17.51

Abgeordnete Stephanie Cox, BA (JETZT): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minis­terin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist höchste Zeit, dass diese Regierungs­vorlage jetzt am Tisch liegt – in jeder Hinsicht! Zum einen liegen wir bei der Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie hinten, und auf der anderen Seite ist es ganz einfach untragbar, wenn wir im Jahr 2019 noch immer Webseiten und mobile Anwendungen haben, die nicht barrierefrei sind.

Was Barrierefreiheit im Web umfasst, ist recht klar geregelt, das kann man einfach googeln. Googeln Sie bitte einfach WCAG, was Web Content Accessibility Guidelines bedeutet. Man kann es sich aber auch einfach vorstellen, indem man beim Googeln die Augen schließt oder versucht, einmal ohne Hände zu tippen. Das sind sehr schwerwiegende Einschränkungen. Neben den schwerwiegenden Einschränkungen gibt es auch weniger schwerwiegende Einschränkungen wie beispielsweise Grauer Star oder Gicht. Das sind Erkrankungen, die zu einer Einschränkung führen und die man auch in Betracht ziehen muss. Wer seine Inhalte nicht barrierefrei aufbereitet, schließt diese Mitmenschen aus. Wer ausschließlich mit den Kosten für entsprechende Umrüstungen argumentiert, hat Barrierefreiheit im Web nicht verstanden. Barriere­freiheit zu programmieren und zu designen ist nämlich nachhaltig. Wer auf absolute Verständlichkeit und universelle Verfügbarkeit seiner Inhalte achtet, spart langfristig Geld.

Bei der Diskussion im Ausschuss konnte ich mir die Argumentation für die Ausnahme­regelungen anhören. Meine Kollegin von der ÖVP, Kollegin Himmelbauer, hat die Aus­nahmeregelung zum Beispiel für die Kindergärten bereits erwähnt. Ich verstehe das Argument schon, dass man es engagierten LehrerInnen und SchülerInnen nicht schwer machen möchte, aber dann müssen wir schauen, wie wir sie unterstützen kön­nen, weil es nämlich sehr wohl Eltern gibt, die auf eine Barriere stoßen, weil sie eine Behinderung haben. Diese Barriere muss man einfach angehen.

Es gibt genügend Beispiele von Webseiten und Apps des Bundes, bei denen Gelder für ganz andere Dinge verschwendet wurden. Schauen wir uns einmal das Digitale Amt an! Das Digitale Amt war in aller Munde, aber weder App noch Browserversion sind barrierefrei. In der Praxis schaut das so aus: Wenn Sie in Ihrem Browser die Anzeige von Bildern und Grafiken ausschalten, dann sollten Sie eigentlich durchgehend Alter­nativtexte statt Bildern sehen. Was passiert aber hier? Es kommen in den meisten Fällen nicht die Texte, die man eigentlich brauchen würde, stattdessen punktet das Digitale Amt nach wie vor mit Bewertungen von ein bis zwei Sternen in App Stores, Loginproblemen und unterschiedlichen Bugs.

Der Herr Kollege von der FPÖ hat vorhin argumentiert, dass es Alpha- und Beta-Testversionen gibt. Ja, ich komme aus dem Bereich. Es ist sehr wichtig, dass man hinausgeht und diese Phasen zulässt, man kann allerdings nicht die nächsten zehn Jahre in einer Beta-Phase steckenbleiben. Da muss man schon einen Schritt weiter­gehen. Das müssen wir schon auch rügen und sagen: Barrierefreiheit muss sein! Das Ziel muss sein, dass es barrierefrei zugänglich ist und dass wir nicht Werbekosten für etwas verschwenden, was nicht in der Art und Weise funktioniert, wie es funktionieren sollte.

Dafür wurden – das wurde bereits erwähnt – bisher über 1,2 Millionen Euro an Werbe­kosten ausgegeben. Wir geben also Millionen Euro für etwas aus, das nicht in der Form funktioniert, wie es funktionieren sollte. Eine 1,2 Millionen Euro teure Werbung für ein digitales Service des Bundes, das weder barrierefrei ist noch technisch sauber funktioniert, sind 1,2 Millionen Euro, die man zum Beispiel in den Umbau von Bun­deswebseiten und -apps investieren könnte, um sie barrierefrei zu machen, die man zum Beispiel auch verwenden könnte, um Kindergärten und Schulen zu supporten, wenn sie wirklich Webseiten haben, die sie selbst erstellt haben. Dabei kann man ihnen ja auch unter die Arme greifen. Das führt auch die vorliegende Regierungs­vor­lage ad absurdum.

Darum bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Stephanie Cox, BA, Philip Kucher, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen betreffend  „Werbekostenstopp für das Digitale Amt“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort, wird aufgefordert, die Bewerbung des Digitalen Amts unverzüglich zu stoppen, bis die versprochenen Services auf allen Endgeräten funktionieren und wirk­lich jeder und jede BürgerIn ohne Einschränkung daran teilhaben kann.“

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Das muss unser Ziel sein. (Beifall bei JETZT und NEOS.)

17.57

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Stephanie Cox, Philip Kucher, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „Werbekostenstopp für das Digitale Amt“

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunk 27 betreffend „Bericht des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung über die Regierungs­vorlage (574 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen des Bundes (Web-Zugänglichkeits-Gesetz –WZG) erlassen wird (655 d.B.)“ in der 86. Sitzung des Nationalrates, XXVI. GP, am 03. Juli 2019

Begründung

Am 19. März 2019 hat die damalige Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schafts­standort voller Stolz ihr Leuchtturmprojekt „Digitales Amt“ vorgestellt. Dass die mobile App und das Browser-Dependant von Anfang an nicht rund gelaufen sind, ist bekannt – schlechte Userbewertungen in den jeweiligen App Stores, Login-Probleme, anhaltende Bugs und mangelnde Usability. Trotz allem wurde der e-Government-Service beworben und unters Volk gebracht. 1,6 Millionen Euro sind bis 14. Juni 2019 laut einer Anfragebeantwortung des BMDW in die Bewerbung des Digitalen Amts geflos­sen.1 

Seit kurzem kann das Digitale Amt auch kein Englisch mehr.2  Laut Aussage der aktuell zuständigen Bundesministerin sei der Migrationsaufwand zu hoch. Mehrfacherfas­sun­gen bei Anträgen solle vorgebeugt werden. Einerseits eine plausible Argumentation vor dem Hintergrund der bis jetzt schon astronomisch hohen Entwicklungskosten (knapp 6 Millionen Euro), andererseits ein gravierendes Hindernis für all jene in Österreich Lebenden, die der deutschen (Amts-)Sprache nicht mächtig sind und trotzdem die Ser­vices nutzen wollen. Für User mit Behinderung ist weder App noch Browser-Version des Digitalen Amts nutzbar. Keine der beiden Varianten bietet barrierefreien Zugang.

Um es zusammenzufassen: die Regierung bewirbt eine technisch mangelhafte Anwen­dung, die bestimmte Bürger und Bürgerinnen ausschließt, mit unfassbar viel Geld. Mit dieser Steuergeldverschwendung muss Schluss sein.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirt­schaftsstandort, wird aufgefordert, die Bewerbung des Digitalen Amts unverzüglich zu stoppen, bis die versprochenen Services auf allen Endgeräten funktionieren und wirk­lich jeder und jede BürgerIn ohne Einschränkung daran teilhaben kann.

1 https://www.derstandard.at/story/2000104888684/digitales-amt-kostete-6-millionen-euro-werbung-1-6-millionen

2 https://orf.at/stories/3126506/

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Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhandlung.

Als Nächste hat sich Frau Bundesministerin Mag.a Elisabeth Udolf-Strobl zu Wort ge­meldet. – Bitte, Frau Ministerin.