16.28

Abgeordneter Ing. Markus Vogl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Wir diskutieren heute eigentlich einen Antrag der SPÖ, den wir zur Verfügung gestellt haben (Abg. Belakowitsch: Na ja, Moment, ich stehe auch drauf! Ganz stimmt es nicht!), damit hier das, was im letzten Jahr unter Schwarz-Blau passiert ist, repariert werden kann. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Ich glaube, das Wichtige ist, dass man gerade die Bezieher der kleinsten Einkommen entlastet, nämlich mit dem Familienricht­satz. Da geht es um 50 Euro im Monat, die diese Menschen mehr bekommen – und vor allem bekommen sie es rückwirkend mehr.

Das heißt, wir reparieren hier etwas, und manchmal, wenn man etwas reparieren muss, sagt man, das war ein Pfusch. Das bringt mich zu einer anderen Geschichte, und da muss ich vielleicht ein bisschen ausholen, bevor ich unseren Abänderungsan­trag einbringe. Wir haben erlebt, dass der Herr Wirtschaftskammerpräsident – und es war Faschingszeit, das ist immer ein bisschen eine Ausnahmesituation in unserem Land – in einer vielleicht sehr weinseligen Laune versucht hat, lustig zu sein und die 40 000 Euro, die die Wirtschaftskammer Österreich und die Wirtschaftskammer Wien für eine Loge beim Opernball ausgegeben haben, irgendwie als sparsam zu verkaufen. Wir wissen, dass der Herr Wirtschaftskammerpräsident viele Talente hat, aber ich glau­be, lustig zu sein ist nicht eines seiner Haupttalente. (Heiterkeit des Abg. Drozda.)

Jetzt ist natürlich ein anderer Wirtschaftstreibender versucht, sofort für ihn in die Bre­sche zu springen, er hat versucht, ihn in Schutz zu nehmen. Wie es dann halt so ist, wenn Alphamännchen aufeinandertreffen, wird auch ein bisschen ein Revierverhalten an den Tag gelegt und dann stänkert man vielleicht auch einmal gegen die Industriel­lenvereinigung. Das ist irgendwie so ein Match, wo man dann gerne einmal stänkert und sagt: Jetzt schaut doch da rüber, die wissen nicht, wie man mit dem Geld umgeht, die saufen Champagner, wir sind eh so sparsam! (Abg. Scherak: Bei denen ist es frei­willig, vor allem!)

Wo die Geschichte aber dann ein bisschen problematisch wird, ist, wenn man auf ein­mal in dieser aufgeheizten Atmosphäre etwas macht, was aus meiner Sicht gar nicht mehr in Ordnung ist, wenn man auf einmal die Arbeiterkammer mit ins Boot nimmt und sagt: Und wenn ihr richtig große Champagnerflaschen sehen wollt, dann geht zur Ar­beiterkammer!, wenn da also im Fernsehen bewusst eine Lüge erzählt wird.

Was mich bei dem Ganzen eigentlich gestört hat – Kollege Kopf, die Rede vorhin war sehr in Ordnung –, was gefehlt hat, ist aus meiner Sicht dieser Aufschrei; den hätte es damals auch gebraucht, nämlich den Sozialpartner vor dieser ungerechtfertigten Kritik in Schutz zu nehmen, bewusst dagegen aufzutreten, dass eine Lüge erzählt worden ist. Man hätte sofort sagen sollen: Das geht so nicht, das ist nicht in Ordnung!

Der Grund, warum ich die Geschichte so ausführlich erzähle, ist, dass mir leider Gottes die Geschichte als solche irgendwie bekannt vorkommt. Man behauptet einfach einmal Dinge, die nicht stimmen: Also da ist die Arbeiterkammerloge mit dem Champagner. – Aus der Vergangenheit ist noch so in Erinnerung: Da gibt es eine Funktionärsmilliar­de – daran können wir uns noch erinnern, die Funktionäre sind ja so teuer –, da gibt es so viele Dienstautos. Kennen wir diese Geschichte? – Wir alle wissen, dass das im Nachhinein betrachtet alles nicht gestimmt hat. (Zwischenruf der Abg. Kirchbaumer.)

Ich glaube, dass uns in Österreich die nächste große Reparaturmaßnahme bevorsteht. (Der Redner stellt eine Tafel verkehrt herum auf das Rednerpult.) Wir haben damals, als wir im Jahr 2008 die Sozialversicherung von Schwarz-Blau I übernommen haben (Abg. Scherak: Markus, du musst es umdrehen! – Heiterkeit bei den NEOS) – stimmt, die roten Zahlen sind immer oben, ihr habt vollkommen recht (die Tafel richtig hin­stellend) –, ein Minus in der Höhe von 1,8 Milliarden Euro übernommen. (Auf der Tafel mit der Aufschrift „Finanzsituation der allgemeinen Krankenversicherung von 2000 – 2024“ ist ein Diagramm mit einem blauen, einem roten und einem blaugrünen Balken zu sehen.) Wir haben es in mühevoller Arbeit geschafft, dass in der österreichischen Sozialversicherung wieder ein Überschuss von 800 Millionen Euro erzielt worden ist. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt kommt die nächste Reparatur. Das heißt, neben dem, was wir jetzt gerade im Kleinen reparieren, kommt hier diese große Reparatur. Den österreichischen Gesund­heitskassen droht ein Minus von bis zu 1,7 Milliarden Euro. Da im Gesetz steht, dass man, wenn man kein Geld hat, gezwungen ist, unter anderem Selbstbehalte einzufüh­ren, muss man die Frage stellen, wer am Ende darüber entscheidet, ob wir als Versi­cherte, die für den ganzen Schwachsinn, den man da angestellt hat, nichts können, auf einmal Selbstbehalte zahlen. Es sind die gleichen Arbeitgeber, die in einer Opernball­loge stehen und dort lustig sind, die dann darüber entscheiden, ob die Versicherten in diesem Land Selbstbehalte zu zahlen haben. Das geht aus meiner Sicht nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf daher folgenden Antrag einbringen:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Kolleginnen und Kollegen zu 50 der Beilagen

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt ge­ändert:

1. Folgende Ziffer 1 wird eingefügt:

1. § 31 entfällt.

2. Die (nachfolgende) Novellierungsanordnung hinsichtlich § 727 Abs. 2 erhält die Zif­fernbezeichnung „2“

*****

Damit würden wir verhindern, dass in Zukunft jene Leute Selbstbehalte in der Ge­sundheitskasse anschaffen können, die genau dafür verantwortlich sind. Ich glaube, das ist gescheit und das ist fair.

Vielleicht noch ein kleiner Hinweis – wir werden nachher noch einen Antrag einbringen, weil auch die Selbstbehalte bei den kleinen Selbstständigen aus unserer Sicht unsozial sind –: Wer glaubt, dass man ein bisschen eine andere Politik gerade für die kleinen Selbstständigen machen möchte: Unsere ehemalige Kollegin Doris Margreiter steht in Oberösterreich bei der Wirtschaftskammerwahl bereit. Ich glaube, sie ist eine gute Stimme für die vielen fleißigen kleinen Unternehmer in unserem Land. (Beifall bei der SPÖ.)

16.33

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc,

Genossinnen und Genossen

Zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales über den Antrag 195/A der Ab­geordneten Josef Muchitsch, Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden (50 d.B.)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes) wird wie folgt geän­dert:

1.        Folgende Ziffer 1 wird eingefügt:

           1. § 31 entfällt.

2.        Die (nachfolgende) Novellierungsanordnung hinsichtlich § 727 Abs. 2 erhält die Ziffernbezeichnung „2“

Begründung

Angesichts der drohenden desaströsen Bilanzverluste der ÖGK, die 1,7 Mrd bis 2024 betragen, kündigt ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer einen "Konsolidierungspfad" an. Man werde jetzt versuchen, "das Ruder herumzureißen", sagte Wurzer zur APA. Kürzen wolle man aber nicht bei den Leistungen für die Versicherten, sondern bei künf­tigen Honorarverträgen für Ärzte und andere Leistungsanbieter. Man werde ausgaben­seitig "den Gürtel enger schnallen" müssen, so Wurzer.

Tatsache ist, dass schon jetzt die Vertragsärzte der ÖGK um 20 % weniger an Honorar erhalten als die Vertragspartnerärzte der Selbstständigen. Selbstverständlich bedeute­ten niedrigere Honorarverträge auch Leistungskürzungen für die Versicherten, denn schon jetzt gibt es zu diesen Bedingungen immer weniger Vertragsärzte der ÖGK. Wenn die Ärzte der ÖGK noch weniger Geld erhalten, wird der Druck hin zu den Wahl­ärzten erhöht.

Zusätzlich zu diesen Leistungskürzungen besteht nach dem ASVG für den Dachver­band die Verpflichtung Selbstbehalte einzuführen, denn die Versicherungsträger sind bei ihrer Gebarung zur Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit verpflichtet.

Angesichts des drohenden Milliardenloches ist daher die Einführung von Selbstbehal­ten für die ÖGK-Versicherten ein sehr wahrscheinliches Szenario. Diese Einführung wurde durch das SV-OG auch noch erleichtert. In der Konferenz des neuen Dachver­bands der Sozialversicherungsträger ist keine Einstimmigkeit mehr für die Einführung von Selbstbehalten erforderlich. Sieben von zehn Stimmen reichen, wenn in einer ers­ten Abstimmungsrunde kein gültiger Beschluss zustande kommt.

Die Gebietskrankenkassen, die zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) fusio­niert werden, haben künftig im Dachverband zwei Stimmen. Je zwei Stimmen entfallen auf die weiteren Träger – die Versicherungsanstalt für den öffentlichen Dienst, Eisen­bahnen und Bergbau, die Sozialversicherung der Selbständigen, die Pensionsversiche­rungsanstalt und die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt. Insgesamt werden in der neuen Struktur Dienstgebervertreter die Mehrheit im Dachverband stellen. Die Einfüh­rung von Selbstbehalten kann daher sogar gegen den Willen der Gebietskrankenkas­sen beschlossen werden.

Um diese drohende Belastung für die über 7 Millionen Versicherten der ÖGK abzu­wenden, soll § 31 ASVG ersatzlos gestrichen werden.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Abänderungsantrag ist ordnungsgemäß ein­gebracht, auch ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Margreiter, nicht die Wirtschaftskammerfunk­tionärin aus Oberösterreich. – Bitte sehr. (Heiterkeit bei den NEOS.)