Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Guten Morgen, Herr Bun­desminister! Frau Staatssekretärin Karoline Edtstadler hat am Montag gemeinsam mit Ihnen und dem Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz die Ergebnisse der Taskforce Strafrecht vorgestellt.

Während die Zahl der Gewaltdelikte im vergangenen Jahr erfreulicherweise zurück­ge­gangen ist, nämlich um 4,3 Prozent gesunken ist, ist beispielsweise die Zahl der Anzei­gen wegen Vergewaltigung um 14,6 Prozent gestiegen. Es müssen diesbezüglich drin­gend Schritte gesetzt werden, um nicht nur dafür zu sorgen, dass diese grauenhaften Straftaten gegen die sexuelle Integrität vor allem von Frauen wieder weniger werden, sondern um insgesamt mit voller Härte gegen Gewalt gegen Frauen und Kinder vorzu­gehen.

Daher lautet meine Frage:

118/M

„Welche wesentlichen Maßnahmen hat die Task-Force Gewaltschutz unter Leitung von Staatssekretärin Karoline Edtstadler ausgearbeitet?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundesminister, bitte.

Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Zunächst einmal wünsche ich auch von meiner Seite einen schönen guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Taskforce Strafrecht ist ein sehr, sehr wichtiges – wie Sie wissen – ressort­über­greifendes Projekt. Das war auch der Grund, warum ich die einzige Staats­sekretärin, die mir im Innenressort zur Verfügung steht, dafür abgestellt habe, um die dies­bezüg­lichen Koordinierungsmaßnahmen durchzuführen.

Wie Sie wissen, betrifft der Zuständigkeitsbereich der Taskforce mehrere Ressorts. Die Zuständigkeit des Innenressorts betrifft insbesondere die Bereiche Opferschutz und Täterarbeit. Für mich sind das zwei Seiten ein und derselben Medaille, die Gewalt­prävention heißt. Das ist der wesentliche Punkt.

Wir wissen, dass wir bereits in der Vergangenheit gute Werkzeuge gehabt haben, insbesondere die Möglichkeit, Betretungsverbote auszusprechen. Ich glaube, der ent­scheidende die Taskforce betreffende Punkt im Bereich des Sicherheitspolizei­geset­zes – und damit in meinem Ressort – ist die Ausweitung des Betretungsverbots zu einem Annäherungsverbot. In Zukunft wird Gefährdern untersagt sein, sich der gefähr­deten Person näher als 50 Meter anzunähern. Das betrifft in den meisten Fällen eben Frauen. Es ist dann im Verlauf von Scheidungsverfahren auch oft so, dass Frauen, logischerweise mit ihren Kindern, zu den gefährdeten Personen zählen. Damit gilt diese Regelung auch für diese Kinder, und diese sind vor weiteren Übergriffen durch die Gefährder beziehungsweise durch die Gewalttäter geschützt. Das ist ein wichtiger Schritt.

Die zweite Komponente ist die Arbeit mit dem Täter. Es ist da wichtig, sehr, sehr rasch in die Eskalationsspirale einzugreifen, um weitere Gewalttaten zu verhindern. Des­wegen schnüren wir in Zukunft diese Täter in sogenannten Gewaltinterventionszentren stärker in ein Korsett und „nötigen sie dazu“ – unter Anführungszeichen –, ein ent­sprechendes Beratungsgespräch durchzuführen. Wenn das erfolgsversprechend ist, dann wird mit diesen Leuten auch im Bereich des Antiaggressionstrainings gearbeitet.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete? – Bitte.

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Welche konkreten Maßnah­men werden im Rahmen der dritten Gewaltschutzsäule umgesetzt?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Diese dritte Gewaltschutzsäule, von der Sie sprechen, ist genau diese Arbeit am Täter. Bei vielen Menschen stößt es auf den ersten Blick zunächst einmal auf Unverständnis, dass man da auch Ressourcen einsetzt, dass man sich mit den Tätern auseinandersetzt, das ist aber notwendig, wenn man die Opfer effektiv schützen will.

Diese Einrichtung der Gewaltinterventionszentren ist ein wichtiger Schritt dazu. Wenn es in Zukunft zur Aussprache eines Annäherungsverbots kommt, dann muss sich der betreffende Gefährder binnen drei Tagen bei diesem Zentrum melden, und er muss binnen 14 Tagen eine entsprechende, nennen wir es Schulung, Beratungstätigkeit, die schon 2, 3 Stunden in Anspruch nimmt, absolvieren – und, wie gesagt, je nachdem, wie dort die Einschätzung ist, wird mit dem Täter weiter vorgegangen.

Für Hochrisikofälle gibt es dann sogenannte Fallkonferenzen, in die alle Beteiligten, die einen Beitrag dazu leisten können, das Gewaltpotenzial dieser Gefährder zu mini­mieren, involviert sind. Dafür braucht es aber die eine oder andere rechtliche Verän­derung, weil nicht alle, die bei diesen Fallkonferenzen dabei sind, von sich aus quasi der Amtsverschwiegenheit unterliegen. Deshalb muss man dafür Sorge tragen, dass diese Informationen, die sie dort bekommen, dort bleiben, wo sie hingehören.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Griss, bitte.

Abgeordnete Dr. Irmgard Griss (NEOS): Herr Bundesminister! Täterarbeit und Opfer­schutz sind zwei Schwerpunkte dieses Maßnahmenpakets – das kostet Geld, zum Teil sind da ja auch private Vereine eingesetzt.

Kriegen Sie das notwendige Budget? Wie hoch werden die Aufwendungen sein und inwieweit ist sichergestellt, dass das doch eine Maßnahme ist, die eine Zeit lang finanziert werden kann?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Frau Abgeordnete, wir haben uns das natürlich auch anhand von Vergleichszahlen angesehen, insbesondere im Zusam­men­hang mit den Betretungsverboten, die in der Vergangenheit ausgesprochen wurden. Wir rechnen mit einer Anfallszahl von insgesamt etwa 7 000, 7 500 solcher Fälle pro Jahr. Die Budgetmittel, die wir dafür veranschlagt haben, sind in etwa 1 Million Euro, wobei man dabei zwischen zwei Komponenten unterscheiden muss: der Komponente, die quasi die Infrastruktur für diese Beratungstätigkeiten betrifft – das ist der Kosten­anteil, den mein Haus trägt und den wir in Mitteln des Bundeskriminalamts zur Ver­fügung stellen werden –, und der Komponente – es ist mir auch ganz wichtig, dass man das dazusagt –, dass wir natürlich auch diese Gefährder oder diese Täter zur Kasse bitten. Die müssen nämlich für diese Beratung, die sie dort in Anspruch nehmen, einen entsprechenden Obolus entrichten.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Hochstetter-Lackner, bitte.

Abgeordnete Irene Hochstetter-Lackner (SPÖ): Guten Morgen! Das Frauenvolks­be­gehren hat sich in weiten Bereichen mit dem Thema Gewaltschutz auseinandergesetzt und auch entsprechende Forderungen eingebracht und formuliert. Auch die SPÖ hat Anträge zum Thema Gewaltschutz in den entsprechenden Ausschüssen eingebracht.

Was wird also abseits des Strafrechts getan, um eine Kultur der gegenseitigen Achtung zu fördern, damit es einfach gar nicht so weit kommt, dass das Strafrecht eingreifen muss?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Inneres Herbert Kickl: Ja, Frau Abgeordnete, wünschen können wir uns alle viel. Die Frage, wie wir insgesamt mit dem Problem der Gewaltbekämpfung und im Speziellen mit der Bekämpfung von Gewalt gegenüber Frauen umgehen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Ich sehe meinen Teil der Verantwortung in dem Kompetenzbereich, der mir als Innen­minister untersteht – das ist der Bereich des Sicherheitspolizeigesetzes mit den ent­sprechenden Regelungen. Natürlich leisten wir in anderen Bereichen, sozusagen ab­seits von dem, was jetzt in der Taskforce festgemacht worden ist und wo wir neue Wege gehen, auch in einem breiten Umfang entsprechende Präventionsmaßnahmen. Das wird auch weiter vorangetrieben, das wird unterstützt, etwa im Schulbereich, um ein Beispiel zu nennen. Diese Maßnahmen werden von uns fortgesetzt, aber ich glaube, es wäre zu einfach, zu glauben, dass man etwa vonseiten des Innenressorts oder von einem einzigen Ressort aus diese Problematik in den Griff bekommen kann.

Etwas, was mir ganz wichtig ist: Wenn wir von Gewalt gegen Frauen sprechen, dann dürfen wir eine Komponente nicht außer Acht lassen, nämlich jene Gewalt, die von Personen ausgeht, die aus fremden Kulturkreisen zu uns kommen (Zwischenruf bei der SPÖ) und die auch einen völlig anderen Zugang zum Thema Mann-Frau-Beziehung haben und von denen sehr, sehr oft die Frau als Eigentum des Mannes interpretiert wird. Also ich glaube, dass es notwendig ist, diesbezüglich auch bei den Integrations­maßnahmen strenger vorzugehen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf die Schülerinnen und Schüler der NMS  Hitzendorf recht herzlich in unserem Hohen Haus begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Wir kommen nun zur 2. Anfrage, die die Frau Abgeordnete Lueger stellt. – Bitte.