Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Herr Bundeskanzler, Sie haben bei der Frage des Kollegen Haubner ausführlich erwähnt, dass diese 50 Milliarden Euro bewegt wur­den. Wir wissen ja, dass bei den EPUlern, den Einpersonenunternehmen, aber auch im Klein- und Mittelbetriebsbereich relativ wenig bis gar nichts ankommt. Es ist suboptimal, das können wir, glaube ich, beide konstatieren.

Wo sehen Sie die Gründe dafür, dass das Geld dort nicht ankommt, wenn 50 Milliarden Euro bewegt wurden – was wir natürlich anders sehen, weil es Steuerstundungen sind? Gab es Schnittstellenprobleme? In welchem Bereich funktionierte es wirklich nicht?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 10/M, hat folgenden Wortlaut:

„Was waren die Gründe dafür, dass in den vergangenen drei Monaten die wirtschaftliche Hilfe bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht angekommen ist?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Guten Morgen, Herr Abgeordneter! Zunächst: Ich glaube, Sie haben vollkommen recht, man muss zwischen Steuerstundungen und Hilfen unterscheiden. Im Fall der Steuerstundungen ist vieles sehr, sehr schnell gegangen. Im Normalfall gab es da eine Bewilligung innerhalb von 48 Stunden. Bei den Hilfen war es natürlich notwendig, gesetzliche Grundlagen zu schaffen, Verordnungen zu erarbeiten. Gerade wenn große Summen ausgezahlt werden, dann muss es auch eine gewisse Form der Kontrolle geben.

Bei der Kurzarbeit zum Beispiel war es eine Herausforderung, dass die Struktur des AMS schlicht und ergreifend für einige Hundert Fälle pro Jahr ausgelegt war und man schlag­artig mit 100 000 Anträgen konfrontiert war. Das ist so, wie wenn Sie als Wirt es gewohnt sind, am Abend 100 Personen zu bewirten und für 100 Personen zu kochen, und auf einmal kommen an einem Abend nicht 100 Gäste, sondern 10 000 Gäste zu Ihnen. (Zwi­schenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Sie werden auch einige Zeit brauchen, Ihre Struktu­ren so zu adaptieren, dass Sie dem gerecht werden können.

Was den Härtefallfonds betrifft: Da ist es so, dass bis zu 80 Prozent des Einkommens mit einer Obergrenze von 2 500 Euro netto pro Monat ersetzt werden sollen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schellhorn? – Bitte.

Abgeordneter Josef Schellhorn (NEOS): Mir ging es eher um die Schnittstellen, weil das Geld nicht ankommt. Das ist ja das Thema und das ist ja der Grund für die Unzufrie­denheit. Ich frage mich dann schon, wen die Wirtschaftstreibenden jetzt wählen würden.

Meine Zusatzfrage geht aber in die Richtung, dass Sie – also vor allem die Gastronomie­ministerin, wie sie seit Kurzem genannt wird – Steuerermäßigungen für Speisen und Ge­tränke angekündigt haben. Meine Frage – weil Sie auch immer wieder von der Krise in der Hotellerie, in der Stadthotellerie gesprochen haben – lautet: Warum haben Sie nicht auch da eine Steuerermäßigung auf die Logis auf 5 Prozent vorangetrieben?

Beziehungsweise: Wie können Sie es begründen – weil in der Hotellerie ja gar keine Hilfen angekommen sind –, dass die Bauern, die sagen können, dass sie in der letzten Zeit gar keine Verluste gehabt haben, ein 500-Millionen-Euro-Paket kriegen? (Zwischen­rufe bei der ÖVP.) – Na ja, es wurde ja immer wieder argumentiert, dass man den Bauern Dank ausgesprochen hat, weil die so viele Lebensmittel produziert haben, nicht? (Abg. Wöginger: ... exportiert ...!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich versuche, auf all Ihre Fragen einzugehen. (Abg. Schellhorn: ... die Zwischenrufe ...!) – Ja, ja, ich versuche, auf all Ihre Fragen einzuge­hen. Zunächst einmal beginne ich mit dem letzten Teil: der Landwirtschaft. Ich glaube schon, dass es da eine große Betroffenheit gibt, da viele Landwirte natürlich eng mit der Gastronomie zusammenarbeiten, mit dem Tourismus, weniger Leute im Land sind, die Preise dadurch teilweise gefallen sind. Das heißt, in einer Branche, die teilweise ohnehin schon betriebswirtschaftlich schwierig zu führen ist, ist es natürlich problematisch, wenn die Preise, der Umsatz um 20, 30 Prozent fallen.

Zum zweiten Bereich, den Sie angesprochen haben, zum Tourismus: Sie haben voll­kommen recht, dass der Tourismus eine ganz besonders betroffene Branche ist. Darum haben wir uns auch dafür entschieden, den Fixkostenzuschuss auf das ganze Jahr zu verlängern, um insbesondere die Städtehotellerie zu unterstützen. Die Idee der Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen wurde von vielen Touristikern unterstützt, weil viele Tou­rismusbetriebe ja nicht nur die Nächtigung anbieten, sondern natürlich auch einen Gas­tronomiebetrieb und die Verpflegung dazu.

Zum ersten Punkt – die Hilfen kommen nicht an oder niemand hat etwas bekommen –: Ich verstehe jeden, der ungeduldig ist, der unter irrsinnigem Druck ist, der sagt: Mir geht es schlecht, weil die Weltwirtschaftslage einfach eine furchtbare ist! – Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, dass wir in Österreich 80 000 Betriebe haben, die bisher schon Kurzarbeitsgelder bekommen haben. Wir haben die Situation, dass die Steuer­stundungen innerhalb von 48 Stunden funktioniert haben. Wir haben die Situation, dass wir eines von ganz wenigen Ländern sind, die für die Kredite 100-Prozent-Garantien vergeben. Das hat einige Wochen gebraucht, weil das die beihilferechtlichen Regelun­gen der Europäischen Union zu Beginn nicht hergegeben haben. (Abg. Meinl-Reisin­ger: Das war schon im April der Fall! Das ist nicht wahr! Das ist ja lächerlich! Wir haben Juni!) Wir haben die Situation, dass der Fixkostenzuschuss im Durchschnitt innerhalb von sechs Tagen bearbeitet wird, die Abrechnung der Kurzarbeit – sobald sie abgege­ben wird – innerhalb von sieben Tagen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Neßler.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Matz­netter. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Bundeskanzler, an dem ominö­sen Wochenende vom 14./15. März vor dem Lockdown hat die von Ihnen geführte Bun­desregierung und die Mehrheitsfraktion von ÖVP und Grünen versucht, einen seit dem Epidemiegesetz 1950 bestehenden gesetzlichen Anspruch auf vollen Schadenersatz und Verdienstentgang abzuschaffen. Danach waren die Personen, viele Zigtausende Unternehmer, gezwungen, als Bittsteller, als Almosenempfänger – von Ihnen selbst de­finitorisch zu Härtefällen degradiert – Ansprüche zu stellen.

Meine Frage ist: Warum haben Sie nicht wie die Nachbarländer Schweiz und Deutsch­land einen Weg gewählt, bei dem wie in der Schweiz innerhalb von vier Tagen nach dem Lockdown alle ihr Geld gehabt haben, weil es gegen nachfolgende Überprüfung mit der Steuer ausbezahlt wurde, oder wie in Deutschland, wo das durch die Finanzverwaltung erfolgt ist und der Effekt der sofortigen Zahlung der war, dass in Deutschland die Ar­beitslosigkeit in einem viel geringeren Ausmaß gestiegen ist als in Österreich?

Warum wurde der Weg – x Institutionen: WKO, AWS, AMS, ÖHT, Cofag und was es da noch alles gibt – mit Richtlinien kompliziert im Wochentakt geändert, ein Bürokratie­monster geschaffen, statt den erfolgreichen Weg wie in der Schweiz und in Deutschland zu gehen: einfach sofort auszahlen? (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Ich teile Ihre Einschätzung nicht. Wenn das, was Sie sagen, stimmen würde, dann müsste es ja so sein, dass nur in Österreich ein Wirt­schaftseinbruch stattgefunden hat und die Situation an der Schweiz oder an Deutschland spurlos vorbeigegangen ist. Wenn Sie sich den prognostizierten wirtschaftlichen Ein­bruch anschauen, dann ist der in sehr vielen Ländern sehr, sehr ähnlich, inklusive Deutschland, der Schweiz und Österreich. (Zwischenrufe der Abgeordneten Meinl-Rei­singer, Drozda und Rendi-Wagner.) Insofern kann ich Ihnen nur sagen, dass ich Ihre Darstellung so nicht teile.

Warum sind verschiedene Maßnahmen auf unterschiedliche Institutionen aufgeteilt wor­den? – Weil die Institutionen sonst schlicht und ergreifend zusammengebrochen wären. Wenn wir eine Institution, die auf einige Hundert Anträge pro Jahr ausgelegt ist, auf einmal für 100 000 Anträge verantwortlich machen, dann kann das gerade noch irgend­wie funktionieren; aber wenn man einer Institution alles umhängt, dann gibt es einen Zusammenbruch. (Abg. Meinl-Reisinger: Wir haben es an den Referenzzahlen gesehen!)

Noch dazu ist Ihre Darstellung der Schweiz vollkommen unrichtig. Da in der Schweiz, wie Sie vielleicht wissen – oder auch nicht –, vieles föderal ist, sind die Wirtschaftshilfen innerhalb der Schweiz überhaupt nicht ident, sondern von Kanton zu Kanton stark unter­schiedlich (Abg. Meinl-Reisinger: ... aber besser!), und ich habe Rückmeldungen von Unternehmen bekommen, die teilweise zufrieden und teilweise unzufrieden sind, je nachdem, in welchem Kanton sie wirtschaftlich tätig sind. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Hau­ser. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundeskanzler! So ganz nach dem Motto: Täglich grüßt das Murmeltier, setzen wir uns ja schon seit zwei­einhalb Monaten für die kleinsten Beherbergungsbetriebe in Österreich ein.

Es sind immerhin 41 000 Betriebe, die jetzt nicht vor der Situation stehen, Hilfsgelder zu spät zu bekommen, sondern die bis jetzt vollkommen durch den Rost gefallen sind, weil sie überhaupt nicht anspruchsberechtigt sind. Das sind die kleinsten der Kleinen, das sind die privaten Vermieter von Ferienwohnungen, die ihre Ferienwohnung mit maximal zehn Betten im Zuge des häuslichen Zu- und Nebenerwerbes betreiben, also auch un­glaublich wichtig für den ländlichen Raum sind.

Uns ist es nach zweieinhalb Monaten Einsatz noch immer nicht gelungen, zu erreichen, dass diese privaten Vermieter von Ferienwohnungen – so wie die Vermieter von Urlaub am Bauernhof, die bereits seit Ende März über den Härtefallfonds entschädigt werden – überhaupt anspruchsberechtigt sind.

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, was denken Sie, wenn diese jetzt die Fragestunde mitansehen und hier permanent Zahlen von 50 Milliarden Euro und anderen Summen durch die Gegend schwirren - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Kommen Sie zur Frage! Sie haben die Rede­zeitbeschränkung von 1 Minute schon erreicht.

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (fortsetzend): Darf ich die Frage stellen?

Wieso kommen die privaten Vermieter von Ferienwohnungen nicht in den Genuss, über den Härtefallfonds entschädigt zu werden?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Herr Bundeskanzler, bitte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Wir werden uns bemühen, diesbezüglich eine Lösung zu finden. Die Herausforderung ist, dass Sie natürlich irgendwo Trennlinien und Abgren­zungen setzen müssen.

Vermietung ist ein sehr weiter Begriff. Diese kann dauerhaft sein und gar nicht im Zu­sammenhang mit Corona stehen, und es kann sich um Ferienbetriebe handeln, bei de­nen Sie dann inhaltlich natürlich recht haben. Das ist eine gar nicht so einfache Ab­grenzungsfrage. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Jakob Schwarz. – Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker, Leichtfried und Matznetter. – Abg. Martin Graf: Das wird denen jetzt aber helfen!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen jetzt zur 6. Anfrage, jener des Ab­geordneten Gerstl. – Bitte.