19.25

Abgeordnete Eva Maria Holzleitner, BSc (SPÖ): Herr Präsident! Frauen Ministerin­nen! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe ZuseherInnen! Zunächst: Ja, wir begrüßen die Anhebung der Zuverdienstgrenze für Studierende auf 15 000 Euro. Wir sagen aber schon auch ganz klar: Es braucht ein umfassenderes Paket. Wir bleiben auf jeden Fall dran, wenn es darum geht, dass Studiengebühren aus dem Sommersemester 2020 zu­rückbezahlt werden sollen. (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der SPÖ: Genau!) Wir bleiben auf jeden Fall dran, wenn es heißt: Studiengebührenbefreiung für berufstätige Studie­rende! Ein Kollege der ÖVP hat es ja auch im Familienausschuss gesagt: Die, die arbei­ten, sollen eigentlich nicht bestraft werden.

In einem weiteren Schritt muss man sich auf jeden Fall anschauen, warum die soziale Schieflage an Österreichs Hochschulen noch immer so groß ist und warum so viele Stu­dierende arbeiten müssen, um sich die Ausbildung überhaupt leisten zu können.

Weiters darf ich noch einen sehr umfassenden Entschließungsantrag der Abgeordne­ten Eva Maria Holzleitner, BSc, Petra Wimmer, Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolle­ginnen und Kollegen einbringen, den ich in den Grundzügen erläutere.

Wir sagen ganz klar, es braucht jetzt ein Maßnahmenpaket gegen Kinderarmut. Wa­rum? – Weil einfach schon vor der Krise 300 000 Kinder von Armut betroffen oder be­droht waren, das heißt jedes fünfte Kind, und das hat sich natürlich während Corona noch weiter verschärft.

Ich finde es eigentlich total grotesk, wenn sich die FPÖ in der Aktuellen Europastunde hierherstellt, wahnsinnig betroffen ob der Kinderarmut in Österreich ist, aber – kurzer Reminder – Schwarz-Blau die Mindestsicherung flächendeckend für unzählige Kinder in Österreich gekürzt hat. Das war eine extrem verschärfende Maßnahme, die die Kinderar­mut in Österreich noch weiter zunehmen hat lassen, und das ist höchst dramatisch.

Die Volkshilfe hat im Juni 2020 eine Umfrage unter armutsbetroffenen Familien ge­startet. Was ist rausgekommen? – Eine eklatante Verschlechterung der Lebensqualität aufgrund von verschiedenen Belastungen – finanzielle Belastungen, Vereinsamung, Iso­lation, Herausforderungen durch Homeschooling und Co. All das sind Fakten, über die wir nicht nur diskutieren dürfen, wir müssen auch rasch Lösungen liefern, weil sich sonst Kinderarmut noch viel mehr verschärft. (Beifall bei der SPÖ.)

Was braucht es dazu? – Es braucht zum einen mehr Schulpsychologinnen und Schul­psychologen, mehr Kindertherapieplätze, weil gesundheitliches Wohlbefinden einfach nicht vom Börserl der Eltern abhängen darf, egal ob es um psychische oder physische Gesundheit geht, genauso wenig wie Bildung. Es braucht flächendeckend Förderun­terricht, kostenlos, die Ganztagesschule, und zwar jetzt – nicht mehr auf die lange Bank schieben! Bringen wir Schule in Österreich ins Jahr 2020, und zwar heute, begleitend mit gratis Tablets und dem Ausbau von Schulsozialarbeit! Inklusive Angebote braucht es außerdem auch, und es braucht armutssensible Pädagogik in allen Kindergärten und Schulen mit Konzentration auf Ermächtigung und Teilhabe für Kinder und Jugendliche.

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Abschließend: Rauf mit dem Arbeitslosengeld! Rauf mit dem Familienzuschlag! Und: Her mit der Unterhaltsgarantie für Kinder und Jugendliche! Handeln wir rasch, ermöglichen wir beste Bildungs- und Zukunftschancen für alle Kinder und Jugendlichen in Österreich! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Neßler.)

19.29

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Eva-Maria Holzleitner, BSc, Petra Wimmer, Mag.a Dr.in Sonja Ham­merschmid, Genossinnen und Genossen,

betreffend Maßnahmen gegen Kinderarmut

Je länger die Corona-Krise dauert, desto deutlicher treten die massiven Versäumnisse der Bundesregierung beim Corona-Krisenmanagement zu Tage. Der Vorsprung aus dem Frühling wurde leichtfertig verspielt, die Situation gerät zunehmend außer Kontrolle. Wie immer in Krisenzeiten sind Kinder die besonders Leidtragenden.

Bereits vor Ausbruch der Corona-Krise waren mehr als 300.000 Kinder - also jedes fünfte Kind in Österreich - von Armut betroffen. Die Corona-Pandemie verschärft die Probleme vor allem von AlleinerzieherInnen und kinderreiche Familien noch zusätzlich. Die Volks­hilfe Österreich hat im Juni 2020 eine Umfrage unter armutsbetroffenen Familien in ganz Österreich durchgeführt.1 Die Ergebnisse zeigen eine eklatante Verschlechterung der Lebensqualität von armutsbetroffenen Familien in Zeiten der Pandemie.

Zum Beispiel haben rund 50 Prozent der Befragten ihre aktuelle Lebensqualität aufgrund von COVID mit einer Schulnote 4 bis 5 bewertet und auf die Hälfte der befragten Familien hat die Krise finanziell negative Auswirkungen - wobei man bedenken muss, dass diese bereits vorher schon von Armut betroffen waren. Zusätzlich darf nicht vergessen werden, dass während der Lockdown-Phase Home Schooling, keine Treffen mit Freundinnen und Freunden, keine sozialen Kontakte außerhalb des Familienverbandes - eine enorme Belastung für Kinder und Jugendliche darstellte.

Die Corona-Krise hat auch emotional Auswirkungen auf die Kinder und Jugendlichen. 57 Prozent der befragten Eltern gaben an, dass ihre Kinder einsamer, 53 Prozent ag­gressiver und sogar 74 Prozent trauriger waren. 82 Prozent der Befragten meinten hin­gegen, dass sich ihr Kind wieder auf den Schulbesuch gefreut hat.

Auch der Kinder- und Jugendnotruf "Rat auf Draht", der telefonisch rund um die Uhr sieben Tage die Woche erreichbar ist und die Beratung anonym sowie kostenlos durch­führt, berichtete besorgniserregende Entwicklungen seit Beginn der Corona Pandemie bzw. der Lockdown-Phase.

Unter anderem verzeichneten sie einen starken Anstieg bei Schlafproblemen (240 Pro­zent), Anfragen zu psychischen Erkrankungen wie Panikattacken oder Depressionen (146 Prozent), Suizidgedanken und Autoaggression wie etwa Ritzen (jeweils 54 Prozent) sowie physischer Gewalt in der Familie (88 Prozent). Die "klassischen" Teeny-Probleme - wie z. B. die erste Liebe oder Taschengeld - werden vom Thema psychischer und physi­scher Gesundheit größtenteils verdrängt.2

Die Bundesregierung hat bisher nur kaum oder wenig getan, um diese Kinder und Fa­milien zu unterstützen. Dabei braucht es nicht nur leere Versprechen, sondern endlich entschiedene Maßnahmen gegen Kinderarmut. Kinder, die in Armut aufwachsen, haben wesentlich geringere Chancen auf ein gutes Leben. Von Armut betroffene Kinder sind die chronisch kranken Menschen von morgen, oft mit schlechter Ausbildung und oft ohne Job. Um sicherzustellen, dass aus Kindern auch gesunde Erwachsene werden, müssen ausreichend Therapieangebote wie Logopädie, Ergotherapie oder Psychotherapie vor­handen sein. Derzeit sind ganze Regionen ohne psychotherapeutische Angebote für Kinder, woraus sich unverhältnismäßig lange Wartezeiten ergeben. Hier gilt es gesund­heitspolitisch gegenzusteuern!

Schuld daran ist auch unser Bildungssystem. Bildung hängt noch immer viel zu stark von den Eltern ab: Mehr als ein Viertel der SchülerInnen brauchte bereits vor Ausbruch der Corona-Krise externe Nachhilfe. Unser Schulsystem ist also geprägt von privater Nach­hilfe und Hausübungen – und damit sind Kinder, die Hilfe brauchen, unmittelbar davon abhängig, wie gut sie zu Hause unterstützt werden. Dabei wäre gerade Bildung die beste Schutzimpfung gegen Armut. So lange unser Schulsystem sich aber auf die Eltern, an­statt die Kinder konzentriert, wird sich wenig an der Situation ändern.

Auch wenn die Schule an sich entgeltfrei ist, müssen Eltern immer mehr Geld privat zu schießen. Neben Hefte, Kopierkosten und anderes Unterrichtsmaterial, müssen auch digitale Endgeräte angeschafft werden. Wir fordern gratis Tablets und Laptops für alle SchülerInnen. Was unter Kreisky das gratis Schulbuch war, ist heute die gratis Ausstat­tung mit einem digitalen Endgerät.

Damit nicht noch mehr Familien durch die Corona-Krise in die Armut rutschen, braucht es eine Vielzahl an Maßnahmen!

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat möge beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert umgehend Maßnahmen gegen Kinderarmut um­zusetzen:

•           Erhöhung des Arbeitslosengeldes von 55 Prozent des Netto-Einkommens auf 70 Prozent. Damit erhöht sich das Einkommen aller Arbeitslosen und damit auch jener Menschen, die aufgrund der Corona-Krise unverschuldet in die Arbeitslo­sigkeit gerutscht sind, um fast 30 Prozent.

•           Erhöhung des Familienzuschlages zum Arbeitslosengeld auf 100 Euro statt 29 Euro im Monat für jedes Kind.

•           Unterhaltsgarantie: Das Ausbleiben von Unterhaltszahlungen stellt eine echte Ar­mutsfalle für Kinder und Alleinerziehende dar. Die Lücken im österreichischen Unterhaltsrecht müssen endlich geschlossen werden, um Kinder, die keinen oder einen sehr geringen Unterhalt bzw. Unterhaltsvorschuss erhalten, finanziell abzu­sichern.

•           Ausbauoffensive für ausreichende Kinder-Therapieplätze.

•           Flächendeckenden Förderunterricht: Kinder, die mehr Unterstützung brauchen oder in einem Fach Schwierigkeiten haben, sollen ein entsprechendes Unterstüt­zungsangebot und gratis Nachhilfe an den Schulen bekommen – flächendeckend und österreichweit in allen Hauptgegenständen zwei zusätzliche Förderstunden.

•           Weg von der „Hausübungsschule“ – Ausbau der Ganztagsschule: Wien ist hier Vorreiterin: für die verschränkte Ganztagsschule müssen Eltern nun keine Beiträ­ge mehr bezahlen, auch für ein kostenfreies Mittagessen wird gesorgt. Eine sol­che Ausbauoffensive braucht es bundesweit.

•           Gratis Tablets: Was unter Kreisky das gratis Schulbuch war, ist heute die gratis Ausstattung mit einem digitalen Endgerät.

•           Bundesweiter Ausbau von Schulsozialarbeit und die Bereitstellung finanzieller Mittel hierfür.

•           Aufstockung von mindestens 100 zusätzlichen SchulpsychologInnen.

•           Eine armutssensible Pädagogik in allen Kindergärten und Schulen implementie­ren, mit Konzentration auf Ermächtigung und Teilhabe.

•           Erhebung zum konkreten Wissensstand von Kindern und Jugendlichen, um ge­zielte Angebote setzen zu können und zu wissen, wie der Corona-Lockdown sich im Detail ausgewirkt hat.

•           Inklusive Angebote, um die Einzementierung der Bildungsungleichheit zu verhin­dern.“

Zuweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie und Jugend

1              https://www.volkshilfe.at/wer-wir-sind/aktuelles/newsaktuelles/umfrage-zu-corona-und-kinderarmut/

2              https://wien.orf.at/stories/3050410/

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, er ist ordnungsgemäß eingebracht und er steht auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Hermann Weratschnig. – Bitte, Herr Abgeordneter.