Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! (Bundesministerin Edtstadler schaut in Richtung des Rednerpultes vor den Sitzreihen der SPÖ, der Redner steht jedoch am Rednerpult vor den Sitzreihen der ÖVP.) Hier bin ich! Ja, das ist ungewöhnlich, ich weiß, ja! (Heiterkeit der Bundesministerin Edtstadler.) Ich bitte, das jetzt nicht zur Fragezeit zu zählen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Stoppuhr läuft, es hilft nichts! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (fortsetzend): Was ich fragen wollte: Es hat ja im Zuge der Covid-Zeit eine wahre Flut an Gesetzen und Verordnungen gegeben, die zur Bekämpfung der Auswirkungen dieser Krise erlassen wurden, und mich würde inter­essieren: Haben Sie als Verfassungsministerin beziehungsweise hat der Verfassungs­dienst jemals diese ganzen Regelungen auf Verfassungskonformität überprüft bezie­hungsweise – wenn er hat beziehungsweise Sie haben – in welchem Umfang, und was ist da herausgekommen?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 24/M, hat folgenden Wortlaut:

„Haben Sie als für Verfassung zuständige Ministerin und der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts alle in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifenden Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-Pandemie auf deren Verfassungskonformität hin überprüft?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesminister.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Grundsätzlich ist es so, dass jede Ministerin, jeder Minister in ihrem, in sei­nem eigenen Wirkungsbereich natürlich auch dafür verantwortlich ist, die ent­sprechende Verfassungskonformität bei der Erlassung von Verordnungen, Erlässen, aber auch bei Gesetzesvorschlägen, die ja von diesem Hohen Haus dann zu beschließen sind, einzuhalten.

Der Verfassungsdienst, der mir untersteht, ist im normalen Begutachtungsverfahren auf­gerufen, Stellungnahmen abzugeben und die Verfassungskonformität von Gesetzen – oder wenn Verordnungen in Begutachtung geschickt werden, auch von Verordnungen – zu prüfen und dann seine Meinung in dieser Stellungnahme auch entsprechend kund­zutun.

Sie wissen, dass während der Coronaphase aufgrund der zeitlichen Vorgaben kein Be­gutachtungsverfahren durchgeführt worden ist, sondern die Vorlagen mittels Initiativ­antrag eingebracht worden sind, und Gleiches gilt auch für die erlassenen Verord­nun­gen. Insbesondere der Gesundheitsminister war diesbezüglich ja ganz massiv gefor­dert, entsprechende Verordnungen auf den Weg zu bringen.

Was ich aber meinen Ministerkolleginnen und -kollegen, weil es eben aus Zeitgründen kein ordentliches Begutachtungsverfahren gab, angeboten habe, war, die Expertinnen und Experten des Verfassungsdienstes trotzdem einzubinden. Das ist teilweise auch genützt worden, und in diesem Rahmen hat der Verfassungsdienst auch seine Stel­lungnahmen – informell – zur Verfassungskonformität von Vorschlägen abgegeben.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Leichtfried? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Das hat dann am Ende – wir haben das ja auch kritisiert und immer stärker kritisiert – dazu geführt, dass in Österreich Amts­handlungen gesetzt wurden, die ohne Rechtsgrundlage erfolgt sind, dass es Strafen, die ohne Rechtsgrundlage erfolgt sind und die jetzt auch zurückgezahlt werden müssen, gab.

Wir haben Verordnungen gehabt, die nicht mit den Gesetzen übereingestimmt haben, wir haben Gesetze gehabt, die scheinbar verfassungswidrig waren, und wir haben am Ende einen Bundeskanzler gehabt, der gesagt hat – jetzt nicht wortwörtlich, aber sinn­gemäß –: Die ganze Verfassung ist mir wurscht! (Widerspruch bei der ÖVP.)

Wie können Sie das als Verfassungsministerin akzeptieren, und was haben Sie vor, um dafür zu sorgen, dass so etwas in Zukunft in unserem Land nicht mehr geschieht, dass also unsere Verfassung wieder eingehalten wird? (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Fürlinger.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Zum Ersten weise ich es auf das Schärfste zurück, dass irgendjemand die Verfassung nicht ernst nimmt. Ganz im Gegenteil! Die gesamte Bundesregierung und selbstverständlich der Bundeskanzler, als Kopf dieser Bundesregierung, als Primus inter Pares, sind alle auf die Verfassung angelobt; und wir legen – genauso wie unsere Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter – natürlich jeden Tag in unserer Arbeit auf die Verfassungs­konformität von Gesetzen, Verordnungen und Ermächtigungen höchsten Wert. – Das ist das Erste. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Zweite ist, dass es in dieser Gesundheitskrise notwendig war, rasch Maßnahmen zu setzen, das haben wir getan. Das hat auch dazu geführt, dass das Virus eingedämmt werden konnte. Ich möchte das auch betonen: Der Großteil der Bevölkerung hat diese Maßnahmen mitgetragen, denn nur mit der Mitwirkung des Großteils der Menschen ist es auch gelungen, tatsächlich zu einer Abflachung der Kurve zu kommen. Der Gesund­heitsminister hat dann, weil natürlich er derjenige war, der sehr stark gefordert war, auch die Expertinnen und Experten des Verfassungsdienstes einbezogen, und es gab auch im Gesundheitsministerium Expertenrunden, in denen auch meine Experten aus dem Verfassungsdienst beteiligt waren.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Stocker. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Christian Stocker (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Wir haben ja erlebt – und es hat sich an den Fallzahlen eindrucksvoll gezeigt –, dass die Maßnahmen des Parlaments und der Bundesregierung dazu geführt haben, dass die Ausbreitung des Coronavirus in Österreich sehr rasch und sehr effektiv eingedämmt werden konnte. Dazu war es natürlich erforderlich, dass die dazu Bezug habenden Ge­setze und Verordnungen rasch in Kraft gesetzt werden, damit sie auch umgesetzt wer­den konnten. Ein Begutachtungsverfahren von sechs Wochen oder länger hätte das natürlich verzögert.

Meine Frage ist daher: Erachten Sie es in Anbetracht dieser krisenhaften Situation und auch des Ausmaßes der Krise, das wir hier in Österreich feststellen mussten, für richtig, dass diese Vorgangsweise gewählt wurde und ausnahmsweise auf eine sonst übliche Begutachtung verzichtet wurde? Und vor allem auch: Haben sich aus Ihrer Sicht oder aus der Sicht des Verfassungsdienstes Bedenken gegen die Verfassungskonformität dieser Vorgangsweise ergeben?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Der Zusammenhalt einer Gesellschaft zeigt sich vor allem in Zeiten der Krise. Der Zusammenhalt hat sich in der Bundesregierung, hier im Hohen Haus über alle Parteiengrenzen hinweg und auch in der Gesellschaft, bei denen – und das ist der allergrößte Teil der Bevölkerung gewesen –, die sich an diese Maßnahmen gehalten haben, gezeigt.

Um zu Ihrer Frage zu kommen: Ich halte es daher nicht nur für richtig, sondern für absolut notwendig, dass rasch Maßnahmen gesetzt worden sind. Wir haben hier in Österreich, glaube ich, vorbildlich gehandelt. Wir haben es so auch geschafft, das Coronavirus ein­zudämmen und die Infektionszahlen niedrig zu halten; und deshalb: Ja, es war richtig.

Ich darf aber auch eines hinzufügen: Als Verfassungsministerin und auch als gelernte Legistin ist es mir natürlich lieber, wenn es ein Begutachtungsverfahren in der Dauer von den von Ihnen angesprochenen sechs bis acht Wochen gibt und sich auch alle Stellen, die sich damit befassen und Expertise haben, äußern können. Daher freut es mich, dass wir jetzt in einer Art neuer Normalität angekommen sind und auch wieder entsprechende Begutachtungsphasen bei der Entstehung von Gesetzen zur Geltung kommen lassen können.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Ragger. – Bitte.

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich möchte an die Ausführungen des Kollegen anschließen, nämlich insofern, dass ich Sie nicht als Legistin, sondern als Praktikerin anspreche. Es gibt ja sehr viele Menschen, die eine Verwaltungsstrafe erhalten haben, und ich bin davon überzeugt, dass wir im Hinblick auf die Verwaltungsstrafen einen konformen Tatbestand herzustellen haben. Daher frage ich Sie, ob es von Ihrer Seite angedacht ist, nicht nur ein Amnestiegesetz für die Per­sonen, die diese Verwaltungsstrafen erhalten haben, zu erlassen, sondern mit dem Ver­fassungsdienst auch eine rechtskonforme Lösung dahin gehend sicherzustellen, dass all diese Covid-Maßnahmen rechtskonform abgelaufen sind.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Zunächst möchte ich noch einmal festhalten, dass sich der Großteil der Menschen an Maßnahmen gehalten hat, die dazu geführt haben, dass wir das Virus eindämmen konnten.

In einigen Bereichen kam es da ganz offensichtlich zu Problemen bei der Anwendung oder auch bei der Ausgestaltung. Dazu kann ich Ihnen als Verfassungsministerin nur sagen: Österreich ist ein Rechtsstaat; es gibt den Rechtsweg, der zu beschreiten ist; es gab auch schon einzelne Aufhebungen. Dieser Rechtsweg ist in einem Rechtsstaat einzuhalten. Wir sind froh, dass wir diese Möglichkeit haben. Im Übrigen darf ich auch darauf hinweisen, dass es gerade Verfahren gibt, die vor dem Verfassungsgerichtshof anhängig sind. Es gebieten alleine der Anstand und der Respekt vor diesem Höchst­gericht, dass ich diesen Einschätzungen und auch den Gerichten nicht vorgreife.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die 3. Anfrage stellt Abgeordnete Steger. – Bitte sehr.