Kinderbetreuung auch zukünftig gewährleistet werden.

Einiges muss ich inhaltlich noch ergänzen: Es ist klar, dass die Elementarpädagogik, das heißt die Pädagogik in den Kindergärten, eine sehr wichtige pädagogische Auf­gabe und Rolle erfüllt. Ich bedanke mich daher sehr herzlich bei allen, die ihre pädagogische Arbeit ausgezeichnet in dieser Elementarpädagogikanstalt Kindergarten verrichten – gegenwärtig, in der Vergangenheit und auch zukünftig.

Ich möchte aber auch noch erwähnen, dass es bis Ende August des vergangenen Jahres nicht klar gewesen ist, wie es mit dieser institutionellen Kinderbetreuung finan­ziell weitergeht. Ich möchte auch noch erwähnen, dass 2018 diesbezüglich 52 Millio­nen Euro zur Verfügung gestanden sind und die Mehrheit hier im Hohen Haus für das Budgetjahr 2019 sage und schreibe nur 1 000 Euro für alle Kindergärten in allen Gemeinden in Österreich beschlossen hat. Das zu erwähnen haben Sie wahrscheinlich vorhin vergessen.

Das heißt, Ende August ist die alte Regelung ausgelaufen. Die Bundesregierung hat es – meiner Meinung nach 1 Minute vor 12 – gerade noch geschafft, eine Nachfolge­regelung auf die Schiene, auf die Beine zu bringen, und das nur mit Unterstützung der Landeshauptleute, damals unter Federführung des Landeshauptmannes Hans Niessl. Das muss auch erwähnt werden. Ich bedanke mich daher diesbezüglich sehr herzlich noch im Nachhinein.

Zweitens möchte ich aber auch noch erwähnen, dass wir hier am 20. November ver­gangenen Jahres einstimmig diese neue Nachfolgeregelung beschlossen haben – ein herzliches Dankeschön an alle Fraktionen hier im Haus.

Ich möchte aber auch noch einen Vorgang erwähnen, der absolut unpassend und der Bundesregierung und vieler Bundesminister unwürdig ist. Wir haben im Petitions­ausschuss im Juni des vergangenen Jahres beschlossen, eine schriftliche Anfrage


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zum Thema institutionelle Kinderbetreuung an Finanzminister Löger zu stellen. Was glauben Sie, wann ist die schriftliche Antwort hier im Haus in der Parlamentsdirektion eingelangt? – Sage und schreibe am 28. Jänner 2019 (ein Exemplar der Anfrage­beantwortung in die Höhe haltend).

Wir wissen, laut Geschäftsordnung muss eine parlamentarische Anfrage innerhalb von zwei Monaten von den Ministern beantwortet werden. In diesem Fall handelt es sich um über sechs Monate. Kolleginnen und Kollegen, das ist etwas, was man als Parla­mentarier natürlich nicht positiv bewerten kann. Damit wird von Ministern, von der Bun­desregierung die Geschäftsordnung des Hohen Hauses mit Füßen getreten. Die Bun­des­regierung nimmt den Parlamentarismus nicht ernst. Letzten Endes ist das meiner Meinung nach demokratiepolitisch mehr als bedenklich. Ich hoffe, diese Praxis ändert sich in nächster Zeit. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

20.03


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Lausch zu Wort. – Bitte, Sie sind am Wort. (Ruf bei der SPÖ: Besser lauschen!)


20.03.11

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Petitionen und Bürgerinitiativen sind Bürgerbeteiligung, was die wichtigste Sache hier im Parlament ist, was aber immer zur späteren Stunde behandelt wird. – Seien wir froh, dass wir heute einmal eine Uhrzeit haben, die dieses Ausschusses würdig ist.

Ich kann bei Michael Bernhard anschließen, der über die I-Klassen schon sehr viel – aber noch nicht alles – gesagt hat. Ich glaube, wir sind da parteiübergreifend auf einem sehr, sehr guten Weg – es schaut gut aus. Ich glaube, es ist auch wichtig. Integrations­klassen sind eine wichtige Sache und eine wichtige Geschichte, weil Kinder, die einen besonderen Betreuungsbedarf haben, mit Kindern, die das nicht so brauchen, in einer Klasse groß werden, aufwachsen – sage ich einmal. Es geht da ja um die Volksschule, die ein wichtiger Kern ist, in der sich bei den Kindern, bei den jungen Menschen sehr viel entwickelt. Ich glaube, es ist wichtig, dass man da nicht ausgeschlossen wird. Wir haben dazu schon sehr viel gesagt, und zwar – ich sage es noch einmal – partei­über­greifend.

Auch die Stellungnahme des Bundesministers Faßmann ist recht interessant, er hält darin fest: „Wesentlich erscheint es daher eine österreichweit einheitliche Lösung zum Wohle der betroffenen Kinder zu finden.“ – Ich glaube, das findet bei allen Parteien Anklang. Das wird auch angegangen werden, davon bin ich überzeugt. Wir werden uns da auch bemühen. Diese Sachen sind natürlich die letzten Jahre unter roter Kanzler­schaft und unter einem roten Ministerium sehr stiefmütterlich behandelt worden. Deswegen haben wir nun diese Problematik, die wir, glaube ich, parteiübergreifend alle erkannt haben und für die wir uns einsetzen werden. Das ist eine gute Sache.

Wenn Petitionen zur Kenntnis genommen werden, sind sie auch hier im Parlament, im Plenum behandelt worden. Man darf das nicht immer so schlechtreden. Natürlich ist es besser, wenn das dann einem Ausschuss zugewiesen und noch weiter diskutiert wird. Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass gewisse Bürgerinitiativen und Petitionen einem Expertenhearing hier im Haus unterzogen werden. Wir haben ja am 13. Februar 2019, also demnächst, vier Hearings, bei denen diese mit Experten besprochen, behandelt werden, Fragen gestellt werden können. Das ist auch eine wichtige Sache.

Man weiß, dass es hier sehr wohl ernst genommen wird und dass sich mit dieser neuen Bundesregierung auch wirklich etwas verbessert hat. Man nimmt diese Bürger­initiativen – diese Form der direkten Demokratie – und diese Hearings ernst. Ich per­sönlich freue mich schon auf unser Hearing – die Verbesserung für den Wachkörper


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Justizwache ist eine wichtige Sache. Es hat jede Fraktion die Möglichkeit gehabt, ein Hearing einzumelden.

Ich glaube, wir sind da auf einem sehr, sehr guten Weg, weil direkte Demokratie wichtig ist. Sie ist uns, so denke ich, parteiübergreifend allen sehr, sehr wichtig. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

20.06


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Kugler zu Wort. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.06.40

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich werde kurz zu zwei Bürgerinitiativen Stellung nehmen. Die erste ist die Bürger­initiative betreffend Elternentfremdung. Es wird gefordert, dass Eltern, die dem anderen Elternteil das Kind bewusst entfremden, strafrechtlich verfolgt werden können.

Ich muss Sie nicht darauf hinweisen, dass uns die gute Elternbeziehung zu beiden Eltern ein ganz großes Anliegen ist. Für die Erreichung dieses Zieles gibt es in Öster­reich bereits jetzt mehrere Möglichkeiten und Maßnahmen. Das Wichtigste, was es dabei zu sagen gibt, ist, dass ein Wohlverhaltensgebot für die Eltern nach einer Trennung gesetzlich vorgesehen ist. Wo dagegen verstoßen wird, haben die Gerichte die Möglichkeit, die Obsorge einzuschränken oder auch zu entziehen. Es sind sogar Schadenersatz, Zwangsmittel und Beugestrafen möglich und es gibt auch eine Strafbestimmung Kindesentziehung.

Die Regierung setzt außerdem auf Prävention, Beratung, Mediation und Besuchs­begleitung. Weitere strafrechtliche Verschärfungen würden zu einer Eskalation beitra­gen und dem Kindeswohl schaden. Wir möchten deshalb den Forderungen dieser Bür­gerinitiative in dieser Frage nicht entsprechen, wir nehmen sie zur Kenntnis.

Ja, Väter haben Rechte, und ja, wir kennen die Situationen – wie schmerzhaft sie sind und wie verzweifelt die Eltern, die Väter und die Mütter, oft sind. Im Vordergrund steht aber das Wohl des Kindes. Im Vordergrund steht immer das Kind, das die Beziehung zu beiden Eltern braucht, und zwar auch wenn es wehtut, auch wenn es den Eltern schwerfällt. Im Regierungsprogramm sind weitere Maßnahmen vorgesehen, die wir in den kommenden Jahren auch umsetzen werden.

Die zweite Bürgerinitiative „Wir Österreicher wollen keine Organe aus China haben, für die unschuldige Menschen getötet wurden“ fordert den Nationalrat auf, illegale Organ­entnahmen in China zu verurteilen und den Organtransplantationstourismus zu unter­binden. Es handelt sich dabei um ein wichtiges globales Anliegen.

Die Gesetze in Österreich sind gut und ausreichend. Wir wissen aber, dass die Situ­ation in China nicht gut ist. Das Europäische Parlament hat im Jahr 2016 einen Bericht verabschiedet, in dem es heißt, dass bis zu 1 Million Menschen in den letzten 15 Jah­ren in China durch illegale Organentnahmen getötet wurden. Die Wartezeit für Organ­transplantationen in China ist überraschenderweise sehr kurz und im Vergleich zu anderen Ländern deutlich kürzer. Die Herkunft Tausender Spenderorgane in China ist unklar.

Wir wollen diese Bürgerinitiative in den Menschenrechtsausschuss schicken und uns dort damit beschäftigen, damit Österreich ein klares Zeichen gegen den Organhandel und die illegale Organentnahme setzen kann.

Den Erstunterzeichnern beider Bürgerinitiativen und allen anderen Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern möchte ich ganz herzlich für ihre Arbeit, für ihr Engagement danken. Es steckt sehr, sehr viel Herz dahinter. So tragen Sie zu einer lebendigen


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Demokratie bei! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.09


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Stöger zu Wort. – Bitte.


20.10.02

Abgeordneter Alois Stöger, diplômé (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Zuerst möchte ich mich bei allen Einbringerinnen und Einbringern bedanken, dass sie mit ihren Bürgerinitiativen einen Beitrag leisten, die politische Diskussion zu stärken und sie auch hier im Parlament einzubringen, wie auch zum Thema der Arbeitszeit. Ich spreche die Bürgerinitiative 34 mit dem Titel „Es ist Zeit für die Arbeitszeitverkürzung: Arbeitslosigkeit senken – arbeitende Menschen entlasten!“ an.

Wir haben derzeit 368 000 Menschen, die in Österreich arbeitslos sind. Dazu kommen 65 000 Menschen (Zwischenruf der Abg. Winzig), die in Ausbildung durch das Arbeitsmarktservice stehen. Die Bürgerinitiative hat sich dafür eingesetzt, die Arbeit anders zu verteilen. Sie haben gesagt, es ist wichtig, die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich zu verkürzen, fünf Tage lang sechs Stunden zu arbeiten (Abg. Zarits: Das können Sie ja der Arbeiterkammer ...!), eine Fünf-Tage-Woche zu haben, Jobs durch gerechtere Verteilung von Arbeit zu schaffen (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Winzig) und die Finanzierung durch eine Erbschaftssteuer und eine Wertschöpfungs­abgabe sicherzustellen. (Beifall bei der SPÖ.) Sie haben auch angeregt, dass All-in-Verträge erst ab einem Einkommen von 7 000 Euro möglich sein sollen.

Ich denke, das sind gute Ansätze, die man diskutieren soll. Man soll sie auch im zu­ständigen Ausschuss im Parlament diskutieren, nämlich im Sozialausschuss. (Abg. Winzig: Das kann man ja gleich in der Arbeiterkammer ausprobieren!) Leider halten die Regierungsparteien das mit der Demokratie im Parlament nicht sehr hoch, man hat nämlich abgelehnt, das im zuständigen Ausschuss zu diskutieren. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich finde das schlicht und einfach schade, denn auch wenn die eine oder andere Maßnahme möglicherweise nicht ausgereift ist, wären im Sozialausschuss die Experten gewesen, die das beurteilen hätten können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren der Regierungsparteien! Wenn Sie schon behaupten, dass Sie auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land ver­tre­ten, dann sollten Sie das auch einmal zeigen. Beim Thema Arbeitszeit wäre das notwendig. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

20.12


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Plakolm zu Wort. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.12.38

Abgeordnete Claudia Plakolm (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger, die heute bei der Sitzung zuschauen! Um euch geht es ganz besonders beim Bericht des Petitionsausschusses über die Anliegen, die ihr direkt ins Parlament einbringt.

Meine Vorredner sind bereits auf viele Bürgerinitiativen und Petitionen eingegangen. Ich möchte eine noch einmal ganz besonders hervorheben, nämlich die parteiüber­greifende Petition zu Integrationsklassen an Sonderschulen in Oberösterreich. Diese Petition wurde von 30 000 Bürgerinnen und Bürgern unterstützt. Worum geht es darin? –


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In Oberösterreich werden seit mehr als 20 Jahren an elf Schulstandorten sehr erfolg­reich Integrationsklassen geführt. Das ist bisher im Rahmen eines Schulversuchs passiert, der nun leider ausläuft. Ziel der Petition ist, die Möglichkeit von I-Klassen an Sonderschulen grundsätzlich in das Regelschulwesen überzuführen.

In Integrationsklassen werden Schüler mit und ohne Beeinträchtigung von zwei Lehr­kräften gemeinsam unterrichtet. Dadurch ist mit der entsprechenden Infrastruktur auch Förderung in Kleingruppen möglich. In meiner Schulzeit gab es in der Volksschule in meiner Heimatgemeinde ebenfalls Integrationsklassen, die von den Schülern und Eltern sehr, sehr gut angenommen worden sind. Das Miteinander von Kindern mit und ohne Beeinträchtigung ist nicht nur für das Lernklima im Klassenzimmer ein großer Gewinn, sondern trägt auch langfristig zu einer solidarischen und aufgeschlossenen Gesell­schaft bei.

Besonders erfreulich ist, dass die Petition von allen Parteien im Parlament unterstützt wird. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bei meinen Kolleginnen und Kollegen bedanken. Der größte Dank aber gebührt den engagierten Lehrerinnen und Lehrern, den hartnäckigen Eltern und natürlich den jeweiligen Schulleitungen vor Ort in Ober­österreich, die diese Initiative erst möglich gemacht haben. Ohne ihren Einsatz würden wir das Thema heute nicht im Parlament behandeln. Das ist ihr Erfolg. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das Land Oberösterreich hat die Weiterführung von Integrationsklassen bis 2022 zugesichert. Wir werden unser Bestes geben, dass wir darüber hinaus eine geeignete gesetzliche Lösung finden, die die Beibehaltung dieses einzigartigen und erfolgreichen pädagogischen Konzepts garantiert. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

20.14


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Laimer zu Wort. – Bitte. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)


20.15.05

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Geschätzte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Petition „Für die Gesundheit der AnrainerInnen – Straßenbahnen raus aus dem Eisenbahngesetz!“ am Beispiel Graz behandelt die Forderung nach einer No­vellierung des Eisenbahngesetzes (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), um im Zulas­sungsverfahren eine Unterscheidung zwischen Eisenbahn und Straßenbahn zu erreichen. In dieser Petition geht es insbesondere um eine Begrenzung der Luftschall­emissionen sowie der Erschütterungsemissionen bei Straßenbahnen.

Die stetigen technischen Verbesserungen bei Straßenbahnen sollen und werden sich natürlich auch im Bereich Umweltschutz und Lebensqualität positiv auswirken. Wir erleben in vielen urbanen Bereichen unseres Landes eine verstärkte Frequenz öffent­licher Verkehrsmittel. Das ist eine positive und erfreuliche Entwicklung, da der Ausstieg aus dem motorisierten Individualverkehr und der Einstieg in die Öffis ein wichtiger Fortschritt für uns alle und für unsere Lebensqualität ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt aber im Bereich der kollektiven Mobilität noch sehr viel zu tun, vor allem die Verbindungen des ländlichen Raumes in die Städte, wo die Arbeitsplätze sind, sind eine Riesenherausforderung für den ohnehin schon harten Pendleralltag – nach jetzt vielleicht 12 Stunden Arbeit dann noch 2 Stunden Auto fahren, um heimzukommen.

Wer in seiner Gemeinde ein attraktives Öffi-Angebot vorfindet, steigt nicht ins Auto, sondern nützt den Bus und im besten Fall die Bahn. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Persönlich kann ich das auch bestätigen, denn ich pendle immer mit der Bahn von St. Pölten nach Wien. Mit dem Auto würde ich es niemals in 20 Minuten schaffen. Dank sozialdemokratischer Verkehrsminister – unserer Minister Faymann, Bures und Stöger 


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und ihrer vorausschauenden Umweltpolitik wurden dieser Fortschritt und dieser Zeit­gewinn überhaupt erst ermöglicht.

Nicht so ist es in der aktuellen Regierung, in der Tempo 140 mehr oder weniger ver­ordnet wird. Das Auto ist längst kein Statussymbol, kein Way of Life mehr, sondern ein reines Zweckmittel. Viel wichtiger wäre eine wirksame und ökologische Zusammen­arbeit zwischen den Ressorts Nachhaltigkeit und Verkehr. Da ist es wichtig, dass wir an unsere gemeinsame Verantwortung für ein umweltfreundliches Österreich denken – ein Alpen- und Kulturland, das sich über Lebensqualität sowie soziale Stabilität definiert und somit auch für den Tourismus qualifiziert. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.17

20.17.58


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht die Frau Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 477 der Beilagen hinsichtlich der Petitionen Nummer 2, 4 und 10 sowie der Bürgerinitiativen Nummer 34, 44, 49 und 52 zur Kennt­nis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dies tun, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig. Somit angenommen.

20.18.429. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Arbeitsmarktservice (AMS) – Reihe BUND 2017/60 (III-65/387 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Förderung der 24-Stunden-Betreuung in Oberösterreich und Wien – Reihe BUND 2018/21 (III-124/388 d.B.)


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Wir kommen nun zu den Punkten 9 und 10 der Tagesordnung, über die die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Ich begrüße die Frau Präsidentin des Rechnungshofes und übergebe das Wort an Herrn Abgeordneten Lausch. – Bitte.


20.19.15

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Von meiner Seite einmal herzlichen Dank für diese Berichte! Ich glaube, das waren sehr, sehr wichtige Berichte. Herzlichen Dank an Sie und Ihr Team!

Der Bericht des Rechnungshofes betreffend Arbeitsmarktservice ist ein besonders in­teressanter Bericht gewesen, bei dem man auch gesehen hat, dass da einiges nicht passt. Überprüft wurde von September 2015 bis Jänner 2016 mit dem Prüfungszeit­raum 2011 bis 2015.

Eine sehr interessante Sache ist ja die von den Sozialdemokraten so gelobte Vorgän­gerbundesregierung gewesen, und siehe da – schau, schau! –: Beim Arbeitsmarkt­service hat schon das eine oder andere natürlich nicht gepasst. Was wurde vom Rech-


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nungshof bemängelt? Ja, was wurde vom Rechnungshof bemängelt? (Abg. Cox: Ja, was wurde bemängelt?) – Dass es keine Steuerungsmaßnahmen, dass es Leistungs­defizite, dass es kein Kostenmanagement gibt und so weiter und so weiter.

Was sagt AMS-Vorstand Johannes Kopf dazu? – Er sagt, dass bei dieser Prüfung natürlich auch das geringe Wirtschaftswachstum schuld war, natürlich auch die hohe Zuwanderung schuld war und so weiter und so fort – alles wichtige Sachen, alles wichtige Dinge. (Zwischenruf des Abg. Knes.) Daran sieht man, dass unter SPÖ-Verantwortung in dieser Sache auch das eine oder andere himmelschreiend ist und daraus hervorgeht, dass das nicht gepasst hat. Darum ist es gut, dass es den Rechnungshof gibt, der das dann schonungslos aufdeckt, Verbesserungsmaß­nah­men - - (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Knes.) – Sie brauchen nicht so nervös zu sein! Sie hätten nur in Ihrer Regierungsarbeit – Kollege Knes, da waren Sie schon im Nationalrat – vielleicht besser arbeiten sollen. (Abg. Knes: Mit der ÖVP, oder?) – Ja, die ÖVP, die ÖVP! Immer, wenn Sie nicht weiterwissen, war es die ÖVP! Das kennen wir eh schon. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Der Minister war aber nicht von der ÖVP, Kollege Knes, oder? (Zwischenruf des Abg. Knes.) – Ja eh, so weit sind wir noch nicht mit der Verdrängung, dass wir jetzt sagen, das war der Regierungspartner, stimmt; aber in Ministerverantwortung wart schon ihr, und da sieht man ganz genau, was da zustande gekommen ist.

Wie gesagt, danke an den Rechnungshof, das war eine gute Überprüfung, und ich glaube, das Arbeitsmarktservice hat daraus gelernt. Vor allem hat unsere Bundes­minis­terin Hartinger-Klein schon angekündigt, sie wird das Arbeitsmarktservice neu aufstellen und Reformen im AMS durchführen. Die neue, türkis-blaue Bundesregierung wird das richten, wird das reparieren, was unter Ihrer Regierung und Ihrer Minister­schaft vertan wurde. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.22


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Becher. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.22.32

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich spreche zum Thema AMS. In dem überprüften Zeitraum von 2011 bis 2015 waren natürlich auch im AMS die Folgen der Weltwirtschaftskrise sehr stark messbar. Es gab 44 Prozent mehr arbeitslos gemeldete Personen, aber nur 7 Prozent mehr Planstellen für AMS-Mitar­beiterinnen und -Mitarbeiter. Es konnten in dieser Zeit jedoch 8 Prozent mehr Leis­tungsanträge bearbeitet werden. Das zeigt meiner Meinung nach doch, dass das AMS verhältnismäßig sehr gut ist und einen gesunden Betrieb darstellt.

Wichtig ist hinsichtlich dieses Bereiches zu sagen, dass es 80 Prozent an Langzeit­arbeitslosen gegeben hat, die betreut werden mussten, und dass krisenbedingt damals hoch qualifizierte Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland österreichische Arbeitnehmerin­nen und Arbeitnehmer stärker verdrängt haben.

Die richtige Antwort war natürlich, dass es zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen ge­ge­ben hat. Das Konjunkturpaket der damaligen Regierung hat sehr gut gegriffen, ebenso die 2017 initiierte Aktion 20 000 als Chance für Langzeitarbeitslose. Leider hat die türkis-blaue Regierung diese Aktion nicht verlängert, und das bedeutet, sie steht nicht auf der Seite der Menschen, die fit für neue Jobs gemacht werden sollen. (Abg. Belakowitsch: O ja, genau deswegen!)

Dem AMS wird die Vermittlung österreichischer Arbeitsloser sehr schwer gemacht. Jenen, die das bis jetzt nicht glauben, zeigt sich das, wenn man einen Blick in die


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Mangelberufsliste macht. (Abg. Belakowitsch: Könnten Sie zum Bericht reden? 2011 bis 2015?) Seitens der Regierung ist es sogar im Bereich der Lohn- und Gehalts­verrechnung wichtig, am österreichischen Arbeitsmarkt für ausländische Konkurrenz zu sorgen. Erklären Sie mir, warum Österreich unter www.migration.gv.at im Ausland auf der Suche nach LohnverrechnerInnen ist! Diese Menschen haben sich noch nie mit den ASVG-Beiträgen beschäftigt, Beiträge berechnet. Österreichische Arbeitslose könnte man sehr gut in diesem Bereich umqualifizieren und schulen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Holzinger-Vogtenhuber. – Abg. Belakowitsch: Offensichtlich gibt es keine Lohnverrechner!)

Ich frage Sie: Ist das so, weil die ausländischen Arbeitskräfte das besser können, oder ist das für die Betriebe und für die großen Konzerne ganz einfach besser und billiger, wenn man diese Arbeitskräfte reinholt? (Beifall bei der SPÖ.)

Mein Appell an die Bundesregierung ist, dass sie die geplanten Qualifizierungs­maß­nahmen fortsetzt und verstärkt und die Jobsuchenden fit macht. Jetzt haben wir Hochkonjunktur, die Konjunktur läuft gut und da ist es wichtig, das zu tun (Abg. Belakowitsch: Fällt Ihnen auf, dass Sie sich selbst widersprechen?), denn wenn die Konjunktur wieder zurückgeht, denke ich, ist eine bessere Qualifizierungsmaßnahme wichtig, um die Jobsuchenden besser zu unterstützen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.25


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.


20.26.06

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Frau Präsident! Frau Präsident des Rech­nungshofes! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Meine Vorredner haben es bereits ausgeführt: Dieser vorliegende Bericht zum AMS hat wirklich wichtige, nützliche und sehr lehrreiche Aufschlüsse gebracht, was die zukünftige Arbeit des AMS betrifft.

Dieser Bericht hat einen Zeitraum betrachtet, der wirtschaftlich durchaus schwieriger war als die heutige Zeit, nämlich 2011 bis 2015. Wenn man das rückblickend betrach­tet, so gibt er, glaube ich, durchaus Aufschluss darüber, was für die Zukunft im Bereich des AMS wichtig ist. Insgesamt hat der Rechnungshof vier Bereiche unter die Lupe genommen, einerseits die Aufgabenerfüllung der Organisation, andererseits die Finan­zierung und das gesamte Controlling, aber auch die Aufgabenerfüllung der Länder­orga­nisationen, die Transparenz beim Mitteleinsatz und die grundlegende strategische Ausrichtung. Insgesamt hat der Rechnungshof – und dafür bedanke ich mich bei der Frau Präsident – 32 Empfehlungen ausgesprochen, acht direkt an das Ministerium und 18 an das AMS.

Die größten Kritikpunkte wurden ja hier bereits erläutert. Es war damals das Wirt­schaftswachstum, das die Situation sicher nicht ganz einfach gemacht hat, aber es war natürlich auch der Anstieg der Arbeitslosigkeit durch die damals teilweise noch sehr hohe Zuwanderung. Insgesamt hat der Rechnungshof kritisch festgestellt, dass die Maßnahmen einfach zu wenig Effizienz gezeigt haben. Ganz gravierend und durch den Rechnungshof exorbitant herausgehoben war, dass es kein effizientes Controlling gegeben hat und dass wir damit gewisse Dinge einfach nicht in den Griff bekommen konnten. Insgesamt ist die Anzahl der Planstellen gestiegen, aber auch die Anzahl der Arbeitslosen ist in dieser Zeit um ein großes Stück gestiegen.

Die Schlussfolgerungen, die sich aus diesem Rechnungshofbericht ergeben, sind ganz klar: Es braucht ein kaufmännisches Steuerungsinstrument, es braucht ein umfas­sen­des Controlling, es muss mehr Effizienz einziehen. Ich glaube, wichtig ist, dass wir das


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AMS überhaupt nicht infrage stellen, sondern dass wir ganz klar ausführen, dass die Wirksamkeit der Förderungsmaßnahmen gesteigert werden muss.

Die Frau Bundesminister hat ja im Ausschuss bereits angekündigt, dass es möglichst zeitnah eine Reform des AMS in Österreich geben wird. Es wurden ja schon einige Maßnahmen gesetzt, und auch die Frau Präsident hat im Ausschuss kurz erwähnt, dass einige Empfehlungen schon umgesetzt wurden.

Es geht einfach darum, die Kostenstruktur, die Kostenverantwortung und die Einsparungspotenziale zu nützen, damit wir auch in Zukunft durch das AMS den Arbeitsmarkt mitgestalten, mitverantworten und effizienter ausrichten können. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Kainz.)

20.29


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Griss. – Bitte.


20.29.26

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Meine Damen und Herren! Es ist eine Tatsache, dass das Vor­handensein von Pflegeplätzen in Pflegeheimen nicht ausreichen würde, gäbe es nicht die 24-Stunden-Betreuung. Diese 24-Stunden-Betreuung wird von Frauen, hauptsäch­lich Frauen aus den ehemaligen Ostblockstaaten, besorgt, die für jeweils 14 Tage oder vier Wochen nach Österreich kommen, zurück in ihre Heimat gehen und dann wieder­kommen. Diese 24-Stunden-Betreuung wird gefördert, und daher hat der Rechnungs­hof die 24-Stunden-Betreuung für den Zeitraum 2013 bis 2015 in den Bundesländern Wien und Oberösterreich geprüft.

Bei dieser Prüfung hat der Rechnungshof Mängel festgestellt, und zwar Mängel bei der Betreuung, bei der Kontrolle der Fördervoraussetzungen und bei der Seriosität der Vermittlungsagenturen. Den Vermittlungsagenturen kommt ja in diesem Dreieck – betreute Person, Betreuerin und Vermittlungsagentur – die wichtigste Position zu. Auf sie sind beide angewiesen. Es muss daher sichergestellt sein, dass diese Vermitt­lungs­agenturen seriös sind.

Der Rechnungshof schlägt vor, dass ein Gütesiegel für seriöse Vermittlungsagenturen eingeführt wird. Er schlägt weiters vor, dass, um die Qualität der Betreuung sicher­zustellen, verpflichtende Hausbesuche von diplomierten Pflegekräften vorgesehen wer­den. Um die Fördervoraussetzungen zu kontrollieren – denn auch das geschieht nicht ausreichend –, empfiehlt der Rechnungshof, eine IT-Anwendung einzuführen und anzu­wenden.

Das sind wichtige Empfehlungen, und ich bin überzeugt, sie sollten berücksichtigt wer­den, wenn die große Pflegereform kommt, denn ohne diese 24-Stunden-Betreuung wird eine leistbare, eine qualitätsvolle und legale Betreuung zu Hause nicht möglich sein. – Danke. (Beifall bei den NEOS, bei Abgeordneten der SPÖ sowie des Abg. Zinggl.)

20.31


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.


20.32.04

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Ich möchte mich in meiner Rede meiner Vorrednerin Dr. Griss vollinhaltlich anschließen. Es ist dringend erforderlich, Verbesserungen zu treffen, und ich möchte auch noch einmal kurz umreißen, was der Rechnungshof bei der 24-Stunden-Betreuung in den


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zwei Bundesländern Oberösterreich und Wien konkret kritisiert hat. Ich glaube, das kann man auch für die restlichen Bundesländer so übernehmen, weil es ja wirklich maßgebliche Kritikpunkte sind, die angebracht worden sind.

Dass die 24-Stunden-Betreuung eine große Baustelle im österreichischen Pflege­system ist, ist nicht nur meine Kritik, sondern ist uns auch durch den aktuellen, uns vorliegenden Bericht bestätigt worden. Zu den zentralsten Problemfällen, die ange­sprochen worden sind, gehört die mangelnde Ausbildung der Betreuungskräfte. Das heißt, es werden nicht nur Hilfen im Haushalt oder in der Lebensführung durchgeführt, sondern auch pflegerische Tätigkeiten übernommen, für die es eigentlich eine Anlei­tung durch einen Arzt, durch eine diplomierte Gesundheitskraft geben müsste, die dann auch empfohlen wird. Trotz allem ist es aber meiner Meinung nach und unserer Meinung nach auch dringend erforderlich, Mindeststandards in der Ausbildung festzuschreiben, zum Beispiel eine Mindestausbildung wie die der Heimhelferin festzulegen, die aktuell in Österreich bereits existiert.

Ein zweiter großer Kritikpunkt war die mangelnde Sprachkenntnis der Personen­betreu­erinnen. Oft gibt es nur die Bedingung der Vermittlungsagenturen, dass irgendeine Art von Zertifikat vorgelegt werden muss, ein kurzer Kurs, wie auch immer, aber diese ausländischen Zertifikate sind weder für die Betreuerin selbst noch für die zu betreu­ende Person hilfreich, denn am Ende des Tages geht es um Kommunikation, und wenn diese Kommunikation nicht in ausreichender Weise stattfinden kann, dann gibt es auch da ein Problem. Das heißt, was wir bräuchten, sind Mindeststandards in der Kommunikation, Mindestsprachkenntnisse, das heißt, dass man auch da ein gewisses Qualitätskriterium einführt. Wir hätten hier in Österreich sehr wohl Möglichkeiten, wir haben unter anderem das Österreichische Sprachdiplom als Qualitätskriterium, das wir als Mindestbedingung festlegen könnten.

Ein dritter Punkt – und diesen empfinde ich eigentlich als den gravierendsten Kritik­punkt, den der Rechnungshof bei der 24-Stunden-Betreuung festgestellt hat – ist die, und das möchte ich zitieren, „intransparente Preisgestaltung“ der Betreuungskosten; der Rechnungshof spricht da wörtlich von „Knebelungsverträgen“, die den Personen­betreuerinnen zugemutet und aufgehalst werden. Das heißt, es wird eine Situation ausgenützt, in der die Personenbetreuerinnen aus der Not heraus diesen Weg antre­ten, um hier in Österreich unsere älteren MitbürgerInnen zu betreuen und auch, wie wir aus dem Bericht des Rechnungshofes wissen, zu pflegen. Genau diese Not wird ausgenützt und diesen Personen werden auch noch Knebelungsverträge umgehängt, aus denen Sie kaum noch herauskönnen und die wie eine Inkassofunktion wirken – eigentlich ein Beispiel für Scheinselbstständigkeit.

Der Skandal dabei ist – deshalb ist es für mich das gravierendste Problem –, dass wir unglaubliche Summen an Fördermitteln in diesen Bereich der Pflege investieren – 60 Prozent der Gelder kommen vom Bund, 40 Prozent der Gelder kommen von den Ländern –, aber überhaupt keine Kontrolle an den Tag legen. Wohin fließen diese Mittel? Ist ein Qualitätsstandard aus gesundheitlicher Sicht für unsere älteren Mitbür­gerInnen wirklich gewährleistet? Das bezieht sich aber auch auf die Arbeitsbedin­gungen. All das läuft aktuell bei einer Ministerin zusammen, und deshalb wünsche ich mir wirklich Verbesserungen, und wir werden in den nächsten Monaten im Rahmen der Pflegereform noch Vorschläge und Anträge einbringen, um diese zu erreichen.

Wie gesagt geht es dabei um die vier größten Punkte: die Ausbildung der Perso­nen­betreuerinnen, die fehlenden Sprachkenntnisse, die Knebelungsverträge, die die Per­sonenbetreuerinnen aufgezwungen bekommen, und die intransparente Preisgestaltung als vierter großer Kritikpunkt, auch den zu betreuenden Personen gegenüber. Das heißt, jede Familie, die vor der Situation steht, dass sie eine 24-Stunden-Betreuung braucht, weil die gesundheitliche Situation nichts anderes mehr erlaubt, hat dann


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noch – so sagt es der Rechnungshof – damit zu kämpfen, dass es eine intransparente Preisgestaltung gibt, die Vermittlungskosten auf der einen Seite und die Kosten für die Betreuungskräfte auf der anderen Seite.

Das heißt, man könnte wirklich glatt auf die Idee kommen, da ein Gütesiegel, wie es auch der Rechnungshof vorschlägt, einzuführen, aber leider sehen wir aktuell: Bundes­ministerin Hartinger-Klein schlägt zwar ein Gütesiegel, ein Qualitätskriterium vor, aber wie durch eine parlamentarische Anfrage durch unsere Fraktion herausgekommen ist, sagt die Ministerin, dass jene Agenturen, die selbst durch diesen Test für das Quali­tätssiegel durchrasseln und diese Kriterien nicht erfüllen, trotzdem Zugang zum österreichischen Markt haben dürfen. Das ist meiner Meinung nach nicht transparent, das ist nicht verantwortungsvoll unseren älteren MitbürgerInnen gegenüber.

Wir müssen Mindeststandards garantieren, weil es in dieser - - (Abg. Jarolim: Ist fast schon kriminell!) – Ja, ich möchte meinem Kollegen Jarolim zustimmen, es ist kriminell, mit öffentlichen Mitteln diesen Bereich, der dermaßen auf dem Rücken von pflege­bedürftigen Personen, aber auch Betreuerinnen aufgebaut ist, noch weiter zu unter­stützen und noch weiter zu fördern. Es braucht verpflichtende gesetzliche Qualitäts­kriterien und Qualitätsstandards. Anders werden wir die mafiösen Strukturen in diesem Bereich nicht eindämmen können.

Bitte gehen Sie hier mit, und ich hoffe auch auf eine verpflichtende gesetzliche Regelung in diesem Bereich! – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.37


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Hauser. – Bitte sehr.


20.37.48

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Präsi­dentin des Rechnungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich mit dem AMS-Bericht beschäftigen und darf Ihnen wirklich gratulieren. Das war ein hochinteressanter Bericht, der eigentlich klar aufgezeigt hat, wie ineffizient das AMS wirklich arbeitet. Es hat zwar den Zeitraum 2011 bis 2015 betroffen, mag sein, dass da die Arbeitslosigkeit höher war; nichtsdestotrotz hat das AMS in vielen Punkten seinem Anspruch nicht gerecht werden können.

Wie funktioniert das AMS überhaupt? – Das Arbeitsmarktservice wurde ausgegliedert, unterliegt nicht der Kompetenz des Bundes, sondern es gibt einen Verwaltungsrat, der sozialpartnerschaftlich besetzt ist, und dieser Verwaltungsrat entscheidet über die Verwendung der Geldmittel, die der Bund dem AMS zur Verfügung stellt. (Zwischen­rufe der Abgeordneten Greiner und Jarolim.)

Interessant ist in diesem Zusammenhang immer wieder: Wenn das Arbeitsmarkt­service im eigenen Bereich Entscheidungen trifft, dann wird der Bund kritisiert (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Jarolim), obwohl der Bund die Entscheidungen nicht trifft, sondern das sozialpartnerschaftlich besetzte Gremium. Das möchte ich ein­mal klipp und klar festhalten. Es ist schon entscheidend, dass man das weiß: Es gibt einen sozialpartnerschaftlich besetzten Verwaltungsrat.

So, und nun zu den klaren Kritikpunkten des Rechnungshofes: Der Rechnungshof hat festgestellt, dass der Einfluss des Bundes im Verwaltungsrat zur Aufgabenerfüllung des AMS gefehlt hat. Der Bericht sagt Folgendes – ich zitiere –: Es „fehlten ebenso der beherrschende Einfluss des Bundes im Verwaltungsrat wie Durchgriffsmöglichkeiten des Vorstands zur bundesweiten Gestaltung [...] bzw. dessen Aufgabenerfüllung“.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 215

Das ist ein klarer Kritikpunkt, weil nämlich der Verwaltungsrat des Bundes kein Durch­griffsrecht auf die Länder-AMS hatte, sondern die Arbeitsmarktservices in den Ländern wieder sozialpartnerschaftlich besetzt sind und wiederum selber und autonom über die Verwendung ihrer Gelder entscheiden. Diese Struktur muss man sich vorstellen: Das AMS wurde ja deswegen aus der Bundeskompetenz ausgegliedert, um arbeitsmarkt­politisch effizienter arbeiten zu können. Diese Aufgabe hat das AMS bei Weitem nicht erfüllt.

Weil eben solche Kritikpunkte vorgelegen sind, hätte auch eine neue Strategie be­schlos­sen werden sollen. Es hat eine Strategiediskussion im Jahr 2015 stattgefunden, aber diese neue Strategie wurde nie umgesetzt.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die föderalen Strukturen. Das AMS hat ungefähr 100 Be­treuungsgebiete, die sich politisch orientieren, nicht am regionalen Wirtschaftsraum. Zum Beispiel ist Osttirol ein eigenes Betreuungsgebiet. Wir sind aber wirtschafts­politisch zum Beispiel mit Oberkärnten und mit Südtirol vernetzt. Man müsste das also gesamtheitlich sehen. Das hat man nicht getan, das hat der Rechnungshof zu Recht kritisiert.

Ein weiterer Kritikpunkt war, dass das Konzept zur Betreuung von Personen mit niedrigen Integrationschancen überhaupt gefehlt hat. Ich zitiere wieder aus dem Be­richt: Seit 2010 nahm die Effektivität von arbeitsmarktpolitischen Fördermaßnahmen ab. Die Schulungseffizienz und Effektivität war speziell für Personen mit niedrigen Integrationschancen nicht gegeben.

Kollegin Becher, Sie haben ja in Ihrer Rede kritisiert (Zwischenruf bei der SPÖ), dass es zum Beispiel zu wenig Lohnverrechner gegeben hat. Das haben Sie kritisiert. Was war das Problem bei diesem Punkt? – Es hat einfach an konkreten Qualifizierungs­maßnahmen gefehlt. Das hat ja der Rechnungshof klar und deutlich im Bericht festgestellt. Schauen Sie sich bitte den Bericht an!

Weiters hat der Rechnungshof kritisiert, dass Steuerungsinstrumente zur Leistungs­erbringung mangelhaft waren. Es haben die kaufmännischen Steuerungsinstrumente gefehlt. Es gab erhebliche Mängel. Die Kostenstrukturen und die Kostenverantwortung waren nicht geregelt; ich zitiere aus dem Bericht – und lassen Sie sich diesen Satz auf der Zunge zergehen –: „Dadurch konnte ein wesentliches Ziel der Ausgliederung, die Leistungserbringung effizienter zu gestalten [...], nicht gewährleistet werden“. – Die Ausgliederung hat also nicht zu mehr Effizienz geführt; das Gegenteil war der Fall.

Letzter Kritikpunkt – aufgrund der Zeit –: Personalbedarf. Ich zitiere wieder: „Seit 2014 erhöhte das AMS andauernd den Personalstand, ohne eine Organisations- und Pro­zessanalyse“.

Ich zitiere: Angesichts der zu erwartenden [...] Kostensteigerung bis [...] 2019 waren Maßnahmen zur nachhaltigen Eindämmung der Personalkosten nicht zu erkennen [...] Mehrkosten sollen durch Mehrzuwendungen an das AMS“ – nämlich durch den Bund – „bewältigt werden.“ – Das heißt, man hat also einfach Personal ohne Rücksicht auf die Aufgaben, die zu erfüllen sind, angestellt und ist dann in Richtung Bund marschiert und hat gesagt: Wir brauchen mehr Gelder! – Das geschah, ohne sich zu überlegen, wie man das Personal überhaupt sinnvoll einsetzen könnte.

Zusammenfassend: Dieser Bericht war eine Offenbarung der Verfehlungen des Arbeits­marktservices. Ich gratuliere noch einmal zum Bericht und hoffe, dass dieser jetzt wesentlich umgesetzt wird, denn sonst wird weiterhin viel Geld ineffizient verbraten. – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Jarolim: Das war aber ordentlich am Thema vorbei geredet!)

20.43



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 216

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hochstetter-Lackner. – Bitte.


20.44.00

Abgeordnete Irene Hochstetter-Lackner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Es zeigt sich bei meinen Vorrednern der FPÖ ein ganz klares Muster: Einerseits haben Sie keine Ahnung von Arbeitsmarktpolitik und andererseits haben Sie einen abgrundtiefen Hass gegen die Sozialpartner. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Hauser: Ich habe den Bericht zitiert!)

Sehr geehrte Damen und Herren, so wie sich die Wirtschaft und das Arbeitsleben ständig ändern, so ändern sich auch die Aufgaben und die Ziele des AMS permanent. (Abg. Hauser: Sie müssen schon über den Bericht reden!) Der angesprochene Be­richtszeitraum spiegelt wirtschaftlich sehr schwierige Zeiten, die Arbeitslosigkeit stieg um 44 Prozent und die Zahl der Planstellen im Gegenzug dazu um 7 Prozent.

Was wir hier herinnen uns aufgrund dieser Zahlen alle denken können, ist, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den AMS-Servicestellen einer enormen Belastung ausgesetzt waren und eine hervorragende Arbeit gemacht haben, die Sie hier herinnen vernadern wollen. Das lasse ich nicht zu und bedanke mich bei allen MitarbeiterInnen für die tolle Arbeit, die sie geleistet haben. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Hauser.)

Die Wirtschaft verlangt nach umfangreichen Maßnahmen in der Orientierung und in der Qualifizierung (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Neubauer), diese wiederum werden immer aufwendiger, komplexer, aber auch teurer. Nehmen wir nur als Beispiel den Bereich der Digitalisierung. Wie toll der Wandel für viele Menschen in unserem Land auch sein mag, man darf nicht darauf vergessen, dass es Menschen gibt, die an diesem Weg leider nicht teilhaben können.

Wo finden die künftig ihren Platz im Arbeitsleben? – Das alles sind Fragen, auf die die FPÖ-Ministerin keine Antworten geben kann. (Abg. Belakowitsch: Es geht um 2012 bis 2016!) Um diese Fragen zu beantworten, braucht es aber Experten. Diese Experten finden sich im AMS wieder: Das sind die Sozialpartner. Das passt Ihnen von der FPÖ und von der ÖVP nicht, das entspricht nämlich auch nicht dem freiheitlichen macht­politischen Weg, der lautet: Partei rein und Wissen raus aus allen Gremien! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Die Sozialpartner und somit Wissen, Erfahrung und Kompetenz im AMS zu haben (Ruf bei der FPÖ: Aufpassen, dass Sie beim Vorlesen keine Zeile überspringen!), hat dazu geführt, dass in einem internationalen Ranking aller Arbeitsmarktagenturen das AMS Österreich an der Spitze ist und dass das AMS dadurch, dass die Sozialpartner einen anderen Blickwinkel einbringen, auch befähigt wurde, dass es noch bessere Arbeit macht. (Abg. Belakowitsch: Sind Sie sicher? Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?) Das, was Sie vorhaben, nämlich die Sozialpartner hinauszudrängen, was die FPÖ mit dieser Ministerin vorhat, kommt dieser FPÖ-Machtpolitik nach und entspricht de facto eigentlich nur einer Zwangsenteignung der ArbeitnehmerInnen in dem Land, die dafür einzahlen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ein weiteres Schlagwort ist die Kundensegmentierung. Künftig soll es eine klare Kundensegmentierung geben. (Abg. Hafenecker: Also den Referenten, der das aufgeschrieben hat, den würde ich hinausschmeißen!) Wie Sie es bei Patienten vor Monaten ja schon vorgeschlagen haben – es gibt in Zukunft Luxuspatienten und Nicht-Luxuspatienten –, wird es auch beim AMS kommen. Das AMS wird von Ihnen zum Flughafen mit Lounge für arbeitssuchende Menschen gemacht. Wer gut ausgebildet ist, sehr hübsch und sehr fesch ist, der bekommt Förderungen, der kriegt in Zukunft


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vielleicht auch einen Kaffee und wird eine persönliche Beratung bekommen. Wer dem nicht entspricht, der wird zukünftig vom Computer beraten werden. (Abg. Zanger: Sie haben zu viel Gebrüder Grimm gelesen!) Das sind Ihre Ziele, die Sie hier verfolgen.

Geschätzte Damen und Herren von der FPÖ, ich darf Ihnen nur eines sagen: Sozial­kompetenz, wie sie die BeraterInnen im AMS tagtäglich unseren arbeitssuchen­den Menschen gegenüber einbringen, lässt sich nicht programmieren und nicht von Com­putern machen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Einen Satz zum Bericht vielleicht?)

Eine Sozialministerin hätte eigentlich die Aufgabe, dass niemand in diesem Land zurückbleibt, dass sie alle Menschen mitnimmt. Diese Aufgabe hätte sie, die macht sie nicht, sie kürzt eine Aktion 20 000, kürzt Jugendförderungen und lässt genau diese Menschen einfach arbeitssuchend in unserem Land stehen. Das kann es nicht sein, und deshalb musste das AMS permanent reagieren.

Welche Lösung hätte ich für die Ministerin? – Sie sollte sich vielleicht ganz einfach einmal zum AMS in den Wartebereich begeben, sie sollte sich hinsetzen, sollte vielleicht nicht reden, sondern einfach nur zuhören (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), dann wüsste sie, welche Probleme die Menschen in unserem Land haben, und dann würde sie vielleicht auch wissen, wie man Arbeitsmarktpolitik gestalten könnte. (Beifall bei der SPÖ.)

20.48


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Hauser gemeldet. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Abg. Krainer: Das Niveau von FPÖ-Zwischenrufen ist erschreckend! – Abg. Belakowitsch: Das Niveau der Reden ist erschreckend!)


20.48.37

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Kollegin Hochstetter, Sie haben behauptet, ich hätte die Mitarbeiter des AMS vernadert. – Ich weise das gänzlich zurück. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das Gegenteil ist der Fall: Ich habe aus dem AMS-Bericht zitiert und mache das für Sie noch einmal, weil ich der Meinung bin, dass Sie diesen Bericht nicht gelesen haben, sondern nur eine vorgefertigte Rede vorgetragen haben, die nicht den AMS-Bericht thematisiert. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Ich zitiere aus dem AMS-Bericht: „Seit 2014 erhöhte das AMS andauernd den Per­so­nalstand, ohne eine Organisations- und Prozessanalyse“. (Widerspruch bei der SPÖ.) – Das habe ich festgestellt und dann zitiert: „Angesichts der zu erwartenden [...] Kosten­steigerung bis [...] 2019 waren“ - - (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Schreien Sie nicht dazwischen, Ihre Argumente werden dadurch nicht besser! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich habe das vorhin zitiert, ich werde diesen Satz zu Ende zitieren: „Angesichts der zu erwartenden [...] Kostensteigerung bis [...] 2019 waren Maßnahmen zur nachhaltigen Eindämmung der Personalkosten nicht zu erkennen [...] Mehrkosten sollen durch Mehrzuwendungen an das AMS bewältigt werden“ – durch den Bund. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Das habe ich vorhin gesagt, das sage ich jetzt, das steht im Bericht. Lesen Sie den Bericht! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Nehammer. – Abg. Plessl: War das eine tatsächliche Berichtigung? – Ruf bei der FPÖ: Ja, war eine! Das entscheidet die vor­sitzführende Präsidentin! – Abg. Plessl: Leider!)

20.50



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 218

Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abge­ordnete Kugler. – Bitte, Frau Abgeordnete.


20.50.23

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Eigentlich wäre ja die Rechnungshofdebatte ein Beispiel für Sachlichkeit. Ich bin überrascht über Kollegin Hochstetter-Lackner, ich kehre aber jetzt zur Sachlichkeit und zum Thema 24-Stunden-Betreuung zurück.

Meine Vorrednerinnen Kollegin Griss und Kollegin Holzinger-Vogtenhuber haben das Thema angesprochen. Ich möchte aber das, was ihr gesagt habt, ergänzen und euch heute hier auch noch eine gute Nachricht mitteilen.

Zum Thema 24-Stunden-Betreuung: Der Rechnungshof kritisiert viele wesentliche Punkte, beispielsweise dass der Bedarf und die Versorgung auseinanderklaffen, dass die Prognosen nicht gestimmt haben, dass die sich verändernden Rahmen­bedingun­gen nicht ernst genommen oder nicht gesehen wurden und dass die Angebote zu wenig differenziert sind. All das kann man in einer Hauptforderung zusammenfassen, nämlich jener nach der fehlenden Gesamtstrategie.

Ich freue mich, sagen zu können, dass diese Strategie ein erstes großes und wichtiges Ziel für die Sozialpolitik dieser Bundesregierung in dieser Legislaturperiode und in die­sem Jahr ist und sein wird. Wir werden diese Gesamtstrategie bis Ende des Jahres entwickelt haben. Das Parlament wird vorrangig tätig sein. Es wird eine parlamen­tarische Kommission, eine Enquete, aber auch Konsultationen mit Stakeholdern und mit den Ländern geben. In dieser Gesamtstrategie, die wir jetzt gerade entwickeln, gilt der Grundsatz: daheim vor stationär. – Diese Bundesregierung will sicherstellen, dass die Betreuung zu Hause auch möglich ist. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Dazu braucht es, wie Kollegin Holzinger-Vogtenhuber gesagt hat, selbstverständlich eine Qualitätssicherung. (Zwischenruf der Abg. Holzinger-Vogtenhuber.) Dass es zuerst einmal eine Art Gütesiegel gibt, ist wichtig und richtig, denn der, der diese Betreuung in Anspruch nimmt, kann sich an diesem Gütesiegel orientieren. Im Zuge der Entwicklung der Gesamtstrategie ist es aber selbstverständlich ein Thema, Qua­litätskriterien festzulegen, die unumstößlich sind (Abg. Holzinger-Vogtenhuber: Ver­pflichtende!) – die verpflichtend sind. All das wird in der Gesamtstrategie diskutiert, und auch Ihre Meinung ist in diesem Prozess herzlich willkommen und ein wichtiger Beitrag. (Beifall der Abgeordneten Nehammer und Neubauer.)

Es wird die Datengrundlage verbessert. Es steht eine Imagekampagne zur Attraktivie­rung der Pflege- und Betreuungsberufe an. Gerade jetzt nach der Abschaffung des Pflegeregresses ist ein wichtiger Grundsatz, dass der, der zu Hause betreut, nicht der Dumme sein darf. Wir als Regierung, wir als Parlament dürfen diejenigen, die ihre Angehörigen zu Hause betreuen, auch nicht alleine lassen. Wir müssen und wir wer­den Rahmenbedingungen schaffen, die die 24-Stunden-Betreuung zu Hause sichern und ermöglichen.

Dem Rechnungshof möchte ich für diesen wertvollen Bericht danken. Der Bundes­regierung möchte ich dafür danken, dass dieses wichtige Thema in diesem Jahr so stark und so beherzt aufgegriffen wird. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

20.53


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kainz. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 219

20.53.52

Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rechnungs­hofpräsidentin! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie und zu Hause vor den Bildschirmen! Wir Menschen werden heutzutage immer älter, und des­wegen gewinnen auch die Themen Alter und Pflege immer mehr an Bedeutung. Viele Menschen sind im Alter auf Pflege angewiesen, daher ist es besonders wichtig, diese gut zu organisieren.

Von besonderer Bedeutung und Wichtigkeit ist die 24-Stunden-Pflege. Im Jahr 2007 schuf der Gesetzgeber Rechtsgrundlagen für eine 24-Stunden-Betreuung zu Hause und führte die Möglichkeit einer Förderung für diese Betreuungsform ein, um betreu­ungs­bedürftigen Personen eine legale und leistbare Betreuung im gewohnten Wohn­umfeld zu ermöglichen.

Aufgrund der großen Nachfrage stiegen die bundesweit ausbezahlten Fördermittel seit der Einführung dieser Maßnahme von 2008 bis zum Jahr 2015 von 9,14 Millionen Euro auf 138,75 Millionen Euro, wobei der Bund jeweils 60 Prozent der Leistungen über­nimmt und die Länder 40 Prozent übernehmen.

Der Rechnungshof überprüfte folglich von Oktober 2016 bis März 2017 die Förderung der 24-Stunden-Betreuung, wobei der Schwerpunkt auf die Länder Oberösterreich und Wien gelegt wurde. Ziel war die Beurteilung der Finanzierung der 24-Stunden-Betreu­ung, der Förderabwicklung und der Qualitätssicherung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Qualitätssicherungssystem muss im Bereich der 24-Stunden-Betreuung noch weiter ausgeweitet werden. Es ist außerdem notwendig, dass unabhängig von der Qualifikationsart der Betreuungskraft verpflichtende Haus­besuche durch diplomierte Pflegekräfte durchgeführt werden. So können wir sicher­stellen, dass die Betreuungskräfte nicht pflegerische oder ärztliche Tätigkeiten über­nehmen.

An dieser Stelle möchte ich mich bei unserer Sozialministerin Beate Hartinger-Klein bedanken, denn die Empfehlungen befinden sich bereits in Umsetzung. Besonders erfreulich finde ich, dass gerade ein Qualitätssiegel entwickelt wird, welches eine bessere Vergleichbarkeit der verschiedenen Anbieter einer 24-Stunden-Betreuung ermöglichen soll. Damit ermöglichen wir, dass es nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für deren Angehörige leichter wird, eine qualifizierte, verlässliche und kompetente 24-Stunden-Betreuungskraft zu finden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.56


Präsidentin Anneliese Kitzmüller: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kucher. – Bitte.


20.56.54

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Rechnungshofprä­siden­tin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich tue mir jetzt schwer, in diese Runde der Danksagungen miteinzustimmen. Es ist sehr viel Danke gesagt worden. Man kann wirklich der Frau Rechnungshofpräsidentin und ihrem Team Danke für die Berichte, die heute vorgelegt worden sind, sagen.

Womit ich mir ein bisschen schwertue, ist, dass Kollegin Kugler schon einmal vor­beugend der Bundesregierung ganz herzlich Danke für das Pflegepaket gesagt hat, obwohl wir bis heute gar nicht wissen, was passieren wird. Man kann ja vorher schon einmal Danke sagen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Sie hat es gerade erläutert! – Abg. Zanger: Du tust dir generell schwer! – Weitere Zwischenrufe bei der


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 220

FPÖ.) Wir haben jetzt gehört, dass Danke für ein Qualitätsgütesiegel, das es auch noch gar nicht gibt, gesagt wurde. Es wird also oft Danke für Dinge, die noch gar nicht passiert sind, gesagt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Da wir gerade so beim Danksagen sind: Ich möchte Danke für die Diskussion im Ausschuss sagen. Hier im Plenum ist sie ja leider oft durchaus etwas zugespitzter, polemischer. Ich möchte zum Beispiel für den Beitrag der Kollegin Holzinger danken, die aufgezeigt hat, dass bei diesem Qualitätssiegel nicht alles so perfekt ist, wie es heute dargestellt wird. Wenn in Zukunft im Bereich der 24-Stunden-Betreuung dann Institutionen herumfuhrwerken, schlechte Arbeit leisten, Knebelungsverträge einsetzen, dann können die trotzdem weitermachen, wie sie wollen. Das kann ja bei einem Qualitätssiegel nicht sinnvoll sein, das sollte man nicht machen.

Ich möchte Kollegin Hochstetter-Lackner für die Anregung, die aus der Praxis kommt, danken. Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik hat man Tag für Tag mit Menschen zu tun, die ein bisschen älter sind und aus unterschiedlichen Gründen den Job verloren haben. Es war doch eine gute Anregung, dass sie gesagt hat, dass man diese Menschen nicht auf der Straße stehen lassen kann, sondern dass man diesen Menschen doch als Politik Hoffnung geben muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass man dann Kollegin Hochstetter-Lackner so kritisiert, finde ich nicht in Ordnung. Das sind doch menschliche Schicksale. Man hat den älteren Menschen, die keine Arbeit finden, die Aktion 20 000 einfach weggenommen und keinen Ersatz hergege­ben. Wenn sich eine Kollegin die Mühe macht, hier diesen Rechnungshofbericht aufzu­greifen, um auch zu sagen, dass da einiges im Argen ist, dann sollten wir das doch eher ernst nehmen. – Das war nicht ganz in Ordnung. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben das seitens der SPÖ gemacht – wir tun uns in diesem Bereich ein bisschen leichter –, wir haben ein umfassendes Pflegekonzept vorgelegt, in dem wir eine Pflegeleistungsgarantie haben wollen, in dem es um die Absicherung der Pflege für die Zukunft geht. Da liegt auch einiges am Tisch. Bei der Bundesregierung warten wir leider noch, da sind bisher leider auch nur Worte und heiße Luft produziert worden. (Abg. Belakowitsch: Bei der letzten Regierung war es auch so!)

Wir freuen uns aber, wenn man die Anregungen aus diesem kritischen Rechnungs­hofbericht aufnimmt, auch die Debatte hier im Hohen Haus aufnimmt, um für die älteren Menschen und jene Menschen, die Pflege brauchen, in diesem Land eine best­mögliche Pflege zur Verfügung zu stellen. Es geht vor allem auch darum, für die Menschen, die Tag für Tag im Bereich der Pflege und der Betreuung für die Menschen da sind, das bestmögliche Arbeitsumfeld zu schaffen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Jetzt wäre aber ein Danke fällig!)

20.59


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Belakowitsch ist zu Wort ge­meldet. – Bitte. (Abg. Plessl: Sie wird sich auch bedanken!)


20.59.45

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Kollege Kucher, zum Schluss hätten Sie sich gerne noch bedanken können – wenigstens bei den Pflegerinnen, wenn Ihnen sonst schon das Danke sagen schwerfällt, wie Sie selbst gesagt haben. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kucher: Habe ich ja!)

Frau Rechnungshofpräsidentin, zunächst einmal Danke für den Bericht betreffend das AMS. Da wurde ja der Zeitraum 2011 bis 2015 geprüft. Alle drei RednerInnen der SPÖ haben also eine glatte Themenverfehlung hingelegt, weil sie von der Aktion 20 000


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 221

gesprochen haben – die doch so großartig und gut war –, die es 2015 noch nicht gab. Das ist nämlich genau die Ära des ehemaligen Sozialministers Hundstorfer, und das ist genau jene Zeit, in der wir in jedem Sozialausschuss immer wieder das Chaos, das beim AMS herrscht, kritisiert haben. Es hat da überhaupt keinen Plan gegeben, es hat irgendwelche Kurse gegeben.

Das war auch die Zeit, in der man in den Tageszeitungen wahrscheinlich jeden zweiten oder dritten Tag lesen konnte, was für sinnlose Kurse Menschen haben machen müs­sen. Das waren reine Alibiaktionen, die damals gestartet worden sind, durch die das AMS enorme Kosten verursacht hat. Der Rechnungshofbericht belegt genau die Kritik, die wir damals schon geübt haben, ohne dass wir die genauen Details jemals erfahren haben. Die hat der damalige Sozialminister ja alle sehr brav verschleiert. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, in dem Zusammenhang sage ich schon auch noch eines: Das war die Zeit – das haben wir ja heute schon mehrmals gehört und das haben Sie ja auch bestätigt – einer enorm hohen Arbeitslosigkeit, und genau in dieser Zeit hat Minister Hundstorfer auch die Lehre für Asylwerber eingeführt; genau das war es. Es war ein Irrweg nach dem anderen, die sich da aneinandergereiht haben; Chaos im AMS – das haben wir jetzt genau gehört.

Ich befürchte ja nur, dass Frau Kollegin Rendi-Wagner, auch wenn sie jetzt nicht mehr da ist, in ihrer Naivität wahrscheinlich auch noch eine Sondersitzung zum AMS veran­stalten wird, weil Sie offensichtlich noch nicht verstanden haben, dass das, was heute im Rechnungshofbericht steht, genau die Zeit der SPÖ-Minister betrifft. (Zwischenruf der Abg. Greiner.) Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, sollte das kommen, dann werden wir in dieser Sondersitzung auch wieder eine Sonderprüfung des Rechnungshofes für das AMS, vor allem betreffend die Machenschaften des Kollegen Hundstorfer, des Leider-nicht-Bundespräsidenten Hundstorfer, beantragen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

21.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Rechnungshof­prä­sidentin Kraker. – Bitte.


21.02.14

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich möchte einleitend noch einmal kurz auf die gesamten Rechnungshofberichte, die heute auf der Tagesordnung stehen, eingehen: Wir haben 22 Berichte des Rechnungshofes vorgelegt, die hier zur Debatte stehen, davon sieben Follow-up-Überprüfungen und eine Sonderprüfung betreffend die Kapitalertragsteuererstattungen nach Dividendenausschüttungen – das war ein Verlangen des damaligen Grünen Klubs.

Ich möchte auch sagen, dass es unsere Aufgabe ist, unabhängig und objektiv zu prüfen. Ausgehend von unseren Prüfberichten und ausgehend von dieser Kritik geht es dem Rechnungshof darum, Verbesserungen in allen von uns geprüften Bereichen zu erzielen. Die konkreten Kritikpunkte finden Sie im Detail in den von uns vorgelegten Berichten.

Lassen Sie mich aber auf eine Reihe von zentralen Empfehlungen eingehen, die der Rechnungshof auch am heutigen Tag wieder aussprechen muss! Ich sehe es als Aufgabe der Ministerien an – sie sind dazu aufgerufen –, umgehend auf diese Kritik­punkte zu reagieren und die notwendigen Maßnahmen zu setzen. Der Rechnungshof liefert seinerseits fundierte Grundlagen, und es liegt jetzt in der Hand der politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, diese aktiv aufzugreifen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 222

Es sind acht konkrete Handlungsfelder, die man in unseren Prüfberichten sieht. Das erste Thema ist die Qualität der öffentlichen Leistungserbringung. Das ist auch der Prüfschwerpunkt des Rechnungshofes, und dieser Prüfschwerpunkt stellt auf den Nutzen der Bürgerinnen und Bürger ab. Unter das Thema der Qualität der öffentlichen Leistungserbringung fällt etwa der Bericht zum AMS hinsichtlich der Schulungen und der Jobvermittlung im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik, der Bericht betreffend Zahnmedizin – den wir noch besprechen werden – hinsichtlich einer zeitgemäßen Ver­sorgung durch einen neuen Gesamtvertrag, der Bericht über die Qualitätssicherung im niedergelassenen Bereich hinsichtlich einheitlicher Kriterien zur Behandlungsqualität für alle Patientinnen und Patienten und auch der Bericht zur 24-Stunden-Betreuung, der hier angesprochen wurde, in dem es unter anderem um eine Ausweitung des Qualitätssicherungssystems und um verpflichtende Hausbesuche, die wir gefordert haben, geht. Das Gütesiegel wurde schon angesprochen.

Der zweite Punkt, der für den Rechnungshof wichtig ist, ist die Schaffung von zeit­gemäßen Organisationsstrukturen. Im AMS-Bericht sehen wir, dass die regionalen Ge­schäftsstellen sehr zersplittert waren. Es gibt rund 100 regionale Geschäftsstellen, und diese wurden nicht ganzheitlich evaluiert. Auch der Abstimmungsmechanismus im AMS gestaltete sich aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen als sehr aufwen­dig. Wichtig ist, dass man flexibel auf arbeitsmarktpolitische Anforderungen reagieren kann.

Wir haben auch den Bericht zur Einrichtung von Fonds und Stiftungen im öffentlichen Bereich auf der Tagesordnung. Auch da gibt es keine einheitliche Grundstruktur. Wenn Stiftungen und Fonds eingerichtet sind, dann verursachen sie in der Regel einen erhöhten Verwaltungsaufwand und verhindern Reformen, weil sie natürlich im Zweifel eine erhöhte Bestandskraft aufweisen. Daher müssten nach Auffassung des Rech­nungshofes Kriterien für die Schaffung von Fonds festgelegt werden.

Bei Reorganisationsprozessen – das spielt sich insbesondere beim Bundesamt für Wasserwirtschaft ab – finden wir, dass diesen Prozessen jedenfalls eine Aufgabenkritik und die Festlegung eines Leistungsspektrums vorangestellt werden muss, damit eine organisatorische Änderung auch entsprechende Effekte bringen kann. Auf Basis einer Aufgabenkritik wäre dann auch eine Analyse des Personalbedarfs durchzuführen, um verwaltungsintern das notwendige Know-how bereitzustellen.

Dritter Punkt, Vermeidung von Interessenkonflikten: Auch das sehen wir immer wieder in unseren Rechnungshofberichten. Mit dem Programm für ländliche Entwicklung wird ja unter anderem der Betrieb von Clustern und Netzwerken gefördert. Beim Projekt Netzwerk Kulinarik haben wir das Risiko von Interessenkonflikten bei der AMA, zwischen ihren Eigentümerinteressen an der AMA Marketing GmbH und der objektiven Beurteilung des Förderfalls, kritisiert. Es bestand eben zur gleichen Zeit das Aufsichts- und Weisungsrecht des Ministeriums gegenüber der AMA, die als Zahlstelle dazu angehalten wurde, eine Vorschusszahlung zu leisten. Der Rechnungshof empfiehlt, institutionelle Verflechtungen und Unvereinbarkeiten grundsätzlich zu vermeiden.

Solche Interessenkonflikte sehen wir etwa auch im Rahmen der Qualitätssicherung im Bereich der ärztlichen Berufsausübung, denn die Qualitätskontrolle wird von der ÖQMed in der Medizin GmbH, die finanziell und organisatorisch eng mit der Ärzte­kammer verflochten war, wahrgenommen. Wir glauben, dass die Aufgaben, die im Interesse der Allgemeinheit wahrzunehmen sind, nämlich Qualitätssicherung, von der Hauptaufgabe der Kammer, Interessenvertretung für Ärztinnen und Ärzte zu machen, nicht klar getrennt sind. Auch da könnten Überlegungen zur Stärkung der organisato­rischen Unabhängigkeit angestellt werden.

Der vierte Punkt betrifft die adäquate Personalausstattung und die IT-Unterstützung, insbesondere in Risikobereichen: Wir haben eine Sonderprüfung gemacht, etwa bei


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 223

den Cum-Ex-Geschäften, bei der Frage der Kapitalertragsteuererstattungen ins Aus­land, und wir haben bemängelt, dass eine risikoadäquate Personalausstattung in be­stimmten Bereichen der Finanzverwaltung fehlt und dass die unzureichende IT-Unterstützung und die fehlenden risikoorientierten Prüfungen das Risiko von Mehrfach­erstattungen erhöhten. Wir glauben, dass eine bedarfsorientierte Personalausstattung das Abgabenausfallsrisiko minimieren könnte.

Hinzu kommt das Thema der zeitgemäßen und zweckmäßigen IT-Unterstützung spe­ziell im Finanzbereich und etwa auch eine zeitgemäße IT-Applikation für den Vollzug der Familienbeihilfe. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Fünfter Punkt, Überprüfung von Wirkungen von Fördermaßnahmen und Begünstigun­gen: Wir haben eine Follow-up-Überprüfung im Bereich der Transparenz von Begünsti­gun­gen im Einkommensteuerrecht gemacht und haben die zentrale Empfehlung abge­geben, die Begünstigungen kritisch zu durchforsten und zu evaluieren. Wir glau­ben, dass Steuerbegünstigungen grundsätzlich nur befristet gewährt werden soll­ten, damit sie wirksam bleiben. Wir wiederholen unsere langjährige Empfehlung, dass das Finanzministerium im Rahmen der geplanten Steuerreform auf ein transparentes, einfaches und verständliches Einkommensteuerrecht hinwirken sollte, um den Bürge­rinnen und Bürgern die Einhaltung der Rechtsvorschriften zu erleichtern, die Steuer­moral zu heben und zu einer Verwaltungsvereinfachung beizutragen.

Auch im Bereich der Förderungen geht es uns darum, dass etwa im Rahmen der Clusterförderung geförderte Projekte finanziell nachhaltig sein sollen. Dazu müssen auch tragfähige Finanzierungskonzepte eingefordert werden.

Schließlich – und das wird Sie als Nationalrat besonders interessieren – geht es um rechtliche Klarstellungen. Eine Prüfung betrifft die Qualität der Gemeinde­haus­halts­daten. Wir glauben, dass in der Gebarungsstatistik-Verordnung auch inhaltlich klar beschrieben werden sollte, was auf Gemeinde- und Landesebene notwendig ist, damit Qualitätssicherungsmaßnahmen für diese Haushaltsdaten entsprechend gesetzt werden können. Wir verlangen die Einbeziehung außerbudgetärer Einheiten in eine umfassende Beurteilung der Gemeindegebarung.

Um Rechtssicherheit im Verfahren der Kapitalertragsteuererstattungen ins Ausland zu schaffen, schlagen wir vor, eine gesetzliche Regelung ins Auge zu fassen, etwa eine Mindesthaltedauer von Aktien. Das wurde in Deutschland als Reaktion auf die Cum-Ex-Geschäfte eingeführt.

Die Überprüfung der 24-Stunden-Betreuung hat ergeben, dass die bestehende Artikel-15a-Vereinbarung nicht mehr aktuell ist und auch diesbezüglich Anpassungsbedarf besteht.

Siebentens geht es um die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand. Der Prüfbericht zur Schutzwaldbewirtschaftung der Österreichischen Bundesforste fordert ein, dass dieser Zielkonflikt zwischen Erzielung eines bestmöglichen wirtschaftlichen Erfolgs der Bundesforste und der bestmöglichen Sicherung der Schutzwirkung des Waldes durch eine entsprechende Eigentümervorgabe gelöst werden sollte.

Mittlerweile wurden auch schon Vorgaben für eine verstärkte Pflege gesetzt. Wir werden uns im Rahmen einer Follow-up-Überprüfung anschauen, wie sich das ganz konkret ausgewirkt hat. Faktum ist, dass zeitgerechte Erhaltungsmaßnahmen um ein vielfaches günstiger sind als technische Verbauungsmaßnahmen, wenn die Schutz­wirkung des Waldes nicht mehr gegeben ist.

Achtens, Bedarfsplanung für zukünftige Herausforderungen am Beispiel Pflege: Im Rechnungshof läuft aktuell eine bundesweite Prüfung zum Thema Pflege. Dabei werden Fragen von Qualität und Finanzierung der Pflege insgesamt betrachtet. (Abg.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 224

Jarolim: Zeit!) Es ist auch eine Tatsache, dass wir in Österreich eine langfristige, gesamtheitliche Planung aller Pflegeleistungen, und zwar auch unter Einbeziehung der 24-Stunden-Betreuung, im Sinne einer integrierten und abgestimmten Versorgungs­planung brauchen. Voraussetzung ist die Planung über die verschiedenen Ebenen der Gebietskörperschaften hinweg, auf Basis von soliden Datengrundlagen, Prognosen und Szenarien. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Allgemeiner Beifall.)

21.13

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeord­neter Zinggl zu Wort gemeldet. – Bitte.


21.13.11

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT) (zur Geschäftsbehandlung): Danke, Herr Präsident! Wir haben uns in der Zwischenzeit das Stenographische Proto­koll zukommen lassen, und es ist tatsächlich so, dass Abgeordnete Jachs um 16.17 Uhr behauptet hat, Kollege Pilz würde „liebend gerne Beamtinnen und Beamte dieser Republik zum Amtsmissbrauch“ auffordern.

Das ist ziemlich eindeutig ein Vorwurf einer strafbaren Handlung, und daher ersuche ich dementsprechend vorzugehen und einen Ordnungsruf zu erteilen. – Danke. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Der arme Pilz ist ein echtes Opfer!)

21.13

*****


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Philip Kucher. – Bitte. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)


21.13.45

Abgeordneter Philip Kucher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Rechnungshofpräsidentin! Ich wollte mich eigentlich nicht noch einmal zu diesem Tagesordnungspunkt zu Wort melden, aber Frau Kollegin Belakowitsch, ein paar Dinge, kann man, glaube ich, nicht so stehen lassen. (Abg. Belakowitsch: Wieso nicht? – Abg. Hauser: Na geh!)

Ich verstehe Sie persönlich: Wenn man sich aus Ihrer Sicht wie Sie – auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren – für Sozialpolitik und Arbeitsmarktpolitik einsetzt, aber in der Vergangenheit vielleicht andere Zugänge gehabt hat, man aber über Maß­nahmen diskutieren kann, verstehe ich persönlich eine gewisse Enttäuschung, dass man sagt: ein Wahnsinn! Sie haben mit Rudi Hundstorfer diskutiert, mit Alois Stöger diskutiert und haben vielleicht einiges nicht gutgeheißen. Ich verstehe, dass es für Sie dann ganz, ganz schlimm ist, wenn man dann kurze Zeit später munter wird, ein Ge­genüber namens Hartinger-Klein hat und aus Ihrer Sicht alles noch viel katastrophaler ist. (Abg. Jarolim: Ein Wahnsinn, ja!)

Dann findet man sich plötzlich in einer Koalition mit der ÖVP wieder, in der man sagt: Da ist Arbeitsmarktpolitik ohnehin völlig unnütz, weil es die Eigenverantwortung gibt und jeder schauen soll, wo er bleibt und wie er im Leben irgendwie weiterkommt. (Abg. Belakowitsch: Was reden Sie da?) Das ist ja das Schwierige, und deshalb verstehe ich es, dass Sie eher in der Vergangenheit leben wollen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Ja, sag einmal, lest ihr keine Rechnungshofberichte?)


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 225

Ich darf ganz konkret werden: Wir kommen aus allen möglichen Bundesländern und sind auch alle in den Wahlkreisen unterwegs. Es kann nicht sein, dass wir persönlich keine Schicksale von Menschen kennen, aufgrund derer wir glauben, es müsste so etwas wie aktive Arbeitsmarktpolitik geben oder eine Aktion 20 000, die Sinn macht (Abg. Zanger: Macht überhaupt keinen Sinn!), indem man für ältere Menschen kämpft. Das muss doch Sinn machen.

Ich persönlich kann Ihnen so viele Beispiele von Menschen aufzählen, die einem wirk­lich voller Verzweiflung sagen: Philip, ich habe COPD diagnostiziert gekriegt, ich bin jetzt Mitte 50, wo soll ich denn einen Job finden? – Es gibt durchaus auch junge Men­schen, die ein schweres Herzleiden haben, zu denen gesagt wird: Du kannst irgendwo in einem Wartehäuschen auf einem Parkplatz arbeiten, eine sitzende Tätigkeit machen. (Abg. Belakowitsch: Was hat das mit dem Rechnungshofbericht zu tun?) Es gibt doch ganz viele Menschen, die keinen Job finden. Das kann doch nicht sein, dass wir all diese Schicksale nicht kennen. Jeder von uns, davon bin ich überzeugt, kennt diese Menschen. Die Antwort der jetzigen Bundesregierung ist: Wir streichen das alles! – Was ist denn das für ein Zugang? Was ist denn das für ein Zugang? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Das ist eine Themenverfehlung!)

Dann attackiert man die Leute, die Tag für Tag mit diesen Schicksalen zu tun haben, kritisiert sie und nimmt die Ideen nicht auf. Frau Kollegin, das ist unmenschlich, das kann nicht die Art und Weise sein, wie Sie Sozialpolitik und Arbeitsmarktpolitik machen wollen. Das ist einfach nicht fair! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Zanger: Was hat das mit den Berichten zu tun?)

Gerade am heutigen Tag – ich möchte jetzt nicht irgendwie polemisch werden – haben wir mitbekommen, dass es jetzt auf einmal ein arbeitsloses Einkommen von 300 000 Euro im Jahr gibt. Es gibt Spitzenfunktionäre, die einmal einen Flyer für H.-C. Strache ver­teilt haben und einen Job in der Nationalbank kriegen. Ist das die Art und Weise, wie man heute Arbeitsmarktpolitik macht, dass man FPÖ-Funktionäre versorgt? (Ruf bei der FPÖ: Geh Philip, hör auf!)

Gestern haben wir gehört, dass jeder, der einmal für H.-C. Strache gejubelt hat, plötz­lich einen Posten in den Gebietskrankenkassen kriegt. (Abg. Zanger: Du redest einen Schwachsinn daher, das ist unglaublich!) Davon hat doch im Bereich des Gesund­heitssystems niemand etwas. Das alles sind Beispiele, Frau Kollegin, über die Sie jahrelang gesagt haben: Das darf nicht sein!, und plötzlich sind Sie diejenige, die verteidigen muss, dass auf einmal blaue Funktionäre versorgt werden und in der Nationalbank 300 000 Euro kassieren. (Abg. Deimek: Wann hat Nowotny seinen Vertrag in der OeNB gekriegt?)

Die Leute, die es echt schwer haben, die keinen Job finden, denen sagt ihr: Schaut auf euch! Schaut, wo ihr bleibt! – Das ist die Eigenverantwortung der ÖVP. Das ist der neue Weg der Freiheitlichen Partei, das ist eigentlich in Wahrheit asozial. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Belakowitsch: Das hat jetzt irgendwie nicht zum Thema gepasst! – Abg. Wöginger: Das rettet den Tag auch nicht mehr!)

21.17

21.17.02


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünschen die Herren Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vorneh­me.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 226

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Antrag des Rechnungs­hofausschusses, den Bericht betreffend Arbeitsmarktservice III-65 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dem die Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen dazu. – Das ist ein­stimmig angenommen.

Tagesordnungspunkt 10: 24-Stunden-Betreuung in Oberösterreich und Wien, III-124 der Beilagen.

Wer damit einverstanden ist, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen, den bitte ich wieder um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

21.17.5011. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Versorgung im Bereich der Zahnmedizin – Reihe BUND 2018/24 (III-133/389 d.B.)

12. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Qualitätssicherung für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte – Reihe BUND 2018/37 (III-168/390 d.B.)

13. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Register im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungs­träger; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2017/39 (III-39/391 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Gewährung von Ausgleichszulagen in der Pensionsversicherung; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/26 (III-137/392 d.B.)

15. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Wartezeiten auf ausgewählte Therapien und Eingriffe in Krankenan­stalten – Reihe BUND 2018/58 (III-210/393 d.B.)

16.Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Öffentlicher Gesundheitsdienst in ausgewählten Bezirksverwaltungs­behörden in Oberösterreich und Salzburg – Reihe BUND 2018/59 (III-213/394 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zu den Punkten 11 bis 16 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Lausch. Ich darf ihm das Wort erteilen.



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 227

21.18.11

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Rechnungshofpräsi­dentin! Hohes Haus! Zum Bericht des Rechnungshofes betreffend Qualitätssicherung für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte: Der Rechnungshof hat diesbezüglich für den Zeitraum 2013 bis 2016 eine Prüfung durchgeführt, geprüft wurde von Dezember 2016 bis April 2017. Das betrifft noch die Vorgängerregierung.

Zu den vom Rechnungshof festgestellten Mängeln: Die Qualitätssicherung bei nieder­gelas­senen Medizinern missfällt dem Rechnungshof. Bemängelt wird in einem Bericht etwa, dass Patienten keine Möglichkeit haben, sich anhand bundesweit einheitlicher Kriterien über die Behandlungsqualität zu informieren. Auch wird die Wahrschein­lichkeit für Mediziner, überprüft zu werden, vom Rechnungshof als gering angesehen.

Betreffend die Zahnmedizin wurden hohe Kosten kritisiert. Man weiß ja, wenn man heute zu einem Zahnarzt geht und sich irgendetwas reparieren lässt, dass die höchsten Kosten der Selbstbehalt sind, bei dem man tief in die Tasche greifen darf, wenn man gesunde Zähne will.

Wie gesagt, das fällt in den Zeitraum der vergangenen Regierung. Unter Gesundheits­ministerin Rendi-Wagner wurde da nichts geändert, wurde nichts gemacht. (Abg. Plessl: Bitte die Zahnspange nicht vergessen!) – Jessas, die Gratiszahnspange, die ja nicht jedes Kind bekommt! Eine Fehlstellung bis zum Gehtnichtmehr muss vorhanden sein, dann bekommt man sie. Lieber Kollege Plessl, rede mit den Menschen, mit den Leuten, und dann wirst du sehen, wie begeistert sie von der Gratiszahnspange sind! Das ist eine gute Sache, aber noch ausbaufähig, und zwar ausbaufähig in jede Rich­tung.

Weiters wird bemängelt, dass die Wartezeiten auf strahlentherapeutische Behandlun­gen in Niederösterreich viel zu lang sind, und das stimmt auch. Wenn man diesbe­züglich mit den Menschen redet, erfährt man, dass das in anderen Bundesländern weit schneller als in Niederösterreich geht. Dort gibt es die längsten Wartezeiten bei dieser Behandlung. Man braucht nun aber nicht verzweifelt zu sein, denn es ist ja jetzt eine neue Bundesregierung im Amt, und diese wird diese Versäumnisse reparieren, Kollege Plessl. (Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger. – Abg. Plessl: Wer zahlt diese Milliarde?)

Der erste Schritt, um Geld zu sparen, ist die Zusammenlegung der Krankenkassen. Das ist der erste Schritt, und dadurch wird Geld hereinkommen. Dann wird mehr Geld für die Patienten da sein, weniger Geld für Funktionäre, und vor allem – was wichtig ist – wird es weniger Funktionäre, das heißt, eine schlankere Verwaltung geben. Dafür tritt die neue Bundesregierung ein.

Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt. Das Geld sollte bei den Patienten bleiben und nicht bei einer Vielzahl von Funktionären versickern. (Zwischenruf des Abg. Vogl. – Abg. Plessl: Der Rechnungshof hat die Zahlen ...!) – Kollege Plessl, da kannst du jetzt schreien, so viel du willst: Ihr hattet eure Chance, habt Sie aber nicht genutzt. Auch unter Gesundheitsministerin Rendi-Wagner hat sich da nichts geändert. Da kannst du jetzt schreien, so viel du willst. Besser ist, du schreist mit deiner Klubobfrau, wenn sie wiederkommt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

21.21


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Kollross ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


21.21.38

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungs­hofes! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie – meinen Respekt, dass


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 228

Sie immer noch hier sind und sich das anhören (Ruf bei der FPÖ: Trotz dir!) – und natürlich auch vor den Bildschirmen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zur Versorgung im Bereich der Zahnmedizin zwei Anmerkungen machen. Die eine ist positiv, die zweite nicht ganz so positiv.

Kollege Lausch hat es angesprochen, aber wenn man sich den Rechnungshofbericht durchliest, dann kommt man schon ein Stück weit auf ein anderes Ergebnis. Man hat unter anderem die Einführung der Gratiszahnspangen in Wien und Niederösterreich kontrolliert und überprüft, und allein innerhalb eines Jahres wurden in Wien 5 274 und in Niederösterreich 3 032 Gratiszahnspangen gewährt – in nur zwei Bundesländern!

Wenn man das auf das ganze Bundesgebiet hochrechnet und wenn man sich das nicht nur für ein Jahr, sondern für den Zeitraum seit der Einführung anschaut, dann muss man schlicht und einfach festhalten: Gratulation in Richtung Alois Stöger, den damals verantwortlichen Gesundheitsminister (Beifall bei der SPÖ), aber auch Gratulation in Richtung der Abgeordneten, die das Gesetz damals letztendlich verabschiedet haben – auch an die Abgeordneten der ÖVP, die sich zumindest noch erinnern können, dass es vor Schwarz-Blau III ebenfalls eine Bundesregierung gegeben hat, die mit sehr vielen positiven Dingen aufzeigen und viele positive Dinge vorweisen konnte.

Ich glaube, dass das eine tolle Maßnahme für viele Kinder, für viele Jugendliche ist, was die Zahnmedizin betrifft, aber auch für viele Familien, was den finanziellen Aspekt betrifft. Somit ist es eine Gesundheits- und sozialpolitische Maßnahme, um die uns mit Sicherheit viele Menschen in anderen Ländern beneiden. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein zweiter Punkt, den ich nur ganz kurz ansprechen möchte, da die Zeit schon fort­geschritten ist, ist die Situation der Zahnambulatorinnen – der Zahnambulatorien. Es ist ja aus dem Bericht auch hervorgegangen, dass circa die Hälfte des Geldes, das für Zahnmedizin verwendet wird, aus dem privaten Sektor kommt und dass mit den Zahnambulatorien Abhilfe geschaffen werden könnte, unter anderem auch deshalb, weil sie ja um 30 Prozent günstiger sind als andere Bereiche. Gleichzeitig sind es aber nur knappe 2 Prozent, die momentan in diesen Zahnambulatorien behandelt werden, weil es am Ende des Tages auch zu wenige Plätze in diesem Bereich gibt.

Diesbezüglich ist, glaube ich, vor allem eines sehr erwähnenswert, nämlich die Rolle der Zahnärztekammer in diesem Bereich, die alleine in Niederösterreich durch 27 Ein­sprüche immer wieder dafür gesorgt hat, dass Zahnambulatorien eben nicht ausgebaut werden. Deshalb glaube ich, dass man am Ende des Tages, wenn man da etwas weiterentwickeln will, darüber diskutieren muss, ob die Zahnärztekammer in Zukunft auch wirklich noch Parteienstellung haben kann, damit da eben nicht länger blockiert werden kann.

In diesem Sinne danke ich für den ausführlichen Bericht, der sehr informativ war. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

21.25


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Abgeordnete Fichtinger ist zu Wort ge­mel­det. – Bitte.


21.25.27

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rech­nungs­hofpräsidentin! Hohes Haus! Es ist schon angesprochen worden: Einer der Berichte behandelt speziell die Versorgung im Bereich der Zahnmedizin, und ich möchte noch einmal kurz darauf eingehen.

Der Rechnungshof hat von November 2016 bis Februar 2017 die Jahre 2014 bis 2016 bei der Wiener Gebietskrankenkasse, der NÖ-Gebietskrankenkasse, dem Hauptver-


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band der Sozialversicherungsträger und dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, wie es damals noch geheißen hat, geprüft. Ziel war es, in der Gebarungs­prüfung die Sparsamkeit, die Wirtschaftlichkeit und die Zweckmäßigkeit hinsichtlich gesundheitspolitischer Steuerung, also der Gesundheitsziele, hinsichtlich des Leis­tungs­spektrums der Krankenversicherungsträger und hinsichtlich der Leistungserbrin­gung in kasseneigenen Zahnambulatorien – erwähnt sei hier die sogenannte Gratis­zahnspange – auszuarbeiten.

Ich möchte noch einmal ganz kurz auf zwei Punkte eingehen, nämlich auf die Gesamt­ausgaben und auf die Zahnspange allgemein. Konkret wurden in Österreich im Bereich der zahnärztlichen Versorgung 2014 rund 1,8 Milliarden Euro ausgegeben. Knapp die Hälfte davon entfiel auf die öffentliche Hand, nämlich 49 Prozent. Im Vergleich dazu liegt der Mittelwert der OECD bei 33 Prozent, somit liegen wir da etwas – oder man kann schon sagen: einiges – über dem Durchschnitt.

Wenn man das auf die Zahlen pro Österreicherin und Österreicher herunterbricht, so sind das Ausgaben von 236 Euro, die pro Person für die Zahnmedizin und die Zahn­gesundheit ausgegeben wurden. Auch da liegen wir etwas über dem Mittelwert der OECD von 189 Euro. Das heißt, in Österreich wurden rund 236 Euro pro Person für Zahnmedizin und Zahngesundheit insgesamt ausgegeben, und wir liegen damit im OECD-Vergleich im oberen Drittel, denn der Mittelwert beträgt 189 Euro pro Person.

Die Gratiszahnspange, die ja im Juli 2015 – viele von Ihnen waren daran beteiligt – implementiert wurde, stellt eine Sachleistungsversorgung ohne Patientenzuzahlung speziell für behandlungsbedürftige Kinder und Jugendliche dar. Hierfür wurden vom Bund zusätzliche, zweckgewidmete Mittel in der Höhe von 80 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt.

Auch der Rechnungshof hat in seinem Bericht die inhaltliche und rasche Umsetzung der Neuregelung positiv hervorgehoben. Allein bei der Wiener Gebietskrankenkasse gab es 6 Prozent mehr Anspruchsberechtigte, bei der Niederösterreichischen Gebiets­kran­kenkasse – das wurde auch schon erwähnt – waren es sogar 13 Prozent.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir in Österreich haben mit dieser Gratis­zahnspange sicher eine richtige Entscheidung im Bereich der Gesundheit getroffen. Ich glaube, es muss uns aber auch in Zukunft wichtig sein, dass uns die Versorgung im Bereich der Zahnmedizin auch weiterhin ein großes Anliegen bleibt. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

21.29


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Loacker ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


21.29.30

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Den Freundinnen und Freunden der Gratiszahnspange empfehle ich einen Blick ins Bundesland Salzburg: Sie sollen sich das Chaos dort einmal erklären lassen!

Gestern haben wir ja hier auf Wunsch der SPÖ das Versagen der Selbstverwaltung, wo es um die Hausärzte geht, breit diskutiert, und jetzt haben wir den Bericht zum Thema Zahnmedizin vorliegen, und da hat die Selbstverwaltung – also unsere be­liebten Kammerfunktionäre – schon vor Jahrzehnten ihre Arbeit eingestellt. Das kann man sehr schön auf Seite 9 des Rechnungshofberichtes nachlesen, denn dort steht Folgendes:


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„Die [...] geltenden Gesamtverträge gingen auf das Jahr 1956 zurück; Aktualisierungen der Leistungspositionen erfolgten im Wesentlichen 1972 und 1992. In mehreren Punk­ten war die Konzeption überaltet: Beratung, Vorsorge und Prophylaxeleistungen waren nur in sehr geringem Umfang vorgesehen; neuere technische Entwicklungen blieben unberücksichtigt, ein Anreizsystem für regelmäßige Kontrollen bestand nicht.“

Wir haben es also mit einem völlig veralteten und ausgedünnten Leistungskatalog zu tun, der moderne Technologien nicht berücksichtigt, moderne Behandlungsmethoden nicht kennt, der auf Prävention keinen Wert legt, und mit diesem ausgedünnten Leis­tungskatalog sparen sich die Kassen natürlich einen Haufen Geld – und zwar jetzt. Ein Unternehmen müsste eine Bilanz führen, müsste für Zahnrisiken Rückstellungen bilden, wenn die Versicherten keine Vorsorge betreiben, aber eine Kasse muss das nicht, die macht nämlich eine bessere Einnahmen-Ausgaben-Rechnung. Kassen sind nur im heurigen Jahr zu Hause; was nächstes Jahr ist, ist wurscht – auf Kosten der Patienten.

Mit den Ambulatorien, die der Kollege vorhin „Ambulatorinnen“ genannt hat, holen sich die Kassen noch ein bisschen Geld zusätzlich und wollen dafür gelobt werden, dass sie weniger kassieren, als ein Wahlarzt nimmt. Also: Wir nehmen schon Geld, wir halten den Leistungskatalog klein; für das, was du zahlen musst, nehmen wir Geld, dann aber nicht so viel wie der niedergelassene Zahnarzt. – Danke! Danke, liebe Kasse, danke liebe Kammerfunktionäre in den Kassen! Ihr macht das super!

Weil wir gerade bei der Aufsicht sind, die da fehlt – das Gesundheitsministerium ist nämlich seit Jahren untätig –: Dass Stöger nichts gemacht hat und seinen roten Kas­senkollegen nicht an den Karren gefahren ist, ist logisch. Ministerin Hartinger-Klein wäre jetzt farblich ungebunden, sie schwimmt aber in diversen Fett- und anderen Näpfen, ist wohl damit beschäftigt und kann aus diesem Grund da nichts machen.

Es gäbe aber noch mehr zu tun: Die Qualitätsarbeit im niedergelassenen medizini­schen Bereich – dazu gibt es nicht nur eine IHS-Studie, sondern auch vom Rech­nungs­hof kritische Daten –, die Aufsicht im Gesundheitsbereich fehlt komplett, da gäbe es also wirklich viel zu tun. (Beifall bei den NEOS.)

21.32


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gerstner. – Bitte.


21.32.32

Abgeordneter Peter Gerstner (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Werte Kollegen! Sehr geehrte Besucher und Zuseher! Ich darf mich hier kurz auf den Rechnungshofbericht betreffend „Wartezeiten auf ausgewählte Therapien und Eingriffe in Krankenanstalten“ beziehen.

Dieser Rechnungshofbericht wurde von Mai bis Oktober 2017 erstellt und beschäftigt sich, wie schon gesagt, mit den Wartezeiten der Patienten und Patientinnen auf eine strahlentherapeutische Behandlung mittels Linearbeschleuniger in der Universitäts­klinik Krems, im Landesklinikum Wiener Neustadt und im Landesklinikum Feldkirch. Der Überprüfungszeitraum, und das ist, glaube ich, auch sehr interessant und er­wähnenswert, erstreckt sich von 2013 bis 2016, liegt also eindeutig vor der Zeit, in der die jetzige Bundesregierung Verantwortung hatte.

Als Niederösterreicher möchte ich mich natürlich in erster Linie mit der Beurteilung der Versorgungszone Ost durch den Rechnungshof auseinandersetzen, denn zu dieser Versorgungszone Ost gehören Wien, Niederösterreich und die Versorgungszone Nord des Burgenlandes.


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Der Österreichische Strukturplan Gesundheit 2012 mit dem Planungshorizont bis 2015 hat für die Versorgungszone Ost insgesamt 18 Linearbeschleuniger vorgesehen. Von diesen 18 Linearbeschleunigern sollen in Niederösterreich sechs zu finden sein.

Im Österreichischen Strukturplan bis 2020 war dann bereits eine Erhöhung von sechs auf neun Linearbeschleuniger vorgesehen. Im ganzen Versorgungsgebiet der Versor­gungs­zone Ost sollte die Zahl der Geräte von 18 auf 24 erhöht werden. Für Niederösterreich waren drei Großgeräte vorgesehen, für die es jedoch zum Zeitpunkt der Überprüfung noch keine Standortfestlegung gegeben hat.

Das ist aber nicht das einzige Problem, das der Österreichische Strukturplan Gesund­heit 2012 hatte, sondern dieser Gesundheitsplan hat vorgesehen, dass auf ein Groß­gerät, also auf ein Stück dieser Linearbeschleuniger, 100 000 bis maximal 140 000 Ein­­­wohner kommen; im Strukturplan 2017 wurde dann bereits auf 150 000 Einwohner pro Gerät erhöht, weil es sich einfach hinten und vorne nicht ausgegangen ist.

Man muss sich vorstellen, dass dann bei der Prüfung 2016 herauskam, dass es pro Gerät 220 000 Einwohner in diesem Gebiet gegeben hat und dass trotz der Anschaf­fung dieser teuren Großgeräte zum Beispiel im Universitätsklinikum Krems nicht einmal das Personal aufgestockt wurde, sodass das Gerät auch nur bedingt einsatzfähig war. Daraus ergab sich natürlich eine Verdoppelung der Wartezeiten für die Patienten und Patientinnen, wohingegen im Versorgungsgebiet West, also in Vorarlberg und Tirol, die Versorgung mit den entsprechenden Geräten sehr wohl eingehalten werden konnte und vor allem die Wartezeiten nicht so relevant waren, dass sie erwähnenswert wären. Das heißt, die Leute sind sehr schnell behandelt worden und mussten nicht, so wie in Niederösterreich und in Wien, monatelang auf eine Behandlung warten. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Da muss unbedingt sofort gehandelt werden! Es sollten schnellstmöglich drei Stand­orte in Niederösterreich für zusätzliche Großgeräte gefunden werden, und wir werden darauf achten, dass das auch passiert. Wir werden schauen, dass wir den Standort beziehungsweise die Standorte festlegen können, damit die Großgeräte endlich ange­schafft werden.

Ein solches Verharren, wie es in der SPÖ-Regierung an den Tag gelegt wurde, wird es bei uns, bei der FPÖ-ÖVP-Regierung, nicht geben. Die SPÖ hat im wahrsten Sinne des Wortes ihre Möglichkeiten und Chancen verschlafen. Wir werden gemeinsam mit unserer Gesundheitsministerin Hartinger-Klein dafür sorgen, dass es in Zukunft genug Geräte und nicht mehr so lange Wartezeiten gibt. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

21.38


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Preiner ist zu Wort ge­mel­det. – Bitte.


21.38.18

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungs­hofes! Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher! Ich beziehe mich in meinen Ausführungen auf den Rechnungshofbericht zur Qualitäts­sicherung für niedergelassene Ärzte. Der Rechnungshof überprüfte dabei das Gesund­heitsministerium, die Österreichische Ärztekammer und auch die Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin GmbH.

Ziel dieser Überprüfung war es, Organisation und Transparenz der Gesundheits­versorgung im Bereich der niedergelassenen Ärzte zu beurteilen. Ich erinnere auch an die gestrige Diskussion und an eine Aussage des Kollegen Smolle, der gemeint hat, die Strukturen gehören überarbeitet und überprüft. – Nun, ich denke, diese Überprü-


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fung hat bereits in der vergangenen Legislaturperiode unter der Federführung von SPÖ-Gesundheitsministern begonnen, und zwar insofern, als die gesetzliche Möglich­keit geschaffen wurde, dass Gruppenpraxen errichtet werden konnten, aber auch insofern, dass Lehrpraxen für praktische Ärzte in ländlichen Regionen geschaffen wurden.

Der Rechnungshof stellte auch fest, dass die Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin GmbH finanziell und organisatorisch sehr eng mit der Ärztekammer zusammenarbeitet und auch sehr stark durch die Kammerumlage finanziell unterstützt wird. Transparenz und Unabhängigkeit ist da natürlich kaum gegeben.

Des Weiteren hat der Rechnungshof festgestellt, dass es eine Selbstevaluierung der Ärzte in Form von Fragebögen gibt und dass stichprobenartige Überprüfungen, wenn auch nur zu 7 Prozent, seitens der Gesellschaft für Qualitätssicherung in den Praxen der niedergelassenen Ärzte durchgeführt wurden.

Wir wissen natürlich, dass weitere Reformschritte notwendig sind. Frau Gesund­heits­ministerin Hartinger-Klein hat jetzt seit über zwölf Monaten die Verantwortung im Ressort. Ich hoffe, dass dort bald auch einiges an Reformen in die Gänge kommen wird, so zum Beispiel auch betreffend besserer IT-Ausstattung im Bereich der nieder­gelas­senen Ärzte.

Ich möchte aber auch in Erinnerung rufen, dass die FPÖ es gewesen ist, die immer wieder kritisiert hat, dass sehr viele ausländische StudentInnen an unseren Med-Universitäten studieren und dann auch in immer größer werdender Zahl in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Ich verweise jetzt nur ganz kurz auf das Wahlprogramm der FPÖ bei der Nationalratswahl 2017: „Dass Ausländer nahezu kostenlos an den vom österreichischen Steuerzahler finanzierten Universitäten studieren können“, ist „unfair“. Ich frage daher die Kollegen von der FPÖ: Was haben Sie bis dato gemacht, um das zu ändern?

Geschätzte Damen und Herren, wir von der Sozialdemokratie haben den Zugang, dass jeder Mensch gleich viel wert ist, dass jeder Mensch denselben hohen Anspruch auf qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung hat, egal ob er in einer Gemeinde mit 1 000 oder 2 000 Einwohnern in ländlichen Regionen oder in urbanen Bereichen, in der Stadt wohnt. – Ich danke sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

21.41

21.41.31


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wünscht der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung.

Tagesordnungspunkt 11: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht betref­fend Versorgung im Bereich der Zahnmedizin, III-133 der Beilagen, zur Kenntnis zu nehmen.

Wer damit einverstanden ist und zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Bewegung ist angesagt. – Das ist einstimmig.

Tagesordnungspunkt 12: III-168 der Beilagen, Qualitätssicherung für niedergelas­sene Ärztinnen und Ärzte.

Wer nimmt das zur Kenntnis? – Das ist ebenfalls einstimmig.

Abstimmung über Tagesordnungspunkt 13: III-39 der Beilagen betreffend Register im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger; Follow-up-Überprüfung.


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Wer ist damit einverstanden? – Wiederum einstimmig.

Tagesordnungspunkt 14: Bericht betreffend Gewährung von Ausgleichszulagen in der Pensionsversicherung; Follow-up-Überprüfung, III-137 der Beilagen. – Ebenfalls einstimmig.

Tagesordnungspunkt 15: Bericht betreffend Wartezeiten auf ausgewählte Therapien und Eingriffe in Krankenanstalten, III-210 der Beilagen. – Ebenfalls einstimmig.

Schließlich Tagesordnungspunkt 16: Rechnungshofbericht betreffend Öffentlicher Gesundheitsdienst in ausgewählten Bezirksverwaltungsbehörden in Oberösterreich und Salzburg, III-213 der Beilagen. – Ebenfalls einstimmig zur Kenntnis genommen.

21.43.2017. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Fonds und Stiftungen des Bundes – Reihe BUND 2017/14 (III-20/455 d.B.)

18. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Finanzausgleich: Finanzzuweisungen lt. § 21 FAG – Reihe BUND 2017/38 (III-38/456 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Qualitätssicherung der Gemeindehaushaltsdaten – Reihe BUND 2018/31 (III-149/457 d.B.)

20. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Kapitalertragsteuer-Erstattungen nach Dividendenausschüttungen – Reihe BUND 2018/35 (III-165/458 d.B.)

21. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Transparenz von Begünstigungen im Einkommensteuerrecht; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/4 (III-82/459 d.B.)

22. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Oesterreichische Nationalbank – Gold- und Pensionsreserven, Jubi­läumsfonds sowie Sozialleistungen; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/16 (III-114/460 d.B.)


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23. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Familienbeihilfe – Ziele und Zielerreichung, Kosten und Kontroll­system – Reihe BUND 2018/36 (III-166/461 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zu den Punkten 17 bis 23 der Tagesordnung; auch darüber wird die Diskussion unter einem geführt.

Hinsichtlich der Ausschussberichte verweise ich auf die Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Kirchbaumer. – Bitte.


21.43.34

Abgeordnete Rebecca Kirchbaumer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Rechnungshofpräsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Jede Bürgerin, jeder Bürger, jeder Verein, jeder Haushalt, das Land, der Bund verfügt über ein Budget, wie auch die Gemeinden über ein Budget verfügen. Genau um dieses Budget geht es in diesem Bericht. Es geht um Transparenz.

Seit einigen Jahren ist es für die Bürgerinnen und Bürger jeder Gemeinde möglich, sich online die Haushaltsgelder der jeweiligen Gemeinde anzuschauen. Auf der Seite www.gemeindefinanzen.at, die vom Gemeindebund zur Verfügung gestellt wird, kann jeder das Budget seiner Heimatgemeinde ansehen. Der Rechnungshof hat sich jedoch die Frage gestellt: Sind die Zahlen auch richtig? – Es hat sich dabei herausgestellt, dass Tirol und die Steiermark da besonders positiv hervorstechen.

Es hat für die Gemeinden mehrere Möglichkeiten der Übermittlung gegeben, wie zum Bespiel eine Excel-Tabelle per Mail zu versenden. Tirol hat für diese Daten eine eigene Plattform geschaffen, über die jede Gemeinde ihre Daten einpflegen und gleichzeitig auch die Richtigkeit überprüfen konnte. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Die Fehlerquoten lagen in Tirol und in der Steiermark unter 20 Prozent, in den übrigen Bundesländern über 80 Prozent. Der Rechnungshof hat daher das Land Tirol und die Steiermark als Best-Practice-Modell empfohlen. Es freut mich, dass die übrigen Bun­desländer in der Zwischenzeit diesem tollen Beispiel gefolgt sind beziehungsweise folgen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

21.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Greiner. – Bitte.


21.45.33

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Prä­sidentin des Rechnungshofes! Ich muss einmal ein Kompliment aussprechen und Danke sagen für die 22 Berichte, die sehr ausführlich sind und die wir heute debattieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich beschäftige mich jetzt mit dem Bericht über das Kapitalertrag­steuererstattungs­verfahren bei Aktiengeschäften. Medial wird das vielen von Ihnen aus Berichten, die vor allem die Bundesrepublik Deutschland betroffen haben, wo auch beträchtlicher Schaden entstanden ist, bekannt sein. Worum geht es dabei? – Es handelt sich da um Steuererstattungen, die dem Begünstigten nicht zustehen. Eine einmal abgeführte Steuer auf Dividendenerträge wird aufgrund von Leerverkäufen doppelt erstattet – also ein findiges Geschäftsmodell, das wie gesagt in unserem Nachbarland beträchtlichen Schaden bewirkt hat.


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Das führt mich zur alles entscheidenden Frage: Ist Österreich ein Schaden ent­standen? – Lange konnten wir keine Antwort auf diese Frage bekommen. Mittlerweile liegt dazu ein Rechnungshofbericht vor, und aus diesem ist herauszulesen, es gab mehr Kapitalertragsteuererstattungen als korrespondierende Einzahlungen. Also: Ja, es ist ein Schaden entstanden.

Der Herr Finanzminister hat das auch bestätigt, konnte uns aber im Ausschuss keine Schadenssumme nennen. Er hat von einem Schadenspotenzial von 1,78 Millionen Euro gesprochen. Aber was ist mit den möglicherweise weiteren 6 Millionen Euro an Schadenssumme? Was ist mit den 168 seit 2010 aufgerollten Fällen? Was ist mit 200 offenen, zu überprüfenden Fällen?

Welche Faktoren haben diesen Schaden begünstigt? – Da schreibt der Rechnungshof betreffend die bearbeitenden Finanzämter über schlechte Personalausstattung, über mangelnde IT-Ausstattung und damit auch über fehlende risikoadäquate Antrags­prü­fung.

Wie schaut es jetzt mit dem Personal aus? – Es wurde im betreffendem Finanzamt von 9 auf 15 aufgestockt. Der Herr Finanzminister sagt, das reicht. Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Meinung teile ich nicht (Abg. Plessl: Wir auch nicht!), denn wir wissen von den vielen offenen Fällen, und es wäre wirklich dringend erforderlich, dass wir endlich erfahren, wie hoch die Schadenssumme wirklich ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Rechnungshof hat in diesem Bericht sehr ein­drucksvoll die Komplexität der Materie beleuchtet, und ich darf sagen, der Herr Finanz­minister ist dringlich aufgefordert, erstens, uns schnellstmöglich eine genaue Scha­dens­summe zu nennen und, zweitens, in den zuständigen Finanzverwaltungen den Sparstift nicht beim Personal anzusetzen, sondern dafür Sorge zu tragen, dass er ausgebildetes, geschultes Personal einsetzt, das auch wirklich risikoorientiert prüfen kann. – Herr Finanzminister, handeln Sie! (Beifall bei der SPÖ.)

21.48


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Zanger. – Bitte.


21.48.48

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Ich beziehe mich im dritten Debattenbeitrag im Rahmen der dritten De­batte zu Berichten des Rechnungshofes auf den ersten der Berichte.

Es geht um die Fonds und Stiftungen des Bundes; auch diesbezüglich hat der Rechnungshof sehr akribisch geprüft und eine Reihe offener Fragen aufgeworfen. Auch in diesem Bericht geht es um das Thema Transparenz, es geht um Effizienz, es geht um Sinnhaftigkeit, und sozusagen summa summarum kommt meiner Meinung nach eine übergeordnete Empfehlung heraus, die es wirklich zu behandeln gilt. Es geht dabei um die Kritik des Fehlens eines Konzeptes, in welchen Fällen der Bund Fonds und Stiftungen zur Aufgabenerfüllung als zweckmäßig erachtet. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die Errichtung dieser Fonds und Stiftungen oft eher eine politische Entscheidung ist, als dass auf Kosten, Nutzen und Effekt geachtet würde.

Es gibt nur ein Problem, wenn es um die Empfehlung geht, eine Leitlinie für die Errich­tung und Steuerung dieser Fonds und Stiftungen einzuführen, und das hat der Finanz­minister dann sehr ausführlich dargelegt: Es ist sehr wünschenswert, aber schwer umsetzbar, hat er gesagt, denn diese Fonds sind grundsätzlich durch ein Sonder­gesetz einzurichten, sodass diesbezügliche Leitlinien bestenfalls eine Richtschnur sein können. Auch die Steuerungsinstrumente für diese Fonds und Stiftungen werden in diesen Sondergesetzen normiert, sodass der Fokus auf die entsprechende Ausgestal-


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tung der gesetzlichen Grundlagen gelegt werden muss, und sie wären halt im Bereich der Steuerung nur beschränkt erfolgsversprechend.

Insgesamt ist das also eine durchaus komplexe Materie, aber aufgrund dessen, dass es doch sehr wünschenswert ist, dass man Leitlinien erarbeitet, wird da weiterge­arbeitet und weiterentwickelt. Ich hoffe, das Ganze wird ein positives Ende finden.

Frau Präsidentin, Sie haben in Ihrem Eingangsstatement darauf hingewiesen, dass ein wesentlicher Punkt für den Rechnungshof die Schaffung zeitgemäßer Organisations­struk­turen und auch die Qualität der öffentlichen Leistungserbringung ist. Auch für mich ist das ein wesentlicher Umstand – wenn man aus dem kaufmännischen Bereich kommt, dann begleitet einen dieses Thema eigentlich ein ganzes Leben lang. Ich bin froh, dass wir das jetzt auch in der Politik umsetzen, und ich nenne nur ein Beispiel, und zwar die Reform der Sozialversicherungsträger. Damit werden zeitgemäße Organi­sationsstrukturen geschaffen, um in Zukunft im Zuge einer erfolgenden Gesundheits­reform auch die Qualität der öffentlichen Leistungserbringung für die Patienten zu ver­bessern.

Ich denke, das ist im Sinne des Rechnungshofes, und so macht diese Regierung auch vernünftige Politik im Sinne der Menschen in diesem Land. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

21.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordnete Doppelbauer ist zu Wort gemeldet ist. – Bitte.


21.51.55

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rechnungshofpräsidentin! Ich möchte mich heute ebenfalls auf das Thema Fonds und Stiftungen des Bundes und auf die Ergebnisse, die uns der Rechnungshof dazu präsentiert hat, beziehen. Insgesamt gab es zum Zeitpunkt der Prüfungen circa 340 Stiftungen und Fonds; 58 davon hat man überprüft, und zwar jene, die der Bund verwaltet beziehungsweise bei denen er auch an der Bestellung von Leitungsorganen mitgewirkt hat.

Was ist nun das Ergebnis dieser Prüfung? – Nun, es wurde auch vorhin schon gesagt: Es gab keine Strategie oder kein Konzept, das erkennbar wäre, aus welchen Gründen sich der Bund entschieden hat, Fonds oder auch Stiftungen zu errichten. Der Rech­nungshof drückt es vornehmer aus, als ich es gerade gemacht habe; er sagt, es sei vielfach eine „politische Entscheidung ohne besondere Erwägung von Kosten und Nut­zen der spezifischen Rechtsform“ gewesen.

Warum ist das jetzt schädlich? Man könnte ja sagen: Meine Güte, es gibt ja noch so viele andere; was ist denn das Problem? – Nun, weil es einfach für alle Dinge in der Wirtschaft Regeln gibt, wann es sinnvoll ist, etwas zu machen, und wann es sinnvoll ist, es nicht zu machen. Wenn es zum Beispiel bei einem Fonds oder bei einer Stiftung, wie es hier gegebenenfalls der Fall wäre, mehrere Geldgeber und mehrere Entschei­dungsträger gibt – Stipendien sind ein gutes Beispiel dafür –, wenn man zum Beispiel Geld von privaten Geldgebern und Geld vom Bund hat und dann eben Entscheidungen treffen muss, dann macht eine Stiftung oder ein Fonds ja auch durchaus Sinn.

Das ist aber eben genau die Crux an der Sache: Wann macht es Sinn und wann macht es keinen Sinn? Es gibt dabei natürlich auch Nachteile: Fonds und Stiftungen haben typischerweise weniger an Transparenz zu bieten, und auch die budgetäre Flexibilität ist ein bisschen schwieriger, deswegen werden sie auch oft als ineffizient beschrieben. Einige Fonds und Stiftungen – auch dies hat man in diesem Rechnungshofbericht festgestellt – waren auch nicht, obwohl das gesetzliche Vorgabe wäre, in der Trans­parenzdatenbank zu finden.


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Der Rechnungshof hat zwei Empfehlungen gegeben – es waren natürlich mehrere, aber zwei möchte ich hier besonders herausgreifen –: Die erste betrifft etwas, was eigentlich selbstverständlich sein sollte: Fonds und Stiftungen sollten nur dann errichtet werden, wenn sie wirklich zweckmäßig sind und wenn die Aufgaben in den beste­henden Strukturen nicht wahrgenommen werden können. – Es ist durchaus traurig, dass man das im Jahr 2019 sagen muss, aber so ist es nun einmal.

Der Rechnungshof hat auch noch etwas Zweites empfohlen, was ich auch sehr unterstützenswert finde, nämlich dass man die bestehenden Fonds und Stiftungen dahin gehend zu prüfen hat, ob sie noch zweckmäßig sind und ob sie auch noch alles erfüllen, wofür sie gegründet worden sind. Wenn sie das nicht tun, sollte man sie auflösen. – Auch das sehen wir sehr positiv. Wir haben deswegen schon einen Antrag an die zuständigen Ministerien gestellt, die Stiftungen, die sich in ihren Zuständig­keits­bereichen befinden, noch einmal zu überprüfen und zu analysieren. Die Antwort steht noch aus, aber wir werden uns dann natürlich dementsprechend mit den Antworten beschäftigen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

21.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Rossmann. – Bitte.


21.55.12

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (JETZT): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Präsidentin, ich bin Ihnen sehr dankbar für diesen Sonderbericht des Rechnungshofes im Zusammenhang mit Rückerstattungen von Kapitalertragsteuern, weil der von mir initiierte Bericht dazu geführt hat, dass es zur Aufdeckung eines Steuerbetrugs auch in Österreich gekommen ist.

Der Reihe nach: Worum geht es dabei? – Dabei geht es um sogenannte Cum-Ex-Geschäfte, die in der Bundesrepublik Deutschland einer der größten Steuerskandale überhaupt gewesen sind. Cum-Ex-Geschäfte sind hochkomplexe, hoch komplizierte Deals, bei denen unter bestimmten Umständen Kapitalertragsteuer, die einmal an den Fiskus abgeliefert wurde, doppelt zurückerstattet wird – Cum-Ex deshalb, weil es dabei um den Dividendenstichtag geht, an dem die Aktieninvestoren oder die Eigentümer wechseln; diese Eigentümerwechsel bieten sozusagen die Chance, Kapitalertragsteuer zweimal zu verrechnen, obwohl sie nur einmal bezahlt worden ist.

Es war genau dieser Skandal in der Bundesrepublik Deutschland, zu dem es auch einen Untersuchungsausschuss gegeben hat, der mich veranlasste, 2015 dies­bezüg­lich eine erste Anfrage an den Finanzminister zu stellen. Er ließ mich damals wissen, „mit hoher Gewissheit“ sei bei sogenannten Cum-Ex-Geschäften kein Schaden entstanden. Und damit beginnt die Chronologie einer Geschichte, die im Dezem­ber 2018 damit endet, dass der Finanzminister im Rechnungshofausschuss bei der Debatte zu diesem Bericht zugeben musste, dass es auch in Österreich zu einem Steuerbetrug gekommen ist.

Bei meiner zweiten Anfrage im Jahr 2016 war sich der Herr Finanzminister schon ein bisschen unsicherer. Er hat damals geantwortet: „Ob es [...] zu einem Schaden in Cum/Ex-Fällen gekommen ist, werden laufende Ermittlungen und Verfahren zeigen.“

Ich habe nicht lockergelassen und habe in den Jahren 2016 und 2017 weitere Anfragen gestellt: Eine Anfrage erging an das Justizministerium, das mir geantwortet hat, dass ein Strafverfahren gegen ein ganz bestimmtes Unternehmen im Zusammen­hang mit Steuerbetrug läuft. Die zweite Anfrage erging an das Finanzministerium, und dort hat sich herausgestellt, dass die Zahlungserstattung an einzelne ausländische Aktionäre gar nicht zurückverfolgt werden kann. Das hat mich sehr skeptisch und


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stutzig gemacht; ich habe mir gedacht, jetzt wird es aber Zeit, den Rechnungshof in Österreich einzuschalten, und habe damals, noch bei den Grünen, diesen Sonder­bericht initiiert.

Er erschien im Juli 2018, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, und er hat mit zwei Mythen aufgeräumt: Erstens hat er festgestellt, dass tatsächlich ein Schaden entstan­den ist, obwohl er nur Plausibilitätsprüfungen durchführen konnte. Bei einem Unternehmen wurde ein Schaden in der Höhe von rund 1,8 Millionen Euro festgestellt. Andere Plausibilitätsschätzungen haben Schäden in der Größenordnung von 6 Mil­lionen Euro festgestellt, wiewohl der Rechnungshof in seinem Prüfbericht sagt, dass er nicht in der Lage gewesen ist, diesen Steuerbetrug lückenlos zu prüfen, weil die Daten nicht vorhanden sind. Dazu hat das Bundesministerium für Finanzen ge­meint, ein Schaden sei nicht evident. Man wollte also immer noch nicht zugeben, dass ein Schaden entstanden ist. Ausständig waren zu diesem Zeitpunkt 168 Prüfungen, mittler­weile sind es 205 Prüfungen.

Das Finanzministerium hat auch behauptet, dass es einen Zahlungsstopp niemals gegeben hat (Abg. Hanger: Dass es einen gegeben hat!) – Pardon! –, dass es einen Zahlungsstopp gegeben hat. Der Rechnungshof sagte, zu einem Zahlungsstopp ist es niemals gekommen, aber es hat 8 000 Ergänzungsansuchen gegeben. Der Rech­nungshof hat auch festgestellt, dass es eine chronische Unterbesetzung im zustän­digen Finanzamt gegeben hat, ebenso wie eine völlig veraltete IT – und zwar bereits im Jahre 2006. Behoben wurde dieser Mangel im Jahr 2019 durch Finanzminister Löger; das heißt, Molterer, Pröll, Fekter, Spindelegger, Schelling sind dagegen nicht vorge­gangen – das ist in Wirklichkeit schon ein Skandal!

Schließlich war es so, dass der Finanzminister im Rechnungshofausschuss zugeben musste, dass ein Schaden entstanden ist. Er wollte die Höhe des Schadens nicht benennen oder konnte es nicht, hat aber angekündigt, dass er es bis Ende März schaffen würde, den Gesamtschaden zu eruieren. Ich bin neugierig, mit welchen Zahlen er uns konfrontieren wird. Wenn er die Sache nicht lückenlos offenlegt, dann werde ich an dieser Sache dranbleiben, ich werde nicht lockerlassen. – Vielen Dank. (Beifall bei JETZT.)

22.01


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Singer. – Bitte.


22.01.13

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich möchte mich mit dem Bericht des Rechnungshofes betreffend Fonds und Stiftungen des Bundes be­schäf­tigen.

Wir haben von Kollegin Doppelbauer schon gehört, es gibt 340 Fonds und Stiftungen in Österreich, die in einem Naheverhältnis zu Bund, Ländern und Gemeinden stehen; 58 davon, nämlich jene, die im unmittelbaren Einflussbereich des Bundes stehen, sind vom Rechnungshof überprüft worden. Diese 58 haben in Summe eine relativ hohe Bilanzsumme, nämlich etwa 6 Milliarden Euro im Jahr 2014; die Verbindlichkeiten lagen da bei etwa 4,4 Milliarden Euro. Diese Summen sind jedoch großteils auf nur wenige Fonds und Stiftungen aufgeteilt; ich darf die bekanntesten ansprechen.

Der erste ist der Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds. Bereits 1959, mit der Gründung des Wasserwirtschaftsfonds, wurde mit der Förderung von Umweltschutzvorhaben begonnen. Über den Wasserwirtschaftsfonds wurden seit damals viele, viele Projekte im Bereich der Wasser- und Abwasserwirtschaft im Sinne des Umweltschutzes ab-


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gewickelt. Später kam der Umweltfonds als Sanierungsinstrument in den Bereichen Luftreinhaltung und Lärmschutz sowie Vermeidung und Verwertung von gefährlichen Abfällen dazu. 1991 und 1992 kam dann eine weitere Ausweitung des Aufgaben­be­reiches auf Altlastensanierung und ‑sicherung dazu.

Ein zweiter Fonds ist der Klima- und Energiefonds. Dieser wurde von der Bundes­regierung im Jahr 2007 ins Leben gerufen, um die Umsetzung der Klimastrategie zu unterstützen.

Ein paar Punkte, die der Rechnungshof aufgegriffen hat, möchte ich noch ansprechen: Fonds und Stiftungen im öffentlichen Bereich folgten keiner einheitlichen Grundstruktur hinsichtlich der Art der Verwaltung, des Einflusses der Ministerien, der Organbefug­nisse und Funktionsdauer sowie der internen Kontrolle und der Bilanzierungsregeln.

Der Rechnungshof hat auch festgestellt, dass Fonds und Stiftungen nur in bestimmten Konstellationen zweckmäßig sind, insbesondere dann, wenn mehrere Geldgeber das Wahrnehmen einer Aufgabe gemeinsam finanzieren wollen und auch Einfluss haben wollen. Daraus abzuleiten ist die Schlussfolgerung, die der Rechnungshof ausführt, nämlich dass es bei der Hälfte der analysierten Fonds und Stiftungen Zweifel hinsicht­lich der Zweckmäßigkeit gibt. Es ist festgestellt worden, dass es zu wenig Transparenz gibt und dass die budgetäre Flexibilität, Mängel in der Steuerung und so weiter nicht entsprechend berücksichtigt wurden. (Im Hintergrund ist ein Alarmsignal zu hören. – Ruf bei der SPÖ: Ist das Feueralarm, Herr Präsident?)

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Rechnungshof schlägt daher vor, Fonds und Stiftungen, die diesen Zweck nicht mehr erfüllen, zu überprüfen und eventuell aufzu­lösen und bei der Errichtung neuer Fonds und Stiftungen genauestens zu prüfen, ob Fonds und Stiftungen tatsächlich die beste Lösung für bestimmte Aufgabenstellungen sind. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

22.04


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Becher. (Das Alarmsignal ertönt neuerlich.) – Kann man das Gerät abstellen oder ist das - - (Ruf bei der SPÖ: Das ist der Feueralarm!) Wer macht da einen Spaß?

Wir gehen der Sache nach, danke. Das ist ja nicht sehr ansprechend. (Allgemeine Heiterkeit.) Wir gehen der Sache nach. Ich bitte die Techniker, sich das anzuschauen. (Ruf bei der ÖVP: Der Rechnungshof brennt!)

Also das ist ein Rauchmelder, der offensichtlich aufgrund Rauchens innerhalb des Gebäudes losgegangen ist. (Abg. Rädler: Die Ersten verlassen den Saal! – Allgemeine Heiterkeit.) Ich werde dem nicht nachgehen. Wer auch immer Rauchzeichen von sich gegeben hat, möge das nicht im Hause tun. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Leichtfried: Ist der Vizekanzler noch da?)

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Becher.


22.05.51

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Danke schön, Herr Präsident! Ich möchte kurz zu den Cum-Ex-Geschäften sprechen. Im Zusammenhang mit diesen Geschäften sind der amtierende Finanzminister und seine Vorgänger verantwortlich. Das Finanz­minis­terium hat die Aufgabe, sicherzustellen, dass bei bestimmten grenzüber­schrei­tenden Finanzgeschäften die Rückerstattung der Kapitalertragsteuer nur einmal erfolgt. Als die Opposition – Kollege Rossmann hat das ja bereits sehr detailliert ausgeführt – die Überprüfung dieser Geschäfte verlangt hat, war zunächst Schweigen im Walde, und die Stellungnahme war, dass der Republik kein Schaden entstanden ist.


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Dazu ist zu sagen: Wenn jemand im Supermarkt zwei Äpfel einsteckt und nur einen bezahlt, weiß jeder, wie hoch der Schaden ist. Wenn eine Baufirma eine Wohnhaus­anlage errichtet und 20 Tonnen Beton verrechnet, dann aber nur 10 Tonnen verbaut, weiß auch jeder, wie hoch der Schaden ist. – Wie viel Schaden bei diesen Cum-Ex-Geschäften entstanden ist, weiß der Finanzminister nicht. Erst der Rechnungshof hat dazu recherchiert und ausgerechnet, dass ein einziger Antragsteller sogar 59-mal einen Doppelantrag gestellt hat, dass 245 Millionen Euro in die Arabischen Emirate zurückgeflossen sind. Alle Länder zusammengerechnet wurde 1 Milliarde Euro an österreichischem Steuergeld ausgeschüttet.

Auf die entsprechende Frage der Abgeordneten im Ausschuss hat der Finanzminister gesagt, ein Schaden sei vorhanden, der sei sicher, aber wie hoch er sei, könne er nicht sagen. Natürlich wird es mehr sein: Zunächst hieß es, kein Schaden, am 17. Oktober waren es dann 1,78 Millionen Euro, und im Dezember waren es bereits 6 Millionen Euro Schaden. Am Ende weiß niemand, wie hoch der Schaden wirklich ist, und das wirft kein gutes Licht auf den Umgang des Finanzministers mit dem Geld der Öster­reicherinnen und Österreicher.

Dieser Fall zeichnet ein ganz schreckliches Sittenbild betreffend das Verständnis der Regierung von Recht und Unrecht: Wer beim Einkauf oder an der Betonmisch­maschine betrügt, muss in dieser Republik mit sehr harten Strafen rechnen – wer aber einen schicken Anzug anhat, in einem tollen Büro sitzt und dieser Republik beim Ausfüllen der Formulare einen Schaden zufügt und das für Bildung, Sicherheit und Gesundheit benötigte Geld stiehlt, der hat eigentlich nichts zu befürchten. Das ist unerträglich, und wir müssen wohl auch damit rechnen, dass sich niemand vor einem österreichischen Gericht wird verantworten müssen, weil dann natürlich die Zeit schon abgelaufen ist. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

22.09


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Hauser ist zu Wort gemel­det. – Bitte.


22.09.26

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte - - (Das Alarmsignal ertönt neuerlich. – Zwischenruf des Abg. Jarolim.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Betriebsfeuerwehr ist bereits angewiesen. Ob der Saal zu räumen ist oder nicht, wird diese in Kürze entscheiden. (Beifall bei der SPÖ.)

Es besteht keine Gefahr für die Sicherheit, Herr Abgeordneter Hauser kann weiter­sprechen. (Allgemeine Heiterkeit.)


Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (fortsetzend): Herr Präsident, ich danke! Sie sorgen sich um unsere Sicherheit – danke schön dafür; die Feuerwehr ist auch schon unterwegs. (Zwischenrufe der Abgeordneten Jarolim und Lausch.)

Kollegin Becher, zuerst ein paar Worte zu den Cum-Ex-Geschäften: Natürlich gebührt Kollegen Rossmann ein Dankeschön dafür, dass er das mit seiner Anfrage in Gang gebracht hat. Im Rechnungshofausschuss hat jedoch – und da war der Herr Finanzminister anwesend, da muss ich Sie korrigieren, Frau Kollegin Becher – der Herr Finanzminister festgestellt, dass die österreichische Finanz diese Betrugsgeschäfte nicht nur verfolgen, sondern dass es auch zu Nachzahlungen kommen wird. Das hat er festgestellt. (Zwischenruf der Abg. Becher.)

Nebenbei bemerkt: Das ist kein österreichisches Spezifikum, sondern das ist leider ein internationales Phänomen. Das nützt uns nichts, aber es ist ein internationales Phä-


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nomen. (Ruf bei der SPÖ: ... seit Jahren bekannt!) Ich darf schon auch daran erinnern, dass Herr Finanzminister Löger seit einem Jahr Finanzminister ist, aber die ganzen Betrügereien mit den Cum-Ex-Geschäften bereits vor seiner Zeit begangen wurden. Bleibt da also ein bisschen auf dem Boden der Realität, tut nicht immer anpatzen und anschütten! – Das zum einen.

Zum anderen möchte ich in der gebotenen Kürze - - (Zwischenruf des Abg. Knes.) – Jetzt geht es schon wieder los, mein Gott! (Zwischenruf der Abg. Greiner.) Eure Geschichten, die ihr da immer erfindet und so weiter, die sind mittlerweile wirklich abenteuerlich.

Nun aber kurz ein paar Worte zum Finanzausgleich und zu den Bedarfszuweisungen – dazu hat der Rechnungshof einen sehr guten Bericht erstellt –, Folgendes für alle, die zusehen: Der Finanzausgleich regelt die Verteilung der Steuereinnahmen, die im We­sentlichen der Bund einhebt, das sind in etwa 80 Milliarden Euro. Diese Steuerein­nahmen werden auf Länder und Gemeinden verteilt, in etwa im Verhältnis zwei Drittel zu einem Drittel; zwei Drittel der Gelder, die der Bund einhebt – Umsatzsteuer und so weiter –, verbleiben also beim Bund, das restliche Drittel wird aufgeteilt. Damit man sich die Größenordnungen vorstellen kann: Das sind in etwa 22 Milliarden Euro für die Länder, 9 Milliarden Euro für alle Gemeinden.

Wie kommen jetzt die Gemeinden zu diesen Geldern, nach welchen Schlüsseln werden diese Gelder berechnet? – Das wird von uns schon seit ewiger Zeit kritisiert, das funktioniert nach dem sogenannten abgestuften Bevölkerungsschüssel und nach der Volkszahl. Was bedeutet das? – Dass die Einwohner, die Gemeindeeinwohner - - (Eine Personengruppe, darunter Feuerwehrleute, passiert den Sitzungssaal und ver­lässt diesen.) – Sind wir sicher? (Allgemeiner Beifall. – Abg. Jarolim: Danke!) Wir bedanken uns natürlich bei der Feuerwehr. (Heiterkeit bei der SPÖ.) – Es ist lustig, es ist unglaublich lustig, gell? Wenn es einen Alarm gibt, das ist lustig. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Seien wir froh, dass nichts passiert ist! Wir bedanken uns recht herzlich bei der Feuerwehr, die sichergestellt hat, dass wir sicher sind. Das ist weder lustig noch sonst etwas, das muss ich schon einmal feststellen (Beifall bei FPÖ und ÖVP – Ruf bei der SPÖ: Wir haben uns ja bedankt!), also das Gelächter von eurer Seite verstehe ich überhaupt nicht – auch das ist ein Zugang zu Vereinen. (Abg. Schieder: Das ist die Berufsfeuerwehr der Hofburg!)

Die Feuerwehren sind ehrenamtlich tätig – nicht in Wien, das wissen wir, aber im ländlichen Raum sind sie ehrenamtlich tätig –, und alle Vereinsfunktionäre, die jetzt zugesehen und zugehört haben, wissen, wie lächerlich ihr eigentlich diese Vereins­tätigkeit der Feuerwehren wirklich seht. (Zwischenruf des Abg. Knes.) Das war wieder ein toller Beweis dafür, dass für euch Ehrenamtlichkeit in Wahrheit nichts wert ist. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Jarolim.)

Wie werden jetzt diese Gemeindeertragsanteile ermittelt? – Nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel, und der ist unfair. Kleingemeinden kommen schlechter weg als Großgemeinden, weil nämlich die Einwohnerzahl mit einem sogenannten Vervielfacher multipliziert wird. Bei Gemeinden bis 10 000 Einwohner ist der Vervielfacher 1,61, bei Gemeinden mit über 50 000 Einwohnern ist der Vervielfacher 2,33. Was bedeutet das? – Wien hat 1,8 Millionen Einwohner, und Wien bekommt über diesen Faktor Geld für 4 Millionen Einwohner. (Abg. Rädler: ... Mindestsicherung!)

Dass das Ganze nicht gerecht ist, wissen wir, und wir haben das bekämpft. Es ist ein Relikt aus Kriegszeiten: Die Städte waren zerstört, und natürlich hat man da sehr viel Geld in den Aufbau der Infrastruktur der Städte investiert – aber das System ist bis heute gleich geblieben. Es ist schon ein bisschen abgeflacht worden, aber im We-


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sentlichen besteht der abgestufte Bevölkerungsschlüssel, der den ländlichen Raum benachteiligt, weiter, was wir stark kritisieren.

Jetzt haben wir einmal die Gemeindeertragsanteile. Wie werden die Gemeinde­ertrags­anteile verteilt? – Sie werden nicht direkt den Gemeinden gegeben, sondern werden den Ländern überwiesen, und die Länder ziehen sich von diesem Betrag wiederum 12,7 Prozent für die sogenannten Bedarfszuweisungen und maximal 7,6 Prozent für die Landesumlage ab. Damit Tirol hier nicht hochgelobt wird: Niederösterreich zieht 0 Prozent ab, Tirol 7,46 Prozent – Tirol holt sich da ein sogenanntes Körberlgeld von den Gemeinden in Höhe von 80 Millionen Euro.

Diese Bedarfszuweisungen werden dann in den Ländern unterschiedlich verteilt. Da gibt es Länder, in denen das besser funktioniert – ich darf da ausdrücklich Kärnten und Salzburg lobend hervorheben –, die hervorragende Modelle haben, die transparent sind, die nachvollziehbar sind; da wissen die Gemeinden drei Jahre im Vorhinein, wie hoch die Bedarfszuweisungen sind. (Zwischenruf bei der ÖVP.) In anderen Ländern werden diese Gelder, das hat auch der Rechnungshof festgestellt und kritisiert, politisch vergeben: In der Steiermark schaut es so aus, dass die roten Landesräte für die roten Gemeinden zuständig sind, das ist wirklich ein Politikum. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) In anderen Gemeinden, wie in Tirol, na da muss man anständig – unter Anführungszeichen – „kriechen“, damit man zu Geldern kommt, und die werden natürlich auch politisch verteilt, das ist unstrittig. Das ist also nicht fair, nicht trans­parent, das wurde auch vom Rechnungshof festgestellt.

Abschließend: Ich würde mir wünschen, dass das tolle sogenannte Kärntner Modell und auch das Salzburger Modell bei der Verteilung der Gelder auf alle österreichischen Gemeinden angewendet werden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Klaus Uwe Feichtinger.)

22.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Klubobmannstellvertreter Leichtfried zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Jarolim: Die armen Kinder!)


22.16.24

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Vielen Dank, Herr Präsident!

Herr Abgeordneter Hauser hat gesagt (Abg. Jarolim: Gesagt hat er gar nichts!), die sozialdemokratische Fraktion würde die Leistung der Feuerwehr nicht würdigen. Das ist unrichtig. Die Feuerwehrleute haben von uns tosenden Applaus für ihre Leistung bekommen. (Abg. Lugar: Der Kollege Hauser war das!) Das anschließende Gelächter galt Ihrer nicht besonders guten Rede. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rädler: Was war das jetzt?)

22.16


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Hanger. – Bitte.


22.17.00

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Darf ich kurz um Aufmerksamkeit bitten! – Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Mein Debattenbeitrag bezieht sich auch auf die Sonderprüfung des Rechnungshofes zum Thema Cum-Ex und Steuer­rück­erstattungen. Es geht da um internationalen Steuerbetrug; in Deutschland hat das eine sehr große Dimension, einen Milliardenschaden verursacht, auch in Dänemark und


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anderen Ländern. Bei uns in Österreich hat es Gott sei Dank im Verhältnis gesehen eine kleinere Dimension.

Herr Kollege Rossmann, ich möchte Sie korrigieren – wenn Sie mir vielleicht Ihre Aufmerksamkeit schenken würden, Herr Kollege Rossmann –, ich möchte hier betref­fend das, was Sie gesagt haben, etwas klarstellen: Sie haben gesagt, erst bei einer Sonderprüfung 2015 auf Betreiben der Grünen wäre dieses Thema ins Rollen gekommen. Die Wahrheit ist, und das möchte ich klarstellen: Bereits 2012 hat die Finanzverwaltung in dieser Sache reagiert, auch die von Ihnen zitierten Auszah­lungstopps wurden schon 2012 verhängt. Wenn Sie jetzt also behaupten, nur durch Sie wäre das Thema ins Rollen gekommen, möchte ich ausdrücklich festhalten: Das stimmt ganz einfach nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Die Finanzverwaltung hat nicht nur einen Auszahlungsstopp verhängt, die Finanz­verwaltung hat 2012 auch sofort eine Risikoprüfung in Auftrag gegeben. Man hat sich sehr viele Fälle angeschaut und hat sehr genau darauf geschaut, was in Österreich passiert ist. Man hat auch eine Richtlinie herausgegeben – man muss den zuständigen Behörden natürlich einen entsprechenden Rechtsrahmen geben –, man hat eine eigene Arbeitsgruppe, ein eigenes Team in Bruck, Eisenstadt, Oberwart eingesetzt – Sie wissen das –, das sich ausschließlich mit der Frage der Erstattung der KESt beschäftigt. Es gibt – auch das wurde vom Rechnungshof angeregt – seit Anfang 2019 auch ein neues IT-Verfahren, das man natürlich braucht, um diesen komplexen Sachverhalt schon im Vorfeld, in der Risikoanalyse analysieren zu können und das Risiko gering zu halten.

Ich denke, das sollte man auch einmal festhalten: Die Finanzverwaltung hat da hervorragend gearbeitet. Man muss aber dazusagen, die Schadensumme kann noch gar nicht feststehen, weil natürlich derzeit Rückerstattungsansprüche bestehen, die sei­tens des Finanzministeriums geltend gemacht werden. Erst wenn man da Rechts­sicherheit hat, erst wenn man weiß, was tatsächlich an Geldern zurückkommt, kann man die endgültige Schadensumme feststellen. (Zwischenruf des Abg. Rossmann.)

Was ich im Rahmen der Debatte zu diesen Tagesordnungspunkten aber auch machen will: Ich möchte einmal die Finanzverwaltung positiv erwähnen, das geschieht ganz selten. Wir sind zum Beispiel im Bereich der Digitalisierung der Finanzverwaltung Vorreiter: FinanzOnline, viele von uns kennen das, hat mittlerweile vier Millionen User. Das ist im europäischen Vergleich tatsächlich Vorbild, da ist die Digitalisierung ange­kommen. Es gibt jährlich vier Millionen Arbeitnehmerveranlagungen – die durchschnitt­liche Erledigungszeit liegt bei 24 Tagen –, zwei Millionen betriebliche Veranlagungen – die durchschnittliche Erledigungszeit liegt bei 21 Tagen –, es gibt 70 000 betriebliche Prüfungen und 3 000 Kontrollen der Finanzpolizei – also da wird sehr viel gute und richtige Arbeit für Österreich geleistet. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

22.19


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Kollross. – Bitte.


22.20.04

Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ganz kurz zum Bericht betreffend Qualitätssicherung der Gemeindehaus­haltsdaten eine Anmerkung machen und darf mich zunächst einmal für den Bericht bedanken. Ich glaube, dass man eines herauslesen kann: Es zieht sich wie ein roter Faden durch, dass de facto alle etwas anderes machen, alle es ein bissl anders


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gestalten und dass es da ganz einfach darum geht, dass es hinkünftig eine Verein­heitlichung der Datenübermittlung und der Prüfroutinen braucht, damit man wirklich einen Vergleich hat.

Ich möchte aber bei den Ausführungen des Kollegen Hauser anschließen, denn ich finde, dass wir auch schon im Ausschuss eine fruchtbringende Diskussion diesbe­züglich gehabt haben. Ich bin wirklich der Meinung, dass wir uns auch darüber unterhalten müssen, wie wir hinkünftig die Gemeinden und Städte finanzieren, und dass es eine Neuregelung in verschiedensten Formen braucht.

Ich bin nicht ganz seiner Meinung. Ich glaube schon, dass wir auch darüber diskutieren müssen, dass es so etwas wie eine Aufgabenorientierung braucht, da zwischen Ge­meinden und Städten natürlich dort und da ein Unterschied besteht und deshalb eben dort und da auch eine andere Gewichtung der Ertragsanteile erfolgen sollte. Ich bin aber erstens einmal ganz klar der Meinung, dass es überhaupt einmal wünschenswert wäre, dass man sich auskennt, was die Ertragsanteile und die Einbehaltung betrifft, denn ich glaube, dass es da in jedem Bundesland unterschiedliche Regelungen gibt – die einen sind besser, die anderen sind schlechter –, ich glaube aber vor allen Dingen, dass es unabhängig davon um eine zweite Frage geht, nämlich darum, zu diskutieren, welche Gebietskörperschaft – also Bund, Land und Gemeinden – welche Aufgabe hat.

Es gibt, finde ich, mehr oder weniger drei wesentliche Aufgaben, die zu regeln sind. Das eine ist die Frage der Pflege, das andere ist die Frage der Gesundheit, und das Dritte ist die Frage der Kinderbetreuung. Das Problem, das ich sehe – zumindest was die Gemeinden und die Städte betrifft –, ist, dass die Gemeinden zwar hinsichtlich der Finanzierung für alles zuständig sind, da aber gar nicht viel mitzureden haben. Das Geld wird ganz einfach abgezogen, und es gibt es auf dem Gemeinde- oder dem Stadtkonto ganz einfach nicht, aber das war es dann auch schon mit der Mitge­stal­tung – in manchen Bundesländern mag es anders sein –, denn mitreden können die Gemeinden und die Städte nicht.

Ausgehend von dieser Debatte ist es daher wirklich wichtig, glaube ich, dass wir uns darüber unterhalten, wie wir die Gemeinden, wie wir die Städte hinkünftig finanzieren, wer wofür zuständig ist und wie wir eine Aufgabenorientierung schaffen, damit das Geld auch wirklich dort ankommt, wo die Leistung erbracht wird. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

22.23


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lintl. – Bitte.


22.23.22

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rech­nungs­hofpräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beziehe mich auf den Bericht des Rechnungshofes zur Oesterreichischen Nationalbank, betreffend Gold- und Pensions­reserven, Jubiläumsfonds sowie Sozialleistungen, Reihe Bund 2018/16.

Der Rechnungshof erarbeitete in seiner Gebarungsprüfung im Jahr 2015 eine Reihe von Empfehlungen, die die Oesterreichische Nationalbank betreffen. 2018 hat eine Follow-up-Überprüfung stattgefunden, bei der der Rechnungshof überprüft hat, ob diese Empfehlungen auch wirklich umgesetzt wurden. Da gab es aus freiheitlicher Sicht ein wirklich positives Ergebnis. Die FPÖ hat immer gewollt, dass die österreichi­schen Goldreserven im Land gelagert werden, und hat deshalb, erstens, die Rück­führung bedeutender physischer Goldreserven, nämlich der Goldbarren, aus den aus­ländischen Depots in das österreichische Bundesgebiet und, zweitens, die Minimierung des Risikos einer zu hohen Konzentration von Goldreserven in der Bank of England


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gefordert. (Beifall bei der FPÖ.) Angesichts des drohenden Brexits war das eine wirklich richtige Überlegung. Deshalb begrüßen wir es sehr, dass jetzt die Hälfte des österreichischen Goldschatzes im Land ist.

Ein ganz zentraler Punkt ist das neue Lagerstellenkonzept. Dieses wurde durch den Rechnungshof angeregt und führt jetzt zu einer tatsächlichen Streuung der Lagerorte der österreichischen Goldbestände. Der physische Goldvorrat wurde annähernd gleich­mäßig auf in- und ausländische Lagerstellen verteilt. 140 Tonnen davon bleiben weiterhin im Ausland, weitere 50 Tonnen lagern bei der Münze Österreich und 90 Ton­nen sind in der Nationalbank. Es gibt noch zwei aufrechte ausländische Lagerstellen, nämlich in London und in Zürich, an zwei bedeutenden Handelsplätzen. Somit bleibt die internationale Handlungsfähigkeit Österreichs in vollstem Umfang gewahrt.

Starken Aufholbedarf gibt es noch für die Oesterreichische Nationalbank bei der Aufar­beitung der Dokumentationen der Vor-Ort-Prüfungen der Golddepots. Die entstan­denen Berichte über die Prüfungen weisen noch Mängel auf. Erfreulich ist hingegen der Abbau der nicht-physischen Goldbestände in Form von Goldmetallkonten und Goldleihen. Unbesicherte Termineinlagen bei einem Schweizer Bankinstitut sind auf Empfehlung des Rechnungshofes ausgelaufen, dagegen stieg der physische Gold­bestand der Republik Österreich auf 280 Tonnen.

Es ist ein wirklich erfreulicher Rechnungshofbericht. – Danke vielmals dafür, Frau Prä­sidentin. (Beifall bei der FPÖ.)

22.26


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Letzter Redner dieser Debatte ist Abgeordneter Lausch. – Bitte.


22.26.35

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wie meine Vorrednerin widme auch ich mich dem Bericht des Rechnungshofes über die Überprüfung der Oesterreichischen Nationalbank. Darin geht es nicht nur um die Goldreserven, sondern auch um die Sozialleistungen, und es war interessant und gut, dass das der Rechnungshof auch das überprüft hat.

Es war ja, wie meine Vorrednerin Jessi Lintl schon gesagt hat, eine Follow-up-Überprüfung. Das heißt, der Rechnungshof hat sich diesmal angeschaut, wie es um die Umsetzungsbereitschaft der Oesterreichischen Nationalbank bestellt war, und man kann Folgendes sagen: Bei den Sozialleistungen hat es Sonderurlaubstage gegeben, die es ja bei vielen Bundesdienststellen gibt, bei der Oesterreichischen Nationalbank aber hat es Sonderurlaubstage und Dienstreisen für den Erholungs- und Sportverein gegeben. Bei der Follow-up-Überprüfung wurde festgestellt, dass das relativ zügig nor­malisiert, die Empfehlungen umgesetzt und diese Dinge eingestellt wurden.

Anders hat es sich dann schon bei den Leistungen des sogenannten Sozialservice verhalten – „Sozialservice“ vom Rechnungshof unter Anführungszeichen geschrie­ben –, das heißt, es hat Sozialleistungen gegeben, die es anderswo nicht gibt.

Interessant waren auch zwei Sparvereine. Dass sich die Oesterreichische Nationalb­ank zwei Sparvereine hält und an die Beschäftigten mehr oder weniger Kredite vergibt, ist natürlich nicht ganz üblich. Diese befanden sich bei der Follow-up-Untersuchung schon in Liquidation, wodurch die Oesterreichische Nationalbank die noch offenen Kredite in Höhe von rund 27 Millionen Euro dankenswerterweise übernahm. Man kann sagen, der Staat hat das dann mehr oder weniger ausgeglichen und bezahlt, was so natürlich auch nicht sein sollte.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 246

Darum, um es noch einmal zu unterstreichen: Die Wichtigkeit des Rechnungshofes liegt darin, dass man sieht, dass hier überprüft wird, dass darauf geschaut wird, was mit dem Steuergeld und mit den Bundesgeldern so passiert, so gemacht wird. Aus diesem Grund kann man nicht oft genug betonen, wie gut und wie wichtig der Rechnungshof ist, auch als Hilfsorgan für uns Parlamentarier, weil man da vieles genau erkennen kann. Man sieht ja dann bei der Follow-up-Überprüfung: Siehe da, plötzlich gibt es gewisse Sozialleistungen schon nicht mehr – und das ist gut so, denn somit läuft alles wieder innerhalb der geregelten Bahnen ab.

Natürlich, glaube ich, gibt es bei der Oesterreichischen Nationalbank noch einiges zu tun, und der Rechnungshof wird wahrscheinlich in ein paar Jahren wieder eine Über­prüfung starten. – In diesem Sinne: herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

22.29

22.29.36

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist niemand mehr dazu zu Wort gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Verhandlungsgegenstand getrennt vornehme.

Tagesordnungspunkt 17: Bericht betreffend Fonds und Stiftungen des Bundes, III-20 der Beilagen.

Wer ihn zur Kenntnis nimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig.

Tagesordnungspunkt 18: Bericht betreffend den Finanzausgleich: Finanzzuwei­sun­gen laut dem Finanzausgleichsgesetz, III-38 der Beilagen.

Wer diesen Bericht zur Kenntnis nimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist wie­derum einstimmig.

Tagesordnungspunkt 19: Bericht betreffend Qualitätssicherung der Gemeindehaus­haltsdaten, III-149 der Beilagen – Auch einstimmig zur Kenntnis genommen.

Tagesordnungspunkt 20: Bericht betreffend Kapitalertragsteuer-Erstattungen nach Dividendenausschüttungen, III-165 der Beilagen.

Wer diesen Bericht zur Kenntnis nimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Ebenso ein­stimmig.

Tagesordnungspunkt 21: Bericht betreffend Transparenz von Begünstigungen im Einkommensteuerrecht; Follow-up-Überprüfung, III-82 der Beilagen. – Ebenfalls ein­stim­mig zur Kenntnis genommen.

Tagesordnungspunkt 22: Bericht betreffend Oesterreichische Nationalbank – Gold- und Pensionsreserven, Jubiläumsfonds sowie Sozialleistungen, ebenfalls eine Follow-up-Überprüfung, III-114 der Beilagen. – Auch einstimmig zur Kenntnis genommen.

Zuletzt Tagesordnungspunkt 23: Bericht betreffend Familienbeihilfe – Ziele und Ziel­erreichung, Kosten und Kontrollsystem, III-166 der Beilagen. – Auch dieser Bericht ist einstimmig zur Kenntnis genommen.

22.31.2224. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Schutzwaldbewirtschaftung bei der Österreichischen Bundes­forste AG – Reihe BUND 2017/29 (III-29/484 d.B.)


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zum 24. Punkt der Tagesordnung.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 247

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte schön.


22.31.39

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Präsident des Rechnungs­hofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Ob der zunehmenden Wetterextreme und natürlich auch der Naturkatastrophen, die damit verbunden sind und durch Schnee, Hagel, Wasser, Wind, Dürre hervorgerufen werden, hat der vorliegende Rechnungshofbericht zu den Österreichischen Bundesforsten durchaus, glaube ich, eine aktuelle Bedeutung. Es geht einfach darum, dass wir unsere Schutz- und Bannwälder zeitgemäß und nachhaltig bewirtschaften, und der Rechnungshof hat diese Schutzwaldbewirtschaftung durch die Österreichischen Bundesforste geprüft.

Dabei hat es drei Schwerpunkte gegeben: einerseits inwieweit die Schutzwirkung des Schutzwaldes bei den Bundesforsten funktioniert, andererseits wie insgesamt die Ge­sellschaft ihrer Verpflichtung aus dem Forstgesetz aus dem Jahre 1975 und dem Bun­des­forstegesetz nachkommt, und zum Dritten inwieweit die Schutzwälder im Wider­spruch zur Wirtschaftlichkeit stehen.

Insgesamt wurde der Zeitraum von 2010 bis 2014 geprüft, wobei man frühere Jahre in diesen Bericht eingearbeitet hat. Der Rechnungshof gab insgesamt 19 Empfehlungen ab, wobei drei speziell an das Ministerium gerichtet wurden, zwei an das Ministerium und die Bundesforste und der Rest einzig und allein an die Bundesforste.

Dieser Bericht hat durchaus Aktualität, wie ich schon eingangs gesagt habe, weil es einfach darum geht, dass wir hier in Österreich diesen Schutzwald zeitgemäß bewirt­schaften. Es geht darum, dass die Bestände stabil bleiben, dass sie verjüngt und freigemacht werden. Es gibt einen klaren Auftrag: Die Schutzwaldbewirtschaftung ist vorrangig, und erst in Folge soll es dann technische Lösungen geben.

Unser Staatsgebiet hat ja 4 Millionen Hektar Wald. Von 8,4 Millionen Hektar Fläche sind also 4 Millionen Hektar Wald, das heißt, dass fast die Hälfte der Fläche in Öster­reich aus Wald besteht. Von diesen 4 Millionen Hektar Wald sind 820 000 Hektar Schutzwald, und die Bundesforste bewirtschaften knapp 600 000 Hektar dieses Schutzwaldes und sind damit der größte Forstbetrieb in Österreich.

Gerade das macht, glaube ich, vom Schutzgedanken, von der Sicherheit her ganz klar, dass es einen Auftrag gibt, dass wir zeitgemäß bewirtschaften, und der Rechnungshof hat auch schon aufgezeigt, dass es gerade in den letzten Jahren prioritär zu wenig Pflege dieser Schutzwälder gegeben hat, dass zu wenig in den Schutzwald investiert wurde und dass die Bundesforste gerade bei der Bewirtschaftung mehr Kraft in den Ertragswald gelegt haben als in den Schutzwald.

Daher gibt es einen klaren Auftrag, und die Frau Bundesminister ist ja im Ausschuss Rede und Antwort gestanden, dass zukünftig die Umsetzung der Schutzwaldstrategie Priorität hat und zum Glück bereits damit begonnen wurde. Im Mittelpunkt steht eine natürliche Verjüngung unserer Wälder, aber auch eine Aufschließung von Flächen, welche noch nicht erschlossen wurden.

Insgesamt, kann man sagen, gibt es aus diesem Bericht einen klaren Auftrag. Einiges wurde umgesetzt, einiges ist in Umsetzung. Für die Sicherheit unseres Landes und gerade für die alpinen Lagen, glaube ich, ist es ein Gebot der Stunde, dass wir die Schutzwaldsanierung und Schutzwaldbetreuung ernst nehmen und dem ganz klaren Auftrag des Rechnungshofes, den er in dem Bericht gegeben hat, nachkommen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

22.35



Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 248

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Preiner ist zu Wort gemel­det. – Bitte, Herr Abgeordneter.


22.35.40

Abgeordneter Erwin Preiner (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Kolleginnen und Kollegen! Der Rechnungshof überprüfte auch den Zustand des Schutzwaldes im Besitz der Bundesforste AG in Österreich. Ich bedanke mich sehr herzlich bei Ihnen, Frau Präsidentin, für den wirklich sehr fundierten Bericht.

Wir wissen, dass der Schutzwald auch im wahrsten Sinne der Definition des Wortes die Funktion des Schutzes für Menschen, die in den alpinen Gebieten leben, für die Touristen, aber auch für die Infrastruktur in den hochalpinen Gebieten hat. Dass das der Fall ist, hat man zum Teil auch in den letzten Tagen und Wochen gesehen, als aufgrund der überbordenden Schneefälle viele Lawinen die besiedelten Gebiete und natürlich auch die Skipisten gefährdet haben. Als Vizepräsident des Österreichischen Zivilschutzverbandes möchte ich mich explizit bei allen, die freiwillig, ehrenamtlich und unentgeltlich den Katastrophenschutz durchgeführt haben, sehr, sehr herzlich für ihren Einsatz bedanken. – Ein herzliches Dankeschön! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

Der Rechnungshof überprüfte den Zustand des Schutzwaldes von 2010 bis 2014 und gab 21 Empfehlungen, die einerseits an das Nachhaltigkeitsministerium, andererseits natürlich auch an die Bundesforste AG gerichtet sind, ab. Ich muss leider sagen, er stellte, was den Zustand des Schutzwaldes betrifft, ein teilweise vernichtendes Zeugnis aus.

Wir wissen, die Bundesforste AG sind ein gewinnorientiertes Unternehmen, und daher steht der Holzverkauf, was den Wirtschaftswald betrifft, im Vordergrund. Das kann aber nicht die alleinige Zielsetzung sein, denn eines ist klar, Kolleginnen und Kollegen: Schutz bedeutet Schutz für die Menschen und für die Tiere. Gewinnmaximierung kann nicht auf dem Rücken der Menschen passieren, also muss auch der Schutzwald mehr Aufmerksamkeit seitens des Staates erfahren.

Einiges aus dem Rechnungshofbericht: Der Rechnungshofbericht zeigt klar und deut­lich auf, dass – wie gesagt – für den Bestand und die Pflege des Schutzwaldes seitens der Bundesforste viel zu wenig getan wird. Technische Investitionen in den Lawinen­schutz kosten oft bis zum 150-Fachen mehr als Pflege- und Aufforstungsmaßnahmen im Schutzwald. Fahrlässig ist auch, wie ich meine, die Aussage der Frau Nachhaltig­keitsministerin ohne Nachhaltigkeit im Rechnungshofausschuss, die gemeint hat, dem Wald ist der Rechnungshofbericht relativ egal.

Kolleginnen und Kollegen! Der Rechnungshofbericht zeigt auf, dass die letzte Unter­suchung über den Zustand des Schutzwaldes aus dem Jahr 2009 resultiert, also zehn Jahre alt ist. Das ist meiner Meinung nach grob fahrlässig, und im Zeitraum von 2010 bis 2015 wurde kein einziges neues Projekt zum Schutz und zur Nachhaltigkeit des Schutzwaldes durchgeführt. Auch das ist grob fahrlässig.

Aus dem Bericht geht auch bei Weitem nicht hervor, wie viel Förderung seitens der EU die Bundesforste und dadurch die Republik Österreich zum Erhalt des Schutzwaldes bekommen haben und was mit diesem Geld passiert. Es geht nicht hervor, wie hoch die Wildschäden, die im Schutzwald entstanden sind, gewesen sind. Natürlich müssen wir das wissen, denn auch das ist etwas, was den Geldsäckel der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nachhaltig belastet.

Laut den Bundesforsten stehen für das laufende Jahr 2019 18 Millionen Euro für die Aufrechterhaltung des Schutzwaldes zur Verfügung. Wir wissen aus den aktuellen Gegebenheiten und Naturkatastrophen, dass das bei Weitem zu wenig ist. Man muss


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 249

immer auch an die Zukunft denken und danach trachten, dass nachhaltig in die Sicherung der Wälder und letzten Endes auch in den Schutz der Menschen in den alpinen Gebieten investiert wird.

Was meiner Meinung nach aber ganz klar ein Skandal ist, ist die Praxis der Jagd­vergabe in den Bundesforsten. Auf meine Frage, wie die Jagdvergabe erfolgt, ob es eine öffentliche Ausschreibung oder eine öffentliche Versteigerung gibt, bekamen wir im Rechnungshofausschuss nur die lapidare Antwort: Bewährte Pächter werden angeschrieben. – Diese Aussage ist eigentlich fast eine Verhöhnung des Parlamen­tarismus. (Zwischenruf des Abg. Loacker.)

Entweder gibt es Gesetze, die klar vorgeben, wie eine Ausschreibung, eine Jagd­vergabe zu erfolgen hat, oder nicht. Auch auf die einfache Frage, wie viele Jagdreviere es gibt und wie der Erlös aus der Jagdverpachtung verwendet wird, bekamen wir bis zum heutigen Tag keine Antwort. Ich denke, das ist einer Ministerin und der Bun­desforste nicht würdig. Transparenz wird da ganz klar mit Füßen getreten. Kolleginnen und Kollegen! Wir warten auf Antwort, denn letzten Endes handelt es sich auch da um das Steuergeld der Österreicherinnen und Österreicher.

Ich möchte Ihnen noch ein Bild zeigen, auf dem zu sehen ist, wie ein funktionierender Schutzwald aussieht. (Der Redner hält eine Tafel in die Höhe, auf deren Vorderseite eine Berglandschaft mit Schutzwald abgebildet ist. Auf der Rückseite befindet sich eine Kinderzeichnung mit dem Text „Schütz den Wald, so schützt er dich“.) Auch in den Schulen beschäftigen sich die Schüler mit der Aufrechterhaltung des Schutzwaldes: „Schütz den Wald, so schützt er dich“. Auch viele Schülerinnen und Schüler aus dem Osten Österreichs fahren in die alpinen Gebiete und betreiben dort Wintersport, fahren Ski. Ich hoffe, dass sich in nächster Zeit sehr rasch sehr vieles ändert, im Sinne der Sicherheit der Menschen und der Touristen in Österreich. – Ich danke für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

22.41


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lintl. – Bitte, Frau Abgeordnete.


22.41.42

Abgeordnete Dr. Jessi Lintl (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Rechnungs­hof­präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie mein Vorredner schon aus­geführt hat, hat der Rechnungshof festgestellt, dass die heimischen Schutzwälder in einem nicht zufriedenstellenden Zustand sind. Ich möchte einige Kritikpunkte aus dem Rechnungshofbericht herausgreifen.

Ein gut strukturierter und vor allem stufiger Baumbestandsaufbau war auf vielen Schutzwaldflächen nicht vorhanden. Das ist ein wichtiger Punkt, denn Laub- und Mischwälder sind insgesamt stabiler gegen Wind und Stürme und resistenter gegen Schädlingsbefall und auch unempfindlicher bezüglich klimatischer Veränderungen. Der einschichtige Bestandsaufbau in unseren Schutzwäldern sowie das hohe Baumalter von über 140 Jahren bei der Hälfte des untersuchten Bestandes bergen ein hohes Risiko. Die angestrebte Schutzwirkung für den Siedlungsraum und dessen Infrastruktur geht immer mehr verloren. Wie wichtig aber diese Schutzwaldfunktion für unser Bun­desgebiet ist, haben wir in den vergangenen Wochen gesehen: Außergewöhnlich intensive Schneefälle, meterhohe Schneeverwehungen und die damit einhergehende Lawinengefahr waren enorm. Ein intakter Wald ist aber das A und O einer Abwehr von Naturgefahren für Mensch und Tier.

Im Bundesforstegesetz ist die bestmögliche Sicherung und Weiterentwicklung der Schutzfunktion der Waldflächen verankert. Die Bundesforste AG bewirtschaftet die


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Schutzwaldflächen aber vorrangig ertragsorientiert und erfüllt damit diese gesetzlich verankerte Zielvorgabe nur unzureichend. Wenn nun rund ein Viertel des Betrags, der für Waldwirtschaftsflächen aufgewendet wird, hergenommen wird, um ein bisschen den Schutzwald zu pflegen, dann ist das einfach zu wenig; denn ist ein Schutzwald einmal in einem so schlechten Zustand, dass er nicht mehr schützen kann, dauert eine Sanierung oder Neuaufforstung Jahrzehnte und ist sehr kostspielig.

Ein weiteres Problem sind die durch Wild verursachten Waldschäden, die gesundes Wachstum und eine notwendige Verjüngung des Schutzwaldes hemmen. Wildverbiss kann aber nicht dadurch reduziert werden, dass man das Wild einfach verhungern lässt. Im heurigen Winter haben wir Bilder von geschwächtem, in Schnee ersticktem Wild gesehen, und ich frage mich: Wo bleibt da der Aufschrei der Tierschützer?

Es ist nämlich im Gegenteil so: Wenn man das Wild ordentlich füttert, kann Verbiss deutlich reduziert werden. Auch ein Totalabschuss ist keine Lösung, denn wir wollen in unseren Wäldern Wild sehen. Wald und Wild gehören zusammen und gehören allen Österreichern. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.) Wir wollen keine Zustände wie in Bayern haben.

Der Rechnungshof sieht dringenden Handlungsbedarf, wo der Wald eine mittlere oder hohe Schutzfunktion erfüllt. Die für die Pflege des Schutzwaldes eingesetzten Budget­mittel helfen letztendlich, Katastrophen zu verhindern. Nachhaltiges Handeln und Ver­antwortung für künftige Generationen sind gefragt, deshalb ist dieser Rechnungs­hofbericht so wichtig. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

22.45


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Zinggl ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


22.45.20

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Warum tut Österreich so wenig im Zusammenhang mit der Pflege der Schutzwälder? Der Vorstand der Bundesforste hat uns im Ausschuss löblicherweise sehr ausführlich berichtet und uns erzählt, dass schon vor 30 Jahren der damalige Landwirtschaftsminister Fischler 1 Milliarde – damals Schilling – zugesagt hat, um den Schutz zu garantieren, den Schutz durch die Wälder vor Lawinengefahren zu sichern. Wäre das Geld damals geflossen, hätten wir heute ein Problem weniger; aber es ist nicht geflossen, und zehn Jahre später, 1999, sind in Galtür 31 Menschen verschüttet worden.

Diese Katastrophe hat nicht etwa dazu gedient, dass man die Bannwälder wieder in Ordnung bringt, sondern wurde als Argument benützt, dass man Hubschrauber im Wert von 210 Millionen Euro kauft. 2005 kommt der Bericht des Landwirtschafts­minis­teriums gemeinsam mit den Bundesforsten heraus, und dieser Studie und den Katas­tern zufolge waren die Wälder in einem kritischen Zustand, und zur präventiven Gefah­renminderung wären um die 250 Millionen Euro notwendig gewesen.

Passiert ist wieder nichts, und im jetzigen Rechnungshofbericht – 2017, ich lasse den von 2010 aus – lesen wir, dass 42 Prozent des Schutzwaldes nicht stabil sind. Das heißt, 42 Prozent der Wälder bieten keinen ausreichenden Schutz vor Lawinen – noch immer nicht! Die Analyse, wenn man es sich genau ansieht, zeigt auch, dass man inzwischen ungefähr 400 Millionen Euro in die Hand nehmen müsste, Verjüngungs­maßnahmen noch gar nicht inklusive.

Diese 400 Millionen Euro müssten zwar nicht auf einmal ausgeschüttet werden, aber die 2,7 Millionen Euro mehr, mit denen sich die Ministerin im Ausschuss brüstet, sind eindeutig zu wenig, die sind eine Lachnummer, denn wenn man sich das ausrechnet,


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würde man zum Ergebnis kommen, dass man 100, 150 Jahre brauchen würde, bis der Schutz sichergestellt ist.

Jetzt kann man sagen, die Österreichischen Bundesforste trifft da überhaupt keine Schuld, denn die haben gesetzlich leider zwei Dinge zu beachten: Das eine ist die Pflege des Waldes, sodass er Schutz bietet, das andere ist, Erträge zu lukrieren. Wenn man zwei einander derart entgegengesetzte Aufgaben hat, dann wird es schwierig. Deswegen hat der Rechnungshof auch ganz klar einen Vorrang einer der beiden Gesetzesaufgaben gefordert oder eine Empfehlung dahin gehend abgegeben. Dem schließe ich mich an, und ich glaube, es ist allemal wichtiger, den Schutz zu forcieren als die Gewinnmaximierung.

Jetzt kann man am Schluss noch sagen, dass diese anhaltende Lawinengefahr in Österreich in diesem Jahr einmal mehr dazu geführt hat, dass unter dem Begriff Katastrophenschutzpaket auch heuer wieder Hubschrauber im Wert von ungefähr 300 Millionen Euro angekauft werden sollen. Man darf das nicht falsch verstehen: Natürlich sind Hubschrauber wichtig, und im schlimmsten Fall braucht man diese Hubschrauber natürlich, um Leben zu retten, aber die Vorsorge wäre allemal eine bessere Investition, und im Idealfall bräuchten wir dann letztendlich nicht so viele Katastrophenhilfehubschrauber. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei JETZT sowie des Abg. Krainer.)

22.49


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Knes. – Bitte.


22.49.15

Abgeordneter Wolfgang Knes (SPÖ): Herr Präsident! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Danke für den Bericht. Der Schutzwald ist heute großes Thema. Vieles ist dazu schon gesagt worden. Die Befunde dieses Rechnungshofberichts sind natürlich nicht nur erdrückend, sondern auch besorgniserregend. Wenn wir mit unseren Schutz­wäldern in Österreich so weitermachen, dann werden wir wahrscheinlich in hundert Jahren keinen Schutzwald mehr haben. Die Almflächen für die Bewirtschaftung der Bauernhöfe sind immer weiter nach oben gewandert, weitere Skigebiete wurden erschlossen, und die Bundesforste sind wirklich in die Bredouille geraten.

Die Bundesforste sind aber deswegen in die Bredouille geraten, weil sie natürlich Zielvorgaben hatten – und wir wissen, wovon wir reden, es ist ja heute auch schon angesprochen worden –: Wenn sie nämlich die erwirtschafteten Erträge dem Finanz­minister als Dividende abliefern müssen und kein Geld mehr haben, um den Schutzwald aufzuforsten, nämlich rechtzeitig, kommen wir genau in diese Bredouille. Und genau das sagt uns dieser Rechnungshofbericht dankenswerterweise.

Ich nehme das als Alarmzeichen, und ich möchte wirklich alle Abgeordneten aller Fraktionen aufrufen: Wir sollten uns ernsthaft darüber Gedanken machen und den Bericht heute nicht nur einstimmig zur Kenntnis nehmen, sondern uns wirklich darüber Gedanken machen, das Thema bei dem einen oder anderen Landwirtschafts­aus­schuss auf die Tagesordnung nehmen und wirklich ernsthaft debattieren, wie wir mit dieser Zielsetzung in Zukunft umgehen.

Mein Vorschlag wäre natürlich, den Bundesforsten auch unter die Arme zu greifen. Das ist auch ein Wirtschaftsbetrieb, keine Frage, aber wenn er die gesamte Dividende dem Finanzminister abliefern muss und so der Ertrag für die Republik Österreich sehr hoch ausfällt, aber für den Schutzwald überhaupt keiner mehr einen Gedanken übrig hat, dann werden wir sehen, wohin wir kommen.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 252

Ein Beispiel dafür ist die Gemeinde Blons, wo 1954 eine Lawine über Nacht die ganze Ortschaft ausgelöscht hat, und so etwas möchte ich unseren Österreicherinnen und Österreichern nicht mehr wünschen. In diesem Sinne bitte ich alle um Zustimmung, dann auch um Zuweisung und entsprechende Behandlung im Ausschuss. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.51


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Schmiedlechner ist zu Wort gemeldet. – Bitte.


22.51.41

Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Rechnungshofpräsidentin! Geschätzte Zuseher! Der Rechnungshof hat im Bericht zur Schutzwaldbewirtschaftung der Österreichischen Bundesforste klar einige Mängel festgestellt. Gerade die letzten Wochen mit den enormen Schneefällen und der damit steigenden Lawinengefahr haben gezeigt, wie wichtig unsere Schutzwälder sind. Die einzige Alternative zum Schutzwald wären sehr teure technische Verbauungen. Wie diese das Landschaftsbild verschandeln oder auch nicht, muss jeder selbst bewerten.

Der Rechnungshofbericht hat die Probleme aufgezeigt. Um die Situation zu verbes­sern, wurde im Dezember 2018 von den Bundesforsten eine Schutzwaldstrategie aus­gearbeitet. Diese Strategie ist bereits in Umsetzung. Dazu werden im Jahr 2019 zusätzlich zu den bisher aufgewendeten Mitteln für die Aufforstung weitere 2,7 Millio­nen Euro investiert. Jeder wird einsehen, dass Probleme nicht innerhalb eines Jahres gelöst werden können. Waldbewirtschaftung kann nur über einen längeren Zeitraum funktionieren, und oft wird das über Generationen geplant. Leider war das in der Vergangenheit nicht wirklich so.

Die Bäume wachsen nicht so schnell in den Himmel, wie manche glauben. Fakt ist: Ordentlicher Waldbestand kann nur erreicht werden, wenn eine Naturverjüngung des Waldes möglich gemacht wird.

Überhöhter Wildbestand verursacht bei den Bundesforsten jährlich Schäl- und Ver­biss­schäden in Millionenhöhe, aber auch für private Waldbesitzer sind die Schäden oft existenzbedrohend. Wenn wir zukünftig einen gesunden, ordentlichen Bestand an Schutzwald haben wollen, wird die Herstellung von ökologisch tragbaren Wildbestän­den unumgänglich sein.

Schutzwald, Walderhaltung muss primäres Ziel sein. Zum Schutz der Bevölkerung vor Lawinen, Steinschlag und Hochwasser muss der Grundsatz Wald vor Wild wieder mehr in den Vordergrund gerückt werden. Auf diesem Gebiet herrscht Handlungs­bedarf für die Bundesforste. – Danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

22.54


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Abgeordneter Amesbauer gelangt  zu Wort. – Bitte.


22.54.15

Abgeordneter Hannes Amesbauer, BA (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Rechnungshofpräsidentin! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Dass Schutzwälder wichtig und unverzichtbar sind, haben alle Rednerinnen und Redner betont. Da sind wir uns, glaube ich, alle einig. Wir sind uns auch darüber einig, dass wir mit den Schutzwäldern und mit der Schutzwaldbewirtschaftung durch die Öster­reichischen Bundesforste ein Problem haben, dass das in der Vergangenheit nicht ganz zufriedenstellend funktioniert hat. Es ist auch klar im Rechnungshofbericht festge-


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halten, dass die im Bundesforstegesetz verankerte Zielvorgabe zur Schutzwald­bewirt­schaftung nur sehr unzureichend erfüllt wurde.

Ich möchte jetzt in meinem Redebeitrag noch einmal explizit auf die Jagd eingehen, auf die Jagdstrategie der Österreichischen Bundesforste. Es steht außer Zweifel, dass die durch Wild verursachten Waldschäden ein wesentliches Hemmnis für das Wachs­tum des Waldes und insbesondere für eine ausreichende Verjüngung des Schutz­waldes darstellen. Das Problem ist aber die Strategie, die die Österreichische Bundesforste AG in den letzten Jahren verfolgt hat, nämlich weg von den größeren Jagdrevieren mit oftmals mehrjährigen Pachtverträgen hin zu Teilungen in viele kleine Reviere, oft nur mit kurzen Abschuss- oder Pirschverträgen.

Aus meiner eigenen Erfahrung als Jäger und auch aus Wahrnehmungen in der Obersteiermark, in meiner engeren Heimat, wo ich mit vielen Jägern und Jagdpächtern spreche, kann nur bestätigt werden, was auch im Rechnungshofbericht festgestellt wurde: Das hat nur teilweise zu einer Erhöhung der Abschüsse geführt. Warum? – Weil die Jäger ja auch ihr Revier kennenlernen müssen, das Verhalten des Wildes in ihrem jeweiligen Revier kennenlernen müssen, und da halte ich grundsätzlich größere Einheiten mit mehrjährigen Verträgen für besser als Kleinstreviere mit oft nur kurzfristigen Abschussverträgen. – Das ist das eine. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Das andere ist, dass die Wildreduktion – so notwendig sie auch ist – natürlich ein erhebliches Konfliktpotenzial mit anderen Interessengruppen und mit der Öffentlichkeit birgt. Frau Kollegin Lintl hat ja auch schon das Thema Fütterungen angesprochen. Ich bin kein vehementer Fütterungsverfechter, ich weiß, dass in der Jägerschaft und auch in der Wissenschaft das Thema Wildfütterung sehr ambivalent diskutiert wird. Es ist eine Tatsache, die Bundesforste schreiben das ja auch in ihrer Stellungnahme zur aktuellen Petition „Rotwild in Not“, dass Wild eben Wild ist und kein Haustier und grundsätzlich nicht gefüttert werden soll. – Das stimmt.

Man muss aber auch sehen, dass die Überwinterungsstrategien des Rotwilds, die teilweise jahrhundertelang funktioniert haben, heute oftmals durch die Zersiedelung, durch den Verkehr, durch die Infrastruktur nicht mehr funktionieren. Ich finde es nicht gut, dass in vielen Revieren der Obersteiermark die Bundesforste beinhart eine Fütte­rung nach der anderen zudrehen, den Jägern das Füttern verbieten. Dann kommt es natürlich zu vermehrten Schälschäden, dann werden die Jäger, obwohl sie das oft gar nicht wollen, gezwungen, in der Schonzeit weiterhin Rotwild abzuschießen, und das ist nicht sehr gut, meine Damen und Herren.

Ich denke, dass die Bundesforste grundsätzlich sehr verantwortungsvoll mit den ihnen anvertrauten Waldflächen umgehen. Ich wünsche mir aber auch, dass sich die Führungsfunktionäre der Österreichischen Bundesforste diesen Rechnungshofbericht zu Herzen nehmen und ihre, sagen wir einmal, durchaus etwas seltsame Politik im Bereich der Wildfütterungen, vor allem in Ausnahmewintern, wie wir jetzt einen erlebt haben, überdenken. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

22.58


Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist die Frau Präsidentin des Rechnungshofes. – Bitte.


22.58.21

Präsidentin des Rechnungshofes Dr. Margit Kraker: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Der Rechnungshof hat bereits im Jahr 2015 einen Bericht zum Thema Schutz- und Bannwälder veröffentlicht und im Juli 2017 den gegenständlichen Prüf­bericht, nämlich jenen betreffend „Schutzwaldbewirtschaftung bei der Österreichischen Bundesforste AG“. Darin haben wir klar ausgesprochen, dass die Pflege und Bewirt-


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schaftung der Schutzwälder intensiviert werden muss. Wenn ich die Redebeiträge in diesem Plenum verfolge, glaube ich, dass gerade jetzt ein guter Zeitpunkt für ein Umdenken ist und dass der Bericht des Rechnungshofes etwas auslösen kann. (Prä­sidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube aber auch, dass nicht nur der Bericht etwas auslöst, sondern dass natürlich die aktuelle Wettersituation in diesem Winter gezeigt hat, wie relevant dieses Thema ist. Dieser Zielkonflikt – einerseits bestmöglicher wirtschaftlicher Ertrag und anderer­seits Beitrag zur Schutzfunktion des Waldes –, dem die Bundesforste unterliegen, muss aufgelöst werden, und dazu braucht es eine Eigentümervorgabe.

Wir haben im Ausschuss gehört, dass es eine Schutzwaldstrategie gibt. Es wurden sehr viele Empfehlungen umgesetzt, und für den Rechnungshof ist es wichtig, dann zu beurteilen, wie diese Maßnahmen wirken, und ich kann jetzt schon eine Follow-up-Überprüfung zu diesem Bericht ankündigen, in deren Rahmen wir die konkreten Maß­nahmen nachverfolgen werden. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

22.59


23.00.05Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-29 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für die Kenntnisnahme aussprechen, um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist einstimmig so angenommen.

23.00.3525. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend ELER: Einrichtung und Betrieb von Clustern und Netzwerken – Reihe BUND 2018/52 (III-196/487 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen nun zum 25. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Smodics-Neumann. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte.


23.01.00

Abgeordnete Mag. Maria Smodics-Neumann (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Ich beziehe mich auf Eler, ein von der Europäischen Union und dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft kofinanziertes Projekt. Der Prüfzeitraum war von 2014 bis 2017. Dieses Programm dient dazu, die ländlichen Regionen zu unterstützen, indem man Netzwerke und Cluster bildet, um die Produkte und Dienstleistungen, die in diesen ländlichen Regio­nen vorkommen, besser vermarkten zu können. Dieses Programm wurde erstmalig ins Leben gerufen und hat einige vom Rechnungshof durchaus zu Recht kritisierte Start­schwierigkeiten und Kinderkrankheiten aufgewiesen.

Was uns klar sein muss, und ich glaube, darüber können wir uns auch alle einig sein, ist, dass es auch von unserer Seite, von der Konsumentenseite her ein klares Bekennt­nis dazu geben muss, dass Eler ein sehr wichtiges Instrument sein kann, um die ländlichen Regionen zu fördern, um regionale Produkte zu erhalten und diese zu vermarkten. Wir alle freuen uns über Produkte, die Regionalität, kurze Transportwege und Individualität in ihrer DNA haben. Allerdings muss uns klar sein, dass die Anbieter dieser Produkte sehr kleinstrukturiert sind und diese Qualität und Regionalität nur des-


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halb anbieten können, weil sie das Hauptaugenmerk auf die Dienstleistung, auf das Produkt legen und nicht unbedingt – ohne ihnen das zur Gänze absprechen zu wol­len – Spezialisten im Marketing sind. Oft sind auch keine Marketingbudgets vorhanden. Marketing ist aber wichtig, damit wir alle wissen, dass es diese Produkte gibt.

Der Rechnungshof hat kritisiert, dass Kennzahlen, Benchmarks, Evaluierungsdaten fehlen, um Zielerreichungen zu kontrollieren. Das alles sind Begriffe, die wir eigentlich aus dem Großkonzernbereich kennen. Wir wissen, dass sich die ländlichen Initiativen mit diesen Kennzahlen und Begriffen schwertun beziehungsweise damit eben nichts zu tun haben, weil sie sich auf ihr Produkt konzentrieren wollen.

Die Herausforderung wird sein – und es gibt auch ein klares Bekenntnis seitens der Frau Bundesministerin Köstinger dazu –, für das zukünftige Bestehen und Erfolg­reichsein dieser Netzwerke ein gutes Mittelmaß zu finden, Dinge zu finden, an denen wir den Erfolg messen können, und anhand derer man nachvollziehen kann, ob sich die Initiative wirklich lohnt, ob die Förderung gut eingesetzt ist. Das alles soll jedoch mit Augenmaß erfolgen, sodass wir die Anbieter dieser Produkte nicht mit bürokratischen Dingen überfordern, damit sie nach wie vor das Hauptaugenmerk auf die Qualität ihrer Produkte legen können. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Frau Bundes­minis­terin das nötige Mittelmaß finden wird, und wir uns auf ein tolles, neues Konzept freuen können. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

23.04


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag.a Karin Greiner. – Bitte.


23.04.44

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Der Rechnungshof hat die Einrichtung und den Betrieb von Clustern und Netz­werken im Rahmen des Programmes für Ländliche Entwicklung überprüft. Wir sprechen da von einem mit knapp 52 Millionen Euro gefüllten Topf.

Was war unter anderem die Kritik? – Der Rechnungshof kritisiert das Fehlen spe­zifischer Zielwerte, ergebnisorientierter Indikatoren. Mit Projektträgern wurden Ziele kaum oder nur sehr spärlich vereinbart, oft hat es nicht einmal Projektbeschreibungen gegeben. Wie verhält es sich mit Controllingmaßnahmen? – Nicht vorhanden. Wie schaut es mit Finanzierungskonzepten aus? – Spärlich bis gar nicht vorhanden.

Was schließen wir daraus? – Offenbar wurden Förderungen genehmigt, ohne Klarheit über die finanzielle Nachhaltigkeit verschiedener Projekte zu haben, also ohne zu wissen, was mit dem Geld passiert und was dieses Fördergeld bewirkt.

Jetzt stellt sich die Frage: Warum gewährt man Förderungen ohne Ziele, ohne Para­meter, ohne Projektbeschreibungen, obwohl bekannt war, dass die interne Revi­sion im Umweltministerium bereits 2009 bekrittelt hat, dass es ineffizienten Mittel­einsatz und Parallelstrukturen bei diesen Förderungen gibt? Trotzdem hat das Ministerium Förderungen ohne das Vorhandensein von Finanzierungsplänen gewährt. Sehr geehrte Damen und Herren, was ist das für ein Umgang mit öffentlichen Geldern? (Beifall bei der SPÖ.)

Ist das sorgfältig? – Nein. Ist das wirtschaftlich? – Nein. Ist es sparsam? (Rufe bei der SPÖ: Nein!) – Nein. Ist es nachhaltig? (Rufe bei der SPÖ: Nein!) – Klares Nein.

Betreffend die Nachhaltigkeit geben ich Ihnen ein Beispiel: Die Diskussion im Aus­schuss ist ungefähr so verlaufen, dass der Tenor der Vertreter der Regierungsparteien war, dass es wichtig sei, die ländlichen Strukturen, die regionalen Strukturen zu för­dern. Die kleinen Unternehmen sollen davon profitieren, und die kulinarischen Inter-


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essen müsse man mit den landwirtschaftlichen verbinden. – Ja klar, das sehe ich auch so.

Wie schaut aber die Wirklichkeit aus? – Dazu hat es einen Zeitungsartikel gegeben: Sie alle werden wahrscheinlich Kitzbühel kennen und vielleicht den einen oder anderen Skitag dort verbracht haben. Wie komme ich als Skifahrer dazu, auf einer Skihütte einen Kaiserschmarrn aus ukrainischen Eiern zu essen? Was ist da passiert, was ist da los? Diese Information trägt nicht dazu bei, Vertrauen in die Vergabe der Fördergelder zu stärken und ist wahrlich kein Beleg für eine umsichtig agierende Landwirtschafts- und Nachhaltigkeitsministerin. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.07


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Gerald Hauser. – Bitte.


23.07.43

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Frau Rechnungshofpräsidentin! Frau Kollegin Greiner! Für den Kaiserschmarrn in Kitzbühel die Frau Ministerin verantwortlich zu machen, entbehrt jeder sachlichen Grundlage. Das ist ein Anpatzen auf primitivstem Niveau. (Beifall bei FPÖ und ÖVP. – Wider­spruch der Abg. Greiner.) Also euch fällt wirklich überhaupt nichts mehr ein. Ich weiß schon, das ist wieder eine schlechte Rede von mir, aber euch fällt nichts ein, ihr patzt nur an! Wir in Tirol sind als Tourismusland führend. Wir haben 50 Millionen Über­nachtungen, wir haben tollste Unternehmen. Kitzbühel ist ein Paradeort. Gerade das letzte Weltcuprennen war nicht nur für Tirol Werbung, sondern für ganz Österreich.

Sie kommen da ans Pult und zerren den Kaiserschmarrn eines Unternehmers heraus, der nicht gepasst hat, und sagen, die Frau Ministerin hat versagt. Na dümmer geht es nicht mehr. Ich sage es ganz ehrlich, dümmer geht es nicht mehr. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, ich würde Sie bitten, sich in der Aus­drucksweise zu mäßigen, bitte. (Abg. Haider: Wenn er doch recht hat!)


Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (fortsetzend): Okay. Ein paar inhaltliche Worte zu den notwendigen Clustern und Netzwerken, damit ihr wisst, worum es geht: Die sind eine wichtige und tolle Einrichtung. Unsere Tourismuswirtschaft, Hotellerie und Gastro­nomie kauft gerne Produkte unserer Bauern. Die Bauern aber haben ein Problem: Sie können nicht das ganze Jahr über Produkte in hinreichender Menge liefern, weil sie zu klein sind, und deswegen wurden und werden Netzwerke, Cluster eingerichtet, damit die vielen kleinen Landwirte die Möglichkeit haben, ihre Produkte dorthin zu liefern, und die Gastronomie, die Hotellerie die Chance hat, das ganze Jahr über Produkte bei ihnen zu kaufen.

Das ist absolut notwendig, dieser Schritt bringt Landwirtschaft und Tourismus zusam­men. Das sind eineiige Zwillinge! Die Landwirtschaft hat somit die Chance, ihre Produkte ganzjährig über diese Schiene in Richtung Tourismus zu vermarkten, zu verkaufen und damit Wertschöpfung zu lukrieren, Wertschöpfung, die dringend not­wendig ist. Es hat keinen Sinn, den Liter Milch um 35, 40 Cent abzugeben. Man muss Wertschöpfung lukrieren, und das ist der springende Punkt.

Ihr redet dagegen und bringt ein Kaiserschmarrn-Beispiel daher; also das ist so was von weltfremd, das ist fantastisch. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

So, der Start dieses Netzwerks, dieses Clusters war holprig, die Idee dahinter ist aber super. Noch einmal: Die vielfältigen regionalen und kulinarischen Initiativen werden


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gebündelt und im Rahmen einer österreichischen Gesamtstrategie vermarktet, es gibt ein einheitliches Design – Wiedererkennbarkeit, Genussland Österreich; das ist fantas­tisch – und ein Budget steht dafür zur Verfügung. Was ist in der letzten Periode passiert? – Da ist das Projekt ausgeschrieben worden, es hat sich eine Bieterge­meinschaft mit dem Bio-Guru Lampert und der AMA Marketing beworben und die hat den Zuschlag bekommen. Dann ist der Bio-Guru ausgestiegen, und damit war das Projekt gestoppt. Jetzt wird seit dem 1. Jänner neu durchgestartet. Gott sei Dank!

Ich wünsche diesem Projekt viel Erfolg, damit unsere kleinstrukturierte Landwirtschaft endlich die Chance bekommt, ganzjährig ihre Produkte weiterzuverkaufen und wir als Tourismusland die Möglichkeit haben, unsere Qualität, unsere höchste Qualität an den Gast zu bringen – ein Superidee, die jetzt läuft. Ich gratuliere und danke. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

23.11


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Dr. Wolfgang Zinggl. – Bitte.


23.11.45

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (JETZT): Na ja, Herr Kollege Hauser, die Idee mag ja super sein, aber schauen wir uns das einmal konkret an. Der Rech­nungshof hat uns da tatsächlich auf ein äußerst dubioses Projekt aufmerksam gemacht, werte Kolleginnen und Kollegen.

Begonnen hat das Ganze so: Das Landwirtschaftsministerium wollte den Vertrieb von regionalen Lebensmitteln vernetzen, und für das Projekt sollten EU-Förderungen lukriert werden. Damit das Ministerium diese Förderungen erhält, hat es die Zustim­mung von der AMA, von der Agrarmarkt Austria gebraucht. Die aber ist nicht unab­hängig vom Ministerium, denn das Ministerium kann der AMA Weisungen erteilen, und in diesem Zusammenhang hat es auch eine Weisung erteilt. Das Ministerium hat auch noch die Aufsicht über die AMA. Daher war ganz klar: Die EU-Förderung wurde von der AMA genehmigt. Das ist eine Konstruktion, die vielen befremdlich vorkommt, auch dem Rechnungshof, aber nicht der Ministerin im Ausschuss.

So, wie geht es weiter? – Das Landwirtschaftsministerium nimmt das Geld, schießt Bundesmittel zu und vergibt insgesamt 10,5 Millionen Euro für dieses Projekt zur Vertriebsvernetzung regionaler Lebensmittelproduzenten an eine Bietergemeinschaft, nämlich an die Firma Fairify und – aufgepasst! – an eine Tochter der AMA, an die AMA Marketing. Die gehört zu 100 Prozent der AMA. Daher kann man sagen: AMA Marketing oder AMA hat sich quasi selbst lukrative Aufträge genehmigt. Das ist für viele befremdlich, auch für den Rechnungshof, aber nicht für die Ministerin im Ausschuss. (Abg. Loacker: Der Bauernbund kann das sicherlich aufklären!)

Es geht weiter: Die zwei Firmen bekommen einen gewaltigen Vorschuss in Höhe von 1,6 Millionen Euro, der überhaupt nicht notwendig ist, und trotzdem steigt eine der Firmen, nämlich die Firma Fairify nach einem Jahr aus unerfindlichen Gründen aus, und zwar während der Rechnungshofprüfung. Zu diesem Zeitpunkt ist überhaupt keine Leistung nachweisbar. Es gibt keinen Strategieplan, es gibt kein Jahresprogramm, es gibt keine Jahresabrechnung. Was war die Leistung?, fragen wir uns, fragt sich der Rechnungshof, aber nicht die Ministerin im Ausschuss.

Und es geht noch weiter: Im April 2018, also letzten April, bestätigt die Ministerin auf eine parlamentarische Anfrage hin, dass die AMA Marketing das Projekt nun alleine weiterführt. Das ist deswegen befremdlich, weil die AMA Marketing ohnehin Beiträge von Landwirten für ein sehr ähnliches Projekt, nämlich landwirtschaftliche Produkte zu fördern, einhebt.


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So, was ist jetzt der Status quo? – Seit eineinhalb Jahren ruht dieses Projekt, und das Ministerium könnte laut Vertrag für jeden Tag Verspätung Strafzahlungen einfordern, sozusagen Steuergelder zurückholen. Das wird nicht gemacht. Warum? – Das fragen wir uns, das fragt sich der Rechnungshof, aber nicht die Ministerin im Ausschuss. Auf unsere Anfrage sagte sie, dass sie das jetzt nicht beantworten könne und das schriftlich nachreichen werde. Das ist jetzt schon über zwei Wochen her und wir haben noch nichts davon gesehen. Ich kann nur eines dazu sagen: Wir werden die Sache weiterverfolgen, wir bleiben dran. Fortsetzung folgt. – Danke. (Beifall bei JETZT und bei Abgeordneten der SPÖ.)

23.15

23.15.27Präsidentin Doris Bures: Zu Wort dazu ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-196 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen wollen, um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

23.15.5926. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Umsetzung der Gleichstellung im Rahmen der Wirkungsorientierung im BKA, BMLFUW und BMVIT – Reihe BUND 2017/51 (III-51/485 d.B.)

27. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Bundesamt für Wasserwirtschaft – Reihe BUND 2018/14 (III-112/486 d.B.)

28. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Weinmarketing; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/62 (III-217/488 d.B.)

29. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie im Bereich Grundwasser im Weinviertel; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/63 (III-220/489 d.B.)

30. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Rechnungshofes betreffend Finanzielle Berichtigungen im Agrarbereich; Follow-up-Überprüfung – Reihe BUND 2018/3 (III-81/490 d.B.)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zu den Punkten 26 bis 30 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird. Es sind dies Berichte


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des Rechnungshofausschusses über Berichte des Rechnungshofes. Hinsichtlich der einzelnen Ausschussberichte verweise ich auf die Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Angela Fichtinger. – Bitte.


23.16.30

Abgeordnete Angela Fichtinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Rech­nungshofpräsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir haben uns in den letzten Stunden wirklich schon sehr intensiv mit diesen Themen befasst. Es waren ja immerhin drei Rechnungshofausschüsse, das ist schon eine gewaltige Menge.

Ich darf ganz kurz zum Rechnungshofbericht mit der Nummer 2017/51 Stellung neh­men, und zwar zur Umsetzung der Gleichstellung im Rahmen der Wirkungsorien­tierung im Bundeskanzleramt, im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie und im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, wie es damals geheißen hat.

Die Gebarungsprüfung umfasst im Wesentlichen die Jahre 2012 bis 2015. Die Haupt­ziele der Überprüfung waren erstens die Erfüllung der qualitativen Anforderungen der Gleichstellungsangaben im Bereich der Wirkungsorientierung und das Ambitions­niveau, mit dem Gleichstellungsziele verfolgt werden. Es war wichtig, dass das er­hoben werden konnte.

Dass die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverfassung normiert ist, sei hier vielleicht nochmals erwähnt. Das ist aber für uns eigentlich selbstver­ständlich. Dass die tatsächliche Gleichstellung von den oben genannten Stellen selbstverständlich anzustreben ist, ist hier auch nochmals zu erwähnen. Konkret hat der Rechnungshof in seinem Bericht kritisiert, dass es zwischen den Ressorts keine übergreifende Abstimmung zur Zielerreichung gegeben hat, und somit mögliche Synergieeffekte nicht erkannt werden konnten.

Auch die oftmals schwammige Formulierung des Wirkungsziels wurde angesprochen und eine Konkretisierung gefordert. Im Bereich des Umweltministeriums werden künftig strategieberichtrelevante Maßnahmen zur Erreichung der Gleichstellungsziele ausgewiesen. Die Frau Ministerin hat uns zugesichert, dass das in Zukunft so ge­schehen wird.

Eine Schlussbemerkung noch am Rande: Ich kenne im privaten und im beruflichen Umfeld sehr viele starke Frauen – ich sage absichtlich nicht erfolgreiche, denn Erfolg liegt immer im Auge des Betrachters –, diese starken Frauen stehen für ihre Anliegen ein, scheuen keine Konfrontationen und gehen mit einem gewissen Fingerspitzen­gefühl vor, um Herausforderungen des Lebens zu meistern. Man kann eigentlich nur allen Mädchen und Frauen raten, sich etwas zuzutrauen, egal, ob es im politischen, im gesellschaftlichen, im wirtschaftlichen oder im privaten Bereich ist, denn wenn man seine Ziele verfolgt, dann wird sich auch der Erfolg einstellen, egal, ob Mann oder Frau. – Danke. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

23.19


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag.a Karin Greiner. – Bitte.


23.20.04

Abgeordnete Mag. Karin Greiner (SPÖ): Frau Präsidentin! Ich beziehe mich auch kurz auf den Bericht, in dem es um Wirkungsorientierung und Gleichstellung geht. Wir


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wissen, seit dem neuen Haushaltsrecht 2013 sind die Ministerien verpflichtet, Wir­kungsziele konkret zu verankern und dabei besonders Frauen im Fokus zu haben. Es geht darum, mögliche Ungleichheiten zu beseitigen.

Beim Ministerium für Land- und Forstwirtschaft hat der Rechnungshof festgestellt, dass sich die Fakten und Daten nicht für eine wirkungsorientierte Haushaltsführung eignen. Warum? – Seit 2013 wurden keine Daten erhoben – also unzureichende Datenlage, demnach keine Zieldefinitionen und schon gar keine Maßnahmen. (Abg. Vogl: Wie jetzt, die hackeln nichts?!)

Ich habe die Frau Bundesministerin im Ausschuss gefragt, ob sie weiß, in welchen Bereichen ihres Ressorts mögliche Ungleichheiten bestehen und ob ihr das bewusst ist. Ich glaube, ich habe mit dieser Frage ziemliche Irritation ausgelöst. Es kam keinerlei konkrete Antwort und auch keine wirkliche Absichtserklärung, wo genau angesetzt würde. Sie hat nur von Kosten gesprochen, die mit dem Verfolgen von Gleichstellungszielen verbunden wären, aber welche Kosten wofür anfallen würden, war nicht eruierbar.

Ein weiterer Bericht verdient Aufmerksamkeit, weil er sehr nachdenklich stimmt, nämlich der Bericht über das Bundesamt für Wasserwirtschaft. Dieses Amt ist aus Wien hinaus in den ländlichen Raum übersiedelt und da sind einige Kritikpunkte aufgetaucht. Zum Beispiel gibt es keine gesetzliche Grundlage für die Übersiedlung. Man hat immer gesagt: Na ja, die Übersiedlung war wichtig, weil wir damit Einspa­rungen erreicht haben. – Das Gegenteil ist der Fall. Der Rechnungshof bestätigt, dass diese Einsparungsargumente nicht plausibel sind. Warum? – Zum Beispiel fallen ja für Dienstreisen Mehrkosten an. Die Beamten haben gutachterliche Tätigkeiten in der Bundeshauptstadt, sie müssen natürlich hin- und herfahren und wieder zurück nach Hause nach Wien. Dass da Kosten entstehen, ist ja wohl klar.

Warum stimmt der Bericht so nachdenklich? – Die Übersiedlung des Umweltbun­des­amtes von Wien nach Klosterneuburg steht ja an. Wir haben die Frau Bundesministerin gefragt, ob sie nicht mit allen, die eingebunden und betroffen sind, zurück an den Start gehen und diese Entscheidung überdenken möchte. Ihre Antwort: Ich bin gestärkt in meiner Entscheidung, das Umweltbundesamt in Klosterneuburg einzurichten.

Man muss auch wissen: Es gibt da eine politische Vereinbarung, noch getroffen unter dem ehemaligen Bundesminister Rupprechter mit Pröll und Mikl-Leitner. (Zwischenruf des Abg. Plessl.) Wenn man all das aber weiß und die Fakten des Rechnungs­hofberichtes kennt, warum geht man nicht zurück und sagt: Na, ist das gescheit? Werden wir wirklich Einsparungen haben? – Zumal es keine gesetzliche Grundlage gibt, auch nicht für diese Übersiedlung. Zudem möchte die Mehrheit der Bediensteten gar nicht übersiedeln, die möchten in Wien bleiben.

Ich ersuche Frau Bundesministerin Köstinger, sich wirklich noch einmal diese beiden Berichte – insbesondere jenen zur Wasserwirtschaft – sehr genau zu Gemüte zu führen und darüber nachzudenken, ob man die Entscheidung, das Bundesamt abzusiedeln, nicht neu überlegen möchte. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.23


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Peter Gerstner. – Bitte.


23.23.31

Abgeordneter Peter Gerstner (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofes! Werte Kollegen! Der Rechnungshof wurde da-


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zu angehalten, die Gebarung des Bundesamtes für Wasserwirtschaft mit dem Ziel der Beurteilung der Aufbau- und Ablauforganisation, der Aufgabenerfüllung, der Leis­tungserbringung, der wirtschaftlichen Lage sowie der Personalsituation zu prüfen. Der überprüfte Zeitraum waren die Jahre 2011 bis 2016.

Eine kurze Geschichte zur Organisation beziehungsweise über diese Organisation: Das Bundesamt wurde im Jahr 1995 durch den Zusammenschluss mehrerer Institute gegründet, darunter das Institut für Gewässerökologie, Fischereibiologie und Seen­kunde – nicht See-, sondern Seenkunde –, das Institut für Kulturtechnik und Boden­wasserhaushalt in Niederösterreich, das Institut für Wasserbau und hydrometrische Prüfung in Wien und die Ökostation in Gebharts im Waldviertel.

Trotz struktureller Änderungen wurde die Geschäftsordnung seit der Gründung 1995 nicht mehr angepasst. Der Wirkungsbereich der einzelnen Institute wurde wiederholt einfach der aktuellen Situation beziehungsweise der aktuellen Erfordernisse ange­passt. Eine Übersiedlung beziehungsweise eine Verlegung der Direktion von Wien nach Oberösterreich zog eine enorme Erhöhung der laufenden Kosten nach sich. Der Standort der diversen Institute wurde zwar reduziert, trotzdem war der Kostenanstieg beträchtlich.

Weiters gab es laut dem Rechnungshofbericht Unstimmigkeiten im Personalwesen. So lag die Akademikerquote lediglich bei 30 Prozent, obwohl es sich beim Schwerpunkt der ausführenden Tätigkeiten um Akademikertätigkeiten gehandelt hätte. Nachdem die Direktorin 2015 in Pension gegangen war, wurde ein neuer Direktor und Institutsleiter bestellt, der zwar laut Begutachtungskommission am besten für diese Stelle geeignet war, in Wahrheit jedoch nicht einmal über die wesentlichen fachlichen Erfordernisse verfügt hat.

All diese Gründe sprechen unsererseits für eine Zustimmung, da der Bericht des Rechnungshofes nicht nur äußerst detailliert, sondern auch sehr objektiv ist. Uns Freiheitlichen ist es ein besonderes Anliegen, Missstände der vorherigen Regierung aufzuzeigen und zu berichtigen, denn bei der blau-türkisen Regierung ist kein Platz für Missstände. – Danke schön. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

23.26


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dipl.-Ing.in Karin Doppelbauer. – Bitte.


23.27.06

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Rech­nungshofpräsidentin! Werte Damen und Herren! Es sind sogar noch welche auf der Galerie, sehe ich gerade. Ich habe mir auch den Bericht über das Bundesamt für Wasserwirtschaft herausgesucht, weil es natürlich symptomatisch und eklatant ist.

Warum ist es symptomatisch? – Symptomatisch ist es, weil da wirklich Fehlent­wick­lungen und Missstände in der öffentlichen Verwaltung aufgezeigt werden. Wenn man sich den Bericht anschaut: Es zieht sich wie ein roter Faden durch diesen Rech­nungshofbericht, dass es eklatante Mängel gibt, und zwar sind diese Mängel bei der Planung feststellbar, wie dann auch bei der Kontrolle.

Dazu kommt, dass die Direktion des Bundesamtes – mein Vorredner hat es auch schon erwähnt – unter der Devise Stärkung des ländlichen Raums im Jahr 2015 von Wien nach Scharfling in Oberösterreich – das ist in der Gegend Mondsee – verlegt wurde. Die Stelle des Direktors wurde ausgeschrieben und gleichzeitig damit auch ein Reorganisationskonzept entwickelt. Was ist da passiert? – Natürlich hat man sich sehr


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viele Gedanken über die fachliche Qualifikation gemacht. Dann hat das eine Begut­achtungskommission beurteilt und sie hat einen Bewerber ausgesucht, der diesen fachlichen Qualifikationen einfach nicht entspricht.

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich bin mir ganz sicher, dass der Direktor sicher in vielerlei Hinsicht ein sehr kompetenter Mann ist, aber es ist natürlich eine Farce, wenn man sich anschaut, wie die Ausschreibungen im öffentlichen Dienst und in der Verwaltung vorgenommen werden – vollkommen intransparent.

Was kann man also dagegen tun? – Eine Grundvoraussetzung – ich habe es schon gesagt und angedeutet – ist die Transparenz. Das heißt, in einem ersten Schritt bräuchte man Mitglieder von Auswahlkommissionen, die tatsächlich unabhängig sind. In einem zweiten Schritt müsste man dann auch den Bewerbern, die übergangen werden, das Recht zugestehen, gerichtlich prüfen zu lassen, ob diese Entscheidungen auch korrekt abgelaufen sind, und falls nicht, muss Schadenersatz gezahlt werden. Diesen Schadenersatz haben diejenigen zu leisten, die die Auswahlentscheidungen getroffen haben und die somit zur Verantwortung gezogen werden.

Damit würde im Sinne des Gemeinwohls erreicht werden, dass es nicht zu Packeleien, zu Freunderlwirtschaft oder zu parteipolitischen Besetzungen kommt. Am Ende des Tages würde es sicherstellen, dass eine verantwortungsvolle Politik betrieben würde, vor allem auch bei der Vergabe von Jobs und Leitungsfunktionen in der öffentlichen Verwaltung. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS.)

23.29


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Norbert Sieber. – Bitte.


23.29.43

Abgeordneter Norbert Sieber (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Prä­sidentin des Rechnungshofes! Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche, mich zum Bericht des Rechnungshofes betreffend Bundesamt für Wasserwirtschaft, Reihe Bund 2018/14, kurzzuhalten.

Die Kernaufgabe des Bundesamtes für Wasserwirtschaft ist die fachliche Unter­stützung des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus durch Erarbeitung von Grundlagen für Gesetzgebung und Vollziehung im Bereich der nationalen und internationalen Wasserwirtschaft.

Das Bundesamt für Wasserwirtschaft besteht aus drei Instituten mit folgenden Kom­petenzbereichen: zum Ersten aus dem Institut für Gewässerökologie, Fischereibiologie und Seenkunde, zum Zweiten aus dem Institut für Kulturtechnik und Bodenwasser­haushalt und zum Dritten aus dem Institut für Wasserbau und hydrometrische Prüfung.

Das Ziel der Überprüfung war die Beurteilung der Aufbau- und Ablauforganisationen, der Aufgabenerfüllung, der Leistungserbringung, der wirtschaftlichen Lage und der Per­sonalsituation des Bundesamtes. Der überprüfte Zeitraum umfasste im Wesentlichen die Jahre 2011 bis 2016.

Der Rechnungshof hat nach seiner Prüfung im Bericht neun Hauptkritikpunkte bezie­hungsweise Empfehlungen zusammengefasst. Im Zuge der Reorganisation der nach­geordneten Dienststellen wurden die Kompetenzbereiche des Bundesamtes für Was­serwirtschaft neu definiert. Die Reorganisation wurde im Verwaltungsreformgesetz festgelegt. Ziel der Reform war die Schaffung einer flacheren und schlankeren Hierarchie für das BAW. Kernstück war die Verlegung der Direktion von Wien nach


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Scharfling, verbunden mit der Zusammenlegung der Leitung des Bundesamtes und der Leitung des IGF. Die Ökostation Waldviertel wurde in das Institut für Wasserökologie, Fischereibiologie und Seenkunde eingegliedert, wodurch die Zusammenarbeit im Bereich Aquakultur intensiviert werden konnte.

Im Grunde genommen wurden die Anregungen des Rechnungshofes großteils um­gesetzt beziehungsweise befinden sich die Anregungen in Umsetzung. Das ist wiederum ein wunderbares Beispiel für eine harmonische Zusammenarbeit. Wir sind dem Rechnungshof für seine Anregungen sehr dankbar. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

23.31


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Rudolf Plessl zu Wort gemeldet. – Bitte.


23.31.59

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Präsidentin des Rech­nungshofes! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zu zwei Berichten des Rechnungshofes Stellung nehmen.

Zu TOP 29, Bericht betreffend Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie im Bereich Grundwasser im Marchfeld, im Weinviertel: Der Rechnungshof hat im November 2017 den Stand der Umsetzung der Rechnungshofempfehlung aus dem Jahr 2015 über­prüft. Er hat nachgesehen, ob die Empfehlungen vom Land Niederösterreich wie auch vom Landwirtschaftsministerium umgesetzt worden sind. Insgesamt wurden vom Landwirtschaftsministerium von den neun Empfehlungen aus dem Jahr 2015 drei vollständig, vier teilweise und zwei nicht umgesetzt. Vom Land Niederösterreich wurden von den sechs Empfehlungen drei vollständig, eine teilweise und zwei nicht umgesetzt.

Leider, meine sehr geehrten Damen und Herren, wurde bisher der möglich raschen Verbesserung des chemischen Zustands des Grundwassers entgegen der Rechnungs­hofempfehlung keine Priorität eingeräumt. Während das Landwirtschaftsministerium in dieser Hinsicht eher verzögernd tätig ist und die Empfehlungen nur teilweise umgesetzt hat – die Überarbeitung des Aktionsprogramms Nitrat 2012 erfolgte verspätet –, ist es das Land Niederösterreich bisher noch immer schuldig geblieben, wirksame Maß­nahmen rasch und konkret umzusetzen. (Abg. Loacker: Ein Wahnsinn ist das!)

Aus den sinnvollen und für die direkt Betroffenen vollkommen nachvollziehbaren Emp­fehlungen des Rechnungshofes zur Verordnung restriktiver Maßnahmen im Falle landwirtschaftlicher Bewirtschaftung, insbesondere bei auswaschungsgefährdeten Flächen in belasteten Gebieten, ist vonseiten des Landwirtschaftsministeriums noch immer keine Maßnahme gesetzt worden. Man ist auf taube Ohren gestoßen. (Zwi­schenruf des Abg. Vogl.)

Auf Basis der Follow-up-Überprüfung ergaben sich folgende neuerlichen Empfeh­lun­gen des Rechnungshofes: Das Landwirtschaftsministerium und das Land Niederöster­reich müssen in diesem Bereich wirksame Maßnahmen besonders rasch umsetzen, um zumindest einen guten chemischen Zustand des Grundwassers im Maßnah­mengebiet im Weinviertel bis 2027 zu erreichen. Bis 2027 werden wir das allerdings nicht erreichen, weil diesbezüglich von der Ministerin und auch ihren Vorgängern sehr langsam und sehr zurückhaltend gehandelt wurde.

Ein weiterer Punkt, der auch angeführt worden ist, meine sehr geehrten Damen und Herren: Das Landwirtschaftsministerium muss ergänzende Maßnahmen aus der Nitrat­richtlinie endlich verpflichtend ins österreichische Gesetz aufnehmen und einen Leis-


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tungskatalog mit Mindeststandards und Vorgaben für die Gewässeraufsicht umsetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte ein Beispiel anführen, bei dem wir sehen, dass die Öpul-Maßnahmen nicht gegriffen haben. Der Grundwasserkörper im Marchfeld ist 942 Quadratkilometer groß. Von 73 Messstellen wurde 2009 bei 41 Messstellen über 45 Milligramm Nitrat pro Liter festgestellt. Sechs Jahre später waren es von 72 Messstellen schon 43, es kam also zu einer Erhöhung der Überschreitung. Bis jetzt wurden aber noch immer keine Maßnahmen gesetzt. Ich hoffe, dass wir zumindest morgen, wenn das Land Nieder­österreich in diesem Bereich eine Diskussion des Rechnungshofberichtes durchführt, über weitere Maßnahmen informiert werden.

Zum Schluss noch zu TOP 27, Bericht zum Bundesamt für Wasserwirtschaft: Wir haben die Umweltministerin im Rechnungshofausschuss gefragt, welche Maßnahmen sie aufgrund des Berichtes des Rechnungshofes, dessen Urteil ja hinsichtlich der Umsiedelung katastrophal ausgefallen ist, setzt. Weder die geplanten Einsparungen von Personal- und Standortkosten noch die veranschlagten Investitionskosten waren für den Rechnungshof nachvollziehbar.

Nun glaubt man, dass diese Empfehlungen ernst genommen werden und geschaut wird, bei einer neuerlichen Ausgliederung, nämlich der des Umweltbundesamtes, besser vorzugehen. – Ganz im Gegenteil, meine sehr geehrten Damen und Herren: Es ist eigentlich beschämend für dieses Haus, dass unter dem Deckmantel Stärkung des ländlichen Raums wieder etwas gemacht wurde, mit dem Niederösterreich gestärkt wurde – ich bin zwar dafür, Niederösterreich zu stärken, aber es macht keinen Sinn, dass wir das so abwickeln.

Deswegen: Bitte eine neuerliche Überprüfung durchführen, damit man eine ordentliche Abwicklung gewährleisten kann! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.36


23.36.21

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich bedanke mich bei Frau Rechnungshofpräsidentin Dr.in Kraker.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir kommen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 26: Antrag des Rech­nungshofausschusses, den Bericht des Rechnungshofes betreffend Umsetzung der Gleichstellung im Rahmen der Wirkungsorientierung im BKA, BMLFUW und BMVIT, III-51 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich für die Kenntnisnahme aus? – Das ist einstimmig so zur Kenntnis genommen.

Tagesordnungspunkt 27: Antrag des Rechnungshofausschusses, den Bericht des Rechnungshofes betreffend Bundesamt für Wasserwirtschaft, III-112 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für die Kenntnisnahme? – Auch das ist einstimmig so zur Kenntnis genom­men.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 265

Tagesordnungspunkt 28: Antrag des Rechnungshofes, den Bericht des Rechnungs­hofes betreffend Weinmarketing; Follow-up-Überprüfung, III-217 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer spricht sich für die Kenntnisnahme aus? – Das ist einstimmig so zur Kenntnis genommen.

Tagesordnungspunkt 29: Antrag des Rechnungshofes, den Bericht des Rechnungs­hofes betreffend Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie im Bereich Grundwasser im Weinviertel; Follow-up-Überprüfung, III-220 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für die Kenntnisnahme? – Auch das ist einstimmig so zur Kenntnis ge­nommen.

Tagesordnungspunkt 30: Antrag des Rechnungshofes, den Bericht des Rech­nungshofes betreffend finanzielle Berichtigungen im Agrarbereich; Follow-up-Über­prüfung, III-81 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer ist für die Kenntnisnahme? – Auch dieser Bericht ist einstimmig so zur Kenntnis genommen.

23.38.2031. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürger­schaftsgesetz 1985 geändert wird (Staatsbürgerschaftsrechtsänderungsgesetz 2018) (536/A)


Präsidentin Doris Bures: Damit gelangen wir zum 31. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen gleich in die Debatte ein.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Jarolim zu Wort. – Bitte.


23.38.42

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Liebe Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Dies ist die erste Lesung des Staatsbürgerschaftsrechtsänderungsgesetzes. Vielen während der NS-Diktatur Vertriebenen, Verfolgten ist die österreichische Staats­bürgerschaft aberkannt worden; seit 1993 haben wir eine Regelung, mit der Betroffene diese wieder zurückerhalten, wenn sie sich melden. Das ist nicht ausreichend publiziert und bekannt gegeben worden, und daher ist es natürlich so, dass viele der Betroffenen gar nicht wussten, dass sie diese Möglichkeit haben.

Diese Regelung wurde dann auch auf die Ehegattinnen und Ehegatten ausgeweitet. Nunmehr geht es darum – das passt, glaube ich, auch von der Zeit her gut: 100 Jahre Republik und 80 Jahre Novemberpogrom –, dass man diese Regelung auch auf die Kinder und Enkelkinder ausweitet. Sie sollen die Möglichkeit haben, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben, denn wären die Eltern oder Großeltern hiergeblieben, wären sie ja österreichische Staatsbürger. Aus der Vergangenheit lernen wir, dass es sehr wichtig ist, die entsprechenden Informationen weiterzugeben, und daher ist es wichtig, dass die Vertretungen Österreichs im Ausland da auch mitwirken.

Wir werden das sicher umfassend diskutieren. Eigentlich hatten wir beabsichtigt und das auch Herrn Bundeskanzler Kurz empfohlen, dass man im Rahmen der öster-


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 266

reichischen Ratspräsidentschaft ein Zeichen nach außen setzt. Leider Gottes ist das nicht erfolgt. Wir werden schauen, dass wir das jetzt so rasch als möglich nachholen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

23.40


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Nikolaus Prinz. – Bitte.


23.40.40

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht im Wesentlichen um Menschen, die während der NS-Zeit flüchten mussten, dadurch ihre Staatsbürgerschaft verloren haben und nun wieder die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten können. Laut vorliegendem Antrag soll sich dieses Ein­bürgerungsprivileg bis zur dritten Generation erstrecken, etwaige Ausschließungs­grün­de sollen so wie bisher gelten. Ich glaube, darüber, wo Nachsicht geübt werden kann, sollten wir einfach diskutieren.

In diesem Sinne freue ich mich auf eine konstruktive Diskussion im Ausschuss und wünsche zu vorgerückter Stunde eine gute Nacht! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

23.41


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter David Lasar. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: Schauen wir, ob es noch kürzer geht!)


23.41.00

Abgeordneter David Lasar (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! An und für sich, kann ich dazu sagen, wäre der Antrag nicht nötig gewesen, da ja bereits im Regierungsprogramm 2017 bis 2022 auf Seite 33 festgehalten ist, dass es eine „Doppelstaatsbürgerschaft für Nachfahren der Opfer des Nationalsozialismus aus Österreich“ geben wird. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

Haben Sie noch etwas Geduld, wir werden das in nächster Zeit beschließen! Sie sind natürlich herzlich eingeladen, da mitzustimmen; ich hoffe, Sie werden das auch tun. Ich danke und wünsche ebenfalls eine gute Nacht. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

23.42

23.42.10


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 536/A dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zu.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

23.42.24Abstimmung über Fristsetzungsantrag


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nunmehr, bevor auch ich Ihnen eine gute Nacht wünsche, noch zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Wirtschaft, Industrie und Energie zur Berichterstattung über den Antrag 565/A(E) der Abgeordneten Mag. Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Nein zu TTIP egal in welcher Form“ eine Frist bis zum 26. Februar 2019 zu setzen.

Wer sich für diesen Fristsetzungsantrag ausspricht, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit, abgelehnt.


Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 267

23.43.02Einlauf


Präsidentin Doris Bures: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 571/A(E) bis 611/A(E) eingebracht worden sind.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betrifft, berufe ich für 23.43 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

23.43.34Schluss der Sitzung: 23.43 Uhr

 

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