19.27

Abgeordneter Dr. Alfred J. Noll (JETZT): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Damen und Herren des Hohen Hauses! Apropos diese Änderungen, zu denen ich gar nicht sehr viel sagen werde, denn soweit es das Gerichtsorganisationsgesetz und das Sach­verständigen- und Dolmetschergesetz betrifft, ist es aus unserer Sicht natürlich okay. Ich meine aber ganz grundsätzlich, dass bei den Gerichtsgebühren sehr viel mehr Gehirnschmalzarbeit hätte investiert werden müssen und der Widerstand der Regie­rungsfraktionen und auch des Herrn Justizministers gegenüber dem Herrn Finanz­minister etwas entschiedener hätte ausfallen müssen.

Alle Justizsprecher – auch die Justizsprecherin (Heiterkeit des Redners) – hier im Haus wissen, dass die Gerichtsgebühren in Österreich zu hoch sind. Ich will Ihnen das anhand eines ganz einfachen Beispiels erklären. Wir haben am Vormittag viel über Hass im Netz und die Möglichkeiten, dagegen aufzutreten, geredet. Das normale Mittel gegen derartige Dinge ist eine Privatanklage. Privatanklagen haben innerhalb von neun Jahren bei den Gerichtsgebühren die Zutrittsschranken verdreifacht. Wer heute eine rechtskräftige Entscheidung über eine Privatanklage will, der muss ungefähr 800 Euro investieren, damit eine Entscheidung getroffen wird. Das ist eine Zutritts­schranke für persönlich und privat Betroffene, die in vielen Fällen für viele nicht zu überwinden ist.

Ich bin überhaupt ganz altmodisch, ich glaube ja, Recht und Sicherheit sind grund­legende Tätigkeiten des Staates und dürften überhaupt nicht mit einer Gebühr belastet sein. Sicherheit und Recht hat der Staat für alle zu gewährleisten, ohne dass man hier noch gesondert Gebühren verlangt. Deshalb bin ich gegenüber diesem ganzen Ge­richtsgebührenzeugs sehr kritisch. Dass das einnahmenseitig bei der derzeitigen Regelung ein gewisses tagespolitisches Problem ist, ist mir einsichtig, aber da sollte man durchaus auch zu Visionen finden, die die Sache ändern.

Ich bringe deshalb folgenden Entschließungsantrag ein: 

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Alfred J. NolI, Dr. Peter Wittmann, Dr. Irmgard Griss, Kollegin­nen und Kollegen betreffend „das Budget für eine Senkung der Gerichtsgebühren“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, das für eine Senkung der Gerichtsgebühren und deren Anpassung an die Europäische Norm notwendige Budget bei den Budget­ver­handlungen 2019 zu berücksichtigen. Der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz wird ersucht, sich für ein derartiges Budget einzusetzen. Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, dem Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz ein derartiges Budget zuzuweisen.“

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Es ist hoch an der Zeit, die Gerichtsgebühren als Schranken für Recht und Ge­rechtigkeit für alle in Österreich zu senken. – Danke. (Beifall bei JETZT.)

19.30

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Noll, Wittmann, Griss, Kolleginnen und Kollegen

betreffend das Budget für eine Senkung der Gerichtsgebühren

eingebracht im Zuge der Debatte (70. Sitzung) über den Bericht des Justizaus­schus­ses über die Regierungsvorlage (560 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Anerbenge­setz, das Außerstreitgesetz, die Exekutionsordnung, das Gerichtsgebührengesetz, die Insolvenzordnung, das Kärntner Erbhöfegesetz 1990, das Tiroler Höfegesetz und das Rechtspflegergesetz geändert werden (Zivilrechts- und Zivilverfahrensrechts-Änderungsgesetz 2019 – ZZRÄG 2019) (585 d.B.) – TOP 9

Die hohen Gerichtsgebühren verunmöglichen zahlreichen Bürgern, vor Gericht zu ihrem Recht zu kommen. Der ehem. Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät Wien attestierte dieses Problem bereits im Jahr 2012.1 Zuletzt wurde die derzeitige Ausgestaltung des Gerichtsgebührengesetzes sogar als verfassungswidrig beurteilt.2 Im Europäischen Vergleich ist die Belastung durch Gerichtsgebühren in Österreich bei Weitem am höchsten.3 War Österreich bei der Erwirtschaftung von Überschüssen im Justizbereich durch Gerichtsgebühren schon nach einem Bericht der European Com­mission for the Efficiency of Justice aus dem Jahr 2016 mit 111 % im europäischen Vergleich eindeutig Spitzenreiter,4 so erhöhte sich dieser Überschuss dem Bericht 2018 zufolge sogar auf 117 %.5 Den immer höher werdenden Gebühren6 stehen für die Rechtssuchenden immer schlechtere Leistungsmöglichkeiten der unterfinanzierten Justiz gegenüber: Die Regierungsfraktionen selbst gingen sogar in den Materialien zum im Jahr 2018 beschlossenen Budget davon aus, dass die österreichische Justiz in Zukunft – wohl aufgrund mangelnden Budgets – in einigen Bereichen im europäischen Vergleich zurückfallen wird.7

Dass eine Überfinanzierung des Justizbudgets durch Gerichtsgebühren sicher kein Ruhmesblatt ist, merkte Mayer bereits 2012 an: „Wenn manche Politiker und ihre Mitarbeiter stolz darauf hinweisen, dass sich die Justiz über die eingehobenen Ge­richtsgebühren im Wesentlichen selbst finanziert, […] so zeigt sich darin ein erschreckendes Unverständnis von den Aufgaben des Staates. Es sei wiederholt, dass es zu den zentralen Aufgaben des Staates gehört, seinen Bürgern eine funktionierende Gerichtsbarkeit zur Verfügung zu stellen. Dass die Bürger einen effektiven Zugang zum Gericht haben, ist eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit, die nicht in Frage gestellt werden darf. Der Rechtsstaat darf etwas kosten!“8

Zwar hat die Regierung im Regierungsprogramm bereits angekündigt, dass sie Maß­nahmen zur Senkung der Gerichtsgebühren plant.9 Von der Opposition dazu gestellte Anträge10 wurden bisher allerdings nur vertagt. Ganz im Gegenteil wurde dem Justiz­ressort bisher nicht einmal annähernd ausreichendes Budget zur Verfügung gestellt, um eine verfassungsrechtlich gebotene Reform der Gerichtsgebühren überhaupt um­zu­setzen zu können. Dieser Antrag soll daher den Grundstein legen, damit eine Senkung der Gerichtsgebühren so bald wie möglich realisiert werden kann.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, das für eine Senkung der Gerichtsgebühren und deren Anpassung an die Europäische Norm notwendige Budget bei den Budget­ver­handlungen 2019 zu berücksichtigen. Der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz wird ersucht, sich für ein derartiges Budget einzusetzen. Der Bundesminister für Finanzen wird ersucht, dem Bundesminister für Verfassung, Refor­men, Deregulierung und Justiz ein derartiges Budget zuzuweisen.“

1 Vgl Mayer, AnwBl 2012, 272 f.

2 Vgl Bezemek, JRP 2018, 240 ff.

3 Vgl Council of Europe, European Judicial Systems, CEPEJ Studies No. 26 (2018) 65; ÖRAK, Wahrnehmungsbericht 2017/2018, 8.

4 Council of Europe, European Judicial Systems, CEPEJ Studies No. 23 (2016) 11.

5 Council of Europe, European Judicial Systems, CEPEJ Studies No. 26 (2018) 69.

6 Vgl dazu ÖRAK, Wahrnehmungsbericht 2017/2018, 8.

7 Vgl Teilheft UG 13 (Justiz und Reformen) BFA 2018, 106 [Kennzahl 13.3.1. im Zeitverlauf bis zum Jahr 2020].

8 Mayer, AnwBl 2012, 272.

9 Vgl Regierungsprogramm, 47.

10 89/A XXVI. GP des Abg Noll ua; 49/A(E) XXVI. GP der Abgeordneten Griss ua.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht, aus­reichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Als Nächster ist Herr Abgeordneter Kühberger zu Wort gemeldet. – Bitte.