Nationalrat, XXVI.GPStenographisches Protokoll60. Sitzung, 30. Jänner 2019 / Seite 125

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sein omnipotent sich wähnendes Regierungspouvoir ablösen. (Abg. Belakowitsch: Aber die Nachkriegsordnung ist schon irgendwie ...!)

Nicht die notwendige Politik gegen das veraltete Recht stellt Herr Kickl also zur De­batte, sondern seine freiheitliche Tagespolitik gegen die konsensuale europäische Nachkriegspolitik, die er ein für alle Mal beseitigt wissen will. Herr Kickl will über Bord werfen, was das europäische Nachkriegsschiff erst demokratietauglich gemacht hat. – Das ist unser Problem mit diesem Innenminister. (Zwischenrufe der Abgeordneten Steger und Höbart. – Beifall bei JETZT und SPÖ.)

Nun ließ uns der Herr Innenminister wissen – nachträglich wissen –, er habe das ja alles gar nicht so gemeint, und die Stimmen von Vertretern der Regierungsfraktion hier aus dem Off bekunden ja dasselbe: alles ein Missverständnis, ist ja nicht so. Die nachträglich auf kleiner Flamme zubereitete Richtigstellung von Herrn Kickl hat aber die Sache nicht besser gemacht. (Abg. Steger: Das war keine Richtigstellung, das war eine Klarstellung!)

In der „Report“-Sendung am Dienstag sagte Herr Kickl unmittelbar vor seinem unter­irdischen Sager übers Recht, das seiner Politik folgen sollte, und nachdem Frau Schnabl die EMRK und die EU-Grundrechtscharta erwähnte – und jetzt zitiere ich, was Sie alle anscheinend vergessen haben –: „Ich möchte mich anlegen mit diesen Rege­lungen.“ – Das hat unser Innenminister als Minister dieser Republik gesagt. Und dann hat er die Chuzpe zu schreiben: Ich habe die Europäische Menschenrechtskonvention nie infrage gestellt! – Tja, da liegt einige Entfernung zwischen dem, was er gesagt hat, und der Wahrheit. In seinem Alter hat mich mein Kurzzeitgedächtnis noch nicht so sehr verlassen gehabt.

Wie auch immer, es ist in den Kommentaren zum sogleich international berühmt ge­wor­denen Einzelfall Kickl bemerkt worden, dass die Europäische Menschen­rechts­konvention just für Politiker vom Schlage eines Herrn Kickl geschaffen wurde. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass gerade er sich gegen sie wendet, sich mit ihr – wie er selbst sagt – anlegen will, und hier sehen wir den zweiten Aspekt seines durch und durch demagogischen Fütterungsversuchs fürs präsumtive Wahlvolk.

Die Europäische Menschenrechtskonvention ist Ausdruck einer unverzichtbaren Liberalität, einer offenen Gesellschaft. (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Gudenus.) Sie ist die quasi in Stein gemeißelte Egalität, die nicht zu hinterge­hende Gleichheit aller Menschen, und sie ist die nur um den Preis des Bürgerkriegs aufzugebende Legalität politischer Machtausübung, das Gebot unbedingter Gesetz­lichkeit für jegliches Verwaltungshandeln.

Wer sich so wie unser Innenminister damit anlegen will – und Sie wissen in diesem Haus sehr gut, was es heißt, wenn einer sich mit jemandem anlegen will, so wie das unser Innenminister unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat –, der kann aber doch nicht, wenn er noch bei Sinnen ist, die rechtsförmige Abänderung des inner­staatlichen Verfassungsrechts und des völkerrechtlich verbindlichen Vertragswerkes im Auge haben. Da weiß selbst Herr Kickl, dass er damit nichts zu gewinnen hat.

Er will etwas ganz anderes. (Abg. Rosenkranz: Ah! – Zwischenrufe des Abg. Herbert sowie bei der ÖVP.) Er will in der Öffentlichkeit eine Verschiebung im Gefüge der Gewalten. Er will die parteipolitisch interessierte Deutungshoheit über die Regeln unseres Zusammenlebens mit seiner Maxime vom unbedingten Vorrang der Politik vor dem Recht - - (Abg. Gudenus: Da stehen einem die Haare zu Berge!) – Herr Gudenus, ich steige schon noch runter auf Ihr Niveau, ich bin groß genug, dass ich auch dann übers Pult schaue, keine Sorge. (Beifall bei JETZT und SPÖ. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Gudenus.)

 


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