Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 54

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Spätestens jetzt muss es allen vollkommen klar sein: All das, was wir in Europa haben, ist keine Selbstverständlichkeit, das ist hart erkämpft, das ist errungen. Wir müssen tagtäglich erstreiten, uns dafür einsetzen, dass wir das, was wir erreicht haben, weiter­entwickeln, aber wir müssen auch den Finger in die Wunde legen, weil noch lange nichts perfekt ist. Es gibt unendlich viel zu tun. Nicht alle Menschen in Europa haben vom Wohlstandsversprechen etwas gehabt. Da ist vieles auf der Strecke geblieben, und auch bei den Briten und bei den Britinnen ist das passiert.

Unsere Vision, unsere sozialdemokratische Vision ist deshalb eine, die beim Alltag ansetzt, bei handfesten Dingen. Es geht nicht darum, zu träumen – ich meine, ich träume sehr gerne, aber ich will ja keine Märchen erzählen, was in hunderttausend Jahren einmal möglich sein wird –, sondern es geht darum, handfeste Dinge, die den Alltag der Menschen in Europa betreffen, auf den Tisch zu legen, einzufordern und da etwas voranzubringen, die Menschen also mitzunehmen.

Wir fordern soziale Mindeststandards, klare Regeln und Kontrollen, damit die Pflegerin oder der Lkw-Fahrer aus Osteuropa nicht mehr Beschäftigte zweiter Klasse sind, son­dern Kollegen, echte Kollegen. Wir wollen, dass in Jugend investiert wird, gute Jobs für junge Köpfe, dass man sich den Skikurs leisten kann – nicht als Eliten­programm –, ein beheiztes Kinderzimmer als absolute Selbstverständlichkeit, und wir fordern eine echte Garantie in Bezug auf Kinder, nicht dass den Ärmsten aufgrund der Indexierung der Familienbeihilfe noch mehr weggenommen wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Apple, Google und Co sollen auch ihren fairen Anteil an Steuern zahlen und nicht nur das berühmte Kaffeehaus, der Würstelstand ums Eck oder die Physiotherapeutin. Einstimmigkeit ist in diesem Zusammenhang nicht hilfreich, es ist nicht hilfreich, wenn es im Rat der Einstimmigkeit bedarf. Wir brauchen ein demokratischeres System, das heißt, das Einstimmigkeitserfordernis muss weg, denn sonst kommen wir da gar nicht mehr vom Fleck, wenn es um Steuern geht, und das sind Dinge, die wirklich den Alltag der Menschen betreffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir kämpfen so lange, bis Frauen endlich gleichberechtigt sind, bis die Wohnkosten nicht mehr als ein Viertel des Einkommens ausmachen. Ich zähle da schon viele Dinge auf, die den Alltag der Menschen betreffen. Auch die Rechtsstaatlichkeit ist eine absolut unabdingbare Voraussetzung. Diese handfesten, echten Verbesserungen, die den Menschen in Europa wirklich etwas bringen, sind mit dem Kurz’schen Schmal­spureuropa, das in erster Linie auf Subsidiarität pocht, nicht möglich. (Abg. Neubauer: Was haben denn Sie zustande gebracht?) Diese Verbesserungen sind nicht möglich, wenn man in erster Linie darauf schaut, was das für die Konzerne und für die Groß­spender bedeutet. Es geht darum, auf den kleinen Mann, auf uns alle, auf den Alltag der Menschen zu schauen. (Beifall bei der SPÖ.)

Dass die FPÖ die Wörter Europa und Vision gleichzeitig in den Mund nimmt, ist ja wohl ein schlechter Scherz. Wir erinnern uns alle an die Öxitfantasien von Herrn Vilimsky (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen), und von den Europazerstörern im Europäischen Parlament mag ich gar nicht reden. (Abg. Höbart: Europazerstörer!)

Unsere sozialdemokratische Vision ist klar: Europa wird sozial sein, oder es wird nicht sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Martin Graf: Bei Ihnen werden wir uns nicht einmal den Namen merken! – Zwischenruf der Abg. Winzig.)

11.22


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Mitglied des Europäischen Parlaments Dr. Georg Mayer. – Bitte.


 


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